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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 7.1963
- Erscheinungsdatum
- 1963
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196300009
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19630000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19630000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 7.1963
-
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- Ausgabe Nr. 5, 31. Januar 1
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- Ausgabe Nr. 7, 14. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 21. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 28. Februar 1
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- Ausgabe Nr. 31/32, 15. August 1
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- Ausgabe Nr. 38/39, 26. September 1
- Ausgabe Nr. 40, 3. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 41, 10. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 42, 17. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 43, 24. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 44, 31. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 46, 14. November 1
- Ausgabe Nr. 47, 21. November 1
- Ausgabe Nr. 48, 28. November 1
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Band
Band 7.1963
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Zum 150. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig Die „Sterne Napoleons“ 4 uch an der Universität Leipzig 7 hatte der Cäsar der französi- sehen Großbourgeoisie — wie in •APreußen und allen deutschen Staaten — devote Untertanen Und aufrechte Widersacher. Die ersteren waren keine Verehrer des Napoleon, der den reaktionären preußischen Feudalstaat in Stücke gehauen, die Auswüchse der Klein staaterei beschnitten und in den Rheinbundstaat mit dem Code Napo leon erstmals bürgerliches Recht und Gesetz in Deutschland eingeführt hatte, Sondern sie huldigten ebenso unter würfig und würdelos wie der preußi sche König oder Friedrich August III. Von Sachsen dem Eroberer und Des poten Napoleon. Unter den letzteren dagegen waren von echtem Nationalbewußtsein er- füllte Persönlichkeiten, nicht jenen be schränkten Nationalisten vergleichbar. Von denen Marx und Engels schrieben: „Die deutschen Bürger, die über Na poleon schimpften, weil er sie Zicho rien zu trinken zwang und ihren Land trieden störte, verschwendeten ihren Panzen moralischen Haß an ihn . . . Während Napoleon ihnen durch seine Reinigung des deutschen Augiasstalles Und die Herstellung zivilisierter Kom munikation die größten Dienste lei dste . . .“ Nein, Krug, Tzschirner und andere namhafte Patrioten aus der Leipziger Professorenschaft verfielen nicht dem blinden Franzosenhaß, sondern sie wa ren von der Woge der Volksbewegung gegen die drückende Fremdherrschaft emporgehoben worden, und hatten sich in ihrem Wirkungsbereich zu Sprechern der öffentlichen Meinung ge macht. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Patrioten an der Leipziger Univer sität, von denen hier die Rede sein soll, stets und vollständig über die Gefahr im Bilde waren, die der Freiheit, um die sie kämpften, von seiten der feu dalen Machthaber drohte bzw. über haupt praktische Ziele zur Veränderung der inneren Verhältnisse Deutschlands verfolgt hätten. Gerade das aber offen bart nur die mangelnde Reife des deut schen Bürgertums und demzufolge die Schwäche der gesamten Bewegung. * ■ D as erste Bemerkenswerte, was die zeitgenössischen Chroniken über die Beziehungen der Uni versität Leipzig zu Napoleon melden, war eine Art „Tilsiter Erieden", den der Leipziger Senat und Rektor mit Christian Daniel Erhard an der Spitze mit dem Eroberer schloß. Das Intelligenzblatt der Jenaer Allge- meinen Literatur-Zeitung berichtet über dieses Ereignis am 9. September 1807 wie folgt: „Bey der Durchreise des französi- When Kaisers durch Leipzig hatte sich die hiesige Universität in Bereitschaft besetzt, ihre Empfindungen der Ehr- tärcht und Dankbarkeit dem unsterb lichen Helden für den genossenen Schutz darzubringen. Zu dem Ende hatte sie eine Elegie verfassen lassen, die dem Kaiser überreicht werden ‘ollte. Auch wurde die Stiftung eines bleibenden Denkmals am Himmel öffentlich bekanntgemacht. Die des halb vorher befragten Hnn. Proff. Hin denburg und Rüdiger hatten nämlich ^urteilt, daß einem neuen, der Würde des Gegenstandes entsprechenden, ^ternbilde kein schicklicher Platz am Fimmel ausgemittelt werden könne, daß aber Teile eines bereits bekann- ,e n Sternbildes zu jenem Zweck ge wählt werden könnten. Die Universi- üt hat demnach beschlossen, die zum Gürtel und Schwerdte des Orions ge hörigen und die dazwischenliegenden ^lerne, deren kein einziger einen be- ^nderen Namen hat, in Zukunft die Sterne Napoleons zu nennen.“ Allerdings sollte es der Abordnung des Akademischen Senats nicht ver- Eönnt sein, dem Kaiser eine cntspre- Chende Sternkarte nebst Widmung Persönlich zu überreichen, denn Na- Doleon kam nicht, wie erwartet, am 33. Juli 1807 nach Leipzig, sondern durchfuhr erst — und zwar ohne Aufenthalt — am 23. Juli frühmorgens d>e Stadt. Deshalb heißt es in dem Zeitungsbericht weiter: „Eine zu diesem Zwecke entworfene Stern karte ist, mit Genehmigung des Honigs von Sachsen, an das National- hstitut zu Paris abgeschickt worden. Pit der Bitte, diesselbe dem französi- Ghen Kaiser zur Annahme dieser Huldigung vorzulegen.“ Diese schmähliche Episode ver- Veranlaßte Seume zu der sarkastischen Bemerkung, daß die in der alten Plei- Jenburg — dem St andort der Stern- Varte — hausenden Eulen besonders ärmend an den Abenden krächzten, As „Erhard und Comp. Bonaparte in den Orion hineinflickten“. Und er agt: „Ob wohl Minervens Vögel die Politischen, martialischen und literari- chen Heldenthaten feierten oder mit Angst vor den Erscheinungen wegflat- hrten?“ Als napoleontreu werden in einem Reitgenössischen Spottgedicht unter an derem auch der Universitätszeichen- feister Capieux und Dr. med. Burg- Deim von der Medizinischen Fakultät Genannt. Was Napoleon angeht, so wußte die- Ner jedoch zu gut, daß er in Leipzig ind namentlich an der Universität mehr Gegner als Vasallen hatte, was glänzten nicht lange ihn nach der Schlacht bei Lützen beim Empfang einer Deputation der Stadt Leipzig zu der Bemerkung veranlaßte: „L’Universite n’est pas trop bonne“ — die Universität ist nicht nach mei nem Sinne. Der unmittelbare Anlaß da für war, daß sich diesmal die jetzt von Prof. Krug geleitete Universität mit der Huldigung nicht beeilt hatte. * Der Professor der Philosophie Wil helm Traugott Krug, im Jahre der Völkerschlacht Rektor, war zweifellos die hervorstechendste Gestalt des pa- triotischen Volkskampfes gegen Napo leon an der Universität. Bevor er 1809 nach Leipzig gekommen war (er wirkte hier bis zu seinem Tode im Jahre 1842), war er Nachfolger Kants auf dessen Lehrstuhl in Königsberg. Er wird gerühmt als namhafter Ge lehrter, der es sich nicht nehmen ließ, zu den Zeitereignissen seine Stellung nahme öffentlich zu bekunden und mit geschliffener Klinge und praktischem Verstand in die geistigen Fehden sei ner Zeit einzugreifen. Das mag auch der Grund dafür gewesen sein, daß er — wie einer seiner Biographen ver merkt — nicht das volle Vertrauen der obersten Behörde seines Vaterlandes genoß. Noch während der französischen Be satzungszeit, die bis zum Frühjahr 1813 dauerte, kursierte an der Uni versität ein aus seiner Feder stammen Für eben dieses „Banner der frei willigen Sachsen", in das er eintrat, schrieb Krug neben nderen Kampf liedern auch das populär gewordene, auf dem Marsch oft gesungene Ban nerlied. Ein aufschlußreiches Dokument ist die Rede, die Krug, derzeit schon Mit glied des Banners, an seine Studenten richtete: „Viele von Euch, theure Jüng linge“, beginnt er, „haben schon das Buch mit dem Schwerdt vertauscht, um Teutschlands Freiheit erringen zu helfen; und ich, Euer Lehrer, hab’ es nicht nur gebilligt, sondern selbst mei nen Hörsaal geschlossen, um mit Euch für denselben hohen Zweck zu kämp fen.“ Er fährt fort, daß dieser Appell manchen seltsam dünken möge, da er oft genug den Krieg mit Klopstock als „des Menschengeschlechts Brandmal alle Jahrhunderte durch“ verdammt habe. „Wohl ist er dies“, erklärt er. „wird er geführt von einem bloßen Eroberer, der, alles Recht mit Füßen tretend, das Glück der Völker zer trümmernd. nur immerfort von Triumph zu Triumph einherschreitend, das bluttriefende Schwerdt nicht in die Scheide stecken will, bis er die ganze Welt zu Füßen liegen sieht. Aber ge führt von menschenfreundlichen Für sten zur Beschützung des eigenen Heerdes, zur Bezähmung der Ehr- und ■■■■■■■■■■*■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ ■ in ■ ■ : Einige Kapitel aus der Geschichte : ■ der Universität Leipzig in der Zeitder ■ : napoleonischen Fremdherrschaft : : und der Befreiungskriege des „Neues Gaudeamus“ — das alte Studentenlied mit neuem Text in latei nischer und deutscher Fassung. Es heißt darin: Wer, wie Löwen, ohne Recht, Herrschen will, soll sterben! Wer die Freiheit will erdrücken, Wer die Völker will berücken, Stürze in Verderben! In „Meine Lebensreise' 1 schreibt er, daß er am liebsten mit den Russen und Preußen mitgegangen wäre, als diese im Frühjahr 1813 in Leipzig ein- zogen, wenn er nicht gerade in dieser kritischen Zeit zum Rektor der Uni versität gewählt worden wäre. Den Franzosen' war er stets verdächtig. Stolz berichtet er. daß er in den Listen des Hauptspions Napoleon als ein „tres manvais sujet“ — sehr unzuverlässige Person — eingetragen war. Er war es auch, der bei einer Gratulationscour anläßlich des Kaisers Geburtstag den zweideutigen Toast auf das französi- sche Heer ausbrachte, es möchte der Welt bald den Frieden schenken, das heißt — wie er später selbst aus drückte —, sich nach Hause begeben. „Sie hätten mich totgeschossen“, schreibt er. „wenn sie gewußt hätten, daß ich der Verfasser nicht bloß jenes Gedichts (des „Neuen Gaudeamus"), sondern auch zweier anderer Aufsätze war. die damals in Leipziger Zeitungen erschienen.“ Während der Zeit der französischen Besetzung war Krug den Anforderun gen und Schikanen der französischen Behörden ausgesetzt. Universitäts gebäude wurden für militärische Zwecke verlangt. Hochschullehrer trotz gegenteiliger Versprechen zur so genannten Bürgergarde eingezogen usw (Bei Auseinandersetzungen darüber hatte der Rektor allerdings in dem Jura-Professor Dr. Diemer einen ge wandten Helfer, der mit den Besat zungsbehörden umzugehen und den Zorn von Krug und der Universität ab zuwenden verstand.) Anläßlich einer Audienz, im Königshaus am Markt verlangte Napoleon ausdrücklich nach den Vertretern der Universität („Du sont les deputes de l'Vniversite?), um den Rektor und die anwesenden Pro- fesoren dafür abzukanzeln, daß eine Reihe Leipziger Studenten in das Lüt- zowsche Korps eingetreten waren, welches im April 1813 in Leipzig war und dem auch der.ehemalige Leipziger Student Theodor Körner angehörte. Mitten im Kanonendonner der Völ kerschlacht zog Krug die Purpurrobe des Rektors aus und schloß sich nach reif licher Überlegung dem bald darauf gegründeten „Banner der frei willigen Sachseil“ an: „Du hast — dacht ich — andere zum Kampf er muntert und wolltest selbst hinter dem Ofen sitzen bleiben? Endlich fiel mir das neue Gaudeamus ivieder in die Hände. Als ich die letzte Strophe ge lesen hatte, schämt’ ich mich, daß ich gezawiert hatte. Rasch ging ich auf das Zu diesem Zweck errichtete An melde-Bureau und ließ meinen Na men unter die Freiwilligen setzen.“ Herrschsucht, zur Erringung der Frei heit und Selbständigkeit der Völker, ist er ein Kampf, so heilig, als das Recht selbst, das Gott den Menschen zur Richtschnur gab.“ Krug geht es also nicht um Rache aus nationalistischen und chauvinisti schen Motiven, um Franzosenhaß schlechthin, sondern um die Erlangung der materiellen und geistigen Freiheit für das deutsche Volk und die Völker Europas. In der gleichen Rede, die be reits im November 1813 mit einigen der von ihm verfaßten Lieder im An hang gedruckt erschien, führt er aus: „... wie kann Wissenschaft und Kunst gedeihen, wenn kein Gedanke sich durch Wort und Schrift, durch Ton oder Farbe, durch Gestalt oder Be wegung verlautbaren darf, ohne zehn fach verschnitzelt, verbrämt und ver dreht zu sein, damit er Gnade finde vor einem Despoten, der, wie den Mün zen seines Landes das Gepräge seines Antlitzes, so den Gedanken aller Men schen und Völker das Gepräge seines Geistes aufdrücken möchte!“ Das ist nicht nur gegen den Despoten Napoleon Bonaparte gerichtet, sondern unausgesprochen gegen den Geist des 1806 zusammengebrochenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und — vorwegnehmend — gegen den Geist der feudalen Reaktion nach den Befreiungskriegen, mit der Krug dann folgerichtig in Konflikt geriet, was allein von den Bemerkungen in der Liste seiner Publikationen über Ver bote und Beschlagnahmen durch die Zensurbehörden hinreichend belegt wird. Während Professor Wilhelm Traugott Krug als Rittmeister bei den reitenden Jägern des „Banners der freiwilligen Sachsen“ am 1. Januar 1814 Leipzig verlassen hatte und später an der Be lagerung von Mainz teilnahm, versah sein Freund, der international bekannte Theologieprofessor Heinrich Gottlieb Tzschirner bei der in den Niederlanden kämpfenden sächsischen Armee das Amt des Feldpropstes. Am liebsten hätte er — wie er gesteht — selbst die Waffe in die Hand genommen, wenn dies nicht angesichts seines Standes den Widerspruch der öffentlichen Meinung erregt hätte. Er, der vielleicht noch klarer als Krug die Notwendigkeit gesellschaft licher Veränderungen in Deutschland selbst erkannte, hatte bereits im Früh jahr 1813 in der Universitätskirche eine politische Predigt gehalten. in_der er den Sinn der Befreiungskriege viel weiter faßte als nur die Beseitigung der f ran zös i sch en Fremdherrschaft: „Nicht umsonst ward Europa aus den Angeln gehoben und der Bau früher Jahrhunderte zertrümmert, nicht um sonst haben die Völker gekämpft und gerungen, geduldet und geblutet, nicht umsonst sind Tausende untergegangen: eine neue, bessere Zeit wird sich aus der Gärung der Gegenwart entbinden, ein neuer schönerer Bau wird auf den Trümmern der alten Zeit gegründet werden.“ Er spricht ausdrücklich vom Kampf um bürgerliche Freiheit und nennt als Ziele des nationalen Befreiungskamp fes nicht nur die Befreiung des unter jochten Deutschlands, sondern auch die Vereinigung des getrennten Deutsch lands, das heißt, die Überwindung der feudalen Zerrissenheit. Zur Jahrfeier der Völkerschlacht am 19. Oktober 1814 sprach Tzschirner in der Nikolaikirche die Worte: „Auch der Friede, dessen wir uns heute freuen, tuird einst wieder in blu tigen Kämpfen endigen; auch die Ord nung, in die die europäischen Völker eintreten, wird nicht alle in gleichem Maße beglücken; auch die neue Verfas sung des deutschen Vaterlandes, deren Gründung wir entgegensehen, wird nicht jede, selbst nicht jede gerechte Erwartung erfüllen.“ Damit ist im Grunde schon die historische Rechtmäßigkeit und das Programm der Bewegung angedeutet, die in den folgenden Jahren und Jahr- Theodor Körner, ehemahliger Leip ziger Student, der 1813 in das Lüt- zowsche Korps eintrat. Foto: Archiv zehnten, z. B. dem Wartburgtreffen von 500 Studenten aus zwölf deutschen Uni versitätsstädten (am 4. Jahrestag der Völkerschlacht), dem Kampf der fort schrittlichen Professoren um die Ge währung politischer Rechte und die Freiheit der wissenschaftlichen For schung und dem Widerstand gegen die knebelnden Karlsbader Beschlüsse und die „Demagogenverfolgung“ auch an den Hochschulen lebhafte Resonanz fand und die in der achtundvierziger Revolution kulminierte, in. der die besten Vertreter des geistigen Lebens Deutschlands an der Seite des um nationale Einheit und demokratische Freiheiten streitenden Volkes standen. Allerdings setzte sich gleichzeitig der nationalistische Volks- und fortschritts feindliche Zug. den reaktionäre Kräfte den Befreiungskriegen zu geben trach teten, gerade in den nach 1813 gegrün deten Burschenschaften fort. Am 18. Ok tober 1817 wurde auf der Wartburg nicht nur Zopf und Soldatenprügel stock sowie die Symbole reaktionärer Schriften und Gesetze, sondern auch das neue französische Bürgerliche Ge- setzbuch in die Flammen geworfen. Bereits diese wenigen überlieferten Quellen zur Geschichte der Universität Leipzig in der Zeit der napoleonischen Fremdherrschaft und der Befreiungs kämpfe des Jahres 1813, deren Wende punkt die Leipziger Schlacht war. zeu gen davon, daß namhafteste Gelehrte unter denen waren, die sich niemals erniedrigten, sondern das unverfälschte Nationalbewußtsein des deutschen Vol kes erweckten und die stets weiter reichende Ziele im Auge hatten als die volksfeindlichen und eigennützigen Landesherren, die sich in ihrer Mehr zahl dem französischen Kaiser zu Fü ßen geworfen hatten, im Jahre des los brechenden Sturmes nur vom allge meinen Strom der Volksbewegung mit gerissen wurden, aber es verstanden, sich hier an die Spitze zu setzen. Die wahrhaft patriotisch gesinnten Hoch schullehrer dagegen standen von vorn herein in tätiger Opposition gegen den Eroberer, sie scheuten sich nicht, son dern sahen es als ihre Pflicht als Er zieher der Jugend an. ihre Studenten dazu aufzurufen, sich in diesem natio nalen Kampfe für Freiheit und — wie erhofft — Neugestaltung Deutschlands als echte Kommilitonen, als Mitstreiter, zv bewähren; ja, sie gingen ihnen mit praktischem Beispiel voran. Das ist das Vermächtnis eines kleinen Abschnittes der Geschichte unserer Uni versität. Günter Lippold die antwort „Warum können wir nicht genauso ungehin- ert nach Westdeutschland reisen, wie Bürger der Bundesrepublik bei uns einreisen können?“ Der Ausgangspunkt für eine richtige Antwort auf diese Frage liegt in der unterschiedlichen Stellung der beiden deutschen Staaten zur internationalen Entspannung, zur friedlichen Perspektive der deutschen Nation und auch zu den persönlichen Beziehungen zwischen den Bürgern bei der deutscher Staaten. Die DDR geht in ihrer gesamten Politik von der realen ; Existenz der westdeutschen Bundesrepublik aus. Wir ver leugnen zwar nicht unsere Auffassung, daß die Bundes republik ein Staat ist, in dem die Verderber der deutschen Nation herrschen, doch wir wissen, daß der einzige Weg zur Lösung der deutschen Frage über die Sicherung der j friedlichen Koexistenz in den Beziehungen zwischen beiden 1 deutschen Staaten führt. Deshalb verlangt auch niemand | in der DDR von Westdeutschen, nicht als Bürger dieser | Bundesrepublik aufzutreten. Noch nie wurde ein Besucher ! irgendwelchen Verfolgungen oder Repressalien ausgesetzt, weil er sich hier in der DDR als Bürger der Bundesrepu- j blik bezeichnet und bekannt hat. I Da uns das Schicksal der ganzen deutschen Nation am Herzen liegt, tritt unsere Republik für offene und wirklich freie Aussprachen der Bürger beider deutscher Staaten I über die Lebensfragen des deutschen Volkes ein. Wir un terstützen es darum, wenn westdeutsche Bürger sich bei uns umsehen wollen, wenn sie sich einen gründlichen Ein blick in die Erfolge verschaffen wollen, die wir bisher er reicht haben, und wir verheimlichen vor ihnen dabei auch nicht die Schwierigkeiten, die wir zu überwinden hatten und noch überwinden müssen. Unsere auf die Entwicklung der friedlichen Zusammen arbeit zwischen beiden deutschen Staaten gerichteten Po litik entspricht es, daß wir den wissenschaftlichen Austausch so gut wie den freien Sportverkehr auf allen Ebenen för dern und unterstützen. Geleitet von dem zutiefst humani stischen Anliegen, die friedliche Perspektive der ganzen deutschen Nation zu sichern, treten wir auch für die Ent wicklung der persönlichen Beziehungen zwischen den Bür gern beider deutscher Staaten ein. Wir geben darum den westdeutschen Bürgern die Möglichkeit, In die DDR zu kommen und hier ihre Verwandten zu besuchen, ohne sie in irgendwelcher Weise politischem Druck auszusetzen. Es ist uns allerdings auch sehr gut bekannt, daß die regierenden Kreise Bonns mit diesem unseren Verhalten gar nicht einverstanden sind. Oft genug werden west deutsche Bürger, bei denen der „Verdacht“ besteht, sich bei der Aussprache über die erste aller Fragen der Mensch lichkeit, über die Wege zur Sicherung des Friedens, für wirkliche internationale Entspannung, beispielsweise für wirksame Abrüstungsmaßnahmen, und auch für die Ent spannung in den Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten ausgesprochen zu haben, bei ihrer Rückkehr nach Westdeutschland Repressalien ausgesetzt werden. Da wer den Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet, andere werden in Untersuchungshaft genommen, in der beruflichen Arbeit werden sie unter Druck gesetzt, und nicht zuletzt werden viele ölte Mitglieder der Gewerkschaften oder der SPD aus diesen Organisationen ausgeschlossen. Gerade umgekehrt verhält es sich mit den Reisen von Bürgern der DDR nach Westdeutschland. Die Frage, ob sie dort als Bürger der DDR behandelt werden, kann man nur verneinend beantworten. In der Regel werden sie brutal oder auch mit den Mitteln des „sanften Drucks" = so bezeichnete diese Art der Repressalien einmal der ver storbene Bundesverfassungsgerichtspräsident Wintrich = gezwungen, unsere Republik, ihren Staat zu verleugnen. In vielen Fällen verfolgte dieser Druck das Ziel, sie zu bewegen, nicht in die Republik zurückzukehren, Journa- : listen, Wissenschaftler, Verleger und Sportler werden von der westdeutschen Polizei und den Justizorganen wie Ver- I brecher behandelt. Erinnert sei hier nur an den letzten I Skandal, an die Verhaftung Günter Hofes. Bekanntlich unternimmt die Bonner Regierung sogar alle Anstrengun- I gen, um auf dem Wege über das alliierte Travel Board in {Westberlin die Beziehungen unserer Wissenschaftler, Sport- { ler und Künstler zu ihren Kollegen in allen NATO-Staaten { zu unterbinden. Mit dem neuen Strafgesetzbuchentwurf, { in dem es zum Prinzip erhoben wird, das politische Ver- | halten der Bürger unserer Republik sogar innerhalb ihres eigenen Staates am westdeutschen Strafrecht zu messen, ■ ist eine weitere Verschärfung dieser Tendenzen verbunden. Es ist die Pflicht unseres Staates, unsere Bürger vor allen ! sich daraus ergebenden Konsequenzen zu schützen. Bedarf i es übrigens angesichts der jahrelangen Zurückhaltung von Kindern aus DDR-Familien in Westdeutschland noch eines weiteren Beweises für die Unmenschlichkeit, von der sich I die westdeutschen Staatsorgane in bezug auf die persön lichen, familiären Beziehungen der Deutschen, leiten fas- sen? In der Tat, was gelten diesen Herren die persön lichen und allgemeinmenschlichen Interessen der Bürger der DDR und des westdeutschen Staates? Waren es etwa nicht die führenden Politiker der CDU, die ihre Bereit schaft erklärten, Atombomben auf Leipzig und Dresden werfen zu lassen? Betonten nicht eben diese Politiker im Bundestag bei der Debatte über die Einführung der Wehr pflicht in Westdeutschland ausdrücklich, der Gedanke, daß damit für die Pflege verwandtschaftlicher und sonstiger persönlicher Beziehungen zum anderen Teil Deutschlands erhebliche Erschwernisse verbunden sein könnten, dürfe absolut keine Rolle spielen, weil man ausschließlich do- l von auszugehen habe, daß „da drüben der potentielle l Gegner von morgen" stehe? So liegen die Tatsachen in , bazug auf den Reiseverkehr und kein Versuch der Sprecher des westdeutschen Imperialismus, in ihrer Propaganda die Dinge auf den Kapf zu stellen, kann daran etwas ändern. Der einzige Weg zur Änderung dieser Lage ist in der j Politik der DDR vorgezeichnet. Er führt über die Norma lisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten, die nach unseren Vorschlägen die gegenseitige Anerkennung der Staatsbürgerschaft sowie der staatlichen Reisepässe einschließen sollte Die Bildung einer gesamt deutschen Kommission für Fragen des Reiseverkehrs könnte dabei eine Rolle spielen. Dieser Weg führt, auch über die Beseitigung der Reste des zweiten Weltkrieges einschließ- i lieh der Liquidierung des alliierten Travel Board in West- ! berlin. Er kann nur Wirklichkeit werden, wenn die ent spannungsfeindlichen Positionen der Bonner Regierung in der Praxis überwunden werden. Prof. Dr. Rudolf Arzinger Universitätszeitung, Nr. 43, 24.10.1963, S. 5
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