Volltext Seite (XML)
Dr. ROLF SCHÖLLNER, Institut für Chemische Technologie Die praxisbezogene Ausbildung von Chemikern Die Verzahnung von Wissenschaft und technischer Anwendung setzt neue Maßstäbe für den gesamten Bildungsprozeß und damit für die Ausbildung auch der Chemiestuden ten. In den letzten Jahren wurde eine rege Diskussion um die Verbesserung der Aus bildung vom Gesichtspunkt der sich ver ändernden Anforderungen der chemischen Technik und Forschung geführt. Diese Dis kussion hat zu verschiedenen Veränderungen im Inhalt und der Organisation des Studiums geführt, auf die ich im einzelnen nicht ein gehen möchte. Entscheidend war die Erkenntnis, daß neben der raschen Entwicklung der Chemie wie der gesamten Naturwissenschaften und ihrer Grenzgebiete — die sich zahlenmäßig weiter vermehren — andererseits die Ten denz der gegenseitigen Durchdringung auf dem Gebiet der Chemie zum Zusammen wachsen der historisch entstandenen chemi schen Einzeldisziplinen führt, wobei die Durchdringung all dieser Einzeldisziplinen mit der physikalischen Chemie die Ver zahnung entscheidend stimuliert. Der Pro zeß der Durchdringung der chemischen Ein zeldisziplinen mit der physikalischen Chemie setzt sich in der Lehre mehr und mehr durch, während er in der Forschungsarbeit schon weit fortgeschritten ist. Damit ergeben sich günstige Voraussetzungen, die Chemie als einheitliche Wissenschaft zu lehren und das theoretische Niveau zu erhöhen. Die hochentwickelten Industrieländer mit einer ausgebauten Chemie auf breiter indu strieller Basis zeichnen sich durch eine stark ausgeprägte industrielle Forschung aus. Ihre führende Stellung verdanken sie dieser gro ßen Forschungskapazität, der bewußten Aus nutzung und Anwendung der Wissenschaft, einer bewußten Konzentration der Forschung verbunden mit einer engen Verflechtung von Grundlagen — und angewandter For schung, von Industrie- und Hochschul forschung. Entscheidende Verfahren der chemischen Industrie, die das Angebot an Grundchemi kalien bestimmen und damit großen Einfluß auf den Charakter der weiterverarbeitenden Industrie nehmen, entstanden auf der brei ten Basis der Gemeinschaftsarbeit der For schungszentren der Industrie. Ich denke nur an die Darstellung von Acetaldehyd' aus Äthylen, die gelenkte Dimerisierung und Oligomerisierung von Butadien und anderen Dienen, die Gas- und Flüssigkeitsphasen oxydation petrolchemischer Produkte, die Ammonoxydation und viele andere. Die sich immer mehr verkürzende Zeit spanne zwischen der Grundlagenforschung, ihrer bewußten zielgerichteten Aufgabenstel lung bis zur Ausnutzung in chemischen Groß anlagen erfordert die Zusammenarbeit des Chemikers mit den verschiedensten Inge nieuren (Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Meß- und Regeltechnik u. a.), mit den Öko nomen, Physikern und Mathematikern. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Spezia listen, das gegenseitige Verstehen sind für die Industrie von erstrangiger Bedeutung. Die Überwindung jeglichen Ressort- oder Zunftgeistes, die Erziehung der Studenten zur Gemeinschaftsarbeit müssen ein erst rangiges Anliegen der Universität sein und können nur durch praktische Demonstration und Einbeziehung der Studenten in die For schungsarbeit der Institute erreicht werden. Einen großen Raum bei der Neuorientie rung der Ausbildung nimmt die enge Ver bindung des Studiums zur Praxis ein, die bessere Vorbereitung der Studenten auf ihre späteren Aufgaben. Wo werden unsere Stu denten arbeiten? Die Universität bildet Che miker für die chemische Industrie, die Indu strieforschung, für Forschungsinstitute, Uni versitäten und Fachschulen, für die Vereini gung Volkseigener Betriebe, den Staatsappa rat und andere Industriezweige aus. Wie bereits charakterisiert, wird besonders die Industrieforschung in der DDR einen immer größeren Platz beim Absolventeneinsatz ein nehmen. Die Komplexität bei der Lösung chemischer Aufgaben wird sich zunehmend verstärken, die Gemeinschaftsarbeit immer typischer werden. Das ist selbst in der so genannten reinen Grundlagenforschung zu beobachten. Die Anforderungen an eine ge diegene Grundausbildung nehmen damit zu, da jede vorzeitige Spezialisierung die später notwendige Konvertierbarkeit eines Chemi kers in der Forschung einengt. Gleichzeitig ändern sich die inhaltlichen Anforderungen an diese Grundausbildung. Das Kernstück der technischen Chemie in der Lehre sollte für die Universitäten die eigentliche chemische Umwandlung sein, aber in ihrer physikalisch-chemischen Sicht. Die chemische Reaktionsführung und Reaktions technik werden dieser Aufgabenstellung am besten gerecht, während die Grundoperation als Vor- bzw. Nachverarbeitungsstufen che mischer Verfahren, als Arbeitsmethoden physikalisch mechanischer Natur der Reak tionstechnik unterzuordnen sind. Dabei soll ten bestimmte Grundoperationen wie die Trennungsprobleme eingehender besprochen