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sehen Theorie und Praxis liegt, sich, nach Quantität und Qualität vergrößert. Hier liegt ein echtes Problem der inhalt lichen Bestimmung der Hochschulbildung. Das wurde z. B. bei den Bestrebungen zur inhaltlichen Umgestaltung des Physikstu diums deutlich. Die Optik, die im alten Lehrplan als selbständige Teildisziplin auf trat, wird jetzt modernen Erkenntnissen ent sprechend als Teilgebiet der Elektrodynamik gelehrt. Die Unterordnung der Optik in das Sachgebiet der Elektrodynamik erleichtert die Darlegung allgemeiner Zusammenhänge. Auf der anderen Seite wird dies dadurch er kauft, daß der Abstand der allgemeinen Theorie zum praktischen Arbeiten auf dem Gebiet der Optik größer wird. Der Weg Theorie — Praxis wird „länger“ und schwie riger, weil die Theorie immer neue Erkennt nisse verarbeiten muß und dabei immer all gemeiner und abstrakter wird. Dennoch ist die Konzentration auf die Vermittlung von Grundwissen heute ein not wendiger Weg der Hochschulbildung. Aller dings wird eine inhaltliche Bestimmung der Grundausbildung für ein Fachgebiet in dem Augenblick problematisch, in dem sich auch bestimmte theoretische und methodische Grundlagen dieses Fachgebietes in schnel lem Wechsel befinden. Deshalb kam Prof. Schwabe in einer Rektoratsrede an der Tech- nischen Universität Dresden zu der Feststel lung, daß „ein heute modern ausgebildeter Absolvent in fünf Jahren, selbst wenn er seine Kenntnisse pflegt, auch in seiner Grundausbildung nicht mehr dem letzten Stand entspricht.“ Das bekräftigt die Forde rung Bernals nach Elastizität der Ausbildung. Zum anderen wird, die Notwendigkeit sicht- bar, die inhaltliche Bestimmung der Grund bildung von den methodologischen und metho dischen Grundlagen des Fachgebietes her vor zunehmen. Die Vermittlung der methodologischen Grundlagen im allgemeinsten Sinne, die Ver mittlung des dialektischen Materialismus und der darauf aufbauenden spezifischen Grund lagen der einzelnen Fachgebiete trägt wesent lich dazu bei, jenes „allgemeine hohe Intelli genzniveau“ im Sinne Bernals zu ent wickeln. Der Inhalt der Grundbildung muß von dem Ziel her bestimmt werden, Erkenntnisse und nicht schlechthin Kenntnisse zu schaf fen. Dabei geht es nicht um die Grundbil dung in einem Fach und nicht einmal allein um die Grundbildung für ein Fachgebiet, sondern es geht um die Grundbildung für einen Fachmann, der in der sozialistischen Industrie oder Landwirtschaft, im Bildungs wesen oder im Gesundheitswesen als Persön lichkeit tätig sein soll. Läßt sich über Stellung und Inhalt der Grundbildung heute unter den Wissenschaft lern der DDR bis zu einem gewissen Grade eine Übereinstimmung der Meinungen fest stellen, so gehen die Auffassungen über den Inhalt eines Spezialstudiums auseinander. Auf dem Moskauer internationalen Sympo sium über Hochschulbildung schätzte Prof. J. Kuczynski die Bedeutung des Grund studiums dahin ein, „daß es dem Studenten ein einheitliches und wissenschaftlich begrün detes Weltbild vermittelt und die erkennt nistheoretischen Voraussetzungen für das er folgreiche Spezialstudium schafft.“ Kuczynski sieht in der Grundbildung und dem Spezialstudium eine notwendige Polarität. Schwabe meint, daß spezielle technische Verfahren, Apparate und Anlagen, von denen der Student auf der Hochschule Kenntnis erhält, ihm nur wenige Jahre in seiner etwa 40jährigen Praxis nutzen, des wegen sollte man „auf diese Spezialausbil dung, soweit als möglich verzichten“. Dieser Widerspruch der Meinungen erklärt sich in erster Linie aus der unterschiedlichen inhalt lichen Bestimmung der Spezialausbildung. Die gleiche Spannweite der Auffassungen wi derspiegelt sich auch in den Perspektivplä nen der Fakultäten und Institute der Karl- Marx-Universität. Es kann und soll hier auf diese offenen Probleme nur aufmerksam ge macht werden. Seiner Diskussion sollte eine Klärung der Begriffe vorausgehen. Soviel scheint richtig: Geht es um die Vertiefung des Studiums in den Teildisziplinen eines Fachgebiets — zum Beispiel im Rahmen der Chemieausbil dung um eine Vertiefung in anorganischer, organischer, physikalischer Chemie —, dann bestimmen Gegenstände und Methoden die ser Teildisziplinen den Inhalt der Speziali sierung. Geht es um die Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, dann stehen spezielle Verfahren im Mittelpunkt. Beides ist notwendig. Die zunehmende Differenzie rung der Wissenschaften und ihrer Arbeits methoden erfordern, daß die Prozesse dieser Differenzierung im Studium ihre Widerspie gelung finden. Zumindest in einem Teilge biet muß die Bildung bis in die Nähe der Probleme moderner Forschung führen. In welcher Form und mit welchem Inhalt das geschieht, ist abhängig von den Bedürfnissen der Hochschule, der Praxis, den zur Verfü gung stehenden personellen und materiellen Möglichkeiten. Problem der komplexen Bildung Innerhalb der Theorie-Praxis-Problematik haben in den letzten Jahren Fragen der kom plexen Bildung in der Diskussion eine beson dere Rolle gespielt. An der Karl-MMarx-Uni-