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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 7.1963
- Erscheinungsdatum
- 1963
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196300009
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19630000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19630000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 7.1963
-
- Ausgabe Nr. 1, 3. Januar 1
- Ausgabe Nr. 2, 10. Januar 1
- Ausgabe Nr. 3, 17. Januar 1
- Ausgabe Nr. 4, 24. Januar 1
- Ausgabe Nr. 5, 31. Januar 1
- Ausgabe Nr. 6, 7. Februar 1
- Ausgabe Nr. 7, 14. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 21. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 28. Februar 1
- Ausgabe Nr. 10, 7. März 1
- Ausgabe Nr. 11, 14. März 1
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- Ausgabe Nr. 20, 16. Mai 1
- Ausgabe Nr. 21, 24. Mai 1
- Ausgabe Nr. 22, 30. Mai 1
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- Ausgabe Nr. 24, 13. Juni 1
- Ausgabe Nr. 25, 20. Juni 1
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- Ausgabe Nr. 29, 19. Juli 1
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- Ausgabe Nr. 31/32, 15. August 1
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- Ausgabe Nr. 38/39, 26. September 1
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- Ausgabe Nr. 41, 10. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 42, 17. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 43, 24. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 46, 14. November 1
- Ausgabe Nr. 47, 21. November 1
- Ausgabe Nr. 48, 28. November 1
- Ausgabe Nr. 49/50, 5. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 51/52, 12. Dezember 1
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Band
Band 7.1963
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UTZ w I lilm- feuilleton Resignation und Aufschrei „Die nackte Insel" Eine Filmballade von Kaneto Shindo Ich kenne keinen anderen Film, der so konsequent konventionelle Vorstellungen von einer filmischen Dramaturgie miß achtet. Während der 92 Minuten „geschieht“ eigentlich nicht sehr viel, die Fabel ist von einer provozierenden Alltäglichkeit. Eine kleine •wasserarme Insel im Westen Japans. Ein Bauernehepaar, seine zwei Söhne. Eine Ziege und ein paar Hühner, dazu ein steiniger Acker am Hang, zu dem man das Wasser auf einer schweren Trage mit zwei Eimern emporschaffen muß. Von einer großen Insel muß das Wasser zum Trinken und für den Acker herüber gerudert werden. Immer wieder nimmt die Kamera den Rhythmus der Arbeit auf, beschreibt detailliert jede Bewegung, heftet sich an die Füße, die sich in den Hang ver krampfen, krallt sich in die Gesichter, die zu wort- und lautlosen Masken erstarrt scheinen. Jedes Aufbegehren gegen die tägliche Monotonie scheint sinnlos. Als die Frau stolpert und vom kostbaren Wasser verschüttet, schlägt ihr Mann sie nieder. Nur einmal, nach der Beerdigung des ältesten Sohnes, gellt die Frau auf, nicht mehr zu unterdrückende wilde Laute der unsäg lichen Verzweiflung. Sie reißt die Pflanzen aus der Erde, zertritt sie, stößt den Eimer mit dem Wasser um. Nur Minuten, dann erlischt die Rebellion. Schweigend nimmt die Frau die Arbeit wieder auf. Ein Film, der die ganze Aufmerksam keit des Betrachters fordert, der gesehen werden will. Kein einizes Wort wird ge sprochen, nur Urlaute der Freude, des Lei des durchbrechen das menschliche Schwei gen. Dies ist alles andere als ein künstle rischer Anachronismus oder gar snobisti sche Manier. Regisseur Shindos — Sohn einer Bauernfamilie — menschliche und künstlerische Erfahrung verbot ihm das Mittel des Dialogs: „Auch meine Mutter hat bis zu ihrem Tode niemals ein Wort über ihre schwere Arbeit gesagt; diese Wertlosigkeit hat mich nicht mehr los gelassen: Kein menschlicher Dialog wäre fähig, die Gefühle dieser Bauern auszu drücken.“ Shindos Bauern ergeben sich in ihr Schicksal. Eine müde Resignation liegt über ihrem Tun, noch unterstrichen von der optischen Subtilität und Finesse der an japanische Holzschnittkunst erinnernden Bildkompositionen. Blind und ohne Wider spruch wird wieder das Joch genommen. Es wäre jedoch falsch, Shindos Stand punkt mit der Erkenntnisdumpfheit seiner Helden zu interpretieren oder in seiner Ballade (wie es der westdeutsche „Katho lische Filmdienst“ tat) „ein Gleichnis von der gläubigen Standhaftigkeit des Men schen“ zu sehen. Nicht um das konserva tive Lob der Standhaftigkeit geht es hier, sondern um einen sozialkritischen Auf schrei, trotz oder gerade wegen der Stumm heit der Protagonisten des Films. Shindo spitzt die’ Passivität seiner Bauern in das „Wider alle Vernunft“ zu, um seinen Zuschauer zu aktivieren. Um ihn geht es dem Autor und Regisseur der „Kinder von Hiroshima“. Formal fordert „Die nackte Insel“ zum Vergleich mit Robert Flahertys „Man of Aran“ (1934) heraus. Hier wurde beschrie ben, wie Bewohner einer irischen Atlantik küste dem Meer und dem kargen Felsen ihre Nahrung abringen. Doch Flahertys Helden sind zeitlos abstrahiert von jeg- licher gesellschaftlichen Bezogenheit. Sie führen einen „fairen Kampf“ gegen die Natur, die sie schließlich überwinden. Shindo postuliert nicht den Kampf Mensch gegen Natur, seine Bauernfamilie ist das Opfer gesellschaftlicher, nicht naturgegebe ner Disproportionen. Die Natur ist letzt lich nur Synonym für außerhalb der Bal lade bleibende soziale Kräfte. Fred Gehler Veröffentlicht unter der Lizenz-Nr. 63 des Rates des Bezirkes Leipzig. - Erscheint wö- chentch. - Anschrift der Redaktion: Leipzig C 1, Ritterstraße 26, Fernruf 79 71. Sekretariat Apparat 264, Bankkonto 513 803 bei der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. - Druck: LVZ- Druckerei „Hermann Duncker“, HI 18 138, Universitätszeitung, Nr. 9, 28. 2. 1963, S. 6 I n der $ Universitätszeitung“ vom 17. 1. 1963 berichtet Georg Perlbach über ein Gespräch der Arbeitsgemeinschaft Mu sik der Hochschulgruppe des Deutschen Kulturbundes zu Problemen der neuen Musik. Er kommt dabei zu der richtigen Feststel lung, daß die Arbeitsgemeinschaft und ihre Leitung sich in diesem Gespräch bei der Einschätzung des Charakters unserer neuen Zeit und ihrer neuen Kunst nicht auf der Höhe ihrer Aufgaben zeigten. Eine solche Feststellung erhält besonderes Gewicht durch die Tatsache, daß die Arbeitsge meinschaft Musik im wesentlichen durch einige Wissenschaftler des Instituts für Musikwissenschaft unserer Universität re präsentiert wird. Es ist in jedem Falle zu begrüßen, wenn Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft- ler in der kulturpolitischen Praxis mit arbeiten. Sie entsprechen damit der For derung des VI. Parteitages der SED: „Die Kritiker und Kunstwissenschaftler müssen sich ihrer großen Verantwortung und ihrer aktiven Rolle bei der künstlerischen Ent wicklung bewußt sein.“’) Eine solche Tätig keit gibt den Wissenschaftlern die Mög lichkeit, mit hoher Sachkenntnis unmittel bar zur Klärung strittiger Fragen der Ge genwartskunst beizutragen und zugleich ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis zu erproben. „Vor allem geht es darum, die Entwicklung der sozialistischen Kunst in den Mittelpunkt der Kunstwis senschaft und Kunstkritik zu stellen. Das erfordert eine weitgehende Umstellung der Kunstwissenschaft auf die Probleme der Schaffung einer sozialistischen National kultur, besonders auf die künstlerische Be wältigung der Gegenwart.“ 2 ) Das Auftre ten einiger Musikwissenschaftler in dem genannten Gespräch zeigte ein recht ober flächliches, schematisches und im Grunde unwissenschaftliches Herangehen gerade an diese Probleme. Ausgangspunkt der Dis kussion war ein Bericht über das Musik fest „Warschauer Herbst“ 1962, das seit 1956 regelmäßig stattfindet und dessen Ver anstaltungen vor allem der Gegenwarts- musik gewidmet sind. Es ist seit langem bekannt, daß die Programme dieses Festi vals häufig ein sehr einseitiges Bild von der Entwicklung der zeitgenössischen Mu sik geben. Einer der bedeutendsten Meister des sozialistischen Realismus, der sowjeti sche Komponist Dmitri Schostakowitsch, schrieb bereits 1959 über den „Warschauer Herbst“: „Im Programm der Festspiele zeigt sich ein deutlicher Hang zu den westlichen .Experi menten' und zur Zwölftonmusik. Gleichzeitig war das Schaffen der fortschrittlichen Kom ponisten nur schwach vertreten und bei wei tem nicht immer durch die stärksten Werke. Dadurch entstand keineswegs ein obiektives Bild von der Lage der modernen Musik von heute.“’) Über die Zwölftonmusik, deren philoso phische Begründung Theodor Adorno mit den Worten zu geben versuchte: „Die Angst des einzelnen wird zum Kanon einer neuen Ästhetik der Kunst“, äußerte sich Schostakowitsch wie folgt: „Diese ,neue‘ Ästhetik ist ein Erzeugnis der alten Welt, die bald für immer der Vergan genheit angehören wird. Sie wurde von Men schen geschaffen, die nicht an die Zukunft glauben und vor sich keine große, helle Per spektive sehen. Deshalb beunruhigt es, mich sehr, daß einige polnische Komponisten, ins besondere aus der Jugend, sich an die ,Offen- barung’ der Zwölftonmusik klammern und in ihr die Zukunft der Musik sehen. Idi möchte sie aufrichtig warnen, sich hiervon hinreißen zu lassen, und ihnen raten, sich aufmerk samer und gründlicher mit den nationalen Traditionen der polnischen Musik zu befas sen.“ 4 ) Noch schärfer verurteilte der sowjetische Musiker die sogenannte „konkrete“ und elektronische Musik, die auf dem Festival gleichfalls eine gewisse Rolle spielte: „Eine solche Musik kenne ich nicht; was uns Pierre Scheffer auf dem Festival vorführte, steht in keinerlei Beziehung zur Musik. Einige von diesen Geräuscheffekten sind längst im Film, im Hörspiel und in Theater ¬ aufführungen verwendet worden. Ich finde es aber völlig absurd, Menschen in die Konzert säle zu lassen, nur damit sie sich diese äußerst unangenehmen und gänzlich sinnlosen Geräusche anhören.“ 5 ) Diese Urteile Schostakowitschs dürfen als stellvertretend für die Mehrzahl der Anhänger des sozialistischen Realismus in der Musik gelten. Natürlich bleibt es nicht aus, daß der Klassengegner allen Einflüssen der bour geois-imperialistischen Dekadenz in der Kunstentwicklung der sozialistischen Län der seine besondere Aufmerksamkeit schenkt und gewisse Erscheinungen des Formalismus und Abstraktionismus . als eine Art ideologischer „Fünfter Kolonne“ betrachtet. Wir wissen, daß dabei der Wunsch der Vater des Gedankens ist. So widmet der Westberliner „Tagesspiegel“ vom 26. 10. 1962 dem „Warschauer Herbst“ 1962 folgende bemerkenswerten Sätze: „In Warschau können westlicher Geist und westliche Kunst in einem Territorium ihre Wirkung tun, das sich sonst von allen seiner Ideologie abträglichen Einflüssen hermetisch abschließt.“ Das Blatt versteigt sich zu der absurden Behauptung, der 6. „Warschauer Herbst“ vermittle die „Überzeugung, daß man das polnische Volk nicht mit dem Osten identifizieren darf. Die Polen gehören zu uns, mit ihrer Kunst wie in ihrer Gesinnung.“ Die Einheit und Geschlossenheit der kommunistischen und Arbeiterparteien, die der VI. Parteitag der SED widerspiegelte, hat auch diese Illusionen der Lächerlich keit preisgegeben. Der Minister für Kultur der Volksrepublik Polen. Tadeusz G a - linski, charakterisierte die Versuche, der polnischen Kunst den Abstraktionis mus und Formalismus aufzuzwingen sowie die demagogischen Losungen der „integra len Demokratie“ und der „vollen Freiheit“ als Erscheinungen des Revisionismus und sagte ihnen den entscheidenden Kampf an. In einem Artikel über die „Entwicklung der Kultur im neuen Polen“ schrieb Ge nosse Galinski: „Wir sind der Meinung, daß man solche Werke der Literatur und Kunst unterstützen muß, die die aktive Einstellung zum Leben preisen und die nihilistische Einstellung zum Leben brandmarken, die vom Optimismus durchdrungen sind, sich gegen Verzweiflung und Pessimismus wenden, die zur Herausbil dung des geistigen Antlitzes des neuen Men- sehen, des bewußten Erbauers des Sozialis mus, beitragen.“ 6 ) Wladyslaw Gomulka sagte auf dem III. Parteitag der PVAP: „Uns kann die Frage nicht gleichgültig sein, ob die Entwicklung unserer Kultur in der konkreten historischen und sozialen Situa tion der Befreiung der Gesellschaft von den Fesseln des kapitalistischen Erbes hilft oder nicht, ob sie die Herausbildung des neuen, sozialistischen Bewußtseins und damit den Aufbau des Sozialismus fördert oder nicht.“') Man hätte unter diesen Umständen er warten müssen, daß ein Bericht über den „Warschauer Herbst“ eine kritische Ein schätzung einschließt und gerade diesen Fragen besondere Aufmerksamkeit widmet. Leider war dies jedoch nicht der Fall. Wir fragen uns: Wem nützt es, wenn Musikwissenschaft ler unserer Universität bei der Bericht erstattung über den „Warschauer Herbst“ mehrmals nachdrücklichst auf die dort an geblich herrschende „völlige Freiheit“ für „alle Gattungen und stilistischen Richtun gen“ verweisen? Wem nützt es, wenn man im gleichen Atemzug feststellt, daß aller dings „merkwürdigerweise die experimen telle Richtung einen gelinden Vorzug“ ge nieße, der selbst ältere Komponisten mit internationalem Ruf veranlaßt, dieser Richtung zu folgen, wenn man darin aber keine Beschränkung der erwähnten „Frei heit“ sieht, da die „experimentelle“ Musik ja ohnehin die „interessanteste“ sei? Die Unzulänglichkeit des Berichtes löste eine sehr rege und recht polemische Dis kussion aus. Dabei stellten mehrere Gäste — darunter Teilnehmer eines vom Institut für Philosophie veranstalteten Ästhetischen Kolloquiums — den anwesenden Musik wissenschaftlern mit Recht sehr eindring ¬ lich die Frage nach der ideologischen Kon zeption und dem künstlerischen Anliegen des Festivals sowie nach der Anwendbar keit der nach westlichem Vorbild ent wickelten modernistischen Techniken für die Gestaltung des neuen, sozialistischen Lebensgefühls. Leider hörte man keine befriedigende Antwort. Unsere sozialistische Kulturrevolution hat auch auf dem Gebiet des Musik schaffens eine Reihe bedeutender Werke des sozialistischen Realismus hervorge bracht, die eine überzeugende Sprache sprechen und dem Volke verständlich sind. Die-meisten unserer Komponisten und Mu sikwissenschaftler teilen den Standpunkt der Partei der Arbeiterklasse: „Wir sagen es offen, wir sind gegen den sogenannten Modernismus, der charakterisiert wird durch eine primitive Gestaltung des Men schen und die Ausschaltung echter Gefühls werte.“ 8) Das erwähnte Gespräch war keineswegs die erste öffentliche Diskussion an unserer Universität über Fragen der sozialistischen Gegenwartsmusik, an der sich Wissen schaftler des Instituts für Musikwissenschaft beteiligten. Leider widmeten sie in diesen Diskussionen (vgl. UZ vom 13. Dezember 1962) dem wahrhaft Neuen in unserer ge sellschaftlichen Entwicklung und in unserer Musik zuweilen recht wenig Aufmerksam keit. Statt dessen warfen sie immer wieder die Frage nach der Anwendbarkeit bzw. „Umfunktionierbarkeit" einiger eindeutig ästhetisch organisierter Formen und Ge staltungsmittel auf, die der bourgeois- imperialistischen Dekadenz angehören oder von ihr verabsolutiert wurden. Der sozialistische Realismus zeichnet sich durch inhaltlichen Reichtum und eine große Vielfalt der Formen aus. Es ist des halb nicht verwunderlich, daß wir noch längst nicht alle Wege genau kennen, die zur realistischen Gestaltung des Lebens führen. Der Weg des Modernismus hat sich jedoch bereits klar als in die Enge führend erwiesen. Es ist deshalb unver ständlich, warum einige Musikwissen schaftler unserer Universität gerade an ihm festhalten. In dem genannten Gespräch wurde die Frage nach einer musikwissenschaftlichen Einschätzung des „Warschauer Herbstes“ nur sehr ausweichend behandelt. Um so mehr muß es befremden, daß dieselben „Experimente ohne Ideologie“? Von Eberhard Lippold Wissenschaftler bei einer anderen, eben- I falls öffentlichen Veranstaltung ihres In- I stitutes erklärten, die Komponisten der I DDR seien gegenüber den jungen polni- I sehen, Vertretern der „experimentellen Richtung“ um Jahre zurück. Hier geht es wohl bereits nicht mehr um das Suchen nach einem gangbaren Weg Sieht man von der schematischen Nivellie rung nationaler Besonderheiten der Kul turentwicklung in den einzelnen sozialisti- schen Ländern ab, auf die wir hier nicht näher eingehen können, so bleibt der offensichtliche Versuch, enge, modernisti sche Experimente als Vorbilder für unsere sozialistische Musikentwicklung darzu- stellen. Sind sich die betreffenden Wissenschaft ler völlig darüber im klaren, welche Po- sitionen sie damit beziehen? Welche Mei nung vertreten die anderen Musikwissem schattier dazu? Wir sind für jedes echte Neuerertum in der Kunst, wir sind für stilistische Man nigfaltigkeit bei der künstlerischen Gestal tung unserer neuen Wirklichkeit und auch für schöpferisches Experimentieren in die sem Sinne. Wenn aber in letzter Zeit einige Künstler und Kunstwissenschaftler versuchten, unserer gesamten Kunstent wicklung eine dem Sozialismus fremde, unfruchtbare, enge und schematische Rich tung aufzuwingen und zugleich den Ruf nach „Freiheit“, gegen „Enge" und „Dog- matismus“ unserer „offiziellen Stellen“ er hoben, so ging es dabei „am allerwenig sten um Fragen der Kunst und der Ästhe tik. Es ging vielmehr in erster Linie um das Verhältnis zur Partei der Arbeiter klasse, zum Arbeiter-und-Bauern-Staat und zur Entwicklung der sozialistischen Natio nalkultur“, wie Walter Ulbricht auf dem VI. Parteitag feststellte. Nikita Chruschtschow wandte sich voü der Tribüne des Parteitages unmittelbar an die Schriftsteller und Künstler unserer Republik und betonte damit die groß® Bedeutung ihrer ideologisch-ästhetischen Klarheit für die kulturelle Entwicklung des gesamten sozialistischen Lagers: „Die Ideologen der Bourgeoisie... möchten natürlich, daß nicht die großartigen Ge setze des sozialistischen Realismus, solt dern irgendwelche abstrakte Stümperel das Gepräge Ihrer schöpferischen Intelli genz bestimmte. In dieser Hinsicht sind Ihre Schriftsteller und Künstler zu beson derer Wachsamkeit verpflichtet, dürfen sie nicht vergessen, daß sich die Welt den Unterdrückung, Spekulation und Profit- jagd neben Ihnen befindet, daß diese Wei' bei Ihnen durch Fernsehen und Rundfunk eindringt und ihr Unwesen treiben will Diese Worte sollte man bei künftigen Dis kussionen über Probleme der sozialisti schen Gegenwartsmusik unbedingt berück sichtigen. Im Laufe des vergangenen Jahres er schienen in den Spalten der „Universitäts Zeitung“ des öfteren Hinweise auf ideo logisch-ästhetische Probleme in der Tätig keit des Institutes für Musikwissenschaft’ Es wäre im Sinne der eingangs zitierten Forderungen des VI. Parteitages der SEP' wenn nunmehr auch Angehörige diese 8 Instituts durch konstruktive Beiträge zu Kunstdiskussion an der Klärung noc2 offener Fragen unserer sozialistische? Nationalkultur mitarbeiten würden. Uns ist bekannt; daß gegenwärtig, wie überall an der Universität, Wissenschaft ler und Studenten des Institutes um eine Erhöhung des wissenschaftlichen Niveau* der Ausbildung bemüht sind. Es wäre des halb wünschenswert, daß sich auch die Studenten stärker als bisher an dieser Diskussion beteiligten. Anmerkungen: 1) W. Ulbricht, Rede zum Programmentwurf 3) ebenda 3 ) „Musik und Gesellschaft" Nr. 2 1960, S. 76 9 ebenda S. 75 5 ebenda S. 76 6) „Probleme des Friedens und des Sozialismus 11 1960. S. 57 7) ebenda ’) w. Ulbricht, Rede zum Programmentwurf Im Gespräch mit Volker Braun U Z : Also muß auch ein lyrisches Ge dicht für sich sprechen, ohne langes Rätselraten der Leser und Kommentare des Autors. , Ein Gedicht, in guter Absicht geschrieben, sagt etwas Falsches aus. Wie erklärst du dir diesen Wider- spruch? Volker Braun: Ich habe mir nicht tief genug durchdacht, worin das Wesen des Agitators in der Übergangs periode besteht. Demzufolge fand ich nicht die entsprechenden Mittel, die richtigen adäquaten Bilder, die eine rich tige Aussage erreichen. Das ist der Hauptgrund. Man darf natürlich auch nicht ver kennen, daß die Herstellung einer Sache, die mit wissenschaftlichen Argumenten nicht beweisbar ist, sich nicht mit Leich ¬ es Robert lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll^ IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIH , Zoppeck gemacht hat. (UZ vom 21. 2.1963 „Verzerrung der Wirklichkeit nützt uns Er stimmt Eberhard Hackethal die Mängel in der ideologischen liegen und weist sachlich und nach, inwiefern das, was ich mit Bildern ausgesagt habe, nicht nichts".) । zu, daß | Position 1 konkret ■ meinen dachten Gedicht identifizieren U Z : Und wie stellst du dir lieh helfende Kritik vor? Volker Braun: So wie ter dem ich nicht mehr stehe. Daß es in sei ner Aussage falsch ist, wurde mir bewußt. (Deshalb wollte ich es eigentlich auch nicht veröffentlichen.) Als ich das Gedicht schrieb*’war meine Grundidee, die Größe dieser Funktionäre zu zeigen, die um die sozialistische Bewußt seinsbildung der Menschen ringen. Sie wis sen, daß dies das komplizierteste Problem ist - sie lösen es dennoch, obwohl sie mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, weil sie wissen, worum es geht. Die, die mit ihrer Zeit im Einverständnis leben, sie be wußt durchleben und vorangehen, haben es immer schwerer als die, die sich mitziehen lassen. UZ : Die Kompliziertheit bestreitet wohl auch niemand. Aber sind deshalb Agitato ren unglücklich? Gerade dieser resignie rende Zug, der dein Gedicht bestimmt, ist es doch wohl, weshalb es abgelehnt wird. Man ist geneigt, die Agitatoren eher zu bedauern, als ihre Größe zu erkennen. Volker Braun: Darin besteht eben die falsche Aussage. Als Philosophiestudent betrachte ich es selbst als meine Aufgabe, Agitator zu sein, und niemand wird sagen, daß ich Unglück lieh dabei bin. Gerade jetzt im Praktikum wird man täglich mit Fragen und Pro blemen konfrontiert, deren Beantwortung und Lösung oft sehr schwer und kompliziert, aber auch großartig und befriedigend ist. Das Glück besteht dann in der Erkenntnis des Nutzens der eigenen Tätigkeit, wenn man erkannt hat. daß man dazu beiträgt, den Fortgang der Dinge mitzuschaffen. Als ich das Gedicht schrieb, wollte ich keineswegs einen pessimistischen Zug mit schwingen lassen oder meiner eigenen Re signation Luft machen. Ich habe manchmal eine etwas iro nische Art . . . („O schweres Los"!) Aber das nur nebenbei. Richtig ist, daß ent scheidet, was objektiv wirkt. kann. eine wirk- tigkeit hinschreiben läßt, schon allein deswegen, weil man subjektiv schwer beurteilen kann, was wird mit diesem Satz, mit dieser Formulierung für eine Wirkung erzielt. Deshalb ist mir für meine Gedichte wichtigster Maßstab, was die Leute darüber sagen, für die ich ja auch schreibe. UZ : Jetzt ist eigentlich eine sehr gün stige Zeit für junge Lyriker angebrochen - die vermeintliche Gleichgültigkeit gegenüber der Lyrik ist einer großen Empfänglichkeit und kritischem Interesse gewichen. Das wird schließlich auch in den Meinungen zu deinem Gedicht deut lich. Was hältst du von ihnen, speziell von denen, die wir veröffentlicht haben? Volker Braun: Die Kritik von Eberhard Hackethal erkenne ich in ihrem Kern an („Wir brauchen echte Ausein andersetzungen“ — UZ vom 24. 1. 1963). Ich habe ja schon zum Ausdruck ge bracht, daß ich es ideologisch nicht ge nug durchdacht und auch mit nieman dem beraten habe. Aber ich betrachte das Gedicht als unvollendet. Deshalb wende ich mich dagegen, daß mir Angst vor den hohen Aufgaben beim Aufbau des Sozialismus oder Kapitulantentum vorgeworfen wird, weil man meiner An sicht nach nicht die Meinung des Autors mit einem unfertigen, ungenügend durch- U Z : Wie du in den letzten Nummern unserer Zeitung gelesen hast, erhitzen sich die Gemüter über dein Gedicht „Agitato ren". Die einen verurteilen es, andere loben es, wieder andere korrigieren freund schaftlich, was in der Tendenz nicht richtig daran ist. Du als Autor wirst interessiert sein, die Sache ins richtige Licht rücken zu helfen. Wie beurteilst du selbst a'eine „Agi tatoren“? Volker Braun: Es fällt mir schwer, zu einem meiner Gedichte zu sprechen, hin- der Wahrheit entspricht. All das, was über meine Gedichte ge sprochen und geschrieben wurde, hat mir | sehr geholfen. Die Konsequenz daraus wird sich in den Gedichten niederschla- | gen, die noch entstehen. Meiner Mei nung nach sind Gedichte unentbehrlich für unseren Kampf. Ich bemühe mich, daß | meine Lyrik Waffe darin ist. .illllillilllllllllllllllllllHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMlIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIHIIIIIIIIIIIIIII^ Streif um LYRIK
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