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Westdeutschland wird gegenwärtig von einer neuen Springflut des Chauvinismus und Revanchismus heimgesucht. Die herrschende Klasse ist bemüht, Teile der Bevölkerung mit nationalistischen Phrasen und einer Politik scheinbarer Stärke aufzuputschen, sie von ihren wahren Interessen abzulenken und vor den Kriegskarren der Monopole zu spannen. In diesem Bemühen wird sie von einer Anzahl großbürgerlicher Wissenschaft ler, darunter von reaktionären Historikern, aktiv unterstützt. Rothfels und Erdmann. Conze und Schieder, Herzfeld und Höhn benutzen den Einfluß, den sie an Universitäten und Hochschulen, im Rundfunk und Fernsehen, in der Presse und in Verla gen haben, um ein Geschichtsbild zu verbrei ten, das den Machtinteressen des deutschen Imperialismus entspricht und den nationalen Interessen unseres Volkes genau entgegenge setzt ist. Die aggressive Politik des westdeutschen Staates erfordert eine ideologische Offensive der westdeutschen Historiker. Der enge Zu sammenhang zwischen imperialistischer Poli tik und großbürgerlicher Geschichtsschreibung wird heute sehr deutlich, und es besteht wohl kein Zweifel daran, daß die Rolle der Ge sellschaftswissenschaft und speziell der Ge schichte auch im staatsmonopolistischen Ka pitalismus zunimmt. Die herrschende Klasse braucht gerade in der Gegenwart eine wirk same Ideologie, ein . Staats- und Geschichts bewußtsein, das die Werktätigen • falsch orientiert und sie für die abenteuerliche, anti kommunistische Politik der deutschen Groß bourgeoisie einspannt. Die Monopole brau chen keine apolitischen Massen, sondern den in ihrem Sinne „bewußten Staatsbürger“.. In diesem Sinne hatte Hans Rothfels schon im Dezember 1962 erklärt: „Wir können an den großen Fragen der Welt- und Mächte konstellation, die uns sorgenvoll bedrängen und eine Herausforderung auch an die Ge schichtswissenschaft sind“ nicht länger vor beigehen. Nun ist es für einen großbürgerlichen Hi storiker Westdeutschlands aber gar nicht so einfach, eine gültige Antwort auf die „gro ßen Fragen der Welt- und Mächtekonstella tion“ zu geben, denn der Staat und die Ge sellschaftsordnung, die er verteidigen muß. sind historisch überholt, die Politik der Bun desregierung widerspricht den Lehren der Geschichte, und der Widerspruch zwischen Geschichtsschreibung und tatsächlichem Ge schichtsverlauf wird immer größer. Diese Krise der westdeutschen Historiographie gibt dem Historiker, der auf dem Boden des staatsmonopolistischen Kapitalismus steht, wenig Möglichkeiten, den objektiven Wahr heitsgehalt des Geschichtsverlaufs richtig wie derzugeben. Tatsächlich zeigt ein Blick auf die neueren Veröffentlichungen einiger führender Histori ker Westdeutschlands, daß sie die Vergangen heit nicht wirklich zu bewältigen vermögen, sondern mit Entstellungen, Halbwahrheiten und Auslassungen operieren, daß sie sich von ihrer Klassenposition her nicht auf die Leh ren der Geschichte 'berufen können, sondern diese irgendwie zurechtbiegen müssen. Und doch machen sich in der Geschichts schreibung des Imperialismus seit einiger Zeit neue Überlegungen bemerkbar. Während man z. B. früher die Darstellung der Ge schichte der Arbeiterbewegung sozialdemokra tischen Historikern überließ, schalten sich jetzt Historiker der Großbourgeoisie unmit telbar in die Ausarbeitung der Geschichte der Arbeiterbewegung ein und beteiligen sich an Geschichtsdarstellungen der SPD. Während man früher die Arbeiten der DDR-Historiker einfach nicht zur Kenntnis nahm und Ergeb nisse der marxistischen Geschichtsschreibung ignorierte, setzt man sich jetzt mit uns aus einander, gibt wohl auch einmal eine Teil wahrheit zu und versucht mit geschickteren Mitteln, die alten Ziele zu erreichen. Offensichtlich ist einer ganzen Anzahl großbürgerlicher Historiker in Westdeutsch land klar geworden, daß man die DDR und ihre Geschichtsschreibung nicht mehr einfach vom Tische fegen kann, daß man sich viel mehr auf einen vielleicht lange dauernden ideologischen Kampf einrichten muß. Wenn sich also auch Historiker wie Rothfels, Conze, Sternberger und Höhn jetzt mit Problemen der Geschichte der Arbeiter bewegung befassen, dann hängt das sowohl mit dem wachsenden politischen Gewicht der Arbeiterklasse im internationalen Maßstab, als auch mit dem zunehmenden Einfluß der DDR in Westdeutschland zusammen. Man will und muß uns heute antworten. In diesem Sinne forderte der Heidelberger Historiker Werner Conze im Jahre 1963 seine Fachkollegen auf, sich stärker mit der Ge schichte der Arbeiterbewegung zu beschäfti gen, weil hier „von interessierter Seite“ vie les falsch bewertet, überhöht und verdunkelt worden sei. Direkt gegen uns gerichtet heißt es in seinem Beitrag zur Festschrift für Hans Rothfels, die Kommunisten in der DDK hätten die Geschichte der Arbeiterbewegung „aus politisch-ideologischen Gründen in den Vordergrund der historischen Forschung und Belehrung gestellt, wobei die ,Parteilich keit 1 dei' Behandlung gar nicht geleugnet, sondern im Gegenteil gefordert wird. Daß damit Verfälschung im großen Stil getrieben wird, ist einleuchtend und den Fälschern oft selbst bewußt. Das gute Gewissen zur Fäl schung aber rührt vom Monopolanspruch der Deutung des Geschehens her, der daraus folgt, daß die Kommunisten sich allein als die wahren Erben und Träger der sozialisti-