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Kunst, d. h. dem Vorhandensein von Mei stern künstlerischen Gestaltens und dem Gegenstände der gesellschaftlichen Wirk lichkeit gibt es eine klassische Formulie rung, die dazu angetan ist, uns auch in un serer hochaktuellen Diskussion über neue und neueste Kunstwerke und Probleme ge danklich zu bereichern; wir meinen jene oft, und auch zu recht oft zitierte tiefgrün dige Stelle aus Goethes „Literarischem Sansculottismus", an der er den Begriff des klassischen Nationalautors definiert: „Wann und wo entsteht ein klassischer Nationalautor? Wenn er in der Geschichte seiner Nation große Begebenheiten und ihre Folgen in einer glücklichen und be deutenden Einheit vorfindet; wenn er in den Gesinnungen seiner Landsleute Größe, in ihren Empfindungen Tiefe und in ihren Handlungen Stärke und Konsequenz nicht vermißt; wenn er selbst, vom National geiste durchdrungen, durch ein einwoh nendes Genie sich fähig fühlt, mit dem Vergangenen wie mit dem Gegenwärtigen zu sympathisieren; wenn er seine Nation auf einem hohen Grade der Kultur fin det ... wenn so viel äußere und innere Umstände Zusammentreffen, daß er ein großes Werk zu übersehen, zu ordnen und in einem Sinne auszuführen fähig ist.“ Das künstlerisch-produktive Vermögen ist nach Goethe also mit dem gegebenen Gegenstand verankert, dieser Gegenstand wird aber gefaßt als ein Prozeß, der wie derum nur als solcher versteh- und gestalt bar ist. Nur die Einheit von Geschichts- und Perspektivbewußtsein und die Fähig keit des Künstlers, sich und sein Werk in eine Entwicklungslinie einzuordnen und es ebenfalls als Teil eines Prozesses zu sehen und zu erkennen, vermag die klasssische Gestaltung zu ermöglichen. Wir hatten vorhin festgestellt, daß der Künstler seine Beziehungen zur objekti ven Welt nur richtig bestimmen kann, wenn er sich die Positionen der Partei aneignet. Dieser Gedanke erhält nun einen neuen Aspekt: Um mit „Vergangenem wie mit dem Gegenwärtigen zu sympa thisieren" muß der Künstler genaue Kennt nis der geschichtlichen Bewegung und seiner eigenen Funktion in ihr haben, muß sich mit der gesellschaftlichen Entwicklung auf das nachdrücklichste verbunden füh len. In unserer heutigen Zeit kann das eben nur heißen, den Klassenstandpunkt der fortgeschrittensten Klasse — der Ar beiterklasse — einzunehmen und mit der Avantgarde der Arbeiterklasse, der Par tei, ihre welthistorische Mission, den Auf bau des Sozialismus, zu erfüllen. Die Forderung nach künstlerischer Mei sterschaft und Wahrheit stellt sich also die Aufgabe, eine sich verändernde, in ständigen Progreß befindliche Wirklichkeit in künstlerischen Bildern zu reproduzieren, denen unbedingt Einstimmigkeit mit dieser Dynamik der gesellschaftlichen Wirklich keit eigen sein muß, und zwar so, daß sie wiederum selbst fördernd und stimu lierend, also aktiv, auf die Wirklichkeit rückwirken. Auf unsere Probleme bezogen formuliert: Indem die Partei das gesellschaftliche Leben unserer sozialistischen Gesellschaft formt, sich um die Herausbildung neuer menschlicher Qualitäten müht, vermittelt sie gleichfalls ein produktives Verhältnis zur gesellschaftlichen Realität, ist bahn brechend auf dem Weg konstruktiver Auseinandersetzungen mit der Wirklich keit und gibt damit, auch durch die er zieherische Tätigkeit in den eigenen Rei hen, dem Künstler die Möglichkeit, seine Beziehungen so zu formen, daß er sie im Kunstwerk den gesellschaftlichen Erfor dernissen entsprechend optimal gestalten kann, daß er in die Lage gesetzt wird, sich seinem Gegenstand würdig zu erwei sen. Die künstlerische Wahrheit, bestimmbar aus dem Wechselverhältnis von Gegen stand und Kunstwerk, das einerseits das Umschlagen von Wirklichkeitsmomenten in das künstlerische Gebilde beinhaltet und das andererseits die bildende Funk tion des Kunstwerkes im gesellschaft lichen Leben enthält, ist für den Künstler so eine sehr umfassende Forderung, der er nur nachkommen kann, und darum ging es auch letztlich auf dem 11. Plenum, in dem er in die Dialektik unserer Entwick lung eindringt und sie in ihrer Gesamtheit versteht, um sie dann in entsprechender Weise im Schaffungsprozeß umsetzen zu können. An diesem Punkt verknüpft sich die Pro blematik der künstlerischen Wahrheit auf das innigste mit dem Problem der Freiheit des Künstlers und mit der Kategorie der Parteilichkeit. Worin erscheint die Freiheit des Künst lers? Worin besteht seine Möglichkeit; künstlerisch wahre Bilder zu gestalten? Gehen wir auch hier wieder von der marxistischen Grundbedeutung des Wortes Freiheit aus. Freiheit ist uns in der „ . Einsicht in die objektive Notwendigkeit und in der darauf beruhenden Fähigkeit, die Gesetzmäßigkeiten mit Sachkenntnis bewußt anzuwenden und auszunutzen..." gegeben. Kann also ein Künstler frei sein; wenn er sich im Sinne Heyms selbst aus der gesellschaftlichen Praxis heraushebt, wenn er seine Funktion als außerhalb un seres Kampfes stehendes Gewissen und Wissen auffaßt und letztlich seine Aufgabe