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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 9.1965
- Erscheinungsdatum
- 1965
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196500003
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19650000
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19650000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 9.1965
1
- Ausgabe Nr. 1, 07.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 2, 14.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 3, 21.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 4, 28.01.1965 1
- Ausgabe Nr. 5, 04.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 6, 11.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 7, 18.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 8, 25.02.1965 1
- Ausgabe Nr. 9, 11.03.1965 1
- Ausgabe Nr. 10/11, 18.03.1965 1
- Ausgabe Nr. 12, 25.03.1965 1
- Ausgabe Nr. 13, 01.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 14, 08.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 15, 15.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 16, 29.04.1965 1
- Ausgabe Nr. 17, 06.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 18/19, 13.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 20, 20.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 21, 28.05.1965 1
- Ausgabe Nr. 22/23, 10.06.1965 1
- Ausgabe Nr. 24, 17.06.1965 1
- Ausgabe Nr. 25, 24.06.1965 1
- Ausgabe Nr. 26, 01.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 27, 08.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 28, 15.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 29, 22.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 30/31, 29.07.1965 1
- Ausgabe Nr. 32/33, 26.08.1965 1
- Ausgabe Nr. 34, 02.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 35, 16.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 36/37, 23.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 38, 30.09.1965 1
- Ausgabe Nr. 39, 07.10.1965 1
- Ausgabe Nr. 40, 14.10.1965 1
- Ausgabe Nr. 41, 21.10.1965 1
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- Ausgabe Nr. 46, 18.11.1965 1
- Ausgabe Nr. 47, 25.11.1965 1
- Ausgabe Nr. 48/49, 02.12.1965 1
- Ausgabe Nr. 50, 09.12.1965 1
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-
Band
Band 9.1965
1
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Dozent Dr. phil. habil. Werner Müller Wissenschaftliche * Weltanschauung, Parteilichkeit und Institut für Philosophie schöpferisches Denken Die technische Revolution, im Rahmen des umfassenden sozialistischen Aufbaus und mit ihm zu einem einheitlichen Prozeß verschmelzend, vollzieht sich in der DDR unter qualitativ anderen sozialökonomi schen. politischen und geistig-kulturellen Bedingungen als im Herrschaftssystem des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland. Indem der Mensch sich nicht als Objekt und Opfer einer ihm feind lich gesinnten, weil im Interesse des Mono polprofits und eines militanten Antikom munismus mißbrauchten Technik fühlt, sondern er — in einem — Subjekt, Schöpfer und Nutznießer der untrennbar verknüpf- t^n sozialen und technischen Revolution in unserer Zeit ist. gewinnt mit der wachsen den Rolle des subjektiven Faktors die welt anschauliche, das heißt dialektisch-materia listisch fundierte Funktion des schöpferi schen Denkens der sich entwickelnden so zialistischen Persönlichkeit für dessen ak tive und bewußte Teilnahme an der Dia lektik des sozialistischen Fortschritts zu nehmende Bedeutung. 1. ZUR POLITISCHEN FUNKTION DER IMPERIALISTISCHEN GEGEN WARTSPHILOSOPHIE Wenn imperialistische Ideologen, wie Helmut Schelsky, den wissenschaftlichen Fachmann als die „strukturtragende Figur der Epoche“ 1 charakterisieren, so ist damit in gewisser Beziehung e i n wesentliches Element der technischen Revolution er faßt, in deren Rahmen tatsächlich die Wis senschaft immer mehr zur unmittelbaren Produktivkraft wird. Ist dies jedoch auch nur zeitweilig und unter einem bestimm ten Aspekt aus dem sozialökonomischen Rahmen der sozialistischen Gesellschaft einerseits und der imperialistischen Gesell schaftsordnung andererseits herausgelöst, so muß dies vom Standpunkt der dialek tisch-materialistischen Gesellschaftstheorie als vereinseitigende, verzerrte Widerspiege lung der wirklichen Entwicklungsprozesse in der modernen Epoche zurückgewiesen werden. Nun ist es aber aufschlußreich, daß — natürlich von einer grundsätzlich anderen weltanschaulichen Position aus als der mar xistischen — „weitsichtigere“ Verfechter des zu „formierenden“ Herrschaftssystems des staatsmonopolistischen Kapitalismus zur Stelle sind, um ihrem antikommunistischen Mitstreiter Schelsky zu bedeuten: Seine Studenten seien „am Ende zwar sehr ab strakt und geschult, stünden aber außer halb des Lebens und der Gesellschaft“ (Ph. J. Idenburg); bei ihm bestehe die Ge fahr „freischwebender Intelligenz ohne Fä higkeit zur Integration“; aber das Indivi duum nicht nur zur wissenschaftlichen Fachkraft, sondern weltanschaulich zur — antikommunistisch strukturierten — Mitver antwortlichkeit im Dienste der Reaktion nach innen, des Revanchismus und Neo kolonialismus nach außen zu erziehen, darin bestehe das Gebot der Stunde (W. Luther).' Diese Polemik auf dem westdeutschen Philosbphie-Kongreß in Münster läßt er kennen, daß die imperialistische Bourgeoi sie und ihre „führenden“ Ideologen bis zu einem gewissen Grade sehr wohl die so ziale Determiniertheit und soziale Funktion der Wissenschaft begreifen, dies jedoch durch das Prisma staatsmonopolkapita listischer Interessen sehen und demzufolge den objektiven Sachverhalt in seiner inne ren Struktur und Dynamik subjektivistisch verzerren und entstellen. Findet sich bei W. Dilthey, W. Windelband, H. Rickert wie auch bei Th. Litt u. a. der in der Gegen überstellung von Naturwissenschaft als ge neralisierender und der Gesellschaftswis senschaft als individualisierender Wissen schaft fundierte „Nachweis“ eines natur wissenschaftlichen Weltbildes einerseits und einer in einem subjektivistischen (irra tionalistischen, relativistischen, agnostizisti schen) Geschichts- und Menschenbild be gründeten Weltanschauung andererseits, so zeichnet sich in der imperialistischen Ge genwartsphilosophie eine Modifikation die ses Widerspruchs zwischen technischem Er kenntnisinteresse und gesellschaftlichem Mystifikationsinteresse ab. 3 Waren lange Zeit Kassandrarufe vom „Dämon Technik“ vorherrschend, so sind diese inzwischen weitgehend verstummt. Die sich im Rah men des Monopolverhältnisses vollziehende technische Revolution hat von philosophi scher wie auch von theologischer Seite — zumeist in Personalunion — ihre weltan schauliche Erklärung, Befürwortung und Weihe erhalten. Gemäß dem Bibelwort „Macht Euch die Erde untertan“ wird die technische Umwälzung, wie sie das reli giöse Gemüt zu verstehen hat, als Ausfüh rung des göttlichen Befehls zur Technisie rung der Welt dargestellt. Dazu werden - ohne daß der pessimistische Grundzug des bürgerlichen philosophischen Denkens der Gegenwart dadurch etwa aufgehoben würde — pseudooptimistische Zukunftmo delle einer „einheitlichen Industriegesell- schäft“ zurechtpräpariert, um damit zu sammen mit der antikommunistischen „Theorie" von der „formierten Gesellschaft" auch dem künftigen Wissenschaftler ein Weltanschauliches Fundament zu suggerie ren, das die politischen Voraussetzungen und Konsequenzen der fachwissenschaft lichen Tätigkeit des einzelnen im imperia listischen Herrschaftssystem als „logisch selbstverständlich“ interpretiert und akti viert. Die verstärkten konzentrierten Anstren gungen der Chefideologen des Bonner Staa tes um ein weltanschaulich in trüber anti kommunistischer Gefühlsflut verwurzeltes, für alle Glieder der „staatlich gesicherten Solidargemeinschaft“ 4 einheitliches Leit- bild, das Gesinnung und Verhalten des ein zelnen im Interesse der reaktionärsten so zialen Kräfte mobilisiert und aktiviert, las sen nicht nur die ideologische Diversion nach innen und außen als konstitutives Element des staatsmonopolkapitalistischen Herrschaftssystems erkennen. Offensicht lich illusionär ist die Vorstellung einer weltanschaulich indifferent betriebenen Wissenschaft angesichts der wachsenden Integration und Differenzierung der Natur- und Gesellschaftswissenschaften; mehr noch, in Anbetracht der Gefährlichkeit des westdeutschen Imperialismus und des darin einbezogenen antikommunistischen Miß brauchs der Wissenschaft und der Wissen schaftler zu antihumanistischen Zwecken, ist es selbstmörderisch, sich der Einbildung hinzugeben, nur im Auseinanderfällen von Wissenschaft und Politik bewähre sich „wahre“ Wissenschaft. Da die Wissenschaft als soziale Erscheinung komplexer Natur stets eine historische Komponente ein schließt, die konkret durch die Entwick lungsprozesse der Epoche bestimmt ist, muß man — wie das Gegenbeispiel der Verknüp fung von Wissenschaft und Politik im heu tigen Imperialismus zeigt — die Einheit von Weltanschauung, Wissenschaft und Philo sophie nicht nur schlechthin beachten, son dern in der wissenschaftlich-theoretischen und politisch-ideologischen Tätigkeit im In teresse des gesellschaftlichen Fortschritts bewußt zur Geltung bringen. 2. DER WISSENSCHAFTLICHE CHA RAKTER DER MARXISTISCH-LENI NISTISCHEN WELTANSCHAUUNG Bekanntlich besteht der grundlegende Unterschied der weltanschaulichen Funk tion der marxistisch-leninistischen Philo sophie gegenüber der der imperialistischen Gegenwartsphilosophie in ihrem wissen schaftlichen und in ihrem kritisch- revolutionärem Charakter — zwei unlösbar miteinander verbundenen, einander durch dringenden Aspekten. Daß jede Philosophie parteilich ist, ist unbestreitbar; so wurde auf dem Münstera ner Philosophiekongreß mit in gewissem Maße erstaunlicher Offenheit erklärt, daß die Philosophie „von Hause aus eine poli tische Funktion besitzt und daß die Erfül lung dieser Funktion die Philosophie in einem eminenten Maße zu einem Tatbe stand der politischen Ordnung macht.“ 5 Aber nicht jede parteiliche Philosophie ist wissenschaftlich; erst wo die Spekulation aufhört und die systematisch-theoretische Darstellung „des praktischen Entwicklungs prozesses der Menschen“ 8 beginnt, ist wis senschaftliche Weltanschauung möglich. Notwendig ist sie aber zugleich deshalb, weil sie das Grundverhalten der fortschritt lichen sozialen Kräfte orientiert, ihnen ein optimistisches Lebensgefühl vermittelt und eine aktive Einstellung zur Lösung der kon kret-historisch bedingten Aufgaben des ge sellschaftlichen Fortschritts erzeugt. Die weltanschauliche Funktion der wis senschaftlich begründeten und strukturier ten Philosophie des Marxismus-Leninismus ist eben keineswegs mit der Hegelschen Eule der Minerva vergleichbar, die „erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug beginnt“ 7 . Sondern indem die mar xistische Philosophie „ihre Zeit in — revo lutionären! — Gedanken erfaßt“ 8 , ist sie gei stiges Instrument der Veränderung der so zialen und natürlichen Umwelt im Inter esse und zum Wohle des Menschen selbst. Die wissenschaftliche Weltanschauung ist mit jeder willkürlichen Auswahl und eklek tischen Zusammenfügung bestimmter Fak ten unvereinbar, will sie den objektiven Entwicklungszusammenhang real adäquat widerspiegeln und dem praktischen Han deln der Menschen Ziel und Weg weisen. Bei der Darlegung der Grundlagen und Grundprobleme des dialektischen und historischen Materialismus kommt es bei der Erziehung der Studenten besonders darauf an, den wissenschaftlichen Charak ter der revolutionären Weltanschauung der Arbeiterklasse, des Sozialismus allseitig und kontinuierlich verständlich zu machen, damit diese theoretische Erkenntnis von jedem einzelnen in ein entsprechendes methodisches Herangehen an alle Fragen der wissenschaftlich-theoretischen und praktisch-politischen Tätigkeit, überhaupt in eine sozialistische Grundhaltung und Gesinnung umstrukturiert werden kann. Dieses weltanschauliche Fundament der marxistisch-leninistischen Theorie ver mittelt aber die grundlegende Erkenntnis, sich nicht nur der konkret-historischen Si tuation bewußt zu sein, in der sich heute in Deutschland der Klassenkampf vollzieht. Geht es in der Auseinandersetzung zwi schen der sozialistischen DDR und dem im perialistischen Westdeutschland um die Frage „wer — wen?“, der sich niemand ent ziehen kann, so schließt dieses Begreifen als praktische Konsequenz in sich ein, daß niemand einen sozialistischen Klassen standpunkt gewinnen und festigen kann, wenn er sich auf Informationen verschie denster Art aus der antikommunistischen Giftküche der akademisch oder burschikos auftretenden Bonner Meinungsmacher stützt und meint, sein persönliches „objektives“ Urteil sich damit erst richtig bilden zu kön nen. Es ist in diesem Zusammenhang nützlich, sich der oft angeführten Bemerkungen W. I. Lenins aus dem Jahre 1917 zu erin nern, wo er „das Herausgreifen einzelner Tatsachen und das Jonglieren mit Beispie len“ als ein in der Ausbeutergesellschaft „außerordentlich verbreitetes und ebenso fehlerhaftes Verfahren“ kennzeichnet. 9 Zu den antiwissenschaftlichen Prinzipien der antikommunistischen ideologischen Diver sion gehört es. die vermittelten „objekti ven“ Fakten aus dem objektiven Entwick lungszusammenhang des historischen Pro gresses herauszulösen, sie dtrch falsche Akzentuierung zu vereinseitigen, damit letztlich auch sachlich zu verfälschen. Durch die politisch-ideologische Grundposition der imperialistischen Bourgeoisie deformiert, sind diese „nüchternen“ Fakten darauf aus gewählt und angelegt, von den Grundfra gen und Grundproblemen unserer Zeit ab zulenken, ein wissenschaftlich begründetes, fortschrittliches Verhalten beförderndes Urteil zu verhüten. Unsicherheit und Pessi mismus, Skeptizismus und Resignation be züglich der zu meisternden Probleme des sozialistischen Aufbaus zu verbreiten. Da auf dieser weltanschaulich deformierten Fakten„basis“ ein wissenschaftlicher, den gesellschaftlichen Erfordernissen real adä quater Zugang zu einer fortschrittlichen Fragestellung gar nicht möglich ist, gewinnt in der studentischen Erziehung vor allem die Festigung des wissenschaftlichen welt anschaulichen Fundaments im Prozeß der sozialistischen Bewußtseinsbildung hervor ragende Bedeutung. 3. PARTEILICHER STANDPUNKT UND REVOLUTIONÄRE PRAXIS Der wissenschaftliche Charakter der mar xistisch-leninistischen Weltanschauung im pliziert ihre kritisch-revolutio- n ä r e bzw. revolutionierende Funktion. Ist der dialektische und historische Materia lismus eine wissenschaftliche Philosophie, die entsprechend studiert werden muß, so kann dies selbstverständlich nicht bedeu ten, daß sich irgend jemand mit einer for malen, abstrakten Abhandlung der Pro bleme begnügen könnte. Die historische Komponente der marxistisch-leninistischen Philosophie, ihr schöpferischer Charakter ist nicht einfach nur an aktuellen Beispie len zu illustrieren; vielmehr gilt es, die der theoretischen Erkenntnis des Marxis mus-Leninismus entsprechende Methode der Fragestellung zu vermitteln — was nur als eminent praktisch bedeutsames Problem voll begriffen werden kann. Auf einige für die politisch-ideologische Erziehung we sentliche Aspekte soll hier hingewiesen werden. Die revolutionäre Funktion der marxisti schen Philosophie, die sich aus der Stel lung und historischen Mission der Arbeiter klasse ergibt, hat Karl Marx in dem kate gorischen Imperativ, ausgedrückt, daß alle Verhältnisse umzuwerfen sind, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknech tetes, ein verlassenes, ein verächtliches We sen. ist“. 10 Und nur in .diesem revolutionä ren Sinne kann auch Marxens Lieblings motto „De omnibus dubitandum (An allem ist zu zweifeln)“ 11 verstanden werden Es ist absurd, Marx — für den die Wissen schaft, wie sein Lebenswerk praktisch be weist, „eine revolutionäre Kraft im wahr sten Sinne des Wortes“ 12 bedeutete — einen „zweifelhaften“ Begriff des schöpferischen Zweifelns zu unterschieben. Natürlich hat im schöpferischen Denken der Zweifel eine methodische Funktion; doch untergräbt der Zweifel das aktive, auf die Veränderung der sozialen und natürlichen Umwelt ge richtete humanistische Denken, Fühlen und Handeln, so ist er weder schöpferisch noch konstruktiv, sondern impotent und demora lisierend. Marx kritisierte nicht — wie die Junghegelianer — „rein“ theoretisch Er scheinungsformen bürgerlicher Verhält nisse; er war „radikal“, ging den Dingen auf den Grund, packte das Ganze praktisch an, zweifelte an der „Ewigkeit“ der kapita listischen Gesellschaftsordnung und bewies wissenschaftlich die historische Rolle der Arbeiterklasse als Totengräber des Kapita lismus. Zur wissenschaftlichen Arbeit ge hört natürlich Mut; jedoch darf dieser nicht mit Prinzipienlosigkeit und mit einem die gesellschaftlichen Erfordernisse mißachten den verantwortungslosen Verhalten ver wechselt werden. Nur dann ist der Zwei fel in einer schöpferischen Arbeit integriert, wenn sich darin das Drängen des Wissen schaftlers ausdrückt, den alten Boden zu verlassen, Neuland zu beschreiten, das heißt, die hohen Prinzipien der revolutio nären Dialektik konkret anzuwenden. 13 Somit ist jedes schöpferische Denken kri tisch; aber nicht jeder kritische Gedanke ist schöpferisch. Es gehört zu den Grunder kenntnissen der marxistischen Philosophie, daß das Bewußtsein des Menschen die ob jektive Welt nicht nur widerspiegelt, son dern sie auch schafft. 1 ''* Weltanschauliche Probleme schließen mit der konkret-histo rischen Komponente auch das prak tische Verhalten ein. Die Subjekt-Objekt-Dialektik des histo rischen Prozesses ist in bloß kontemplativer Weise nicht zu erfassen, da der „objektive“ Betrachter notwendigerweise an der Ober fläche der Erscheinungsform „hängen"- bleibt und somit die Dialektik des Kampfes zwischen den fortschrittlichen und reaktio nären sozialen Kräften nicht in seinen Blick fällt. Daraus erklärt sich das oft von wirklicher Sachkenntnis freie, aber nicht selten mit dem Anspruch auf absolute Richtigkeit, zumeist noch wenig bescheiden vorgetragene Urteil manches Studenten, der auf dem Fundament abstrakt-allgemeiner, zudem eklektisch zusammengefügter Ge danken seine Gutachterposition bezogen hat. Wer aber aus den verschiedensten Gründen in das Wesen der sozialen Pro zesse unserer Zeit nicht wirklich tiefgrün dig eindringt, kann die Dialektik der Aus einandersetzung zwischen Sozialismus und Imperialismus nicht begreifen und wird einen festen parteilichen Standpunkt für seine eigene praktische Tätigkeit nicht fin den können. Mehr noch, der wissenschaft lich begründete weltanschauliche Stand punkt vertieft und festigt sich nicht in einer bloß theoretischen Beschäftigung mit der sozialen und technischen Revolution in unserer Epoche — wenngleich diese soziale Funktion der Wissenschaft ständig wächst —, sondern nur in der eigenen politischen Entscheidung, die das der theoretischen Einsicht entsprechende Verhalten ein schließt. Nur so ist wahre persönliche Frei heit zu verwirklichen. 4. DER SKEPTIZISMUS UND SEINE SOZIALE FUNKTION Die dialektisch-materialistische Gesell schaftstheorie als integrierender Bestandteil der wissenschaftlichen Weltanschauung be weist unwiderlegbar, daß eine skepti- zistische Lebenshaltung, die das politische Engagement zu umgehen versucht bzw. rundweg ablehnt, den Sinn eines men schenwürdigen Lebens grundlegend ver fehlt. In gewisser Beziehung erwächst eine skeptizistische Lebensauffassung aus einer kontemplativen, indifferenten Weltanschau ung. die sowohl den Blick in die Zukunft nicht wagt oder sie einfach als ungewiß, düster, gefährlich an die Wand malt, als auch das eigene, zielbewußte Handeln im Interesse des humanistischen Fortschritts für unmöglich, illusionär, abwegig erklärt. Sehr treffend hat I. Kant in seiner Vorrede zur „Kritik der reinen Vernunft“ die Skep tiker als eine Art Nomaden charakterisiert, „die allen beständigen Anbau des Bodens verabscheuen“, der „Indifferentismus", des sen eine Erscheinungsform der Skeptizis mus ist, wird von ihm anschaulich als „die Mutter des Chaos und der Nacht“ bezeich net. 15 Natürlich ist der skeptische Stand punkt kritisch. Die Hauptsache ist jedoch, wesentlich zu erfahren, was und wozu kritisiert wird. Offensichtlich wird von einem skeptizistischen Standpunkt aus nicht nur die Kontinuität gesellschaftlicher Entwicklung bestritten. Zugleich ist darin einbeschlossen, daß daran gezweifelt wird, in der revolutionären gesellschaftlichen Praxis die Bedingungen für eine konti nuierliche Entwicklung schaffen zu können, in der „der menschliche Fortschritt nicht mehr jenem scheußlichen heidnischen Göt zen gleichen (wird), der den Nektar nur aus den Schädeln Erschlagener trinken wollte“. 10 Der Skeptizismus hat in der Mensch heitsgeschichte verschiedene Gesichter. Auch in der Gegenwart besteht ein zu be achtender Unterschied zwischen der skep tizistischen Grundhaltung eines westdeut schen bürgerlichen Intellektuellen und ge wissen skeptischen Lebensauffassungen einzelner Studenten der sozialistischen Uni versität. Als Ausdruck der allgemeinen Krise des Kapitalismus kann der Skepti zismus als Erscheinungsform des bürger lichen Krisenbewußtseins ein erster Schritt der Lösung von der imperialisti schen, militaristischen Reaktion und der Bindung an fortschrittliche Kräfte sein. Aber schon die Bindung an die geschichts bildenden Kräfte des sozialen Progresses bedeutet praktisch das Aufgeben skepti- zistischer Lebenseinstellung. So positiv — in gewissem Sinne — die skeptizistische Haltung dieses oder jenes oppositionellen Schriftstellers in Westdeutschland gegen über dem Herrschaftssystem des staatsmo nopolistischen Kapitalismus und seinen ver schiedenen Erscheinungsformen ist, weil sie in praktisch-politischer Hinsicht die eines Bundesgenossen der antimilitaristischen, demokratischen Kräfte und in erkenntnis theoretischer, politisch-ideologischer Hin sicht das Durchgangsstadium zu einer be wußten Bindung und entsprechenden Akti vität gegenüber den objektiven Erforder nissen des gesellschaftlichen Fortschritts darstellt, so ist eine skeptizistische Lebens auffassung für einen Bürger des sozialisti schen Deutschlands alles andere als zeitge mäß. Philosophisch ist der Skeptizismus in der Gegenwart wesentlich an die Existenzphilo sophie gebunden, die den vereinsamten Einzelnen als ihren Gegenstand konstruiert, das ihm angepaßte dekadente bürgerliche Lebensgefühl theoretisch zu begründen ver sucht und die humanistische Seite des ge sellschaftlichen Engagements zu entwerten bestrebt ist. Es liegt auf der Hand, daß eine Übernahme solch „kritischen“ Verhaltens, wie sie — aus den konkret-historischen Ent wicklungsbedingungen des imperialisti schen Westdeutschlands heraus — in der skeptischen Denkweise oppositioneller bür gerlicher Intellektueller zutage tritt, des halb einen Anachronismus darstellen würde, weil in der sozialistischen DDR eben die Verhältnisse umgewälzt sind, in denen der Mensch seinem wirklichen Wesen „ent fremdet“ war. Es ist dies nicht nur ein Musterbeispiel dogmatischen Denkens, das von den konkret-historischen Bedingungen und der Dialektik des Kampfes zwischen Sozialismus und Imperialismus abstrahiert. Vor allem liegt bei der Propagierung skep tizistischen Lebensgefühls und der ent sprechenden existenzphilosophischen und anderer religiöser Grundlagen die gezielte politisch-ideologische ' Absicht zugrunde. Zweifel am sozialistischen Fortschritt zu wecken, die marxistisch-leninistische Weltanschauung mit ihr wesensfremden Elementen zu zersetzen, die wissenschaft lichen Fragestellungen zu entpolitisieren. Mehr noch, der einzelne soll nur noch auf seine „innere“ Stimme, das heißt die Stimme der „freien westlichen Welt“ hören; er soll so an der Oberfläche des weltum spannenden revolutionären Prozesses blei ben, daß er keine klare parteiliche Position für den Fortschritt beziehen kann, daß er gegen seine ureigensten Lebensinteressen handelt und sich dabei noch einbildet, eine „kritisch“ denkende Persönlichkeit zu sein — wohingegen er im intellektuellen Nie mandsland „hockt“ 17 und durch antikom munistische Massenmedien sich geistig ma nipulieren und deformieren läßt. Um den Prozeß der sozialistischen Be wußtseinsbildung zu beschleunigen und zu intensivieren, ist es besonders wichtig, die sozialistische Gemeinschaft von Wissen schaftlern und Studenten zu formieren. Das Vorbild des Hochschullehrers wird in sei nem politischen Bekenntnis dann wirksam, wenn in seiner Methode des Aufwerfens wissenschaftlicher und praktisch-politischer Probleme deutlich wird, wie die wissen schaftliche Weltanschauung den revolutio nären Optimismus einschließt. Wird die optimistische Seite sozialisti schen Perspektivbewußtseins in der wissen schaftlich-weltanschaulichen Erziehung all seitig beachtet und ständig praktiziert, so wird damit in offensiver Weise dem abstrak ten „Zweifel“, dem zu nichts verpflichten den „kritischen“ Denken, dem individua listischen Skeptizismus der Boden entzogen, dann entwickeln sich schöpferische Initia tive, Ringen um den bestmöglichen Weg statt „kluger“ Empfehlung und Begutach tung, damit sozialistisches Lebensgefühl des in der Gemeinschaft sich bewährenden Menschen unserer neuen Zeit 1 Die Philosophie und die Frage nach dem Fort schritt. Verhandlungen des Siebten Deutschen Kongresses für Philosophie. „Philosophie und Fortschritt“. München 1964. S. 139. 2 Ebenda, S. 313 ff. ’ Siehe W. Müller, Wesen und neue Tendenzen imperialistischer Fortschritts- und Freiheits demagogie. In: DZfPh, Heft 8/1964, S. »48ff.; vgl. W. Heise. Aufbruch in die Illusion. Ber lin 1964; D. Bergner, Philosophie als imperiali stischer Ungeist. In: DZfPh, Heft 4/1965, S. 419 ff. ‘ Jahresbericht des Bundesverbandes der Deut schen Industrie 1965. Drucksache Nr. 74, Ber- gisch-Gladbach 1965, S. 25: vgl. Die Automation — unsere Aufgabe. Sondertagung der Unter nehmer vom 2. bis 3. Februar 1965 in der Duis burger Mercatorhalle. Köln 1965. S. 45 ft. • Die Philosophie und die Frage nach dem Fort- schritt. S. 145. 6 Siehe K. Marx/F. Engels, Die deutsche Ideolo- logie. In: K. Marx/F. Engels, Werke, Band 3. Berlin 1959. S. 27. 5 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts. Berlin 1956. S. 17. •Ebenda. S. 16. • W. I. Lenin, Statistik und Soziologie. In: W. I. Lenin. Werke. Band 23. Berlin 1960. S. 285. 10 K. Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphi losophie, Einleitung. In: K. Marx/F. Engels, Werke, Band 1, Berlin 1961, S. 385. * Siehe Mohr und General. Erinnerungen an Marx und Engels. Berlin 1964. S. 608. 13 F. Engels, Entwurf zur Grabrede für Karl Marx. In: K. Marx/F. Engels. Werke, Band 19. Berlin 1962, S. 333. 13 Vgl. W. Uibricht, Die Staatslehre des Marxis mus-Leninismus und ihre Anwendung in Deutschland. In: W. Ulbricht, Die Entwick lung des deutschen volksdemokratischen Staa tes 1945-1958. Berlin 1958, S. 645. « Vgl. W. I. Lenin, Werke. Band 38. Berlin 1964. S. 203. 15 1. Kant. Kritik der reinen Vernunft. Leipzig 1901, S. 14. “K. Marx, Die künftigen Ergebnisse der briti schen Herrschaft in Indien. In: K. Marx/ F. Engels, Werke, Band 9. Berlin 1960. S. 226. f K. Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphi losophie. Einleitung, S. 378. UZ 51/65, Seite 3
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