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Konflikt. Diese Historiker, zu denen wir Georg Eckert, Franz Osterroth, Julius Braunthai und Wilhelm Matull rechnen, haben viele bürger liche und kleinbürgerliche Illusionen und stehen ständig in dem Widerspruch zwischen demokratischer und Ultrapolitik. In den letzten Jahren hat eine bürgerlich liberale und teilweise demokratische Gruppe an Boden gewonnen, die zwar noch nicht sehr stark ist, aber doch schon führende Historiker in ihren Reihen vereint. Das sind Historiker wie Fritz Fischer und Helmut Hirsch, Eugen Kogon und Golo Mann, die sich bemühen, die objektive Realität des Ge schichtsverlaufs genauer widerzuspiegeln und ein wahrheitsgetreues Bild der deutschen Geschichte zu geben. Sie kommen dabei zu anerkennenswerten Leistungen, ohne auf dem Standpunkt der Arbeiterbewegung zu stehen. Natürlich finden wir auch in dieser Gruppe antikommunistische Vorurteile, aber sie sind keine Chauvinisten, werden ihrerseits von den Imperalisten angegriffen und bieten uns Anknüpfungspunkte für eine sachliche Dis kussion. O Schließlich muß man noch eine kleine Gruppe konsequent demokratischer Histo riker und Publizisten hervorheben, die den großen Gewerkschaften in Westdeutschland nahestehen und Ansätze für ein antiimperia listisches Geschichtsdenken in Westdeutsch land erkennen lassen. Das sind Historiker und Publizisten, die die historischen Leistungen von Marx und Engels, von Mehring und Bebel fast ohne Einschränkung würdigen, die die Notwendigkeit einer selbständigen Arbeiter politik in Westdeutschland begründen, den Kampf um die Erhaltung und den Ausbau demokratischer Rechte und Freiheiten führen und gegen die Godesberger Politik der Ge meinsamkeit Stellung nehmen. Zu dieser Gruppe, in der das Geschichtsbewußtsein der Arbeiterklasse, wenn auch mannigfach über lagert, fortexistiert, rechnen wir in erster Linie Wolfgang Abendroth, aber auch Bert Andreas, manche Autoren des Handbuchs der IG Metall, Autoren der Zeitschrift „Metall“ und andere. Sicher ist diese Differenzierung anfechtbar. Jeder, der sich schon einmal mit solchen Pro blemen beschäftigt hat, weiß, daß es sehr schwierig ist, feste Kriterien für die Ein schätzung bestimmter Gruppen von Histo rikern zu finden. Unsere Differenzierung geht nicht von theoretischen Kriterien, sondern von aktuellen politischen Merkmalen aus, von den Bedingungen und Anforderungen des gegen wärtigen Kampfes in Westdeutschland. Wenn es heute in Westdeutschland darauf ankommt, eine breite antiimperialistische Front zu bil den, dann muß man den Hauptstoß gegen die zuerst genannte Gruppe, gegen die Rot fels, Conze, Höhn, Sternberger, Schmid und Markscheffel führen. Wir wollen nun untersuchen, wie die ein- ’ zelnen Gruppen der westdeutschen Histo riker ihre Konzeption in der ersten Haupt periode der Geschichte der deutschen Arbeiter bewegung zu verwirklichen trachten. In der Auseinandersetzung mit der westdeutschen Geschichtsschreibung geht es in dieser Periode vor allem um die Frage nach den Wurzeln und der revolutionären Kontinuität der Ar beiterbewegung, um die Rolle der Partei und ihrer revolutionären Traditionen und nicht zuletzt um die Rolle von Marx und Engels und ihr Verhältnis zur deutschen Arbeiter bewegung. Die imperialistischen Historiker und einige ganz rechts stehende sozialdemo kratische Geschichtsschreiber versuchen, vor allem in diesen Fragen Verwirrung anzu richten und falsche Auffassungen durchzu setzen, um ihr Schema von der „Integration der Arbeiter in den bürgerlichen Staat“ zu untermauern. In dem Bestreben, die heutige Politik der Wehner-Gruppe zu rechtfertigen, versuchen diese Historiker in teilweise um fangreichen Schriften nachzuweisen, daß nicht Marx und Engels und der Bund der Kommu nisten, sondern Born und die „Arbeiterver brüderung“ bzw. Lassalle und der ADAV an der Wiege der deutschen Arbeiterbewegung gestanden hätten. Von Seiten der bürgerlich-imperialistischen Gruppe in der westdeutschen Geschichtsschrei- bung sind hier vor allem die Heidelberger Historiker um Werner Conze, also (neben Conze) Frolinde Balser, Wolfgang Schieder und Dolf Sternberger zu nennen. Werner Conze hat sich in einem Aufsatz unter dem Titel „Der Beginn der deutschen Arbeiter bewegung“ mit den Anfängen der Arbeiter bewegung beschäftigt, die er nicht auf Weit ling oder Marx, sondern auf Stefan Born und die „Arbeiterverbrüderung“ zurückführt. Ausgehend von der Schrift seiner Schülerin Frolinde Balser unterstellt er Marx und Engels, sie hätten sich 1848/49 von jeder prak tischen Einwirkung auf die Arbeiterklasse ferngehalten und die Schaffung einer Ar beiterorganisation zugunsten ihres Bünd nisses mit dem Kleinbürgertum mißachtet.’ Conze schreibt: „Wenn in orthodox-marxisti- schen Darstellungen bis heute der Beginn einer eigentlichen Arbeiterbewegung in Deutschland im Einschlagen des Blitzes Marx'scher Theorie in den „naiven Volks boden“ ... gesehen wird, so trifft das keines wegs für die Arbeiterbewegung, sondern allenfalls für den Marxismus zu, und für diesen auch noch nicht im Jahre 1848/49. Denn Marx hielt sich im Revolutionsjahr deutlich von jeder praktischen Einwirkung auf die Arbeiter fern und suchte mit seiner „Neuen Rheinischen Zeitung“ durchaus nicht „naiven Volksboden“, sondern demokratisch- republikanische Intelligenz zu erreichen.“ 5 ) Die Absicht Conzes ist klar. Auf keinen Fall darf man zugeben, daß am Beginn der deutschen Arbeiterbewegung die Verbindung