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progressiver, im Wesen antiimperialistischer Historiker und Publizist. Über die Aufgabe seines Buches schreibt er im Vorwort: „Die vorliegende Arbeit... will im Gegensatz zu allen Versuchen, die Geschichte der deutschen Arbeiterpartei den gegenwärtigen Auffassun gen der Führung der SPD anzupassen und jeden Bruch in der Entwicklung der Sozial demokratie nachträglich zu rechtfertigen, einen kritischen Überblick über den histo rischen Prozeß bieten, in dem diese Partei aus kleinsten Anfängen zur an Mitgliederzahl und Wählern stärksten politischen Organi sation Deutschlands aufstieg, aber dann doch in allen großen Krisen der deutschen Ge schichte bloßes Objekt und nicht gestaltendes Subjekt der Ereignisse wurde.“ 23 ) Abendroth wird dieser Aufgabenstellung in großen Teilen seiner Schrift gerecht. Er ist auch selbstbewußt und mutig genug, sich zu denen zu bekennen, denen er seine Auffas sung von der Geschichte der Arbeiterbewegung verdankt. Während sich die „offizielle“ SPD- Geschichtsschreibung weitgehend von allen historischen Traditionen und Vorbildern ge löst hat, schreibt Abendroth: „Der Verfasser macht keinerlei Hehl daraus, daß die metho dologischen Auffassungen, die er vertritt, durch das Denken der Männer bestimmt wer den, die einst als die theoretischen Köpfe der Sozialdemokratie gegolten haben, durch Karl Marx und Friedrich Engels, und daß er entscheidende Anregungen Franz Mehring verdankt“. 24 ) Abendroth würdigt infolgedessen die Be deutung des 23. Mai 1863, aber er geht davon aus, daß die wirkliche Geschichte der deut schen Arbeiterbewegung erheblich weiter zu rückreicht. nämlich zum Bund der Gerechten, zu Marx und Engels, zum Bund der Kommu nisten und zum Manifest. „So gering dessen Auflage und Verbreitung auch in den ersten Wochen der revolutionären Bewegung 1848 und erst recht in der Reaktionsperiode zu sein schien, nach deren Abklingen und seit dem Wiedererwachen der europäischen Ar beiterbewegung ist dies geniale und sprach gewaltige Dokument das politische Programm geworden, das an Internationalität der Ver breitung und an Auflagenhöhe von keinem anderen erreicht wird.“ 25 ) Konsequent ist Abendroth infolgedessen auch in der Frage des Beginns und der Kon tinuität der deutschen Arbeiterbewegung. „Die geistigen Ansätze des ADAV wurzelten wei terhin in der vergangenen Periode der demo kratischen Arbeiterbewegung. Ferdinand Las salle war 1848 in den Einflußbereich der von Karl Marx geleiteten „Neuen Rheinischen Zeitung“ und des Kommunistischen Mani- fests gekommen. Er hat ihn nie ganz ver lassen, auch wenn er die Methode des histo rischen Materialismus nicht ganz verstanden, geschweige denn voll übernommen hat.“ 26 ) In diesen Schriften haben wir das Beispiel einer möglichen Alternative gegenüber der Verfälschung der Geschichte in den Werken der imperialistischen und rechtssozialistischen Historiker. Hier sind echte Ansätze für eine Verständigung unter Historikern guten Wil lens und Ansätze für eine marxistische Wie dergeburt der westdeutschen Arbeiterbewe gung zu finden. *) Hans Rothfels „Historie und weltpolitische Situation“. Beilage zu „Das Parlament“ vom 12. Dezember 1962 ) Werner Conze: „Der Beginn der deutschen Arbeiterbewegung“, in: „Geschichte und Gegen wartsbewußtsein“; Göttingen 1963 ' 3) Archiv für Sozialgeschichte, Hannover 1961, Band I, Seite 7 4) Werner Conze: „Der Beginn der deutschen Arbeiterbewegung“; a. a. O., Seite 336 5) a. a. O., Seite 337 6) Frolinde Balser: „Sozialdemokratie 1848/49 bis 1863“, Stuttgart 1962, S. 234/35 7) Dolf Sternberger: „Staatsfreundschaft", Frankfurt 1963, Seite 6/7 $) a. a. O„ S. 13 9) a. a. O., 18/19 20) Carlo Schmid: F. Lassalle und die Politi sierung der deutschen Arbeiterbewegung. Archiv für Sozialgeschichte, Band III, Hannover 1963, Seite 5/6 u) vergl. Programme der deutschen Sozial demokratie. Mit einer Einleitung von Fritz Erler. Hannover 1963 12) Günter Markscheffel: 100 Jahre deutsche Sozialdemokratie. Bonn 1963, Seite 4 13) a. a. O.. Seite 10 16) Karl Anders: „Die ersten 100 Jahre“, Han“ nover 1963, Seite 31/32 15) a. a. O., Seite 34 26) Klaus-Peter Schulz: „Proletarier — Klas senkämpfer - Staatsbürger.“ München 1963, Seite 6 17 ) Georg Eckert: „Die Braunschweiger Arbei terbewegung unter dem Sozialistengesetz.“ Braunschweig 1961 ls ) Christian Paulmann: „Die Sozialdemokratie in Bremen.“ Bremen 1964 19) Hermann Herberts: „Zur Geschichte der SPD in Wuppertal.“ Wuppertal 1963 20) „100 Jahre deutsche Sozialdemokratie“, Bilder und Dokumente, Hannover 1963 21) „Handbuch für die Vertrauensleute der IG Metall, Frankfurt 1964 22) Bert Andreas: „Zur Agitation und Propa ganda des ADAV 1863/64." In: Archiv für So zialgeschichte, Band III; Hannover 1963. S. 307 23) Wolfgang Abendroth: „Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie; Frankfurt 1964, Seite 7 2) a. a. O.; Seite 9 25) a. a. O.-, Seite 12 26) a. a. O.; Seite 14.