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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 7.1963
- Erscheinungsdatum
- 1963
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196300009
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19630000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19630000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 7.1963
-
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Band
Band 7.1963
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B ei jedem schaffenden Künstler der Vergangenheit erhebt sich außer der Frage, was der Betreffende in seiner und für seine Zeit bedeutet, eine weitere: Was hat jener Künst- i j 1er auch noch unserem Menschen “es. sozialistischen Zeitalters zu sagen. I Die Antwort auf die Frage, welche Stel- ng Richard Wagner im nationalen Kul- urerbe des deutschen Volkes einnimmt, ist ebenso wenig in einem kurzen Satz zu seben, wie er selbst, seine Musikdramen, seine kunsttheoretischen und seine philo- ^Phischen Schriften widerspruchslos in iine Zeit einzuordnen sind. Es ist eine I snzulässige Vereinfachung, wenn man sagen Wollte Wagner sei vor 1848/49 fort- TSShrittlich gewesen und nach diesem poli- ! tschen Einschnitt reaktionär. Wäre es so. Jann wäre auch seine Einordnung ver- „tnismäßig einfach, indem man die bis 6 jener Zeit entstandenen Werke als P^itive und zu pflegende ansähe, die spä- ten indessen, in dürftiger Vereinfachung . 88 Beweisführung, mehr oder minder mit "tlschweigen übergingen. yWagners Leben und Wagners Werke nd Spiegel ihrer Zeit, ohne daß sie jene äDoche immer wirklichkeitsgetreu wider- I Seben imstande wären. Man fühlt sich asrsucht, jenes Wort Lenins sinngemäß I Wagner anzuwenden, das der große gllosophische Politiker auf Leo Tolstoi Sfmünzt hat: „Man kann doch nicht etwas 58 Spiegel bezeichnen, was eine Erschei- Eng. offensichtlich nicht richtig wieder- Vt" Da aber die russische Revolution — -Aihr spricht Lenin in bezug auf Tolstoi gaGine „überaus komplizierte Erscheinung“ v^esen sei, habe sie auch auf Menschen gestrahlt, die ihr eigentlich aus dem vf8e zu gehen vermeinten: ..Und haben le es mit einem wirklich großen Künst- W Zu tun, so wird er wenigstens einige neemtliche Seiten der Revolution in sei- in Werken widerspiegeln.“ (Beide Zitate Mains vom September 1908, enthalten in qDx-Engels— Lenin, Über „Kunst und häteratur", Reclam Verlag). Auch Wagner je. das überaus komplizierte Beben der Ph sGiger und vierziger Jahre verspürt, 78 sich immer in der richtigen Richtung Enschtzufinden, und er hat ebenso die sChigkeit der imperialistischen Welt der ksDarckzeit gefühlt, ohne aus seiner EdSSenlage heraus deren wahre Hinter- kannde erkennen zu können und ohne, be- izgen in idealistischen Weltverbesserungs- 3men, die Entwicklung realistisch ein- LEhätzen. Widerspruchsvoll wie das vhen des Menschen Wagner verlaufen ist. Ni. auch seine Werke — und zwar eben kent allein die späteren. Sich selbst er- depDend, hat er schon 1842 an seinen Bru- Beh Albert geschrieben: „Siehst Du, so oht.es nun bei mir: immer habe ich den ■ buhs-voll — bald mit Kunst, bald mit Wie sollte es demnach möglich sein, die Ne Werke eines Künstlers auf einen Nen- WG zu bringen, der sich gar zu Oft selbst sugersprochen hat? Er glaubte sicherlich keehrlichem Herzen an die Notwendig- Un: des Umsturzes aller gesellschaftlichen UnG Politischen Verhältnisse des Vormärz. Von er hat die revolutionären Ereignisse 3ü 1848/49 nicht nur theoretisch unter- käct. Doch schon zwei Jahre später er- tkFe derselbe Mann: „Meine ganze Poli- Fag8t nichts weiter mehr als der blutigste , Unserer ganzen Zivilisation. Verach- 88 all dessen, was ihr entspricht, und Frensucht nach der Natur“ (Brief an den le5nd Kitz in Paris vom 30. Dezember en '• Fast zur gleichen Zeit gab er indes- Presden im Zuchthaus schmachtenden ‘eFSAner Gesinnungsfreund und Mitkämp- tie August Röckel zu verstehen, daß er an te baldige und glücklichere Wiederholung Ge.Evolutionären Kämpfe glaube! Das Bn,che Kaiserreich Bismarckscher Prä- ag wurde von Wagner anfänglich durch leninistische Ausfälle gegen Frankreich K^durch Siegesfanfaren verherrlicht. ““versitätszeitung; 30. Mai 1963, Seite 5 aber wenig später war er sich mit dem Bayernkönig Ludwig II. einig in der Ver achtung eben jenes Staatsgebildes, und in Briefen jener Jahre brachte er zum Aus druck, daß er den revolutionären Jugend idealen keineswegs abgeschworen hätte! Er hat die Schrift „Das Judentum in der Musik“ verfaßt, aber dem Juden Joseph Joachim jovial auf die Schulter geklopft, er war von dünkelhaften, vorfaschistischen Rassentheorien des französischen Grafen Gobineau angetan, ließ aber den jüdischen Dirigenten Hermann Levi sein christlich verbrämtes Bühnenweihfestspiel „Parsi- fal" leiten ... In der Tat, größere Wider sprüche, selbst während der äußerst wider sprüchlichen Epoche des großbürgerlichen Imperialismus sind kaum vorstellbar. A m Ausklang seines Lebens hat Wagner 4dem König Ludwig II. gegenüber ge äußert: „So dürfte ich denn auch, sobald ich nur auf mich sehe mit dem Erfolg meines Lebens zufrieden sein; denn mehr als mancher habe ich erreicht, wenn ich berechne, wie hoch mein Ziel gesteckt ist" (Brief vom 19. September 1881). Bei der Behandlung des Problems, in welchem Maße Wagner und sein Werk, kritisch be trachtet. dem positiven Erbe unseres Vol kes zuzurechnen ist, erhebt sich ganz be sonders die Frage, ob und wie denn Wag ner sein künstlerisches Lebensziel über haupt erreichte, die Musikoper durch das Musikdrama zu ersetzen. Die Antwort müßte lauten, daß jenes Hauptprinzip des Musikbühnenwerkes, um das er im Laufe seines Daseins immer eindringlicher in Ab handlungen, Dichtungen und Kompositio nen kämpfte, nämlich das von einem sin fonischen Orchester ausgedeutet, sich in den Singstimmen weitgehend auf Sprachmelo- dik und Sprachrhythmik stützende Drama von hohem Symbolgehalt und weltan schaulicher Tiefe, keineswegs zur Richt schnur der Opernentwicklung geworden ist und nicht das „Kunstwerk der Zukunft“ bestimmt hat. Wider seinen Willen hat selbst in jenen ** Werken, in denen Wagner seine The sen am beharrlichsten verfocht, der Musi kant über den Theoretiker gesiegt. Aus „Tristan und Isolde“ ergreifen — abge sehen von der großartigen dramatischen Steigerungskunst, besonders im ersten Akt — die sinfonisch zusammengefügten Teile des Vorspiels und des Liebestodes am Schluß des Werkes den Hörer tiefer als die oft langwierigen musikalischen Dialoge der Bühnengestalten; aus dem „Ring des Nibe lungen“ machen die reinen Orchesterepi soden, wie der glanzvolle Walkürenritt oder die ergreifende wahrhaft menschliche Töne anschlagende Trauermusik der „Göt terdämmerung“, stärkeren Eindruck als die, wenn auch mit größter Kunstfertigkeit in Musik gesetzten langen Reden der un serer Teilnahme fern gerückten mytholo gischen Gestalten; im VParsifal" bestricken die lyrischen Episoden des „Karfreitags zaubers“, die klangzarten Chöre und die instrumentale Verwandlungsmusik heute mehr als die triebhaften Gefühlsausbrü che der Kundry und die uns nicht mehr interessierende Enthüllung des heiligen Grals. Denn auch in Wagners Werken ist das Menschliche immer deutlicher zum Grad messer des Blabenden geworden, ohne daß darüber seine großartigen komposi tionstechnischen Errungenschaften in den Hintergrund getreten wären. Kaum einer der neben ihm und noch weniger der un mittelbar nach ihm lebenden Komponisten vermochte sich ihnen zu entziehen. Nur wenigen gelang es, sich frei von seinem bezwingenden Einfluß zu halten, wie etwa seinem ihm freundschaftlich tief ergebenen Mitstreiter- Peter Cornelius in der duftig zarten Partitur der komischen Oper „Der Barbier von Bagdad“ (1858). Dagegen haben Mahler, Strauß und Reger, um nur die markantesten Erscheinungen des deut schen und österreichischen Musiklebens um 1900 zu nennen, trotz vielfach anderer Re gungen unendlich viel Nutzen aus Wagners V^a^ners Uerk und das kulturelle Crbe Von Prof. Dr. Richard Pezold Werk gezogen, und selbst ein Bühnenwerk wie Debussys angeblich aus Protest gegen den „wagnerisme“ geschaffene Oper „Pel- laes und Melisande" (1902) ist ohne Wag ner gar nicht vorstellbar. Mittelbar sind aber auch noch viele Komponisten und musikalische Stile des 20. Jahrhunderts der Orchesterbehandlung und der Harmo nik des Meisters von Bayreuth verpflich tet. D ieser Teil des Erbes geht in der Haupt sache den heute schaffenden Künstler an. Uns liegt dagegen vorwiegend die Fra gestellung am Herzen, in welchem Maße Wagners Werk dem Musikfreund von heute und morgen etwas zu sagen hat, in wiefern das Zeitalter des Sozialismus Wag ners Schöpfungen, die schließlich aus einer vergangenen gesellschaftlichen Epoche stammen, in seine Pflege nehmen soll. Prüfstein des lebendigen Erbes werden stets die Wahrheit der künstlerischen Ge staltung, die realistische Darstellung menschlicher Empfindungen, aber auch der nationale Charakter einer Kunstrichtung sein. Über diesen sagt der sowjetische Mu sikwissenschaftler W. Konen mit Recht: „Das Schaffen Wagners vereinigt in sich viele charakteristische Traditionen der na tionalen Kultur des deutschen Volkes.“ In der Tat hat der Dichterkomponist, wenn er es auch liebte, die Meister der älteren Zeit gewissermaßen nur als Vorstufen zu seinen eigenen künstlerischen Überzeugun gen zu deuten, kein Hehl aus seiner inne ren Verbundenheit mit Bach, Gluck, Beet hoven und Weber gemacht. Die realistische Darstellung mensch licher Empfindungen mußte Wagner um so mehr glücken, als er ein Künstler von ungeheurer Spannweite der Leidenschaf ten und Erregungen war wie selten einer vor und nach ihm. Als unbedingter Thea termensch, dessen theatralisches Pathos oft genug sogar in sein privates Tun eindrang, war er fähig, die Gefühlsäußerungen der Handlungsträger seiner Bühnenschöpfun gen dichterisch und mehr noch musikalisch unmittelbar zu veranschaulichen. „Wagners Größe bestand darin, daß er typische, kon krete seelische Situationen meisterhaft darstellte“, sagt Georg Knepler in seiner „Musikgeschichte des XIX. Jahrhunderts“, und ganz ähnlich meint Walther Siegmund- Schultze im Programmheft des Landes theaters Dessau 1958: „Durch die Musik werden die heroischen Gestalten zu Ge genwartsmenschen“. In dieser Feststellung sind natürlich die Menschen der Wagner zeit gemeint, die Übertragung ihrer Emp findungen auf die Menschen unserer Epoche ist erklärlicherweise sehr viel schwieriger als etwa beim Verständnis des Handelns und Leidens Verdischer Bühnengestalten, die uns zum großen Teil auch heute als unmittelbar aus dem Leben gegriffen er scheinen. I n Wagners Werken treten die menschlich sympathisch berührenden Episoden in den einzelnen Stadien seiner Entwicklung verschieden stark hervor, am kräftigsten in den ersten Pariser Jahren, die seinen Reifeprozeß beschleunigen, dann in der Dresdener Kapellmeisterzeit des Vormärz trotz ihrer Irrungen und Wirrungen, aber auch in den „Meistersingern von Nürn berg“, da ihm die realistischen Vorgänge und Charaktere des Werkes seit Mitte der vierziger Jahre plastisch vor Augen stan den und während der Ausführung dieser meisterlichen Schöpfung, selbst unter gründlich veränderten äußeren und inne ren Verhältnissen des Dichtermusikers, kei nerlei Veränderungen mehr erfuhren. So gar dort, wo Wagner, der wütende Gegner der Oper alten Stils, nicht auf opernthea- tralische übernatürliche Vorgänge verzich tet, sind die meisten seiner Bühnenhelden auch für den heutigen Opernbesucher greifbare Gestalten, deren Gefühle er mit zuempfinden vermag: die etwas über spannte Senta im „Fliegenden Holländer“, der nicht als Gespenst, sondern als ruhe loser Mensch gezeichnete ewige Seefahrer (ein Abbild Wagners selbst), der geschäf tige Daland und selbst der in seiner Eifer sucht etwas blaß geratene Erik. Im „Tann häuser“ gestaltet Wagner ebenfalls wirk liche menschliche Probleme, vor allem in den Beziehungen zwischen der still lieben den Elisabeth, dem entsagenden Wolfram von Eschenbach und den zwischen leiden schaftlichen Stürmen und inniger Verhal tenheit schwankenden Tannhäuser, der wiederum autobiographische Züge des Meisters trägt. Auch im „Lohengrin“ tritt das menschlich Natürliche trotz der Zau bervorgänge um den geheimnisvollen Gralsritter noch klar hervor, in erster Linie in dem sehr real gesehenen Wider sacherehepaar Ortrud-Telramund, aber auch in der als wankelmütiger Frauencha rakter gezeichneten Gestalt der Elsa. Doch sehr viel stärker sind die Geschehnisse in den „Meistersingern von Nürnberg“, dazu angetan, uns menschlich anzurühren, das vom Dichterkomponisten nach historischen Berichten erstaunlich getreu gezeichnete Leben der musikfreudigen Handwerker und die zarten Beziehungen zwischen Hans Sachs, Eva und Walther von Stolzing. Sol chen Werken gegenüber haben die mit my stischem und zum Teil sogar pessimisti schem Ideengehalt erfüllten Bühnenwerke „Tristan und Isolde“, „Der Ring des Nibe lungen“ und ganz besondei ,Parsifal", unbeschadet wunderbarer musikalischer Einzelheiten, an Anziehungskraft verlo ren — wenn ie überhaupt jemals von der breiten Masse der Musikfreunde verstan den worden sind. (Sogar von Anton Bruck ner. dem österreichischen Sinfoniker, der Wagner geradezu devot verehrte, ist bei spielsweise bekannt, daß er die seinerzeit weit verbreiteten Wagner-Klavierauszüge ohne Text benutzte, sich also ausschließ lich für das musikalische Geschehen be geistert!) An diesem Rückgang des Inter esses trägt nicht zuletzt der Dichterkompo nist selbst Schuld, weil er etwa die an sich großartig gesehene Auseinandersetzung der Menschen mit dem im Gold verdinglichten Kapitalismus in der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ unter einem Wust von Nebengedanken vergraben hat, die dem Zuhörer und Zuschauer über weite Episo den hinweg Rätsel aufgeben, zumal dieser auch noch um das Verständnis für die sich oft verwirrend durchdringenden musikali schen Motive zu ringen hat. Freilich wäre es — hierauf hat Werner Wolf in seiner lesenswerten Einführung der Reclam-Aus- gabe der „Ring“-Dichtung treffend hinge wiesen — der Bourgeoisie des imperia listischen Zeitalters vermutlich wenig an genehm gewesen, wenn sie Wagners anti kapitalistische Parteinahme wirklich, auch im „Ring des Nibelungen“ verstanden hätte: „Der Erfolg, den der .Ring' nach Wagners Tod in der Öffentlichkeit errang, beruhte weitgehend auf Mißverständnissen, Mißdeutungen und Verfälschungen ... Durch die Losreißung der Teile des .Rin ges 1 aus ihrem Zusammenhang, ungenü gende Darstellung und durch Streichungen wurde der Sinn des Werkes vollends ent stellt.“ WTagners ureigentlichste Gedanken den ■ % Musikfreunden unserer Zeit deutlich zu machen, durch einen realistischen Auf führungsstil seiner Musikdramen die für die damalige Zeit fortschrittlichen An schauungen des Meisters zu verdeutlichen, ist die Aufgabe unserer Regisseure, Büh nengestalter. Dramaturgen und Kapellmei- ster.In ihrer Hand liegt zu einem nicht ge ringen Teil die Verantwortung dafür, ob und wie dieses kulturelle Erbe von uns er worben wird, damit es in unseren Besitz eingehe. Wagners Kunstwerke, doch ganz besonders auch seine von den Musikwis senschaftlern der Allgemeinheit zu inter pretierenden kunsttheoretischen Schriften, so zeitgebunden sie auch im einzelnen sein mögen — obgleich dies niemals im selben Maße wie bei Wagners rein philosophi schen Ideengängen der Fall ist — leben nur und können nur zum lebendigen Erbe wer den, wenn wir sie hinsichtlich ihres Ideen gehaltes neu überprüfen. Sicherlich wird der von der geschichtlichen Entwicklung vorgenommene Ausleseprozeß weitergehen. Möglicherweise verlagern sich sogar die Schwerpunkte der Anteilnahme an Wag ners Werk, so daß etwa — dies als kon struiertes Beispiel — das noch allein auf menschliche Konflikte gestellte .Rienzi"- Drama auch aus Gründen seiner Nähe zur alten „Oper“ an Bedeutung wieder ge wänne, während der „Ring des Nibelun gen“ trotz seiner antikapitalistischen Grundhaltung wegen der musikalisch komplizierten Struktur noch weiter in den Hintergrund träte. Doch es ist mißlich, sol che Dinge zu prophezeien. Fest steht, daß Wagners Werke ihren festen Platz in der bisherigen Musik- und Kulturentwicklung Deutschlands und sogar der ganzen Welt besitzen. Fest steht ebenso, daß seine Schöpfungen in kritischer Auswahl und Wertung auch fortan zum deutschen natio nalen Kulturerbe gehören werden, in welchem Maße dies der Fall sein wird, kann nur die Zukunft lehren! (Zum Teil nach der kürzlich erschienenen Bibliographie des Verfassers: „Richard Wag ner — Sein Leben in Bildern“, Leipzig 1963.) Festwochen-Nachlese Zu einigen Kulturveranstaltungen während der Festwoche unserer Universität Unter dem Motto: „Seht! Es leuchtet eine neue Zeit!" rief das sozialistische Volkskunstzentrum, unterstützt durch FDJ- und Ge werkschaftsorganisation, zu einer Festveranstaltung. Im Programm wirkten neben sämtlichen Chören der Universität das Akademische Orchester, verstärkt durch Mit glieder von Gewandhaus- und Rundfunksinfonierorchester, die Studentenbühne, Tanz- und In strumentalgruppe des Louis- Fürnberg-Ensembles sowie eine stattliche Reihe junger Talente der Universität, junger Berufs künstler der Musikhochschule und der Städtischen Bühnen Leipzigs mit. Die künstlerische Leitung hatte Horst Förster, Regie Helmut Bläss, Städtische Bühnen. Die Gesamtleitung lag in den Hän den von Rudolf Gehrke. — Wenn auch durch die machtvollen Eck werke (Gerster: Festouvertüre 1948 und Wagner: Ausschnitt aus den „Meistersingern") im Pro grammablauf die Form der Estrade empfindlich gestört war — was ebenso wie die Qualität der einzelnen Darbietungen rege Diskussionen bei Mitwirkenden und Zuhörern auslöste — so bot doch das Programm in vieler Hinsicht Vorbildliches. Die ideologische Konzeption ging aus von den Traditionen des Klassenkamofes der Arbeiter klasse, zeigte die heute in der Welt sich gegenüberstehenden Kräfte des Krieges und des Frie dens (vorallemam Beispiel Kubas) und öffnete optimistisch und über zeugend den Blick in eine Welt friedlicher, freudevoller Arbeit, die wir unter Führung der Par tei der Arbeiterklasse erbauen. In ästhetischer Sicht stand die sinn volle Verarbeitung und Weiter- entwicklung wertvoller Elemente der nationalen und internationa len Folklore im Vordergrund. So wohl hier als da steht zu Recht der Name Verdis, der als Künst ler des Risorgimento durch seine volkstümliche, hochdramatische und von starken dynamischen Kräften getragene Musik aktiv in die nationale Einigungs- und Unabhängigkeitsbewegung Ita liens im 19. Jahrhundert einge griffen hat Die Wahl der Ro manze für das Programm ist allerdings nur aus der Opernrolle der Aida zu verstehen, die die sen gefühlstiefen, von unbändiger Heimatliebe erfüllten Gesang als Gefangene im Lager des Feindes anstimmt. Es war auch die hei tere Muse vertreten, zwar recht knapp, dafür aber vom Fürnberg chor und von der Tanzgruppe mit zündender, urwüchsiger Komik geboten, die Lebensfreude ein facher Menschen meisterhaft nachempfindend. Die Darbietungen der Chöre verlockten zum Leistungsver gleich, der hier nur angedeutet werden kann. Der Universitöts- chor, Leitung i. V. Christoph Schneider, bot die schwieri gen Passagen und komplizierten vielstimmig-dissonanten Zusam. menhänge der „Fragen eines le senden Arbeiters" (Krause- Graumnitz) mit hohem Können tonlich sehr sauber, während er in der inhaltlichen Aussage nicht auf der Höhe der Aufgaben stand. Die vorbildliche Lockerheit im Singen, die der Chor des Louis-Fürnberg-Ensembles erneut demonstrierte (ausgezeichnete Gershwins „Fascinating Rhythm", die allerdings nur bedingt ins Programm paßten) konnten so wohl der Chor der Musikerzieher als auch der des Pawel-Kortscha- gin-Ensembles nicht bieten. Zum Höhepunkt des Abends wurde das zweimalige Auftreten der vereinigten Chöre der Karl- Marx-Universität. Aber es führt zu nichts, wenn drei (!) Tage vor der Aufführung mit der Einstudie rung eines Werkes mit Solisten, Chor und Instrumentalgruppe begonnen wird, das zum mitrei ßenden chorischen Auftakt des Abends werden soll. Sa hat Hanns Eisler sein „Lied über den Frieden" nicht gemeint. Günstiger lagen die Verhältnisse beim „Wach-auf-Chor" und dem Schlußchor aus Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürn berg". Hier kam es zu einer gu ten Leistung, die man umso mehr würdigen muß, wenn man be denkt, daß sich der größte Teil der Sänger zum ersten Male an eine solch schwierige Aufgabe wagte. Keinesfalls befriedigen konnte der schleppende Vortrag der Schlußansprache des Sachs durch Rainer Lüdecke, Städtische Theater, der zwar gute stimm liche Mittel einzusetzen hatte, mit dem sich der Dirigent aber offen bar statt einer Informationsprobe nur an Hand der Partitur verstän- digt hatte. Beinahe umgekehrt ergab sich bei der Wiederholung der Meistersinger-Ausschnitte zum Festakt im Neuen Opern haus, daß Solist und Orchester in guter Form, von den auf gleicher Ebene wie das Orchester stehen den und in der Höhe ungenü gend gestaffelten Chor recht we nig zu hören war, zumal von den Männerstimmen, über 300 ju gendliche Laiensänger bieten un ter den gegebenen Voraussetzun gen an Lautstärke und Klang- qualität nicht mehr als etwa 50 erwachsene, ausgebildete und ausgewählte Berufssänger. Solche Relationen zu mißachten hieße den Sinn für Realitäten verlieren! Die Reihe musikalischer Ver anstaltungen zur Festwoche be reicherte das Staatliche Ensemble für Sorbische Volkskultur durch eine hervorragende Erstauffüh rung der Endfassung des Orato riums „Die Ernte" für Soli, Chor und Orchester des ersten bedeu tenden Komponisten und Begrün ders der sorbischen Kunstmusik Karl-August Kocor (1822 bis 1904). Den Text verfaßte der sor bische Volksdichter Handrij Zej- ler. Das zu einem fünfteiligen Oratorienzyklus „Die Jahreszei ten" gehörende Werk entstand in mehreren Etappen im Zeitraum von 35 Johren, etwa ab Jahrhun dertmitte. Es war, wie auch die anderen Chorwerke des Kompo nisten, für die Aufführung zu sor bischen Gesangsfesten bestimmt. Bei der Darbietung wirkte be sonders wohltuend das ausgewo gene Klangverhältnis zwischen Chor und Orchester und das exakte saubere Musizieren bei der Klangkörper. Neben einem klangvollen Piano bewies der aus knapp 40 Mitgliedern, je zur Hälfte Frauen und Männer, be stehende Chor seine Steigerungs- fähigkeit an mehreren Stellen: sehr eindrucksvoll bei der Gestal tung des heraufziehenden Ge witters oder etwo mit dem Aus- druck gelöster Freude nach voll brachter Ernte. Die fünf Solisten, von denen lediglich die Soprani stin etwas indisponiert war, boten Vorzügliches in einfühlsamer Ge staltung. Cisinski-Preisträge- Jan B u I a n k hatte als Dirigent alle Fäden fest in der Hand und ver half dem Werk zu einem put durch reichlichen Beifall belohn ten Erfolg. -her
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