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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 9.1965
- Erscheinungsdatum
- 1965
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196500003
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19650000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19650000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 9.1965
1
- Ausgabe Nr. 1, 07.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 2, 14.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 3, 21.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 4, 28.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 5, 04.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 6, 11.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 7, 18.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 8, 25.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 9, 11.03.1965 1
- Ausgabe Nr. 10/11, 18.03.1965 1
- Ausgabe Nr. 12, 25.03.1965 1
- Ausgabe Nr. 13, 01.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 14, 08.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 15, 15.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 16, 29.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 17, 06.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 18/19, 13.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 20, 20.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 21, 28.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 22/23, 10.06.1965 1
- Ausgabe Nr. 24, 17.06.1965 1
- Ausgabe Nr. 25, 24.06.1965 1
- Ausgabe Nr. 26, 01.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 27, 08.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 28, 15.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 29, 22.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 30/31, 29.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 32/33, 26.08.1965 1
- Ausgabe Nr. 34, 02.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 35, 16.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 36/37, 23.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 38, 30.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 39, 07.10.1965 1
- Ausgabe Nr. 40, 14.10.1965 1
- Ausgabe Nr. 41, 21.10.1965 1
- Ausgabe Nr. 42, 28.10.1965 1
- Ausgabe Nr. 43/44, 04.11.1965 1
- Ausgabe Nr. 45, 11.11.1965 1
- Ausgabe Nr. 46, 18.11.1965 1
- Ausgabe Nr. 47, 25.11.1965 1
- Ausgabe Nr. 48/49, 02.12.1965 1
- Ausgabe Nr. 50, 09.12.1965 1
- Ausgabe Nr. 51, 16.12.1965 1
-
Band
Band 9.1965
1
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Innerdeutscher Handel mit Perspektive? »Wir erwarten zur Messe viele westdeutsche Gäste, die hier ihre in- ternationalen Geschäftsbeziehungen Pflegen wollen. Wie sieht es aber gegenwärtig im innerdeutschen Han- del aus? Spielt er noch eine Rolle? Hat er eine Perspektive?“ (Binnen händler). Wir baten Prof. Dr. Gün ter Fabiunke, Institut für Poli tische Ökonomie, zu antworten. Beginnen wir beim Ausgangspunkt der ge stellten Frage. In der Tat werden wir zur diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse eine außerordentliche Zahl westdeutscher und Westberliner Gäste bei uns haben. Allein die Zahl der unmittelbar an unserer Jubiläums- messe aus Westdeutschland und Westberlin teilnehmenden Aussteller ist enorm. Wäh rend es im Vorjahr lediglich 820 Firmen aus Westdeutschland und Westberlin waren, die als Aussteller auf der Leipziger Frühjahrs- messe auftraten, sind es in diesem Jahr 1000, die einen nahezu idealen Querschnitt der westdeutschen, und Westberliner Industrie repräsentieren. Die von ihnen beim Leipzi- 8er Messeamt gemietete Ausstellungsfläche erweitert sich gegenüber 1964 um 50 Prozent auf den beachtlichen Umfang von rund 35 000 Quadratmetern. Hierzu muß noch be merkt werden, daß es auf Grund der außer ordentlichen Nachfrage leider beim besten Willen nicht möglich war, alle Wünsche westdeutscher und Westberliner Firmen nach Ausstellungsfläche voll zu befriedigen. Forderungen nach ungefähr 5000 Quadrat meter weiterer Ausstellungsfläche konnten nicht erfüllt werden. Auch die Zahl der aus Westdeutschland und Westberlin zu erwartenden Messebe sucher wird in diesem Jahr aller Voraussicht nach eine Rekordhöhe erreichen. Die Zahl der in Westdeutschland und Westberlin in- zwischen verkauften Messeausweise liegt jedenfalls jetzt schon wesentlich höher als Zur gleichen Zeit des Vorjahres. Die verstärkte Teilnahme der westdeut schen und Westberliner Wirtschaft an der diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse, über die Wir während der Messe selbst noch wei- tere aufschlußreiche Einzelheiten in der Ta- Eespresse erfahren werden, gibt bereits eine prste Wichtige Antwort auf die Frage nach der Rolle und Perspektive des innerdeutschen wandels. Wenn nämlich westdeutsche und Westberliner Firmen als Aussteller, Anbieter Hnd Käufer diesmal in einem so großen Um- ang nach Leipzig kommen, so tun sie es of- Tsnkundig nicht nur, um die hier auf muster- iu ^ige Weise gewährleisteten Möglichkeiten zur Pflege weltweiter Geschäftsbeziehungen zu nutzen. Sie dokumentieren damit auch und nicht zuletzt ihr dringendes Interesse an der weiteren Vertiefung der 1964 auf einen außerordentlichen Höhepunkt gelangten in- herdeutschen Wirtschaftsbeziehungen. Das unmittelbare Zusammentreffen der west deutschen und Westberliner Wirtschaft mit der Wirtschaft unserer Republik auf der Leipziger Messe, das wir in den nächsten Tagen in jeder Messehalle und in jedem Messehaus erleben werden, ist erfahrungs- 8emäß eine der günstigsten Formen für die Intensivierung des innerdeutschen Handels Und wird sich zweifellos auch in diesem J ahre positiv auswirken. Die in diesem Jahr erheblich verstärkte Teilnahme der westdeutschen und Westber liner Wirtschaft an der Leipziger Messe ist aber auch noch aus einer anderen Sicht von Bedeutung für die weitere Gestaltung des innerdeutschen Wirtschaftsverkehrs. Die Teilnahme der westdeutschen und Westber liner Wirtschaft an der Leipziger Messe er- folgt schließlich — und das gibt ihr das sigentliche und entscheidende politische Ge- Wicht _ gegen den Willen der Bonner Regie- rung. Sie erfolgt gegen den Willen jener utrareaktionären, antinationalen Kräfte in Bonn, die bekanntlich nicht nur die Leipzi- 8er Messe mit allen Mitteln der politischen Diskriminierung und des Meinungsterrors 2u boykottieren versuchten, sondern auch alles in ihren Kräften Stehende tun. um dem nnerdeutschen Handel ständig neue poli- Sische und administrativ-bürokratische Hin- dernisse in den Weg zu stellen. So gesehen, ist das verstärkte Auftreten der Westdeutschen und Westberliner Wirt- schaft auf der diesjährigen Leipziger Messe ein recht-lehrreiches Beispiel für eine echte und konstruktive Alternative gegenüber der Verständigungsfeindlichen und unvernünfti- Een Bonner Deutschland-Politik. Wenn sich die einsichtsvollen und an ehrlichen, sach- ichen und normalen Beziehungen inter- essierten Kreise der westdeutschen und Westberliner Wirtschaft in gleicher Weise und Beharrlichkeit auch auf dem Gebiet des innerdeutschen Handels durchsetzen und energisch dafür sorgen, daß alle willkür- ichen Belastungen und Beschränkungen, die 'nm seitens der Bonner Regierung auferlegt Wurden, beseitigt werden, so liegt das im In- teresse beider deutscher Staaten und West- berlins. Es fördert ihre sachliche Zusammen arbeit und trägt zur Durchsetzung der fried- “ichen Koexistenz in Deutschland bei. Die Regierung der DDR hat zahlreiche sehr konkrete und nach wie vor gültige Vor- Schläge unterbreitet, die nicht nur der Er- qeichterung, sondern auch der weiteren In tensivierung des innerdeutschen Handels auf der Basis des gegenseitigen Vorteils dienen. E8 Hegt daher jetzt im starken Maße an Cen Westdeutschen und Westberliner Wirt- schaftskreisen selbst, an dem Druck, den sie auf die Bonner Regierung ausüben, ob, wann und in welchem Umfang die auch in ihrem Sgenen wohlverstandenen Interesse liegen- den Vorschläge,der DDR zur weiteren Ent- Wicklung des innerdeutschen Handels reali- ert werden. Unsere Jubiläumsmesse 1965 seigt hierfür die reale Perspektive; sie kann zum Ausgangspunkt für eine weitere Ver- 64 besserung der innerdeutschen Wirtschafts beziehungen werden. Was übrigens die Frage nach dem gegen wärtigen Stand des innerdeutschen Handels angeht, so muß gesagt werden, daß der ge genseitige Warenaustausch in beiden Rich tungen im Vorjahr 1964 erstmalig seit Kriegsende die beachtliche Höhe von 2,2 Mil liarden MDN respektive DM erreichte. Wird der DGB seiner Verantwortung gerecht? Walter Sandring beantwortet die auf einer Gewerkschaftsver sammlung im Klinikum gestellte Frage nach der „gegenwärtigen Rolle des DGB in Westdeutschland“. Die Gewerkschaften haben heute in West deutschland eine größere Bedeutung als je mals zuvor erlangt. Das ist einmal auf eine allgemeine Gesetzmäßigkeit unserer Zeit zu rückzuführen. Sie besteht darin, daß die Rolle der Arbeiter im Weltmaßstab und in jedem einzelnen Lande größer geworden ist und dementsprechend auch die Rolle der Or ganisationen der Arbeiterklasse. Eine wei tere Ursache ist, daß der soziale und poli tische Kampf der Arbeiterklasse immer mehr miteinander verschmelzen. Das trifft in einem besonders hohen Maße auf West deutschland zu. Die aggressive Politik des deutschen Imperialismus stellt alle bisher von der westdeutschen Arbeiterklasse er rungenen sozialen Erfolge in Frage und be droht die physische Existenz der westdeut schen Bevölkerung. Die für die Aufrüstung hinausgeworfenen Milliardenbeträge kön nen eben nicht für soziale, Bildungszwecke und dergleichen ausgegeben werden. Umge kehrt geht jede Mark Lohnerhöhung von der für die Kriegsvorbereitung eingesetzten Ge samtsumme ab (wobei allerdings ein Teil durch direkte und indirekte Steuern dennoch in den Bonner Rüstungshaushalt fließt). Die Gewerkschaften sind schon deshalb stärker als jemals zuvor verpflichtet, nicht nur die wirtschaftlichen und sozialen, sondern auch die politischen Interessen der Arbeiterklasse wahrzunehmen. Das ist in Westdeutschland um so notwendiger, da sie durch das wider rechtliche Verbot der KPD und den vollstän digen Übergang der in der SPD-Führung be stimmenden Gruppe auf die Position des Imperialismus die einzige legale Organisa tion der Arbeiterklasse mit starker organi satorischer Kraft und großem Masseneinfluß sind. Der DGB trägt deshalb eine große Ver antwortung im Kampf um den Frieden, die Demokratie und die soziale Sicherheit der Werktätigen in Westdeutschland. Die Monopole sind bestrebt, den DGB als selbständige Klassenorganisation auszu schalten. In den letzten zwölf Jahren wur den von der CDU wiederholt Versuche unternommen, den DGB als einheitliche Kampforganisation der westdeutschen Ar beiterklasse zu spalten. Aber alle diese Ver suche scheiterten, die gegründeten „christ lichen Gewerkschaften“ blieben kleine Split tergruppen. Das Monopolkapital versucht deshalb auf einem anderen Weg, die Ge werkschaften als selbständige Kraft auszu schalten. Dazu bedient es sich der in der Führung der SPD bestimmenden Gruppe um Wehner und Erler. Innerhalb des DGB stehen sich heute zwei Klassenlinien gegenüber. Die eine geht aus von den Interessen der Arbeiterklasse und vertritt demokratische Forderungen. Sie wendet sich gegen die Atomkriegspläne und den Abbau der letzten in der Bundesrepublik noch verbliebenen demokratischen Rechte, verlangt die Überführung der Schlüsselindu strien in Gemeineigentum, eine wirkliche Mitbestimmung in den Betrieben und in der gesamten Wirtschaft und vertritt eine aktive Lohnpolitik. Diese Linie wird von den klas senbewußtesten Kräften bis hin zu einfluß reichen reformistischen Führern vertreten. Zu diesen gehören u. a. Otto Brenner, der Vorsitzende der IG Metall, und Willi Gefel ler, der Vorsitzende der IG Chemie, Papier, Keramik. In vielen Fragen wird diese Linie auch von der Gewerkschaft Holz, der IG Druck und Papier, der Gewerkschaft Nah rung, Genuß, Gaststätten und der Gewerk schaft Handel, Banken, Versicherungen ver treten. Die zweite Klassenlinie vertritt die Politik der imperialistischen Bourgeoisie. Sie bejaht eine bi- bzw. multilaterale Atomstreitmacht mit westdeutscher Beteiligung, ist für eine Mitarbeit der Gewerkschaften an den Not standsgesetzen, lehnt die Überführung der Schlüsselindustrie in Gemeineigentum ab und versucht, Lohnkämpfe zu vermeiden. Ihr exponiertester Vertreter ist Leber, der Vorsitzende der IG Bau-Steine-Erden. Starke Positionen haben diese Verfechter einer Un terordnung der Gewerkschaften unter die Politik und Ideologie des Monopolkapitals ferner in der Gewerkschaft der Eisenbahner und in der Postgewerkschaft. Sie bestimmen im wesentlichen die Politik des DGB-Bun desvorstandes. In der in den letzten Jahren geführten Auseinandersetzung erteilte die Mehrheit der westdeutschen Gewerkschafter und der Delegierten des 6. und des außerordentlichen Bundeskongresses des DGB den Gleichschal tungspolitikern eine Abfuhr. Sie bekannte sich zu dem Kampf gegen die westdeutsche Atomaufrüstung und gegen die Notstands gesetze und fordert im neuen Grundsatz programm des DGB eine Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft in der Bundes republik. Allerdings kam es in einigen Fra gen, so in der neuen Satzung, auch zu eini gen Zugeständnissen an die Kräfte um Le ber. Es mußte jedoch festgestellt werden, daß die Kongreßmehrheit bis jetzt ihren Sieg nicht ausnutzt, statt dessen stimmten ihre Führer einer Art Stillhalteabkommen mit dem SPD-Parteivorstand bis zu den Bundes tagswahlen 1965 zu. Dadurch besteht die Ge fahr, daß die am weitesten rechts stehenden Kräfte weiter an Einfluß gewinnen. Die Bon ner Ultras nutzen das aus, um die Verwirk lichung ihrer Pläne zu forcieren. Die Auseinandersetzung innerhalb des DGB ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Die Reaktion vieler Gewerkschafter, erin nert sei an Kassel und Würzburg, gegen den von Bonn geplanten Atomminengürtel spricht von ihrer Bereitschaft, die Pläne der Ultras zu durchkreuzen. Die westdeutsche Arbeiterklasse hat die Potenzen, in der Bun desrepublik eine Politik des Friedens durch zusetzen, aber große Teile von ihr sind sich dessen noch nicht bewußt. Wir sollten des halb alle Möglichkeiten nutzen, den west deutschen Gewerkschaftern zu helfen, sich ihrer Verantwortung bewußt zu werden und den Bundesvorstand des DGB zu Aktionen zu zwingen. Gerade die Messe bietet dazu viele Möglichkeiten. Müssen wir uns einen Währungskrieg gefallen lassen? Dr. Hans Wilde vom Institut für Politische Ökonomie antwortet auf die Frage: „Woher nehmen wir das Recht, uns von westdeutschen Be suchern .Eintrittsgeld' für den Aufenthalt in unserer Republik zah len zu lassen?“ Durch die Anordnung des Ministers für Finanzen vom 1. 12. 1964 über die Regelung des Mindestumtausches von DM-West bzw. Währungen anderer, nichtsozialistischer Staaten im Reiseverkehr mit der DDR gerie ten einige Leute in Westdeutschland aus dem Häuschen. Der Vizekanzler Mende machte sogar den Vorschlag, der DDR eine halbe oder eine ganze Milliarde Mark Kre dit zu gewähren, Wenn diese Anordnung wieder zurückgezogen würde. Das sind pri mitive Gedanken einer gefährlichen Krä merseele, die glaubt, für ein paar hundert Millionen uns unsere souveränen Rechte ab zukaufen. Aber von nicht viel mehr Verständnis für die Situation in Deutschland, auf dessen Ter ritorium zwei deutsche Staaten mit unter schiedlicher Gesellschaftsordnung existie ren, zeugt die Frage. Wir sind ein souveräner Staat, und wir verlangen die Respektierung unserer Sou veränität, so wie es in der ganzen Welt üb lich ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das müßte eigentlich jedem in Deutschland in den Jahren des sozialistischen Aufbaus in unserer Republik, spätestens nach dem 13. August 1961, klar geworden sein. Jedem ist bekannt, daß in der Zeit der offenen Grenze ein regelrechter Wirtschafts- und Währungskrieg von Westdeutschland und Westberlin aus gegen unsere Republik ge führt wurde. Etwa 30 Milliarden Mark hat uns unsere Großmut, unsere Bereitschaft, gute Begehungen zwischen den beiden deut schen Staaten und seinen Bürgern zu för dern, gekostet. Wir sind in der Zeit bis zum 13. 8. 1961 bis an die äußerste Grenze der Staatsräson gegangen. 1 Doch die Bonner herrschenden Kreise ha ben unsere Geduld und Großzügigkeit falsch eingeschätzt. Aber auch wir haben die Mög lichkeit des Gegners, den kalten Krieg mit Hilfe der offenen Grenze zu führen, unter schätzt. Die bitteren Erfahrungen haben uns aufmerksamer, klüger gemacht. Als in den vergangenen Jahren der Reiseverkehr aus dem kapitalistischen Ausland und aus West deutschland in unsere Republik größer wurde und durch das von uns initiierte Pas sierscheinabkommen zwischen der DDR und dm Senat von Westberlin weiter sprung haft anwuchs, gleichzeitig aber Bonner amt liche Stellen den illegalen Umtausch von MDN förderten und die berüchtigten Wech selstuben wieder auferstanden, hat der Mi nister der Finanzen rechtzeitig mit dieser notwendigen Anordnung reagiert. Die An ordnung gewährleistet, daß westdeutsche, Westberliner oder Besucher aus anderen nichtsozialistischen Ländern, die bei uns Dienstleistungen in Anspruch nehmen und Waren kaufen, den Gegenwert in ihrer Wäh rung an die DDR bezahlt haben. So erleidet unsere Republik keinen Schaden, und auch die Besucher kommen nicht so leicht in die Versuchung, gegen die Gesetze unserer Re publik zu verstoßen und dadurch materielle Verluste zu erleiden. Denn alle gesetzwidrig ein- oder ausgeführten Zahlungsmittel un terliegen der Beschlagnahme. Soweit zum Recht unseres Staates, das aus der Volkssouveränität entspringt und der Pflicht unserer leitenden Staatsorgane und ihrer kompetenten Vertreter, rechtzeitig Gesetze oder Anordnungen zu erlassen, die uns und unseren sozialistischen Aufbau schützen. „Nur noch unverbesserliche Revanchisten oder Narren können ernsthaft glauben, daß die Bürger der DDR bereit wären, die Ergeb nisse ihrer Arbeit und die friedliche Zukunft des ganzen Volkes den Ausbeutern auszu liefern.“ 2 Aber noch einige Worte zum „Eintritts geld“. Ich glaube, für die Besichtigung unse rer Republik würden nicht wenige West deutsche und Besucher aus dem kapitalisti schen Ausland gut und gerne fünf Mark aus geben. Denn es lohnt sich, die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Errungen schaften unserer Republik zu studieren und daraus zu lernen. Dieser Wunsch, unsere Re publik kennenzulernen, ist schließlich eine der Ursachen für den wachsenden Reisever kehr. Aber ich und mit mir die Millionen von Einwohnern unserer Republik — sicherlich auch die Fragesteller unserer Universität —, die wir in den vergangenen zwei Jahrzehn ten ehrlich gelernt und gearbeitet haben, versucht haben, unser Bestes zu geben, da mit unsere Republik von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr schöner wird und wächst, wir wären uns zu schade, als Ausstellungsobjekt gegen Eintrittsgeld besichtigt zu werden. Wir sind doch stolz auf unsere Republik. Wir laden uns auch Gäste ein, und auch anderen Besuchern zeigen wir gern unsere Errungen schaften. In 15 Jahren nach Gründung der Republik haben wir uns einen Platz unter den führenden Industriestaaten der Welt er obert. Nahezu eine halbe Million Menschen mit Hoch- und Fachschulbildung sind in un serer Volkswirtschaft tätig und weit über hunderttausend Studenten studieren jähr lich im Direktstudium an unseren Universi täten, Hoch- und Fachschulen. Wir haben eine eigene wissenschaftliche Kapazität in Forschung und Lehre für alle Bereiche der mathematisch-naturwissenschaftlichen, me dizinischen, landwirtschaftswissenschaftli chen, technischen und gesellschaftswissen schaftlichen Disziplinen geschaffen. Die Wis senschaftler arbeiten im Interesse des Volkes und des sozialistischen Staates an der völlig neuen demokratischen und humanistischen Aufgabe, Forschung, Lehre und Erziehung im Dienste des Friedens zu leisten. Das soll uns Westdeutschland erst einmal nachmachen. Nochmals, wir sind stolz! Unser berechtig ter Stolz sollte uns aber auch davor behüten, unüberlegt gemeine Bemerkungen der Bon ner Soldschreiber über unseren Staat und die von ihm angeordneten Maßnahmen zum Schutze unserer Republik zu kolportieren. Denken ist eine unserer Bürgerpflichten — auch beim Fragen! 1 vergleiche Walter Ulbricht, Das Programm des Sozialismus und die geschichtliche Aufgabe der SED, Berlin 1964, S. 33. 2 15 Jahre DDR, Thesen in: Einheit, Heft 9/10, 1964, S. 14. Meint es Bonn ernst mit Prozessen gegen Naziverbrecher? Lehrerstudenten der Philologi schen Fakultät empfanden, daß sich in letzter Zeit in Westdeutschland die Prozesse gegen Nazikriegsver brecher häuften (Auschwitz-, Sach senhausen-, Krumey-Prozesse u. a.) und fragten uns: „Ist das nicht ein Beweis dafür, daß Bonn jetzt wirk lich durchgreift?“ Von Dr. Helmut Hartisch, Institut für Straf recht, erbaten wir die Antwort. Bei der Beantwortung dieser Frage gilt es davon auszugehen, einmal, welche Einstel lung die in Westdeutschland herrschenden Kräfte zu dem Problem der Bewältigung der nazistischen Vergangenheit besitzen, und zum anderen, was sie tun, um die Welt öffentlichkeit in ihrem Verlangen nach Be strafung der Naziverbrecher nicht zu des avouieren. 1. Die Aburteilung der Kriegs- und Nazi verbrecher, wie sie in Erklärungen der ehe maligen Anti-Hitler-Koalition, im Pots damer Abkommen (Abschnitt III A 5) und sinngemäß auch in Art. 53 und 107 der UNO- Charta gefordert wird, ist von Anfang an auf die Abneigung der in den Westzonen bzw. der Bundesrepublik amtierenden Ju stizangehörigen gestoßen. In einem Inter view mit dem westdeutschen Nachrichten- Magazin „Der Spiegel“ bemerkte der derzei tige Bundesjustizminister Dr. Bucher, daß die Theorie des „Nichtbeschmutzens des eigenen Nestes“ noch bei Beginn des Ausch witz-Prozesses (1963) bestand („Der Spiegel“, Nr. 5 vom 27.1.1965). Die vorhandene Abneigung, die Nazi verbrecher zur Verantwortung zu ziehen, kommt nicht von selbst. Eine Krähe hackt bekanntlich selten einer anderen die Augen aus, heißt es im Volksmund. Warum sollten es die mehr als 1000 in Westdeutschland wei terverwendeten Staatsanwälte und Richter des Nazireiches bei ihren einstigen und ge genwärtigen Gefährten tun? Daß seitens der westdeutschen Justiz keine Aktivität ent wickelt wurde, die Nazi- und Kriegsverbre cher ihrer gerechten Strafe zuzuführen, be ruht letzten Endes auf dem Wesen der dor tigen Gesellschaftsordnung und der in ihr bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Zu frieden waren diese Kreise deshalb auch mit dem Verhalten der Besatzungsmächte, das ihrer eigenen Einstellung entgegenkam. 2. Die Bonner Machthaber sind jedoch auch gezwungen, die Weltöffentlichkeit zu berücksichtigen. So ohne weiteres die Nazi verbrecher vom Tisch wischen, das geht nicht. Die Entlarvung durch sozialistische Staaten und die dadurch hervorgerufene Aufmerksamkeit zwingen, wenn auch un gern und zögernd, eine Reihe von Strafver fahren gegen Nazi Verbrecher durchzuführen. Auch das westdeutsche Aushängeschild für die Verfolgung von Naziverbrechern, die Ludwigsburger Zentralstelle, ist 1958 errich tet worden, weil das Ausland mit dem west deutschen Rechtswesen unzufrieden war. Die Entlarvung ihres Leiters, Staatsanwalt Schüle, als ehemaliger Nazist läßt diese Ein richtung, ihre Ziele und Arbeitsweise etwas eindeutiger beleuchten. Als Beweis des guten Willens führt Bonn ins Feld, seit dem 8. 5. 1945 bis zum 31. 12. 1963 seien doch 30 000 Fälle ermittelt und da bei knapp 13 000 Personen vor Gericht ge stellt worden. Etwa 5500 seien verurteilt und etwa 4000 freigesprochen worden. Kann allerdings von einer konsequenten Verfol gung gesprochen werden, wenn dem gegen übergestellt wird: Von deutschen Gerichten auf dem jetzigen Territorium der DDR wur den 12807 Nazi- und Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen. Obwohl die mei sten der belasteten Nazi Verbrecher sich nach 1945 sehr bald nach dem Westen absetzten und die westdeutsche Bevölkerungszahl dreimal größer ist, sind in Westdeutschland wesentlich weniger Nazis zur Verantwor tung gezogen worden als bei uns. Die in Westdeutschland durchgeführten Strafverfahren lassen die Einstellung zu die sem Problem erkenntlich werden. Es werden nur solche Angeklagte vor Ge richt gestellt, die eigenhändig gemordet ha ben. Ihre Auftraggeber, die damaligen und jetzigen Monopolgruppierungen und deren Kapitäne, die Minister, Staatssekretäre und dergleichen bleiben unbehelligt. Bei der Pro zeßdurchführung werden die angeklagten Nazimörder mit Samthandschuhen angefaßt. Mit den vielfältigsten juristischen Konstruk tionen werden staatlicherseits Brücken ge baut, um nicht zur Feststellung strafrecht licher Verantwortlichkeit gelangen zu müs sen. Und wenn selbst das nicht mehr mög lich ist, dann werden lächerlich geringe Stra fen ausgesprochen. Ein Getöteter ist gleich zehn Minuten Gefängnis, so wird es von Staatsanwältin Dr. Dahlmann, Mitarbeiterin in der Ludwigsburger Zentralstelle, bezeich net. Wenn in der jüngsten Zeit der Anschein besteht, Bonn greife energischer durch, dann darf nicht übersehen werden, daß dort am 8. 5. 1965 auch alle Naziverbrechen verjäh ren sollen. Die Weltöffentlichkeit ist gegen dieses Vorhaben. Selbst die großbürgerliche westdeutsche „Frankfurter Allgemeine“ ver öffentlichte am 5. 2. 1965 einen Artikel mit dem Titel „Verjährungsfrage und amerika nische Öffentlichkeit“ und dem Untertitel „Die Decke des Wohlwollens für Deutsch land ist dünn“. Es gilt die Welle der Ableh nung der Verjährung bereits im Entstehen abzufangen. Das Mittel dazu ist, die bisher ins Dunkel gehüllten Strafverfahren mit der Justizbühne in die Öffentlichkeit zu rücken. UZ 8/65, Seite 5
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