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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 8.1964
- Erscheinungsdatum
- 1964
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196400001
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19640000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19640000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 8.1964
-
- Ausgabe Nr. 1/2, 9. Januar 1
- Ausgabe Nr. 3, 16. Januar 1
- Ausgabe Nr. 4, 23. Januar 1
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- Ausgabe Nr. 6, 6. Februar 1
- Ausgabe Nr. 7, 13. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 20. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 27. Februar 1
- Ausgabe Nr. 10, 5. März 1
- Ausgabe Nr. 11, 12. März 1
- Ausgabe Nr. 12/13, 19. März 1
- Ausgabe Nr. 14, 2. April 1
- Ausgabe Nr. 15, 9. April 1
- Ausgabe Nr. 16, 16. April 1
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- Ausgabe Nr. 23, 11. Juni 1
- Ausgabe Nr. 24, 18. Juni 1
- Ausgabe Nr. 25, 25. Juni 1
- Ausgabe Nr. 26, 2. Juli 1
- Ausgabe Nr. 27, 9. Juli 1
- Ausgabe Nr. 28, 16. Juli 1
- Ausgabe Nr. 29, 23. Juli 1
- Ausgabe Nr. 30, 30. Juli 1
- Ausgabe Nr. 31, 6. August 1
- Ausgabe Nr. 33, 13. August 1
- Ausgabe Nr. 33, 20. August 1
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- Ausgabe Nr. 35-38, 24. September 1
- Ausgabe Nr. 39, 2. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 40, 8. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 41, 15. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 42, 22. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 43, 29. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 44, 5. November 1
- Ausgabe Nr. 45, 12. November 1
- Ausgabe Nr. 46, 19. November 1
- Ausgabe Nr. 47/48, 26. November 1
- Ausgabe Nr. 49, 3. Dezember 1
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Band
Band 8.1964
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Prof. Dr. Siegfried Streller „Ole Bienkopp" Zu enge Auffassung vom Bitterfelder Weg Strittmatters neuer Roman ist ein Buch, das fesselt, das erregt, das zum Wider- spruch herausfordert Nach dem ersten Lesen überwog der Widerspruch. Das zweite Lesen macht viele positive Seiten, Viele Schönheiten sichtbar, die beim ersten Male übersehen worden waren. Der Eindruck des Widersprüchlichen ist geblieben. Der Roman „Ole Bienkopp“ hat viele Fragen aufgeworfen, die neu beantwortet »erden müssen. Er wendet sich in seiner Aussage und seiner Gestalt gegen den Schematismus. Hierin liegt wohl der größte Beitrag zur Entwicklung unserer Sozialistischen Nationalliteratur. Stritt- hatter zwingt den Leser, sich zu prüfen, ob er beim Beurteilen nicht selbst nach einem Schema verfährt. Die neu aufge worfenen Probleme lassen sich nicht rasch gültig lösen, die Fragen nicht von heute auf morgen beantworten. Die vielen gegensätzlichen Urteile und Meinungen, die in der Diskussion um „Ole Bienkopp“ im »Sonntag“ und im „Neuen Deutschland" bisher veröffentlicht wurden, bestätigen das. Strittmatter gestaltet das Leben eines Selden, der nicht mehr zwischen Altem Und Neuem schwankt, sondern sich für das Neue entschieden hat. Ole Bienkopp ist ein Mensch, der mit Beharrlichkeit, ja Dickköpfigkeit und Starrsinn verfolgt und durchsetzt, was er für richtig erkannt hat. Diese Gestalt ist eine Bereicherung Unserer Literatur. Sie ist aus dem Leben gegriffen, und sie strahlt so viel Leben Und Aktivität aus, daß davon nicht nur der Leser, sondern schließlich auch der Autor selbst ergriffen wird. Er ist in sei- uen Ole Bienkopp verliebt. Das wirkt Bich auf die Darstellung aus. Neben Ole Bienkopp gibt es eine Fülle anderer solcher lebenspraller Gestalten. Oft werden sie wie nebensächlich in die Handlung eingeführt. Dann holt der Autor später in einem Kapitel ihre Vor- Eeschichte in wenigen Worten nach. Be sonders eindrucksvoll ist das bei dem Earteksekretär Wunschgetreu, bei dem das Erlebnis im Kessel von Stalingrad die be wußte Entscheidung auslöst. Aber auch Wilm Holten, der als Waisenkind bei einem Großbauern aufwächst, oder der Schneider Schliwin, Mampe-Bitter ge- hannt, dem der Gutsinspektor die Frau Verführt und der daran zerbricht und zum Säufer und Lumpen wird, sind Gestalten, die das literarische Bild von unserer dörflichen Wirklichkeit erweitern. Beson- ders hervorzuheben ist die Gestalt der Märtke, in der Oles neues Leben sinn bildlich verkörpert ist, so wie Ole in Anngret, seiner ersten Frau, sein „altes Leben* am Ende noch einmal auf sieh ukommen sieht. (Daß sie dann wie wei- and Kristina Söderbaum in jedem Film ns Wasser gehen muß, hätte weder diese Gestalt, noch das Buch verdient.) Die ebendige Fülle der Gestalten, die oft Stwas eigenwillig geprägt sind, die bei allen typischen Charakterzügen sogar Sonderlinge sein können, macht das Buch Strittmatters so anziehend. Ebenso muß man die Poesie der Sprache hervor heben. Wie kaum ein weiter unserer lebenden Autoren ver- Steht es Strittmatter, jede Situation in Einern Roman so zu schildern, daß sie ganz neu gesehen, und ganz neu sprach lich erlebt erscheint. Zuweilen überschrei tet zwar das Suchen nach eigener Sprach formung die Grenze zum Gekünstelten. Aber das geschieht in „Ole Bienkopp“ seltener als bei „Tinko“ und beim „Wun dertäter“. Dieses sprachschöpferische Be mühen, dieses Arbeiten und Feilen an jedem Satz kann jedem unserer Schrift steller zum Vorbild dienen. Indem er seine Sprache so genau, durchsichtig und schön formt, erreicht Strittmatter eine Volkstümlichkeit, die ihm Leser unter allen Schichten unserer Bevölkerung mit den unterschiedlichsten Bildungsvoraus- Setzungen sichert „Ole Bienkopp“ ist vor allem die Ge schichte des Bauern Ole Hansen. Er ver leiht dem Buch mit seinem Spitznamen nicht nur den Titel, er steht auch im Zentrum, so sehr im Zentrum, daß wir immer nur den Bereich kennenlernen, der ihn unmittelbar oder mittelbar be trifft. Der Ausschnitt des Geschehens, den wir erfahren, wird durch ihn und seinen Entwicklungsstand bestimmt Dieses Ge staltungsprinzip ist nicht mit solcher Strenge durchgeführt wie in Strittmatters früheren Romanen. Es bleibt aber wesentliche Grundlage für den Gesamt aufbau des Romans. Strittmatter möchte diese Geschichte Bienkopps gleichzeitig zum Weltgeschehen in Beziehung setzen. Der erste Satz, der wiederholt auftaucht, lautet: „Die Erde reist durch den Welten raum“. Aber die hier angestrebte Distanz und Objektivierung bleibt mehr ein Vor satz. Allzusehr, so scheint es, identifiziert sich der Autor mit seiner Gestalt. Die zwei Teile des Romans erfassen wichtige historische Etappen unserer Ent wicklung. Der erste beginnt etwa im Jahre 1950 und reicht bis 1952. Er gibt in eingestreuten Rückblenden die Vorge schichten Oles, seiner Frau Anngret und des Sägemüllers Ramsch. Der zweite Teil schildert das Dorf Blumenau in den Jah ren 1956 bis 1958 und erfaßt die Zwi schenzeit und die Vorgeschichten weiterer Gestalten ebenfalls in eingestreuten Rückblenden. Im ersten Teil erleben wir Oles Entwicklung vom eigensinnigen, dickköpfigen Einzelgänger zum Initiator einer „Neuen Bauerngemeinschaft". Er ordnet sich nicht mehr den Wünschen seiner Frau Anngret unter. Mit Hilfe seines Freundes Anton Dürr, eines Wald arbeiters und alten Genossen, befreit sich Bienkopp von vielen Vorurteileh, denen er vorher unterlegen war. Als Anton er mordet wird, erfüllt Ole Antons Ver mächtnis, indem er nach Wegen sucht, das Dorf sozialistisch umzugestalten. Strittmatter versucht hier in einem ganz individuellen menschlichen Verhältnis den großen historischen Prozeß sichtbar zu machen, daß die Arbeiterklasse die Füh rung bei der Umwälzung auf dem Dorfe hat. Für Ole Bienkopp verkörpert sich das große historische Streben der Partei in Anton Dürr. Er ist für ihn das Ideal eines Genossen, nach ihm richtet er sein Verhalten. Dadurch, daß Ole das Ver mächtnis Antons erfüllt, vermag er sich aus der Hörigkeit Anngrets zu lösen und politisch über die Altbauern und den Sägemüller zu triumphieren. Als er aber die „Neue Bauerngemeinschaft“ aufbauen will, trifft er auf Gegner, die er nicht vermutet hat. Es sind seine eigenen Ge nossen. Nur bei dem abgelösten Kreis sekretär Krüger und bei Emma Dürr fin det er wirkliches Verständnis und echte Unterstützung. Der neue Kreissekretär Wunschgetreu handelt zunächst nur nach Weisungen, die er „von oben“ erhält. Er duldet und fördert, daß Ole Bienkopp als Parteifeind bezeichnet und aus der Partei ausgeschlossen wird. Im zweiten Teil gestaltet Strittmatter, wie Ole als Vorsitzender der Genossen schaft „Blühendes Feld“ sich bemüht, die Genossenschaft durch eigenes Denken und eigene Initiative zu festigen und wirt schaftlich zu stärken. Hier rücken noch mehr Widersprüche der sozialistischen Entwicklung in den Mittelpunkt, die schließlich sogar zum Tode Bienkopps führen. Die Sache, die er vertritt, aber geht nicht unter, sondern setzt sich durch. Hauptgegner Oles wird die Bürgermei sterin Frieda Simson. Den vernünftigen Erwägungen und Erfahrungen Bienkopps setzt sie blinde Unterordnung unter ge gebene Weisungen entgegen. Frieda Sim son ist der Dogmatismus in Person. Für jede Situation hat sie ein unpassendes Zitat zur Verfügung. Sie ist in der Lage, jede Initiative durch Anleitungen zu er sticken. Sie möchte auf ihre Weise für diszipliniertes Verhalten sorgen, wird aber zu einer Gefahr, da ihr Verhalten durch den Faschismus, durch ihre Zeit als Wehrmachtshelferin geprägt worden ist. Sie vermag Jargon und Denkweise der faschistischen Landser nicht abzustrei fen. Frieda Simson ist die Verkörperung der hemmenden Kräfte in unserer Ent wicklung. Sie verursacht schließlich Oles Tod, als sie mit Intrige und Fälschung seine Beurlaubung erwirkt, um eigenes Verschulden zu vertuschen. Sowohl Ole Bienkopp wie Frieda Sim son sind Mitglieder der Partei der Arbei terklasse. Beide repräsentieren bestimmte Erscheinungen im Leben und in der Ent wicklung der Partei. Frieda Simson ist zugleich Repräsentantin des Staatsappa rates im Dorf. Vom gleichen Schlage wie sie ist der Leiter der Abteilung Land wirtschaft beim Kreis, Kraushaar. Trotz aller guten Vorsätze hat sich der ehe malige Traktorist geradezu zwangsläufig zu einem Bürokraten entwickelt. Und es gibt im ganzen Buch nicht einen vernünf tigen Vertreter des Staatsapparates. Ole und mit ihm Strittmatter finden in unse rem Arbeiter-und-Bauern-Staat nur Büro kraten. Auch der Kreissekretär Wunschgetreu tröstet sich über seine Fehlentscheidung zunächst mit der Feststellung: „Was gestern richtig war, kann heute falsch sein.“ Aber er macht sich Gedanken. Er wandelt sich und überwindet die falsche Einstellung zu den Menschen und ihren Erfahrungen. Für Ole kommt das aller dings zu spät. Seinen Tod kann er nicht mehr verhindern. Schließlich vermißt man in Strittmat ters Roman ein echtes Kollektiv, wo Er fahrungen ausgetauscht, Entscheidungen wirklich beraten werden. Die beiden Parteigruppenversammlungen und die Jahreshauptversammlung der LPG „Blü hendes Feld“ zeigen wenig von wirk licher Beratung. Ole Bienkopp ist zwar Kreistagsabgeordneter. Aber der Kreis tag tagt nie. Er arbeitet offenbar über haupt nicht Seine Sorgen kann Ole dort jedenfalls nicht zur Sprache bringen. So ist es im wesentlichen allein Ole Bien kopp, der die Veränderungen in Blu menau bewirkt. Er wird zwar von einer Anzahl anderer Bauern und Bäuerinnen unterstützt, aber er erhält von ihnen keine wesentlichen Anregungen. Es soll nicht bestritten werden, daß in vielen Dörfern unserer Republik die Ent wicklung von Menschen wie Bienkopp bestimmt und vorangetrieben worden ist. Strittmatter möchte mit der Gestalt des Ole Bienkopp zum Ausdruck bringen, daß die Geschichte von den Volksmassen ge macht wird und daß Bürokratie und Dog matismus die historische Entwicklung zwar behindern, aber nicht aufhalten können. Indem er aber nur in dem Dorfe Blumenau bleibt, indem er sich der Mög lichkeit begibt, die gleichen Prozesse an anderen Stellen zu verfolgen (eine Aus nahme ist lediglich Jan Bullert auf der Parteikonferenz), kommt Strittmatter zu einer einseitigen Darstellung. Schon die Kreisstadt Maiberg wird mit Blumenauer Augen gesehen. Und dann kommt schon der Weltenraum. Dazwischen gibt es nichts Konkretes. Auf diese Weise wird die führende Rolle der Partei nur in der Person Oles gestaltet. Wo obere Stellen des Staats- und Parteiapparates in Er scheinung treten, sind sie Hemmschuh, nicht Hilfe (wieder mit Ausnahme der Parteikonferenz). So ergibt sich zuletzt doch eine recht schematische Trennung von „oben“ und „unten“, ein Loblied auf die Spontaneität des Handelns. Die Klug heit sitzt im Dorf. Hans Koch hat dies als eine „Tendenz“ zur Volkstümelei bezeich net. Diese Konzeption hat auch ästhetische Auswirkungen. Strittmatter gestaltet Bienkopp und diejenigen, die mit ihm zuerst die „Neue Bauerngemeinschaft“ aufbauen, mit Humor. Er zeigt sie in ihren Unzulänglichkeiten, ihren Schwä chen. Aber mit verständnisvollem Lächeln iweiß er in diesen Unzulänglichkeiten ge rade auch ihre Stärken, ihre Tugenden sichtbar zu machen. Damit gewinnt er die Sympathie des Lesers für diese Gestalten. Sie sind liebenswert, so wie sie sind. Der Humor bewirkt, daß wir sie uns nicht anders wünschen, daß wir nicht erwarten, daß sie sich ändern. Wir wissen zwar, daß Bienkopps Eigenbrödelei und sein Starrsinn nicht in allen Fällen zu loben sind. Aber mit dem Autor akzeptieren wir den Helden, wie er ist. Wo wäre ein Ansatz, daß die Partei Kritik an Bien kopp übte und ihn erzöge? Ähnlich ist unser Verhältnis zu Hermann Weichelt, zu Wilm Holten, selbst zu Jan Bullert, der sich der Genossenschaft nicht an schließen will. Strittmatter zeichnet aber nicht alle Gestalten mit Humor. Die ver ständnisvolle Liebe, die hinter den eben genannten Personen zu spüren ist, finden wir nur teilweise bei Wunschgetreu und Anngret. Bei ihnen und bei Ramsch über wiegt eine Mischung von objektiver Er zählhaltung und Satire. Bei Kraushaar und vor allem bei Frieda Simson schlägt das dann in beißende Satire, ja in Sar kasmus um. Hinter diesem Gestaltungs mittel verbirgt sich der Haß gegen alle diejenigen, die vorgeben, dem Sozialis mus zu dienen, ihm aber tatsächlich mit ihrem Handeln Schaden zufügen. Die An wendung der Satire führt bei Kraushaar und Frieda Simson zu einer Reduzierung der menschlichen Substanz. „Ole Bienkopp“ ist nicht insgesamt als Satire angelegt. Strittmatter verwendet nur einzelne satirische Personen und sati rische Züge. Aber gerade die Mischung, in der er diese Gestaltungsmittel anwen det, macht das Verfahren problematisch. Satirische Züge gibt es auch in der Dar stellung von Ramsch, von Altbauer Serno und seiner Frau. Bei ihnen wird aber aus ihrer Herkunft deutlich, wes halb sie zu so fragwürdigen Eigenschaf ten gekommen sind. Ihnen bringt der Autor Verständnis entgegen. Frieda Sim son und Kraushaar fordern zum Haß heraus. Am gefährlichsten tritt Strittmat ters falsche Konzeption, bei Kraushaar hervor. Er war ein tüchtiger Traktorist. Da er krank wurde, mußte er Büroarbeit übernehmen. Er wußte um die Gefahren des Bürokratismus und wehrte sich nach Kräften. Aber unaufhaltsam vollzieht sich die Verwandlung zum Bürokraten. Am Ende dekretiert Kraushaar, eine En tenfarm abgelegen vom Wasser einzu richten, greift in die Angelegenheiten der LPG „Blühendes Feld“ ein, beurlaubt Ole Bienkopp. ohne dazu . befugt zu sein. Moral: Verwaltungsarbeit verdirbt den besten Charakter, schaffen wir sie ab. Die richtige Verteilung der Gewichte ist Strittmatter in diesem Roman nicht gelungen. Das ist nicht eine Frage des Könnens, sondern eine Frage der Kon zeption. Es erwächst daraus, wie die wirksamen Kräfte unserer Entwicklung, wie die notwendigen gesellschaftlichen Organisationsformen beurteilt werden. Mir scheint, daß in „Ole Bienkopp“ sich eine zu enge Auffassung vom Bitterfelder Weg zeigt. Das Leben wird nur an der Basis, nur hier im Dorf studiert. Aber das, was „oben“ vorgeht, bleibt im Dun kel. Die Wechselbeziehungen zwischen der Basis und den Leitungsebenen wer den nur in ihren Störungen, nicht aber in ihren wirksamen Seiten sichtbar. Das unterscheidet Strittmatters Buch in der Konzeption von Neutschs „Spur der Steine“ und Galina Nikolajewas „Schlacht unterwegs“. In einer reinen Satire wäre dies möglich. Da aber Strittmatter die Hauptfiguren nicht satirisch schildert, muß diese Art der Darstellung ein einseitiges, in einigen Punkten falsches Bild vom Prozeß unserer Entwicklung vermitteln. All diese Erwägungen schränken das Ver gnügen an diesem Buche ein, das uns einen tüchtigen, liebenswerten Menschen, einen Mitschöpfer unserer neuen Gesell schaft nahebringt, das uns das Dorf Blu menau vor Augen führt, in dem wir dank der Energie und Tatkraft Oles nicht „die Spore auf der Schale einer faulenden Kartoffel“, sondern „ein Pünktchen Rot auf der besonnten Seite eines reifenden Apfels“ erblicken, ein Dorf, in dem sich das neue Leben trotz aller Widersprüche durchsetzt. „Ole Bienkopp“ ist ein Buch, das man lesen und diskutieren muß, ein Buch, das trotz aller Einwände eine wichtige Etappe in der Entwicklung unserer sozialistischen Nationalliteratur markiert. Frage an unsere Germanisten Ende Februar bat „Neues Deutsch- ■and“ die Literaturwissenschaftler unse- Fer Republik, eine Frage zu prüfen: Ob sie die Meldung, die besagte, daß ein sowjetischer Germanist neuere Romane Fon DDR-Schriftstellern für wert be- 'and, sie eingehend zu untersuchen und Pas Ergebnis seiner Analyse in einer Hteraturzeitschrift zu veröffentlichen — 0h sie diese Meldung mit selbstkriti- schem Empfinden lesen. ND schrieb dazu: „Man sehe sich den Jahrgang 1963 “er „neuen deutschen literatur“, der ^Weimarer Beiträge“ und von „Sinn und Form“ an. Man wird finden! Die Literaturwissenschaftler aus Berlin, Jena, Rostock und Greifswald sind dort mit Beiträgen zu den neuesten Werken der Gegenwartsliteratur unse rer Republik in einer Frequenz anzu treffen, die kaum noch Frequenz ge nannt werden kann.“ Dazu nun unsere Frage an unsere Germanisten: Weshalb erwähnt Ihrer Meinung nach der Autor weder in die sen Zeilen noch sonst im Artikel die Leipziger Literaturwissenschaftler? Und hier die Antworten: Wiss. Assistent Klaus Pezold: „Mög licherweise ist das eine gezielte Kritik, weil Leipzig noch weit weniger publi ziert als z. B. Berlin oder Jena“. Wiss. Aspirant Walfried Hartinger: „Vielleicht hat sich der Autor Leipzig aufgespart.“ Wiss. Assistent Dr. Klaus Schuhmann: „Wahrscheinlich aus Höflichkeit“. (Der Autor ist Ex-Leipziger.) Prof. Dr. Walter Dietze: „Ich weiß es nicht, aber ich nehme an, daß er sich mit Leipzig gesondert befassen wird.“ Die nächste Antwort, die wir von unseren Germanisten erwarten, müßte klären, ob diese weitgehende Überein stimmung in der Erkenntnis, daß die zweifellos erzielten Fortschritte noch nicht ausreichend sind, sich auf diese Erkenntnis beschränken soll. Der Bitterfelder Weg braucht die Universität Genosse Siegfried Wagner, Leiter der Abteilung Kultur beim Zentralkomitee der SED, beriet am Sonnabend, dem 29. Fe bruar 1964, während einer Veranstaltung des „Ästhetischen Kolloquiums“ des Insti tuts für Philosophie mit Gesellschaftswis senschaftlern der Karl-Marx-Universität über die Aufgaben der Kultur- und Kunst wissenschaften in der DDR und die Vor bereitung der zweiten Bitterfelder Konfe renz im April 1964. Er kritisierte, daß bei allen positiven Beiträgen die Kunst-, Lite ratur-, Musik- und Kulturwissenschaftler noch nicht auf die Problematik des Bitter felder Weges und der Kulturrevolution eingestellt wären. Unsere sozialistische Ge sellschaft erwarte heute mehr denn je, daß die Wissenschaft hilft, die Ergebnisse un seres kulturellen Weges zu analysieren, und die neuen Aufgaben der weiteren Ent wicklung der sozialistischen Nationalkul tur, der höheren künstlerischen Meister schaft und der Entwicklung eines geistig- kulturellen Lebens ausarbeitet. Genosse Wagner unterstrich, daß das 5. Plenum des ZK der SED sehr weitreichende Bedeutung gerade auch für unsere Kultur- und Kunst wissenschaft hat, da die technisch-indu strielle Revolution, die -wir durchführen, tiefgreifende Auswirkungen auf die Men schen und die Formung des Menschenbil des des Sozialismus hat. Insbesondere gelte es, im Meinungsstreit über konkrete Kunstwerke, Schöpfungen der Literatur usw. unsere sozialistische Kulturpolitik zu verfechten und weiter auszuarbeiten. Ge nosse Wagner nannte unter anderem fol gende Themen und Problemkreise für die Kunst- und Kulturwissenschaften: die Führung des ideologischen Kampfes unter den Bedingungen der friedlichen Koexi stenz, Probleme der weiteren Entwicklung der sozialistischen Nationalkultur, der Er reichung einer höheren künstlerischen Qualität, die Spezifik des Bitterfelder We ges, die führende Rolle der Partei bei der Entwicklung der Nationalkultur, die wach senden Anforderungen an eine Künstler persönlichkeit, sozialistischer Realismus in den einzelnen künstlerischen Gattungen und das Problem des Neuerertums, die Spezifik der Kunst bei der Formung des Menschen unserer Epoche, die Herausbil dung von neuen Lebensformen, Probleme der Kunstkrise im Kapitalismus usw. In der sich an die Ausführungen von Genossen Wagner anschließenden Diskus sion wurde deutlich, daß die Probleme der Kunst-, Literatur-, Musik- und Kulturwis senschaft an unserer Universität noch tie fer durchdacht werden müssen, wenn die neuen Aufgaben, die unsere kulturelle Ent wicklung stellt, gelöst werden sollen. Als das Stichwort „Vertreibung der Lange weile aus den Lehrveranstaltungen der Gesellschaftswissenschaftler“ fiel, meinte unser Gast dazu: „Es gibt ungeheuer interessante Probleme, die wir aufgreifen müssen. Und das ist nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht.“ Karl-Heinz Röhr UZ 10/64, Seite 5
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