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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 10.1966
- Erscheinungsdatum
- 1966
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196600005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19660000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19660000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 10.1966
-
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mit der prag ¬ heißt: Wer Westberlin als ,Pfahl im erwähnt wird Reaktionen mögliche die Zeichen ihre Wirkung zusätzlich — lenten oder Kommunikation scheint es zur ion zu betrachten Es versteht sich, des ( ehren N halbe der Anschaulichkeit wir nun halber, aber auch aus Gründen drin ¬ betriebene Agitation beileibe keine leichte Angelegenheit! Es gibt also Prag- des Briefwechsels SED—SPD es treffend am Schluß hat und uns die — kein Ausweichen. Pragmatisch wird bei eine Terminologie aufgeboten, die gleich Prinzipienfestigkeit und Geduld Geltung bringt. Als Beispiel sei etwa Argumentation zur Westberlinfrage R R R R (Z, M) (Z. A) (Z,O) (Z, Z) um zu Informations- Tat auf einem gegen die wissen- Vernunft und des werden kann, so keinesfalls behaup- härtung der Fronten, schaftliche Politik der Friedens ausgebeutet haben wir damit eben dann einen relativen Eigenwert, der sich natürlich auf eine korrekte Abbildrelation beruft, aber in Wirklichkeit dieser nicht mehr voll bedarf, um auf die Zeichen- rezeptienten einen gewissen Eindruck zu machen. Lügen und Irrtümer können poten tiell ebenso Denken kanalisieren und Ver halten ausrichten wie wahre Aussagen. verstärkend oder abschwächend grifflichen Ladung — ausüben. Der historische Materialismus mit wissenschaftlicher Exaktheit Pragmatik Semantik Sigmatik Syntaktik sich in geführt. Hier wird nicht einfach Meinung gegen Meinung gestellt, sondern unter Be- rücksichtigung gerade des wichtigen sprach lichen Kontextes argumentiert, wenn es da- zu- zur die an- d. h. be- ion der Sprache streng zu trennen, täglichen Sprechen, Schreiben. Hören, 806 angebracht, die Wirkungsweise der ■ ache einmal gesondert von der Abbild- fixiert haben. Dabei Aber alle um Schritt Wille vor klären und zählen. Der semantische gehalt ist demnach in der niedrigen Niveau. Wie steht es aber nun Fleisch der DDR, ,als billigste Atom bombe', als .Störenfried' ansieht, sollte sich nicht darüber beklagen, daß die Regie rung der DDR die friedliche Arbeit und Sicherheit ihrer Bürger schützt.“ Ähnlich wirksam und für die westdeutschen Leser zum Nachdenken anregend scheint mir auch die Zurückweisung der „Mauer“-Dis- kussion zu sein: „Jedenfalls behindert nicht die Grenze, sondern die Mauer des kal ten Krieges und des Antikommunismus das Zusammenfinden.“ Es ließen sich noch viele solcher Beispiele anführen. Der Ge- samteindruck verdichtet sich dahingehend, daß unsere Sprache an Verständigungs willen und historischer Einsicht aus der Perspektive der Arbeiterklasse gleicher maßen appelliert. Unsere Formulierungen wollen zum Umdenken aufrufen. Die Prag matik der „Offenen Antwort“ des SPD- Vorstandes geht auf ein distanziertes Zu rechtweisen aus. Nun muß man sich sehr davor hüten, sofort mit einem Erfolg, d. h. mit einer Akzeptierung unserer Argumentation zu rechhen. Dieses wäre wiederum eine arge Verkennung des pragmatischen Kontextes, in dem sich speziell die SPD zur Zeit noch eingeschlossen befindet... Im Falle des Dialogs zwischen den bei den größten deutschen Parteien spielt sich die aktuelle Argumentation vor einem besonders vielschichtigen pragmatischen Hintergrund ab In unserem sozialistischen Staat entwickelt sich eine neue Ideologie, _ die im Einklang mit der historischen Ent wicklung der Produktivkräfte und Pro duktionsverhältnisse steht. In Westdeutsch land herrscht noch die bürgerliche Ideo logie mit allen ihren pragmatischen Sym ptomen vor. Aus diesem Widerspruch kann man nicht allein durch Gespräche heraus- kommen. Der von unserer Seite begon nene Briefwechsel soll der SPD helfen, sich auf ihre Verantwortung als Arbeiter ¬ schmuggelt man die revanchistische Kon terbande gewissermaßen auf höchst legale Weise ein. Wer kennt denn schon die ver wickelten Zusammenhänge der Protokolle von 1945? Eben diese Wirkung der „Grenz formel“ ist ein typisches Beispiel für'die Pragmatik. Wie heißt es im „Faust“ nach der Devise Mephistos: „Im ganzen — haltet Euch an Worte! Dann geht Ihr durch die sichre Pforte zum Tempel der Gewißheit ein.“ Den verdutzten Schüler, der verwirrt fragt „Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein“, beschwichtigt Mephisto schnell, in dem er ihm die ganze Palette der prag matischen Möglichkeiten offeriert: „Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen; Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Mit Worten läßt sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten. An Worte läßt sich trefflich glauben, Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.“ Natürlich ist das alles ironisch gemeint, aber Ironie schöpft ja einen Gutteil ihrer Schärfe aus der latenten Glaubhaftigkeit einer zugespitzt ausgedrückten Sachlage. Gerade die mephistophelische Ironie lebt von diesem Spannungsverhältnis. Eigent lich ist jede Lüge, jeder unwahre Begriff, der geglaubt wird, oder besser: der eine Wirkung ausübt, eine Art Ironie. Wie sagte einst Hitler: „Die Lüge muß nur groß genug sein, um sie dem Volk glaub haft zu machen!“ Was da eben an der Lüge glaubhaft ist, das ist nicht zuletzt der Ernst, die gespielte Aufrichtigkeit, der Kontext von Scheinwahrheitten, in dem sie vorgebracht wird. Aber eben die Lüge als Phänomen wirkender Sprache ohne exakte, objektive wahre semantische In formation ist wiederum ein Schlüssel begriff der Pragmatik. Natürlich gehört hierher — leider nicht immer fein säuber lich zu scheiden — der Irrtum. Beiden ist gemeinsam der mangelnde Wahrheits gehalt. Es wird bewußt oder unbewußt eine Fiktion in Worte gekleidet und als Wahrheit ausgegeben. Einmal in die Welt gesetzt, erhalten die sprachlichen Zeichen klasse und der glücklichen Zukunft deutschen Volkes.“ Dem Einfluß dieser Sprache wird die westdeutsche Sozialdemokratie Partei zu besinnen. Wie heißt und pragmatisch überzeugend unseres Antwortschreibens: „Aller Anfang ist schwer. Schwierigkeiten können Schritt überwunden werden, wenn der handen ist. strittige Fragen zu man natürlich auch bei diesem Ver- Banzn das, was die Sprache bezeichnet, nie matischen Information? Nehmen wir gleich wieder die berühmte Formel „Grenzen, wie sie am 31. 12. 1937 bestanden“. Sie macht einen juristisch fundierten Eindruck. Wer an ihr- rüttelt, vergreift sich am Recht, am Völkerrecht wie am emotional auf geladenen „Heimatrecht“. Sie wirkt — diese Formel — so rechtschaffen, wie eben ein einmal kodifizierter juristischer Sachver halt wirkt. Wer sich gegen sie wendet, ver geht sich gegen den Buchstaben des Ge setzes. Sie klingt ganz und gar nicht wie Revanchismus. Zum „Revanchismus“ hat der Bonner Minister Seebohm übrigens bereits das „Wesentliche“ ausgesagt: „Wie die Italiener das Wort .Irredenta' so be nutzen die Franzosen das Wort .Revanche', wir Deutschen dagegen kennen nur das .Recht auf Heimat'.“ Eine typisch prag matische Bemerkung, die wiederum mit semantischer Information nicht das ge ringste zu tun hat, wohl aber auf die „ur eigene Macht“ des Wortes abzielt Der in unserem Zusammenhang entschei dende Sachverhalt ist eben „Zurschau- tragen“ des Rechts durch die scheinbar un abweisbare Formel „Grenzen von 1937“. Man drückt sich mit den nüchternen Wor ten der Rechtssprache aus, die außerdem noch die Siegermächte — wohl in einem anderen Zusammenhang, der aber nicht gemeinsam zu jenem Ufer zu kommen, auf dem des deutschen Volkes gute Zukunft liegt... Sie können versichert sein - werte sozialdemokratische Genossen —. daß trotz aller noch vorhandenen Gegensätzlichkeiten wir auch weiterhin in jenem Geiste wirken werden, der unseren offenen Brief durch dringt. Es kann zwischen SED und SPD nicht darum gehen, daß einer über den an deren obsiegt, sondern beide müssen wir ge winnen, zum Wohle der deutschen Arbeiter- Tat sind Formulierungen wie „Die kommu- nistische SED hält nach wie vor an ihrer Rolle als monopolistische Partei im sowje tisch kontrollierten Teil Deutschlands fest“ oder „Sie verficht nach wie vor die Ab sicht, im Geltungsbereich des Grundgesetzes die Grundlagen einer freiheitlich demokra tischen Ordnung im Sinne ihrer eigenen Vorstellungen zu beseitigen“ oder „Die SED hat eine erste Krise vorbereitet und an geheizt“ oder „Die SED versucht weiter hin, Westberlin zu isolieren“ oder „(Laut Potsdamer Abkommen) besteht Deutsch land ... als Ganzes in den Grenzen von 1937 fort“ usw. usf., glatte Erfindungen. Wir haben ein paar eklatante Beispiele ausgewählt. Diese Feststellungen also ent behren jeglicher Grundlage. Sie sind hin sichtlich des Abbildwertes unwahr oder entstellend. Was die Entstellung betrifft, so sei noch einmal das letzte Beispiel auf gegriffen, in dem von den Grenzen von 1937 die Rede ist. Es ist nirgendwo im Potsdamer Abkommen ausgeführt, daß Deutschland bis zur Friedensregelung „in den Grenzen von 1937“ fortbestehen solle. Lediglich in einem Zusatzprotokoll zur Kapitulation kommt die Wendung „in den Grenzen von 1937“ vor. Allerdings, und da her die Entstellung, heißt es dabei jedoch, daß die deutschen Soldaten nach ihrer Ge fangennahme auf dem Territorium Deutsch lands innerhalb der Grenzen von 1937 zu entwaffnen seien. Es handelt sich also um einen ganz anderen Zusammenhang. Die Aussagen der „Offenen Antwort“ haben demnach keinen Wahrheitswert. Sie halten keiner wissenschaftlichen Prüfung stand. Sie stehen nicht im Einklang mit dem Gang der Geschichte in Deutschland seit 1945. So ließen sich Satz für Satz in der „Offenen Antwort“ ähnliche unrichtige oder unscharfe semantische Informationen auf- Es versteht sich von selbst und ist eine typische Folge aus dem Gesagten, daß die Pragmatik nicht nur als Wortabstempe lung das Denken und Handeln beeinflußt, sondern auch auf prinzipiell der gleichen Basis „positive Wörter“ der Taktik der Wortverhüllung dienen sollen. Entweder werden reaktionäre Begriffe in ein an sprechendes sprachliches Gewand gekleidet oder — das möchten wir auch noch zur Wortverhüllung im weiteren Sinne zählen — es werden heikle, aber entscheidende Inhalte umgangen und dafür populäre, scheinbar vordringliche Begriffe sprachlich in den Vordergrund gerückt. Schauen wir unter diesem Aspekt die sogenannte „Offene Antwort“ der SPD wieder an, so fallen eine Menge dieser, nennen wir sie einmal Prestigephrasen, sogleich auf: „Freizügig keit, Reisemöglichkeiten innerhalb Deutsch lands, Nachbarschaftsverkehr, Bewußtsein der Zusammengehörigkeit, von unnötigen Fesseln befreiter Austausch, praktische Er leichterungen im geteilten Deutschland“ u. ä. Es ließen sich auch hier wieder die beiden Funktionen aufführen, die wir weiter oben bei der Wortabstempelung fanden. 1. Identifizierung mit dem demagogi schen Wortbrauch, wie ihn die Bonner Sprachregelung vorschreibt. 2. — und das ist wieder die entschei dende Seite — haben diese abgegriffenen, aber populären Scheidemünzen der Propa gandasprache die Bestimmung, das Nicht eingehen auf Grundfragen der Gestaltung der deutschen Zukunft zu verhüllen. Da durch soll als Tugend erscheinen, was in Wirklichkeit eine Unterlassung ist. Diese Tugend tritt außerdem mit dem Anspruch auf, die den einzelnen in seinem persön lichen Leben primär angehenden und interessierenden Probleme aufgegriffen zu haben. Hier zeigt sich natürlich erneut, daß man Pragmatisches auf die Dauer nicht von Semantischem trennen kann ... Es lohnt sich aber doch, so meinen wir, diese Taktik zunächst einmal in ihrer pragmatischen Komponente zu durchschauen. Denn es kann uns — und dafür ist übrigens die Antwort des ZK der SED ein sehr beredtes Zeugnis — doch nicht nur um die Widerle gung der Entstellungen und Anwürfe seitens der SPD-Führung von unserem Standpunkt der fortgeschrittenen Gesellschaftswissen schaft aus gehen. Es muß uns am Herzen liegen, das Mißverhältnis zwischen nied rigem semantischem Niveau und hohen pragmatischen Ansprüchen bloßzustellen. Tun wir das nicht, so laufen wir Gefahr, bei manchem wohlmeinenden Leser oder Zuhörer die Reaktion zu erzeugen, daß es unserer Seite wohl um die möglicherweise entscheidenden Grundfragen, der anderen Seite aber um die persönlichen Sorgen des einzelnen geht. ihrem Denken und Handeln gewiß nicht auf die Dauer verschließen können, wenn sie es als Arbeiterpartei wirklich ernst meint... ^Sender Aktualität zu unserem Aus- ofgsbeispiel zurück. Die Kollegen, die die Nivfene Antwort“ des SPD-Vorstandes als tgfaulos bezeichneten, beziehen sich offen- "tlich auf die Relation R (Z. A). In der sozialistische Praxis mit konkreter An schaulichkeit gelehrt und bewiesen, daß die Wahrheit auf unserer Seite ist Nie mand kann diese historische Erkenntnis auf die Dauer leugnen. Aber eben haben wir absichtlich das einschränkende „auf die Dauer“ eingefügt. Darauf kommt es in unserem Zusammenhang an. Wie lange diese Wahrheit braucht, um allen einzu leuchten und jedermann als seine Wahrheit einzugehen, die sein persönliches Leben nachhaltig zu gestalten, vermag, das hängt in hohem Maße von unserer Tätigkeit ab, wie wir unsere wissenschaftlichen Ein sichten — auf unser Beispiel angewandt: unsere auf der Erfahrung der Geschichte und ihre Lehren aufbauende Konzeption — durchzusetzen in der Lage sind. Bei die sem Kampf der Überzeugungen ist es von maßgebender Bedeutung, wie wir uns der vorhandenen pragmatischen Beziehungen zwischen Z und M bedienen. Jawohl, ich spreche bewußt von „bedienen, ausnutzen“, weil wir mit gutem Gewissen sagen kön nen, daß es uns nicht um eine Zementie rung der Spannungen und Unterschiede, sondern um eine Veränderung im Sinne des Fortschritts für ganz Deutschland geht. In diesem Sinne wirkt die Antwort des ZK der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auf die „Offene Antwort“ der SPD bereits in ihrem Ton, in der Wahl der Termini wie im aufgeschlossenen Duktus der Argumentation außerordentlich beson nen und exakt abgewogen. Sie ist ein Musterbeispiel für eine wissenschaftlich Aus einem Vortrag am 18. April 1966 im Marxistischen Kolloquium an der Philologischen Fakultät n" eszav »5 nV 6) enP matik im Negativen wie im Positiven, weil sprachliche Zeichen gegen oder für den Fortschritt auf geboten werden. Es ist leicht zu begreifen, daß eine der historischen Wahrheit dienende Propa ganda erhebliche Probleme zu bewältigen hat. Sie hat eben — last, but not least — mit propagandistischen Mitteln Bereit schaft zum Zuhören zu wecken. Sie muß die Barrieren aus dem Weg räumen, die eine reaktionäre Sprachregelung in den Weg gelegt hat. Dieselbe Schwierigkeit tut sich natürlich auch für unser Wort für die Bevölkerung Westdeutschlands auf. Es muß der Boden bereitet sein, damit eine Mitteilung „ankommt“. Es lohnt sich nun hier wirklich, unter diesem Gesichtspunkt die Antwort des ZK der SED auf die „Offene Antwort“ des Vorstandes der SPD aufmerksam zu studieren. Es scheint uns, daß in der Tat jede sich bietende Ge legenheit auf der propagandistischen Ebene genutzt werde, um zu Herz und Hirn der sozialdemokratischen Genossen vorzudrin gen. Dies beginnt bereits mit der Anrede und endet mit der Unterschrift, wie es sich für einen Brief, der an die Verständigungs bereitschaft appelliert, gehört. Von tiefem Verständnis für die pragmatischen Wir kungszusammenhänge zeugt auch z B. die Reaktion auf die in unserem Vortrag z. T. zitierten pragmatisch drapierten seman tischen Nullstellen des SPD-Schreibens: „Sozialdemokratische Politiker haben die Vermutung geäußert, mit unserer Initiative für eine Annäherung und Zusammenarbeit wollten wir die SPD durcheinanderbringen oder gar bevormunden. Wir erklären aus drücklich, daß unsere Initiative und Vor schläge einzig und allein der Verständigung dienen sollen. Eben aus diesem Grunde sehen wir auch davon ab, auf gewisse Ent gleisungen in der Richtung persönlicher Dif famierung und beleidigender Unterstellun gen in der „Offenen Antwort“ des SPD- Vorstandes zu reagieren. Wir sind der An sicht, daß es unserem großen Anliegen dienlich ist, sachlich die Meinungen auszu tauschen — mögen sie vorerst auch noch so weit auseinandergehen — und nach einem guten Ergebnis zu streben.“ Unsere „Antwort“ setzt sich detailliert mit der Meinung des SPD-Vorstandes auseinander. Es gibt — semantisch gesehen D iese Haltung müssen wir immer wie der einkalkulieren. Um ihr zu begeg nen, kann man nicht mit Ungeduld dozieren und beleidigt schweigen. Hier er öffnet sich vielmehr ein Bereich, der die Problematik des Pragmatischen wiederum in einem neuen Licht erscheinen läßt. Haben wir bisher aufgeführt, wie die „Macht des Wortes“ im Interesse der Ver- W enn wir wieder die „Offene Ant wort“ des SPD-Vorstandes zur Hand nehmen, so finden sich eben leider in Fülle Formulierungen wie: „Zwangs weise Einverleibung der SPD“, „Spielen mit dem Kriege“ (ausgesagt über die SED), „Volksfrontmanöver“, „angeblich® Schritte zur Rüstungsbegrenzung“, „die Unter drückung In der Zone“. Überhaupt der Ausdruck „Zone“, der ständig gebraucht wird — mit einer Ausnahme: „sowjetisch kontrollierter Teil Deutschlands“ —, gehört in das gleiche Arsenal von Termini, denen man — in prägnanter Hinsicht zumindest — zwei Funktionen nachsagen kann: Erstens sind es eine Art Rückversiche rungsformeln, mit denen sich der SPD- Vorstand von den Regisseuren der öffent lichen Meinung in Westdeutschland das Recht einhandelt, überhaupt auf den von uns vorgeschlagenen Briefwechsel ein zugehen. Es ist also eine ziemlich weit gehende Konzession an die herrschende Bonner Sprechregelung — übrigens wieder eine charakteristische pragmatische Erschei nung. Gerade diese für einen Briefwechsel zwischen Arbeiterparteien unwürdigen Entgleisungen zeigen — von der Sprache her —, wie stark die Abhängigkeit von der Deutschland-Konzeption der CDU ist. Ich möchte hier wohlgemerkt nicht so ver standen sein, als meinte ich nur die for male Seite inhaltlicher Gemeinsamkeiten mit der regierungsoffiziellen Linie in Bonn. Die Pragmatik meint prinzipiell mehr. Und darin liegt eben die aktive Rolle der Sprache, nicht einfach ihre „Trägerfunk tion“ für Inhalte, Abbilder, Gedanken, Vor stellungen: Die Bonner Sprachregelung — die sich auch ganz spezifischer regie rungsamtlicher Verlautbarungen und An weisungen bedient — ist ein selbständiger Programmpunkt im politischen Konzept der CDU. Damit sind wir bei der zweiten Funk tion dieser „differenzierenden Wortstempel“ angelangt. Sie sind darauf abgestimmt, beim Leser oder Zuhörer von Vornherein negative Reaktionen auszulösen. Ein Ter minus wie „Volksfrontmanöver“ ist dafür überaus typisch. Hier soll bewußt jeder noch so vorsichtige Versuch — übrigens auch besonders seitens der Mitglieder der SPD! — einer Zusammenarbeit der Arbei terparteien bzw. aller an einer friedlichen Zukunft Deutschlands interessierten Kräfte abgewertet werden. Man will mit solchen Ausdrücken aufkeimende Bemühungen, Bewegung in die starre Politik der Nicht anerkennung von Gemeinsamkeiten mit dem Osten zu bringen, in ein trübes oder zumindest zweideutiges Licht setzen. Ein neuer Gedanke wird auf diese Weise von vornherein diskreditiert und in einen an rüchigen Bezug zur Vergangenheit und zu anderen Ländern gebracht. Es ist be- zeichnend, wie dieser Praktik der Diffamie rung, des „Heruntermachens“, im gleichen Satz noch durch den Gebrauch betont umgangssprachlicher, ja salopper Wendun gen nachgeholfen werden soll. Es heißt nämlich unter anderem: „Für Volksfront manöver sind die Sozialdemokraten nicht zu haben“. Hier wird ganz überlegt mit dem Ton variiert, hier sollen ganz be stimmte Kreise — ich möchte sagen, beson ders die einfachen westdeutschen SPD- Mitglieder — angesprochen werden. Hier rechnet man sich eine Breitenwirkung aus. Die Sprache soll hier unterstützend wir ken. Gerade diese zweite Funktion ist natür lich alles andere als neu. Seit eh und je, das heißt solange es Klassengesellschaften gibt, haben die Vertreter der herrschenden Klasse versucht, die Ideen des Fortschritts in sprachliche Fesseln zu legen. Typische Fälle sind etwa die Assoziierung des Wort gebrauchs des aufsteigenden Bürgertums in der Französischen Revolution mit der Sprache der Verbrecher und Gotteslästerer. So wurden die revolutionären Losungen, allen voran die Termini „Liberte, Egalite, Fraternite“, die die neue Ordnung program matisch kennzeichneten und zugleich das Denken und Handeln der revolutionären Massen aktivierten, von den Verfechtern des Status quo, des Rückschritts, in den Schmutz gezogen. Es gab sich zum Beispiel das 1799 in Venedig anonym erschienene satirische Lexikon „Nuovo Vocabolario Filosofico-Democratico“ als „unentbehrlich für alle diejenigen“ aus, „die die neue revolutionäre Sprache verstehen wollen.“ Der Autor des Werkes, das mehr einem politischen Traktat als einem Wörterbuch gleicht, nimmt sich die Ausdrücke der Re volution zur Zielscheibe. Er versucht, sie konsequent abzuwerten und Wort um Wort eine Aura des Hassenswerten zu schaffen. Dadurch — und das ist die Ausnutzung der Pragmatik im negativen Sinne — soll das Neue der semantischen Information ver dunkelt werden. Den Begriffen soll durch die Errichtung von hemmenden Barrieren der Weg zum Ohr verlegt werden. Es wird gewissermaßen eine Schablone aufgelegt, die vorschreibt, in welcher Weise man ein Wort aufzufassen habe. Die Interessen des Neuen werden so von den Gegnern bewußt verzeichnet... v wn Übereinstimmung mit Georg Klaus • W en wir zunächst jenes bereits ab- hSeckte Feld der Wirkungszusammen- 2enge zwischen Z (Zeichen) und M (Mensch, nenfhenbenutzer) als Pragmatik bezeich- te7 Es kann uns hier nicht darum gehen, Ausdruck im einzelnen zu begründen ni ihn von allen falschen Assoziationen Mder Philosophischen Richtung des Prag- resHismus zu reinigen. Das hat Klaus be- 5 zur Genüge getan, und ich darf hier äuf verweisen. URragmatik ist ihrerseits wieder eine audterdisziplin der Semiotik. Diese unter- 8ht die Sprache in der Gesamtheit ihrer ‘üge zum Menschen, zu den Abbildern aBewußtsein, zu den Objekten und Re- 20nen der Realität und schließlich auch 8 den Elementen und Strukturen der enache selbst. Wir gelangen dabei zu er Viergliederung in r.,. -enVv-nu-ll- i ohlgemerkt, es erfolgt diese Wirkung lO t"ö 6unht isoliert. Sie ist nicht von der Abbild- m \ L äcb biben wirken die Zeichen jeweils als Kom- 40 i Zum Zwecke der Analyse der Kom- nik r ta a( liev d'«‘i P 1 , n Aussprachen über den Briefwechsel zwischen den beiden größten deutschen 1 Arbeiterparteien hörte man an der Uni- lersität häufig das Argument, die „Offene Antwort" des SPD-Vorstandes auf den ^ten Brief des ZK der SED sei niveau- 93, der wissenschaftliche Gehalt sei gleich Null und könne sich nicht im geringsten Nit der Verantwortung und Exaktheit mes- en, mit der unsere Partei sich in ihrem ^sten Schreiben den Grundproblemen der Deutschen Frage zugewandt habe. Es sei Hirklich eine Zumutung, unbedingt noch darauf wieder eine Antwort von unserer I Seite zu erwarten. | Dieses Beispiel ist, so glaube ich. charak- leristisch für viele ähnliche Situationen, n denen wir eine entscheidende Erkennt- 2s des Marxismus in bester Absicht in Qen Wind schlagen. Ich möchte versuchen, r® begrifflichen Raum abzustecken, der 5 uns ermöglicht, die Problematik des an- seführten Beispiels und seine Typik zu Aberschauen. Vereinfachen wir zunächst GtWas: eine Aussage erweist sich — bei wissenschaftlicher Überprüfung — als nicht Bttchhaltig, als verzerrtes Abbild der Reali- Sit, als unwahr, sei es nun als Irrtum oder ds direkte Lüge. Formalisiert ausgedrückt, Ge Zeichenfolge Z ungleich A (O). Z = Zei- flen, A = Abbild, O = Objektive Realität, als: Z ist kein A(bbild) von O. Damit ist ich gemeint, die semantische Information fVon Z trifft nicht den objektiven Sach- l^alt von O. Sie entstellt O in unserem “Sewnaßtenin Sie ist Unwahrheit oder Teilwahrheit. In dieser Weise man mit Fug und Recht über die I"ffene Antwort der SPD“ urteilen. IwDer Abbildgehalt oder der begriffliche Hwert Von sprachlichen Zeichen — also ihre I"ahrheitsfunktion — ist aber nun eben Hüddht alles, was das Wesen der Sprache in gesellschaftlichen Kommunikation aus- • dacht. Es kann ein Abbild falsch sein und Iwnnoch eine Wirkung ausüben. Sowohl IMahrheit wie Entstellung vermögen den rauschen zu beeinflussen, sind in der Iwe, Denken und Handeln zu steuern. I"r hatten in unserer formalen Darstel- IHDg die 4. Komponente der Kommuni- INtion, M, den Menschen, ausgelassen. Huabei zeigt der Gang der Geschichte, daß Min letzter Instanz immer die wahren GGriffe und Urteile gewesen sind, die sich Trehgesetzt haben. sDas sprachliche Gewand kann diesem 128 der Wahrheit hinderlich oder förder- sein. Ebenso können sprachliche Zei- Ik®. also Wörter und Sätze und unter tiständen ganze Textgestalten als Hülle S irrige und ausgesprochen rückschritt- Mde Ideen und Vorstellungen dienen. Ja, ™a9 muß hinzufügen, sie können der Re- Blion gut oder zumindest wirkungsvoll T “Snen. ADamit haben wir einen Sachverhalt um- Thrieben, der keineswegs als paradox und BEällig hingestellt werden kann, sondern W8 Zentrum dessen, was wir Kommuni- "Tion nennen, führt: t Sprachliche Aussagen bilden objek- k 6 Zusammenhänge ab (richtig oder fälsch ß R02 aus den Augen verlieren darf und s "hn ... 3- • - - ji 1 , ■ teilweise richtig oder falsch). w. Diese sprachlichen Formulierungen Iwuken auf die Menschen ein, und zwar gte 9 kuFken sie in diesem allgemeinen Sinne 5180 jeden Fall Sie können beeindrucken len ' 2r abstoßen, nützen oder schaden, för- kal ' nliches Interesse oder hemmendes Des- nsti ngeresse, Freude oder Verärgerung — M d na einige möglic n “ hervorrufen. ten wollen, daß die Nutzbarmachung der Relation Z — M prinzipiell verwerflich, reaktionär sei. Der Einfluß der Sprache auf die Sprachträger ist eine unverrück bare Tatsache. Es kommt nur eben darauf an, in welchem Interesse, zu welchem Zwecke, kurz: mit welcher Parteilichkeit
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