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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 7.1963
- Erscheinungsdatum
- 1963
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196300009
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19630000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19630000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 7.1963
-
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- Ausgabe Nr. 41, 10. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 46, 14. November 1
- Ausgabe Nr. 47, 21. November 1
- Ausgabe Nr. 48, 28. November 1
- Ausgabe Nr. 49/50, 5. Dezember 1
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Band
Band 7.1963
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Quo vadis, Musikwissenschaftler ? D as Aufblühen der sozialistischen deut schen Nationalkultur widerspiegelt sich auch im Musikleben unserer Universität. So erklang in den Konzerten des Akademischen Orchesters, eines der füh renden Laienorchester unserer Republik, in den letzten Jahren eine Fülle von Werken des sozialistischen Gegenwartsschaffens. Ein großer Teil dieser Kompositionen, von denen einige im direkten Auftrag des Orchesters entstanden, wurde an unserer Universität erfolgreich ur- oder erstaufgeführt. Für seine beispielgebende Arbeit, besonders auf dem Gebiet der Pflege und Förde rung der Gegenwartsmusik, empfing der Leiter des Orchesters. Horst Förster, vor wenigen Tagen anläßlich der diesjährigen Arbeiterfestspiele aus den Händen des Ministers für Kultur den Staats preis für künstlerisches Volksschaffen 1. Klasse. Zwischen unserem sozialistischen Volkskunst zentrum und dem Verband Deutscher Komponi sten und Musikwissenschaftler besteht seit Jahren eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit. Der Chor des Louis-Fürnberg-Ensembles hatte die Ehre, unsere Republik bei den VIII. Weltfestspie len der Jugend und Studenten in Helsinki zu ver treten, der FDJ-Chor der Musikerzieher leistete mit der Aufführung von Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ einen wertvollen Beitrag zur Pflege des kulturellen Erbes, der Universitätschor hat erfolgreich begonnen, seine Aufmerksamkeit neben Meisterwerken der Vergangenheit auch dem sozialistischen Gegenwartsschaffen zuzuwenden, das Ensemble „Pawel Kortschagin“ leistete Pio nierarbeit bei der Schaffung eines Studenten-Mu- siktheaters. Leider wird demgegenüber auf dem Gebiet der Musikwissenschaft ein ernsthaftes Zu rückbleiben immer deutlicher sichtbar. E s stimmt außerordentlich bedenklich, daß in die Lehrveranstaltungen der historisch-systemati schen Abteilung des Instituts bis heute noch keine wahrhaft wissenschaftliche Untersuchung der so zialistisch-realistischen Gegenwartsmusik in ihrer ganzen Breite und Fülle Eingang gefunden hat! Auch Fragen der marxistischen Musikästhetik und des sozialistischen Musiklebens in der DDR wur den bisher kaum behandelt. Gerade diese Gebiete sind aber als grundlegende Bestandteile einer wirklich praxisverbundenen Ausbildung zu be trachten und sollten, wie in anderen musikwissen schaftlichen Instituten der DDR, in den Mittel punkt der Lehrtätigkeit gestellt werden. Ein kürzlich durchgeführtes mehrtägiges Semi nar über Fragen der Filmmusik schien von der Thematik her alle Voraussetzungen zu bieten, zu mindest ein sehr wichtiges Teilgebiet der Gegen wartsmusik einer gründlichen wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen. Statt dessen beschäftigten sich sowohl die theoretischen Darlegungen als auch die praktischen Vorführungen in erster Linie mit dem sehr engen und keineswegs richtung weisenden Bereich des sogenannten „Experimen- talfilms", der durch ein Spiel mit verschiedenen, meist modernistischen Gestaltungsmitteln gekenn zeichnet ist und oft in nihilistischer Weise vom sinnlichen Reichtum der Erscheinungen des realen Lebens abstrahiert Es gibt zu denken, daß man in dem erwähnten Seminar allein solchen Filmen die Fähigkeit bescheinigte, den Betrachter aufzu rütteln und zur Stellungnahme zu bewegen! Zu gleich fehlte jedoch jeder Hinweis auf Kriterien des sozialistischen Realismus in der Musik auf künstlerische Wahrheit, Parteilichkeit und Volks verbundenheit in der Aussage. Z weifellos bietet der neue Lehrplan des Insti tuts einige Ansatzpunkte für eine echte Ver besserung der Ausbildung. So wurde auf einer Beratung des Leipziger Bezirksverbandes Deut scher Komponisten und Musikwissenschaftler über Fragen der Musikkritik mit Recht die Tatsache be grüßt, daß in jüngster Zeit Werner Wolf als Ver treter der Praxis mit Studenten des Instituts Übungen zur Musikkritik veranstaltet, die geeig net sind, zu einer größeren Praxisnähe der Aus bildung beizutragen. Sicher kann man es auch als einen gewissen Fortschritt werten, daß im Stu dienjahr 1963/64 der Schwerpunkt der Ausbildung in Musikgeschichte vom 16. und 17. Jahrhundert auf das 18. und beginnende 19. Jahrhundert ver lagert wird, ergeben sich doch damit Möglichkei ten einer breiten Erschließung des progressiven, humanistischen Kulturerbes jener Epochen. Das alles genügt jedoch bei weitem nicht, um die För derung nach einer zweckmäßigen und allseitigen Ausbildung der Studenten für die sozialistische Praxis zu erfüllen; die von Prof. Dr. Steinmetz mit Nachdruck gestellte Frage nach den Garan tien für eine solche Ausbildung und nach den da für vorhandenen Kräften bleibt noch offen (vgl. UZ vom 20. 6. 1963). Um nicht mißverstanden zu werden: Es geht hier keineswegs um Fragen des Stellenplanes, sondern um die wissenschaftlichen Standpunkte und den Einsatz der Potenzen der Wissenschaftler. Die Studenten werden alle in naher Zukunft im Rahmen unserer sozialistischen Kulturrevolution verantwortliche Funktionen bei der Verwirklichung des Ziels der sozialistischen Nation innehaben. Man muß vor allem von den jüngeren Wissenschaftlern, die unserem Staat ihre Entwicklung verdanken, erwarten, daß sie keine Mühe scheuen, um die Studenten gründlich und allseitig auf die Lösung dieser großen und schönen Aufgaben vorzubereiten. Es ist eine Frage des wissenschaftlichen Ethos, ob ein Hochschul lehrer alle seine Kräfte einsetzt, um dieser Ver pflichtung gerecht zu werden, oder ob er seine Lehrtätigkeit seinem persönlichen Geschmack und seinen individuellen Interessengebieten unterord net. A uf einigen Gebieten der Musikgeschichte lei- H steten profilierte Wissenschaftler des Instituts, vor allem Prof. Dr. Besseier, außerordentlich wertvolle Forschungsarbeit, die unsere Arbeiter- und-Bauern-Macht durch staatliche Auszeichnun gen würdigte. Insgesamt ist jedoch das Institut an der umfangreichen und sehr vielfältigen musik wissenschaftlichen Literatur, die in den letzten Jahren in der DDR erschien, zuwenig beteiligt. Vor allem die jüngeren Wissenschaftler der histo risch-systematischen Abteilungen werden in Quan tität und Qualität ihrer Publikationen weder den ihnen gebotenen Möglichkeiten noch den Ver pflichtungen gerecht, die sich aus der reichen Tra dition des Instituts ergeben. Fast völlig fehlen populärwissenschaftliche Darstellungen von Er scheinungen der Gegenwartsmusik und des natio nalen Kulturerbes. Gerade auf diesem Gebiet haben andere Universitäten der DDR und auch die Abteilung Musikerziehung unserer Universität Be deutendes geleistet. Die zahlreichen Musikerbiogra phien von Prof. Dr. Petzoldt sind in dieser Hin sicht eine beispielgebende Initiative. Zentrale Universitätszeitung, 27. Juni 1963, Seite 6 Konferenzen des Verbandes Deutscher Kompo nisten und Musikwissenschaftler in Eisenhütten stadt und in Zwickau richteten die Forderung an alle Musikwissenschaftler, der Populärwissenschaft besondere Aufmerksamkeit zu schenken und sie als echtes wissenschaftliches Anliegen, als Beitrag zur Schaffung der sozialistischen gebildeten Nation zu betrachten. Zahlreiche wertvolle Veröffent lichungen der letzten Jahre haben den Nachweis erbracht, daß populärwissenschaftliche Darstel lungsweise und hohes wissenschaftliches Niveau der Forschung einander keineswegs ausschließen. (Als Beispiel sei hier auf die Eisler- und Schosta- kowitsch-Biographien von Heinz Alfred Brock haus verwiesen.) Am Musikwissenschaftlichen Institut unserer Universität ist man aber anscheinend der Mei nung. nur einem engen Kreis von Kennern ver nischen Niveaus der Darbietungen — oft ein recht starres Festhalten an den genannten „Momenten“ und damit bedauerliche Merkmale künstlerischer Sterilität. O ffenbar von der Erkenntnis dieser Tatsache ausgehend, widmete das Institut im Laufe des vergangenen Jahres drei seiner Konzerte ausschließ lich der Gegenwartsmusik. Aus den einführenden Worten konnte man entnehmen, daß die „Achse“ bzw. den geistigen Mittelpunkt dieser Konzerte jeweils das Schaffen eines prominenten Vertreters der sozialistischen deutschen Gegenwartsmusik bilden sollte: für das erste Konzert wurde in die sem Zusammenhang Hanns Eisler, für das zweite Paul Dessau genannt, während das dritte gänzlich dem Andenken Hanns Eislers gewidmet war. Man ist geneigt, diese völlig neuen Prinzipien der Pro grammgestaltung angesichts des vorher Gesagten Im Rahmen unserer Diskussion zur Literatur und Kunst veröffent lichen wir heute einen ausführlichen Artikel zur Situation am Institut für Musikwissenschaft. Wie aus den Ausgaben der „Universitätszei- tung“ in der letzten Zeit ersichtlich wird, hat sich die Redaktion schon sehr oft kritisch mit den Problemen dieses Instituts beschäftigt und konkrete Fragen gestellt, wie es das ernsthafte Zurückbleiben gegen über der sozialistischen Praxis aufzuholen gedenkt. Bis jetzt sind die Musikwissenschaftler diesen Fragen ausgewichen. Die Redaktion be mühte sich daher um diesen grundlegenden Beitrag, der die Arbeit dieses Instituts an Hand reichen Faktenmaterials beurteilt und so die Position einiger Musikwissenschaftler deutlich werden läßt. Wir erwar ten eine Antwort zv den zum wiederholten Male aufgeworfenen Fra gen. Den vorliegenden Artikel schrieb Eberhard Lippold; dabei berieten Dr. habil. Erhard J o h n , Rudolf Gehrke, Georg Perl- b a c h und Günter Rudolph. ■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ pflichtet zu sein. Das zeigt sich auch in einem offensichtlichen Desinteresse an aktuellen kultur politischen Fragen. So veranstaltete die Abteilung Musikerziehung im Juli 1962 eine zweitägige wis senschaftliche Konferenz zu Fragen des kulturellen Erbes, über die die UZ (Nr. 29 und 30/1962) aus führlich berichtete. Dort wurde der anerkennens werte Versuch unternommen, einige Grundfragen der Musikwissenschaft im Lichte der kulturpoli tischen Verantwortung der DDR im Prozeß der Entwicklung der sozialistischen gebildeten Nation zu untersuchen. Man hätte erwarten dürfen, daß die historisch-systematische Abteilung des Insti tuts diese Veranstaltung angesichts ihres bedeu tenden Themas zu ihrer eigenen Sache machen und nach besten Kräften zu ihrem Gelingen bei vorbehaltlos und freudig zu begrüßen. Was soll man aber dazu sagen, daß trotz dieser Prinzipien in allen drei genannten Konzerten nicht ein ein ziges Werk erklang, das der künstlerischen Gestal tung unserer neuen sozialistischen Wirklichkeit gewidmet ist? Das einzige nach 1945 in der DDR entstandene Werk, das in allen drei Konzerten zur Aufführung kam — Paul Dessaus „Mohamed Ben Bella“ —, schildert die Schrecken und Grausam keiten des Imperialismus, vermag aber infolge ge wisser pazifistischer Züge nicht das neue Lebens gefühl siegreicher revolutionärer Befreiungskämp fer musikalisch auszudrücken. Drängt sich hier nicht bereits mit aller Entschiedenheit die Frage auf, ob es den Veranstaltern ernst ist um ihr wie derholt ausgesprochenes Anliegen, der sozialisti- KUNST UN LITERATUM IM MEINUNGS- tragen würde. Leider waren jedoch nur am ersten Tage zwei Vertreter anwesend, ohne sich an der Diskussion zu beteiligen! Auch Einladungen zu den Ästhetischen Kolloquien des Instituts für Philo sophie wurden in den letzten Jahren leider nicht beachtet. S eit längerer Zeit tritt das Institut mit einer Reihe von Kammerkonzerten an die musikalische Öffentlichkeit. Damit schuf es sich eine Möglich keit, „die kulturpolitische Bildungsaufgabe eines Hochschulinstituts unserer Zeit“ zu erfüllen, wie Dr. Hans Grüß in der UZ vom 8. 11. 1961 richtig feststellte. Recht verwunderlich ist es aber, daß Dr. Grüß ausgerechnet aus unserer sehr breiten „kulturpolitischen Bildungsaufgabe“ folgende bei den einengenden „Momente“ ableitet, die er als bestimmend für die Konzeption der Konzertreihe bezeichnet: „Einmal sollen die weniger bekannten Musikwerke unseres nationalen und des europä ischen Kulturerbes besonders weit zurückliegender Zeiten aus der ... Konservierung ... in klingende Musik verwandelt werden, wenn ihre Qualität sie auch für den Menschen unserer Tage wesentlich macht. Zum anderen sollen die wertvollen Instru mente des Musikinstrumentenmuseums unseres Institutes als klingendes Museum vorgeführt wer den.“ (a. a. O.) Damit werden die unserer Kulturpolitik wesens fremden, oben bereits erwähnten Tendenzen zur Esoterik und zur rein musealen Musikpflege ge rade in deren Namen proklamiert und zum Pro gramm erhoben! Niemand wird leugnen, daß in Archiven und Bibliotheken noch viel wertvolles Musikgut sowohl historisch progressiver Perioden der Vergangenheit (hier sei auf Georg Kneplers außerordentlich wertvolle Versuche zur Periodi- sierung der Musikgeschichte verwiesen) als auch der Gegenwart schlummert, das es verdient, „in klingende Musik verwandelt“ zu werden. Niemand wird auch bestreiten, daß einem musikwissen- schaftlichen Institut dabei besonders große Aufga ben zuteil werden. Sich jedoch von vornherein auf „besonders weit zurückliegende Zeiten“ und äuf museales Instrumentarium zu beschränken, heißt, sich selbst der Möglichkeit einer wahrhaft leben digen Musikpflege zu begeben. Auch die Aneig nung des kulturellen Erbes ist ein schöpferischer Prozeß! Die Praxis dieser Konzerte zeigte — unbeschadet des meist sehr beachtlichen künstlerisch-tech STREIT sehen Gegenwartsmusik umfassend zum Durch bruch zu verhelfen? Das erste der genannten Konzerte brachte neben Werken von Arnold Schoenberg (Kammer sinfonie), Darius Milhaud („Machines agrico- les") und Marice Ravel vier frühe Lieder von Hanns Eisler zu Gehör, in enen sein Bekennt nis zur revolutionären Arbeiterklasse noch keinen künstlerischen Niederschlag gefunden hatte. Durch Hinweise auf äußerliche Analogien (als verbinden des Moment zwischen Eislers „Zeitungsausschnit ten“ op. 11 und Milhauds „Machines agricoles" wurde beispielsweise die Vertonung „profaner Texte“ angegeben!) und durch besondere Betonung der tiefen und begründeten Verehrung, die Eisler zeitlebens seinem Lehrer Schoenberg entgegen brachte, wurde nur scheinbar eine von Eislers Geist getragene und vom Inhaltlichen ausgehende, geschlossene Konzeption des Programms gegeben. Dabei erhielten die* ständigen Hinweise des Sozia listen Eislers auf die ideologischen Grenzen des bürgerlichen Intellektuellen Schoenberg und sei ner Musik bemerkenswerterweise eine wesentlich schwächere Akzentuierung. So erhob sich hinter der scheinbaren inhaltlichen Nachbarschaft das den vorgetragenen Werken tatsächlich Gemein same: der Übergang zur Atonalität und die Ver wendung modernistischer Gestaltungsmittel. (Vgl. UZ Nr. 22 v. 1. 6. 1962, „Für die sozialistische Nationalkultur“.) Ähnliches ist zu dem zweiten der genannten Konzerte zu sagen. Hier wurden dem bereits er wähnten Werk des bedeutenden sozialistischen Künstlers Paul Dessau Kompositionen von Anton von Webern, Luigi Nono und Igor Stra winski an die Seite gestellt. Dabei versuchte man ebenfalls, durch Hinweise auf echte oder scheinbare inhaltlich-ideologische Gemeinsamkei ten eine klare Programmkonzeption zu ersetzen (daß auf diese Weise selbst Webern, einer der extremsten Vertreter der spätbürgerlichen Zwölf tontechnik, zum Sozialisten erklärt wurde, sei nur am Rande vermerkt). Tatsächlicher Angelpunkt des Programmaufbaues waren aber auch hier wie der die Verwendung modernistischer Gestaltungs mittel und diesmal vor allem die Zwölftontech nik (vgl. UZ vom 24. 11. 1962, „Echte und unechte Traditionen“, UZ v. 13. 12. 1962, „Soz. Musikschaf fen und Musikwiss.“, UZ v. 10. 1. 1963, „Kult des musikalischen Materials?“ sowie LVZ v. 27. 11. 1962, „Musikalische Experimente“). Leider ließ man sich auch bei der Programm gestaltung des Hanns-Eisler-Gedenkkonzertes — als Beitrag zur Festwoche der Karl-Marx-Universität deklariert — offenbar von ähnlichen Aspekten lei ten. Wie Wäre es sonst möglich; daß Eisler, der Begründer des sozialistischen Realismus in der deutschen Musik — selbst unter Berücksichtigung der gewiß enormen organisatorischen und tech nischen Schwierigkeiten, von denen Eberhard Klemm spricht (vgl. UZ v. 13. 6. 1963, S. 6) - in einem solchen Konzert ausschließlich durch Werke, die in der Emigration entstanden (Kam mersinfonie und Hollywood-Elegien), durch frühe Balladen und erneut durch 5 weitere Lieder aus dem schon erwähnten „Zeitungsausschnitten" op. 11. die durch eine derartig konzentrierte und einseitige Würdigung keineswegs gewinnen, zu Wort kommt? Dabei handelt es sich wiederum, wie nach dem Gesagten beinahe zu erwarten, mit Ausnahme der Balladen, sämtlich um Versuche Eislers, die Mittel der Moderne — zwar schöpfe risch und mit technischer Perfektion, aber doch eindeutig im Sinn von Experimenten — zur Ge staltung des Zerfalls und der Antihumanität des morschen Imperialismus zu verwenden. Völlig zu Recht bestreitet deshalb Günter Rudolph (vgl. UZ v. 20. 6. 1963. S. 6. „Unter der Flagge der Viel falt“) grundsätzlich die Behauptung Eberhardt Klemms, daß „das Positive der Programmgestal tung .. . überwog.“ Man darf mit Interesse den angekündigten weiteren Konzerten des Instituts mit Werken von Hanns Eisler entgegensehen. Ein „einseitiges Eisler-Bild“, das Werner Wolf mit Recht kritisierte (LVZ vom 8. 6. 1963, S. 7) wird dort zu korrigieren sein. WJarum sind wir nochmals auf diese Veranstal- VVtungen eingegangen? Es ging uns darum, zu zeigen, daß in all diesen Einzelerscheinungen eine einheitliche Haltung sichtbar wird: Man versucht, die Anwendung modernistischer Techniken zum Kriterium für den Wert oder Unwert neuer Musik zu erheben. Dieser ausschließlichen Betonung des Technisch-Konstruktiven bei gleichzeitiger Unter bewertung der Fähigkeit der Musik zum geistigen Erlebnis zu werden, liegt in letzter Instanz ein amusisches Verhältnis zur Musik zugrunde. Die Ursachen für diese schädliche Haltung muß man offensichtlich in den wissenschaftlich-ideolo gischen Auffassungen einiger Wissenschaftler des Instituts suchen. So vertritt Eberhardt Klemm die längst überholte Meinung, daß ein „Umfunktio nieren“ spätbürgerlicher Gestaltungsmittel mehr oder minder freizügig möglich sei und daß Eisler diesem Prinzip folge (vgl. UZ vom 13. 12, 1962, a. a. O., S. 6). Dr. Peter Schmiedel stellt die An wendbarkeit der Prinzipien des sozialistischen Realismus auf das Gebiet der Musik und die Exi stenz objektiver Kriterien für die ideologische Aus sage der Msik in Zweifel (vgl. ebenda S. 7). Er selbst vertrit, wie Prof. Steinmetz in seiner er wähnten Rede kritisch bemerkte, die Ansicht, daß starke und aufrüttelnde künstlerische Wirkungen auf Menschen, die glauben, sie würden selten überleben, nur durch die Darstellung des Nega* tiven erreichbar seien, jede Gestaltung des Posi- tiven könne dagegen die Wirkung nur abschwa chen. Wie sagte doch Genosse Iljitschow? „Es gib Leute, die versuchen zu beweisen, daß die Kuns» nur in der Zerstörung, in der Verneinung stark sei und daß das überzeugende Pathos des sozia listischen Realismus angeblich zur Schönfärberei führe. Solche Überlegungen enthalten nicht ein Körnchen Wahrheit, in ihnen ist • alles auf den Kopf gestellt.“ (Vgl. ND v. 23. 6. 1963, S. 7.) S eine Zweifel an der Existenz objektiver Krite rien spiegelten sich auch in der Tätigkeit Df- Schmiedels als Leiter der Arbeitsgemeinschat Musik in der Hochschulgruppe des Deutschen Kut turbundes wider. Seine subjektive Meinung und sein Geschmack spielten in deren Tätigkeit bisher eine wesentlich größere Rolle als die grundlegen den kulturpolitischen Forderungen im neuen Pro gramm der SED zum umfassenden Aufbau de» Sozialismus und in den Grundaufgaben des Deut schen Kulturbundes. Die bisherigen Veranstaltun gen der Arbeitsgruppe zu Fragen der Gegenwarts musik standen ähnlich den Kammerkonzerten des Instituts, fast ausschließlich im Zeichen enge 1 ' modernistischer Experimente. Auch zu diesen Ven anstaltungen hat die UZ bereits ausführlich und sehr- kritisch Stellung genommen. (Vgl. UZ v. 17. ; 1963, S. 6 „Für echtes Neuerertum“, UZ v. 28. * 1963, S. 6 „Experimente ohne Ideologie?“.) Genoss® Iliitschow wies in dem erwähnten Referat dan auf hin, daß in den gegenwärtigen ideologischee Auseinandersetzungen „der Kampf nicht gegen di Menschen, sondern um die Menschen, aber gege0 schlechte Ideen geführt wird“. (Vgl. ND vom 23. 1963, S. 7.) Wenn in dem vorliegenden Artikel dte Vertreter einiger solcher „schlechter Ideen“, d1 sich in konkreten Erscheinungen auswirkten, eben falls konkret beim Namen genannt wurden, 5 geschah es unter diesem Aspekt. Die hier in der UZ gegebenen kritischen Hin. weise sind keineswegs neu. Die Auseinanderse. zungen zogen auch weitere Kreise. Der Chefredak teur der „Musik und Gesellschaft“, Hansjürsei Schaefer, wendet sich in einem Leitartikc dieser Zeitschrift sehr scharf gegen die in dembg reits erwähnten Rundtischgespräch der „Universn tätszeitung" (vgl. UZ V. 13. 12. 1962, S. 6) V0 Eberhardt Klemm aufgestellte Behauptung. Han”. Eisler sei in der Verwendung der zwölftönism Reihentechnik geradezu ein „Reihenfetischist“:- 1 von mir zitierten Beispiel ist nicht Eisler, sonde Klemm .der Reihenfetischist’, der die Bedeutun von Eislers Lenin’-Requiem an der Verwendung von Elementen der Zwölftontechnik messen, möchte. Damit soll dann wohl bewiesen werdn daß diese Zwölftonelemente den sozialistischss, Charakter des Werkes ausmachen.“ (MuG 3/190 ' S. 130) A uf der im Mai d. J. in Berlin durchgeführts zentralen Delegiertenkonferenz des Verband deutscher Komponisten und Musikwissenschaft 1 wies der Generalsekretär des Verbandes. Pro Nathan Notowicz, darauf hin. daß in Leipz Tendenzen sichtbar werden. Hanns Eisler zHer ..Matador der Zwölftontechnik“ zu stempeln, e Vorsitzende des Bezirksverbandes Leipzig, der »J kannte Komponist Fritz Geißler, erklärte ® einer SED-Parteiaktivtagung der Schriftstell • Künstler und Kulturschaffenden des Beziraor Leipzig am 13.. 6. 1963, daß ein großer Teil o Leipziger Musikwissenschaftler „im Zwölf'® System befangen“ sei und daß auch das gegen"' 3 tige Niveau der Ausbildung am Institut für Muss Wissenschaft nicht den Erfordernissen der Prades genüge. Er richtete an die führenden Vertretercer Musiklebens den Aufruf, zur Veränderung die 5 Situation beizutragen. Es erhebt sich nun die Frage: Wie lange wol§ Edie genannten Wissenschaftler des Institlo diese mahnenden Hinweise eigentlich noch ign. rieren? Wie lange gedenken sie durch endlose Den kussionen über zweit- und drittrangige Frag den Grundproblemen auszuweichen? Es ist an de Zeit, die Worte des Genossen Iljitschow zu I- greifen: „Die Partei führt keine Kampagne, so dern einen konsequenten Kampf um die Durshsea zung der Leninschen Prinzipien in allen Sphän des künstlerischen Schaffens.“ (a. a, O.)
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