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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 6.1962
- Erscheinungsdatum
- 1962
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196200007
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19620000
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19620000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust. Heft 9-10 in falscher Reihenfolge eingebunden, fehlerhaft gezählt.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 6.1962
-
- Ausgabe Nr. 1, 4. Januar 1
- Ausgabe Nr. 2, 11. Januar 1
- Ausgabe Nr. 3, 18. Januar 1
- Ausgabe Nr. 4, 25. Januar 1
- Ausgabe Nr. 5, 1. Februar 1
- Ausgabe Nr. 6, 8. Februar 1
- Ausgabe Nr. 7, 15. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 22. Februar 1
- Ausgabe Nr. [10], 8. März 1
- Ausgabe Nr. [9], 1. März 1
- Ausgabe Nr. 11, 15. März 1
- Ausgabe Nr. 12, 22. März 1
- Ausgabe Nr. 13, 29. März 1
- Ausgabe Nr. 14, 5. April 1
- Ausgabe Nr. 15, 12. April 1
- Ausgabe Nr. 16, 19. April 1
- Ausgabe Nr. 17, 26. April -
- Ausgabe Nr. 18, 3. Mai 1
- Ausgabe Nr. 19, 10. Mai 1
- Ausgabe Nr. 20, 17. Mai 1
- Ausgabe Nr. 21, 24. Mai 1
- Ausgabe Nr. 22, 1. Juni 1
- Ausgabe Nr. 23, 7. Juni 1
- Ausgabe Nr. 24, 14. Juni 1
- Ausgabe Nr. 25, 21. Juni 1
- Ausgabe Nr. 26, 28. Juni 1
- Ausgabe Nr. 27, 5. Juli 1
- Ausgabe Nr. 28, 12. Juli 1
- Ausgabe Nr. 29, 19. Juli 1
- Ausgabe Nr. 30, 28. Juli 1
- Ausgabe Nr. 31, 2. August 1
- Ausgabe Nr. 32, 9. August 1
- Ausgabe Nr. 33, 16. August 1
- Ausgabe Nr. 34, 23. August 1
- Ausgabe Nr. 35, 30. August 1
- Ausgabe Nr. 36, 6. September 1
- Ausgabe Nr. 37, 13. September 1
- Ausgabe Nr. 38, 20. September 1
- Ausgabe Nr. 39, 27. September 1
- Ausgabe Nr. 40, 4. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 41, 11. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 42, 18. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 43, 25. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 44, 1. November 1
- Ausgabe Nr. 45, 8. November 1
- Ausgabe Nr. 46, 15. November 1
- Ausgabe Nr. 47, 24. November 1
- Ausgabe Nr. 48/49, 29. November 1
- Ausgabe Nr. 50, 6. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 51/52, 13. Dezember 1
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Band
Band 6.1962
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ElllllliIlllllllllllllllllllllllIlllllIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIEIIMMIIMIIIIHIIIIIIIIIIMIIIIIIMIIIIIIIIIIIIIIITIIIMIIIIIIIIIIIIIIIININIIHIIIIMIMMIIMIIIMIINIMIWMIINIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII | Die kulturelle Grundaufgabe: geistige Formung des Menschen der sozialistischen | | Gesellschaft und Schaltung der sozialistischen Nationalkultur | Meinungsstreit über die Aufgaben der Kunst- und Literaturwissenschaften IIEIImIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIITIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIISIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIIEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIITIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINI Ein erstes Rundtischgespräch über Fragen der Entwicklung des sozialistischen Musikschaffens und die Aufgaben der Musikwissen schaft in der DDR, zu dem die Hochschulgruppe des Deutschen Kul turbundes und die „Universitätszeitung“ eingeladen hatten, fand vor kurzem im Haus der Wissenschaftler statt. Wir veröffentlichen daraus auf dieser Seite die wichtigsten Teile. Gesprächsteilnehmer waren: Werner Wolf, Mitarbeiter der „Leipziger Volkszeitung“, der die einführenden Worte sprach und die Diskussion leitete; Dozent Dr. Erhard John, Leiter der Ab teilung Ästhetik am Institut für Philosophie; Dr. Peter Schmie del, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissen schaft; Eberhardt Klemm, Wissenschaftlicher Assistent am Insti tut für Musikwissenschaft; Rudolf Gehrke, Leiter der Kultur kommission beim Akademischen Senat; Eberhard Lippold, Wis senschaftlicher Assistent an der Abteilung Ästhetik des Instituts für Philosophie. Die Redaktion möchte anregen, in den folgenden Wochen den Meinungsaustausch über die in diesem Gespräch aufgeworfenen Probleme und besonders die im Diskussionsbeitrag von Genossen Dr. John formulierten Fragen in der „Universitätszeitung“ fortzu setzen. WERNER WOLF: Idi möchte nur einige Fragen herausgreifen und versuchen, durch die Fragestellung einige Anregungen zu geben. Ein erster Fragenkomplex: Was können die Musikwissenschaftler tun, damit sich in der DDR das neue Musikschaffen, der so zialistische Realismus stärker entwickelt? Welche Möglichkeiten gibt der sozialistische Realismus für die Entwicklung der Musik kultur und auch der Musikwissenschaft? In welcher Weise setzt der sozialistische Realismus die humanistischen Traditionen der klassischen Musikkultur fort, und in welcher Weise beeinträchtigt die Dekadenz die humanistischen Traditionen? Bisher führten Gespräche über solche Fragen wiederholt zu Extremen: Einerseits bewegte man sich Zu sehr in ästhetischen Verallgemeinerungen, andererseits klam merte man sich wieder zu sehr an Material fragen und neigte zu der Ansicht, die Musik habe eine gewisse Ausnahmestellung gegenüber anderen Künsten, weil der Klang nicht so eindeutig sei wie das Wort, wie die Farbe, wie die Bildkomposition. Zu die ser Frage dürften die Äußerungen Wilhelm Furtwänglers über die moderne Musik im siebenten seiner „Gespräche über Musik“ aufschlußreich sein: Furtwängler: Neue Mittel nicht um ihrer selbst willen „Die ,atonale“ Musik* wie sie seither generell genannt wird, entstand im Zei chen des Fortschritts; man wollte vor allem etwas Neues. Nun war der Ruf nach dem Neuen, die theoretische Forderung nach Vorwärtstreiben der Entwicklung um jeden Preis, in der Weise, wie sie damals zum ersten Mal erhoben wurde und seit dem nicht mehr verstummt ist, durchaus selbst etwas Neues. Waren doch damit zum ersten Mal die Materie selber, der Stoff, aus dem die Musik entsteht, ihre Töne und Harmonien zum Ausgangspunkt gemacht und nicht wie bisher der in der Geschichte sich wandelnde Mensch, der sich dieser Materie bedient und ihr seinen Stempel aufdrückt. Als besonderes Beispiel dafür wurde auf Wagners .Tristan“ verwiesen, der in einer bis dahin in der Musikgeschichte unerhörten Konsequenz und Folgerichtig keit die chromatische Harmonik erweitert und vorangetrieben habe. Man vergißt da bei freilich, daß Wagner, während er den ,Tristan“ schrieb, durchaus nicht die Absicht hatte, etwas .Neues“ zu schaffen, die Har monik zu .erweitern“, die Entwicklung .voranzutreiben“. sondern nur und aus schließlich die adäquate und eindrucksvollste Sprache für seine dichterische Vision» für seine ,Tristan‘-Welt zu finden. Das bewei sen nicht nur jeder Takt der Tristan’- Musik, sondern auch im anderen Sinne die Werke, die er nach dem .Tristan“ noch ge schrieben hat und die in den Augen der Fortschrittsgläubigen mehr oder weniger große .Rückfälle“ darstellen. Wagner lag es eben, genau wie allen seinen Vorgängern einzig daran, für die Welt, die er ver körpern sollte, den adäauaten Ausdruck zu finden. Daß er damit die zukunftsträchtige Chromatik .entdeckte“, war für ihn Neben sache, war reiner Zufall “ Ich glaube, das ist ein Kernpunkt, an dem bisher sehr viele Diskussionen ent weder vorbeigegangen sind oder aufeinan derprallten. Zu der Problematik überleitend, wie sie sich im gegenvmrtigen sozialistischen Musikschachffen darstellt, führte Werner Wolf u. a. aus: Ist Dessaus neuestes Werk sozialistisch realistisch? Betrachten wir Paul Dessaus neuestes Stück „Mohamed Ben Bella“. (Vgl. „Uni versitätszeitung“ vom 29. 11. 1962, S. 6. Die Red.) Der Text ist unmittelbar aus dem Erleben der Gegenwart, aus dem Freiheits kampf der gegen den Kolonialismus kämpfenden Völker gestaltet und in sehr eigenwilliger Weise vertont. Man muß fra gen. ob damit ein Werk geschaffen wurde, das typisch für den sozialistischen Realis mus ist, oder ob es darin einen Wider spruch zwischen dem Inhalt, der vom Text Universitätszeitung, Nr. 51/52, 13.12.62, S. 6 her vorgezeichnet ist, und dessen Gestal tung mit den dafür gewählten Ausdrucks mitteln gibt. Mir scheint, bei der Gestaltung wurde vor allem jene Seite in den Vorder grund gerückt, die die Qualen und die Schrecken ausdrückt, die mit dem Kampf verbunden sind. Dagegen scheint mir der Erfolg, der durch den Kampf errungen wurde, weniger stark ausgedrückt. Ein ähn liches Problem warf das unlängst auf geführte Vokalstück „Giamila Bupascia“ von Luigi Nono auf. Darin schienen mir die mit dem Freiheitskampf verbundenen Opfer und Qualen erschütternd ausgedrückt, aber kaum ein wirklicher Ausblick. Können Mittel Opti mis- mus und Pessimismus ausdrücken? EBERHARDT KLEMM: Es wurde eben Paul Dessau genannt, dessen Werk ja in der Tat eine Fülle von Problemen aufgibt. Denn Dessau würde sein Werk „Mohamed Ben Bella“ bestimmt dem sozialistischen Realismus zugehörig auf fassen. Wenn aber heute Werke von Dessau beurteilt werden — ich erinnere an die Zeitungskritik seines „Appells der Arbeiterklasse“ —, heißt es stets, Dessau verwende irgendwelche musi kalischen Mittel, die einer vergangenen Musiksprache angehören, seine Musik sei zu wenig optimistisch. Nun besteht doch folgendes theoretisches Problem: Können Mittel als solche überhaupt Optimimus' oder Pessimismus ausdrücken? Jede Musik ist artikuliert nach einer bestimmten Syn tax, deren Regeln auf Konventionen be ruhen, die sich historisch bilden und nur historisch begrenzte Gültigkeit besitzen. Ebenso ist die Ausdrucksgeladenheit, die „Bedeutung“ der syntaktischen Mittel historisch begrenzt. Ich könnte ebensogut in die Debatte werfen, daß ich im genann ten Stück von Dessau sehr viele Signal elemente gehört habe, daß das Dissonan zenhafte für mich weniger relevent war. Und Signalelemente sind für mich mit der Konvention verbunden: Aufbruch, Auf marsch. Appell und dergleichen. Mir scheint diese Musik gar nichts Nie derdrückendes an sich zu haben; im Gegenteil: Es ist ein sehr aufrüttelndes Werk. Das Problem ist also: Hören wir richtig, wenn wir „Pessimismus“ oder „Optimismus“ hören? Assoziieren wir nicht falsch, wenn wir neue syntaktische Mittel mit alten Konventionen assoziieren? Un tersucht werden müßten die Mittel, die Dessau verwendet, außerdem die Frage, warum Dessau die und die Mittel ver wendet usw. Es geht uns ja vor allem um die Beurteilung der Werke, der kommen den Werke. Wir müssen Maßstäbe erarbei ten, nach denen wir beurteilen. Ich bin jetzt nicht in der Lage, die von mir auf geworfenen Probleme zu beantworten. Ich möchte aber auch an die einschlägi gen Kapitel des Buches „Komposition für den Film“ von Hanns Eisler erinnern. Eis ler spricht da mehrfach davon, daß der Hörer Vorurteile gegenüber der Melodie und des Wohlklangs habe. Wir werden im Film, der ja die Vorurteile des Publikums nährt, noch heute mit einer Musik gefüt tert, die an der Melodik des 19. Jahrhun derts festhält. Realistische Filme, deren Sequenzen oft sehr kurz sind, brauchen neue Musik. Eine geschlossene Oberstim menmelodik im Sinne des 19. Jahrhunderts ist der Filmtechnik unangemessen, sie ver fälscht das Dargestellte. Man muß die Musik Dessaus auch unter einem solchen Aspekt sehen, auch wenn sie keine Film musik ist. Ohne mich zu einem Fürspre cher Dessaus zu machen — ich halte den „Ben Bella“ nicht für absolut gelungen —, so glaube ich doch, daß die Maßstäbe, nach denen wir beurteilen, noch zu wenig ge schliffen sind. Dem neuen Inhalt eine adäquate Form RUDOLF GEHRKE: Ich halte diese Frage, die einen allgemeinen ästhetischen Charakter besitzt, nämlich, kann man von den Stilmitteln aus ein Kunstwerk be urteilen, von den Gestaltungsmitteln das Wesen eines Werkes erfassen, und welche Bedeutung stilistische Elemente für ein Kunstwerk haben, für eine wichtige theo retische Frage. Das Wesentlichere aber, so glaube ich, das, worauf es uns heute be sonders ankommen sollte, besteht doch darin, daß man das Kunstwerk vom In halt aus beurteilt und fragt: Welche Mit tel sind verwendet, welche Möglichkeiten genutzt, um einen bestimmten Ideengehalt im Kunstwerk wirklich sinnfällig zu ge stalten? Versieht es der Künstler, die Stil mittel so zu handhaben, daß diese Idee klar zutage tritt, daß sie in den Zuhörern — selbstverständlich nicht unbedingt beim ersten Hören oder Sehen, sondern nach einer gewissen Zeit, nach einer wirklich intensiven Beschäftigung mit dem Kunst werk — bestimmte Wirkungen ausübt, die dem Betrachter oder Hörer helfen, die Wirklichkeit tatsächlich schöner, reicher, vielfältiger zu sehen, als das vorher der Fall war? Und ich meine, daß die Beurteilung des Werkes von Paul Dessau in erster Linie gerade von dieser Seite her Beachtung ver dient, daß er sich früh der Arbeiterbewe gung zuwendet, sein Schaffen am Wollen, Fühlen, Denken und Handeln des Volkes orientiert, den Kampf des Volkes in den Mittelpunkt seines Werkes stellt und auch wirklich Brennpunkte dieser Entwicklung musikalisch zu erfassen trachtet. Selbst verständlich kann es gar nicht anders sein, daß in einer solchen Übergangsepoche, in der wir leben, auch ein bestimmtes Suchen vorhanden ist, ein bestimmter Versuch der Einordnung erarbeiteter histo rischer Mittel und Möglichkeiten — selbst expressiver Natur usw., der Versuch, sie zumindest in bestimmter Weise zu hand haben. Die Frage ist nur, wie weit gelingt es ihm in jedem Fall, das Neue in der ge sellschaftlichen Entwicklung künstlerisch sichtbar zu machen und dem neuen In halt eine adäquate Form zu schaffen. Löst er sich von der bürgerlichen Dekadenz, ge lingt es ihm, sich freizumachen von den Provokationen einer untergehenden Welt, gelingt es ihm, die historisch entstandene nationale Musikkultur wirklich schöpfe risch weiterzuentwickeln und um Werke sozialistischen Inhalts zu bereichern. Ich meine, daß das Schaffen Dessaus von die sem Ringen gekennzeichnet ist, und es wäre vereinfacht, wenn man z. B. schlecht hin die Frage nach einer eingängigen Melodie stellt. Gerade auf dem Gebiet der Musik darf man die Dinge nicht verein fachen. Dem ganzen umfassenden Fragen komplex der Widerspiegelung eines Opti mismus oder Pessimismus im Kunstwerk kann man nur von dem Standpunkt aus gerecht werden, den der Künstler außer halb seiner Musik und mit ihr bezieht. Auch das darf nicht vereinfacht werden, führt uns aber an die Frage nach dem Klassencharakter der Kunst. Es erfreut uns eine bestimmte Einheit in der Künst lerpersönlichkeit, wenn wir wissen, der Künstler nimmt teil am tagtäglichen Kampf um den Sieg der Interessen der Arbeiterklasse usw., also in dem Fall an den Interessen des algerischen Volkes. WERNER WOLF: Kollege Klemm stellte die Frage: Können Mittel Optimis mus oder Pessimismus ausdrücken? Ich glaube, man müßte die Frage anders stel len: Was will der Komponist sagen? Das ist bei einem Werk mit Text verhältnis mäßig leicht festzustellen. Davon ausgehend muß man weiter fragen, welche Mittel ge eignet sind, das vom Text Vorgezeichnete, die dem Komponisten vorschwebende Idee auszudrücken. Dabei sind durchaus ver schiedene Lösungen denkbar, ja natürlich. Das beweisen wiederholte Vertonungen des gleichen Textes durch verschiedene Kom ponisten in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, je nach der gesellschaftlichen Situation, der Geisteshaltung, der Entwick lung, ja auch des Temperaments eines Komponisten. Zudem haben die dabei ver wendeten Ausdrucksmittel zuweilen eine verschiedene oder gewandelte Bedeutung. Einer Sekunde oder Septe kommt in der klassischen Musik in der Regel ein größe res Spannungsmoment zu als in der Musik des späteren 19. oder des 20. Jahrhunderts. Nach 1910 aber entstand die Gefahr, daß die Verwendung der Mittel nicht mehr oder nicht mehr allein vom Inhalt, sondern von abstrakt-spekulativen Erwägungen diktiert wurde. Diese Bestrebungen führten unter dem Banner vermeintlichen Fortschritts zur Auflösung der natürlich gewachsenen Tonalität und zu einem spekulativ erdach ten System des Komponierens mit zwölf Tönen. Inzwischen haben aber bedeutende Komponisten längst bewiesen, daß die Tonalität nicht erschöpft ist. Ein Meister wie Sergej Prokofjew hat u. a. in seiner Oper „Ein wahrer Mensch“ darüber hinaus gezeigt, daß die Darstellung des neuen Menschen teilweise einfacherer oder ge- läuterterer Mittel bedarf als der zur Gestal tung von Problemen des verfallenden Bürgertums durch bürgerliche Komponi sten. Parallelen dazu gibt es auch in der Aufklärung, die um 1745 zu einer wesent lichen Vereinfachung der Ausdrucksmittel führte. Wenn ich von diesem Gesichtspunkt aus das Werk Paul Dessaus betrachte, sehe ich darin die Gefahr, mehr durch ungewöhn liche Mittel neu wirken zu wollen als durch den neuen gedanklichen Inhalt. Es wäre näher zu untersuchen, welche speziellen Absichten Dessau verfolgt, inwieweit er mit Komponisten wie Webern und Nono verbunden ist, ob er die Bestrebungen der spätbürgerlichen Musik überwunden hat oder ob er versucht, aus ihr Mittel für eine andere Aufgabenstellung zu entwickeln. Wir Musikwissenschaftler müssen uns darüber Klarheit verschaffen. „Zwölftontechnik umfunktioniert" EBERHARDT KLEMM: Ohne Weberns Tätigkeit als Leiter der Wiener Arbeiter sinfoniekonzerte und von Arbeiterchören schmälern zu wollen, würde ich auch nicht unbedingt sagen, daß er Sozialist gewesen sei. Aber er hat Ungeheures geleistet auf diesem Gebiet, er hat das verbrämt idea listische Zeug — im Gegensatz zu den meisten Arbeiterchorleitern — nicht singen lassen, hat als einer der ersten den Chor „Auf den Straßen zu singen“ seines Freun des Eisler gebracht usw. Aber was mir be denkenswert erscheint und in der Tat einer Klärung bedarf, ist doch dies: Dessau — um von Luigi Nono gar nicht zu reden — beruft sich in letzter Zeit auf bestimmte Anregungen, die er Webern verdankt. Hinzu kommt ein weiteres Problem. Auch Eisler verwendet, wie Sie wissen, die so genannte Zwölftontechnik, sogar noch in seiner letzten Schaffensperiode. Wiewohl Eisler schon sehr früh in der Arbeiter bewegung stand und sich bereits 1924 — also nach wenigen Jahren Unterricht bei Schönberg — zumindest kritisch gegen über Schönberg verhielt, verwendet er diese Technik. In einem Gespräch mit den Kunsthistorikern haben wir uns folgen dermaßen geeinigt: Eisler funktioniert diese Technik um. Der Begriff der Funk tion wird bei Eisler wichtig. Er prüft ge nau jeweils die Sache, wann er diese Tech nik oder jene Technik, diese Mittel oder jene Mittel einsetzen kann. Eisler, der sehr eng mit der Entwicklung der Filmmusik verbunden war, wußte stets genau, welcher Sprache er sich zu bedienen hatte, wenn es' galt, bestimmte Sequenzen eines Filmes musikalisch zu verdeutlichen. Bei Bildern etwa, die Kriegsereignisse, Arbeitslosig keit, düstere Stimmung und dergleichen ausdrücken, griff er zur Zwölftontechnik. Und wenn die Sache es befahl, schrieb er sehr einfach, griff eher auf Techniken Bachs etwa zurück. Die Frage stellt sich: Ist es wirklich so? Vermöchte ein Werk Eislers, das in der Zwölftantechnik geschrie ben ist, wirklich nur Emotionen von sehr begrenzter Art zu erregen? In seiner Lenin-Kantate bedient sich Eisler strikt der Zwölftontechnik, von einer Nummer ab gesehen — ich glaube, es ist die siebente. Man könnte mir entgegnen, Eisler ver wende diese Technik nicht im Sinne Schönbergs, außerdem klänge die Lenin- Kantate eben nicht „nach Schönberg“. Die Komponisten verwenden die Zwölftontech nik alle individuell, und doch ist die Melo dik bei Eisler viel strenger. Eisler erweist sich geradezu als ein Reihenfetischist. Ich halte die Untersuchung dieser Musik für äußerst wichtig; sie gibt nicht leicht zu lösende Probleme auf. Ich habe eben ein Problem genannt, mit dem ich mich schon lange beschäftige. Zu einer Lösung bin ich noch nicht gekommen. Mittel der bürgerlichen Dekadenz können nicht das sozialistische Lebensgefühl ausdrücken EBERHARD LIPPOLD: Zunächst ein« Richtigstellung: Der größte Teil der an wesenden Kunsthistoriker war in den von worden, daß gerade die Werke von Eisler, die die größte Verbreitung gefunden haben und die größte Bedeutung erlangt haben im Kampf der Arbeiterklasse, auf deren Seite er sich ja stets gestellt hat, eben nicht in der Zwölftontechnik verfaßt sind, son dern daß er hier bewußt ganz andere Ge staltungsmittel benutzt hat. Ich glaube, es fehlt uns gegenwärtig nicht an Anregungen, uns auch damit zu be schäftigen, welche Aufgaben speziell vor uns stehen, um die Klärung dieser Pro bleme in der Praxis anzuwenden. Der neue Programmentwurf der SED, der jetzt ver öffentlicht worden ist und auch von den Vertretern der Blockparteien als das Pro gramm der Zukunft unserer Nation aner kannt worden ist, enthält ja auch zu diesen Problemen wesentliche Gedanken. Es wird davon gesprochen, daß alle Künste die Auf gabe haben, das neue sozialistische Lebens gefühl, das sich in unserer Zeit entwickelt und das ein sehr starkes Gefühl ist, aus zudrücken. Es wird an anderer Stelle davon gesprochen, daß der sozialistische Realis mus sich einer Fülle von Stilelementen, von Stilmitteln bedient, daß man jedoch einen entschiedenen Kampf gegen die Mittel der bürgerlichen Dekadenz führen muß, soweit sie bei uns noch verwendet werden. Walter Ulbricht spricht in seiner Rede auf dem 17. Plenum zu den gleichen Pro blemen ganz offen davon, daß einige Künst ler es sich leicht machen, indem sie Mittel der bürgerlichen Dekadenz übernommen haben und sie angeblich mit neuem Inhalt erfüllen. Das wäre eben die Frage des Um funktionierens. Ich glaube, all diese Dinge stellen uns ganz klar die Aufgabe, doch einmal zu untersuchen: Was gibt es hier für objektive Maßstäbe? Diese objektiven Maßstäbe sind da. Wir müssen sie erken nen, wir müssen sie in der Praxis anwenden, wir müssen sie auch unserer Arbeit bei der Popularisierung bestimmter Musikwerke zugrunde legen. Und meiner Ansicht nach drückt sich gerade in dieser Frage die enge Verbindung der theoretischen Probleme, die Herr Klemm darlegte, mit diesen unmittel bar praktischen Fragen aus. (Fortsetzung auf Seite 7) Mitglieder des Akademischen Orchesters bei der Probe Sozialistisches Musikschaffen und Musikwissenschaft Herrn Klemm erwähnten Gesprächen der Auffassung, daß ein Umfunktionieren spät bürgerlicher Ausdrucksmittel nicht möglich ist. Richtig ist, daß Eisler sehr genau dif ferenziert, für welche Werke er welche Mittel benutzt. Es war dort auch gesagt
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