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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 8.1964
- Erscheinungsdatum
- 1964
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196400001
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- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19640000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19640000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 8.1964
-
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- Ausgabe Nr. 41, 15. Oktober 1
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Band
Band 8.1964
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Klaus Pezold GRUPPE 47 Opposition, Grenzen, Differenzierungen Bei Diskussionen über die literarische Situation in Westdeutschland fällt mit Sicherheit früher oder später der Begriff „Gruppe 47“. Nicht selten sogar in der Tendenz, zwischen beiden ein Gleichheits zeichen zu setzen. Die Auffassung, die „Gruppe 47“ verkörpere schlechthin die progressive bürgerliche Literatur in der Bundesrepublik und könne als eine ge schlossene Einheit betrachtet werden, ist Weit verbreitet, wird aber den Realitäten keineswegs gerecht. Sie übersieht sowohl die Wandlungen, die diese Schriftsteller- gemeinschaft im Verlauf ihres Bestehens durchgemacht hat, als auch ihre innere Widersprüchlichkeit im Politischen und im Ästhetischen. Als im Herbst 1962 zum fünfzehnjähri gen Bestehen der Gruppe ein Almanach im Rowohlt-Verlag erschien, stellte H. W. Richter, einer der Mitbegründer und seit langem der Leiter der „Gruppe 47“, darin rückblickend über ihre Entstehung fest: „Der Ursprung der GRUPPE 47 ist poli tisch-publizistischer Natur. Nicht Literaten schufen sie, sondern politisch engagierte Publizisten mit literarischen Ambitionen. Ihre Absicht ist nur aus dem Zusammen bruch des Dritten Reiches und aus der Atmosphäre der ersten Nachkriegsjahre Zu erklären. Sie wollten unter allen Um ständen und für alle Zukunft eine Wie derholung dessen verhindern, was ge schehen war, und sie wollten zur gleichen Zeit mit den Grundstein für ein neues, demokratisches Deutschland, für eine bes sere Zukunft und für eine neue Literatur legen, die sich ihrer Verantwortung auch gegenüber der politischen und gesamt gesellschaftlichen Entwicklung bewußt ist.“ (Almanach der Gruppe 47, hrsg. von Hans Werner Richter, Hamburg 1962. S. 8.) Alfred Andersch, H. W. Richter und einige andere, meist jüngere Intellektuelle, hatten nach ihrer Entlassung aus ameri kanischer Kriegsgefangenschaft die Zeit schrift „Der Ruf. Unabhängige Blätter der jungen Generation“ herausgegeben, aus deren Redaktion sie im März 1947 von der amerikanischen Militärregierung ent fernt wurden, da ihre betont antifaschi stische Haltung mit dem in dieser Zeit sichtbar werdenden Kurs der westlichen Besatzungsmächte in Widerspruch geraten War. Im Herbst 1947 trafen sich dann die ehemaligen Mitarbeiter, um die Heraus gabe einer neuen Zeitschrift vorzuberei ten, für die H. W. Richter jedoch gar nicht erst die Lizenz erhielt. Auf diese Weise seines ursprünglichen Zieles be raubt, diente dieses und die sich daran anschließenden regelmäßigen Treffen nur mehr der Diskussion literarischer Arbei ten einzelner Teilnehmer, die von ihnen Vor der Veröffentlichung im Kreis der Gruppe gelesen wurden. In seinem bereits Zitierten Rückblick auf die 15 Jahre der „Gruppe 47“ muß Richter, die gegenwärtige Situation mit dem programmatischen An fang des Gründungsjahres vergleichend, konstatieren: „Auch dieses junge Deutschland, geboren aus einem politischen Impuls mit revo lutionären Zielen und weiträumigen euro päischen Aspekten, wurde in das Gebiet der Literatur verwiesen oder abgedrängt oder begab sich selbst aus Ohnmaeht und frühzeitiger Resignation freiwillig in die ses Gebiet.“ (a. a. O., S. 11) Was sich H. W. Richter und seine Freunde nach dem Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands zum Ziel ge setzt hatten, die Restauration des Alten und Reaktionären zu verhindern, wurde nicht erreicht. Es konnte — von allen an deren historisch wirksamen Faktoren ein mal abgesehen — schon wegen der zwie spältigen Position dieser bürgerlichen In tellektuellen nicht erreicht werden. Zwar wollten sie ehrlich ein neues, demokrati sches Deutschland und hatten teilweise auch, allerdings sehr verschwommene sozialistische Ideale, aber ihre bürgerlich parlamentarischen Illusionen auf der einen und ihre Vorurteile gegenüber der konse quent antifaschistischen Entwicklung im Osten Deutschlands auf der anderen Seite unterhöhlten von vornherein ihre Aus gangsposition. Auch hier zeigen sich die verhängnisvollen Auswirkungen des Anti kommunismus auf die Entwicklung in Westdeutschland. Und diese Problematik ist, wie im folgenden zu sehen sein wird, trotz verschiedener Variationen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt aktuell geblieben. Da der Weg zur unmittelbar politisch publizistischen Wirkung für den Kreis um Richter durch das Eingreifen der Amerika ner verbaut worden war, wurde die Lite ratur zum eigentlichen Bereich ihrer Wirksamkeit. Die Rolle der „Gruppe 47“ innerhalb der literarischen Entwicklung in Westdeutschland umschließt gleichermaßen ihre Verdienste und Leistungen, wie sie ihre Grenzen und Widersprüche sichtbar macht; sie bestimmt die Bedeutung der zu ihr gehörenden Schriftsteller für die Na tionalliteratur. Bereits aus dem Kreis der Gründer gin gen in den folgenden Jahren literarische Werke hervor, die zu den beachtenswer ten Versuchen innerhalb der westdeutschen Literatur zählen, die faschistische Vergan genheit und den zweiten Weltkrieg von einer humanistischen Position aus zu ge stalten. H. W. Richters Roman „Die Ge schlagenen“ (1949) war mit seinen Über setzungen in neun Sprachen einer der ersten größeren Erfolge der westdeutschen Literatur. Weit übertroffen wurde er je doch von den Werken eines anderen, der als kaum bekannter Autor zur „Gruppe 47“ kam, 1951 von ihr seinen ersten literari schen Preis erhielt und der in den Jahren danach weite internationale Anerkennung erlangt hat: Heinrich Böll. In seinen, in den zwei Bänden „Der Zug war pünkt lich“ (1949) und „Wanderer, kommst du nach Spa . . (1950) zusammengestellten Erzählungen und in seinem ersten Ro man „Wo warst du. Adam?“ (1951) zeich nete Böll, der den Krieg von Anfang bis Ende als Soldat miterlebt hatte, ein des illusionierendes, die Realität an keiner Stelle beschönigendes Bild jener Zeit. Er entlarvte die faschistischen Phrasen (so vor allem in der meisterhaften Kurz geschichte „Wanderer, kommst du nach Spa . . .“) und gestaltete überzeugend das Leiden der einfachen Menschen. Damit und mit der von ihm ausgesprochenen Er kenntnis „Es gibt nichts Sinnloseres als Krieg und Militär“ stellte er sich direkt und bewußt den in der gleichen Zeit ver breitet einsetzenden Versuchen militaristi scher Schriftsteller und ihrer Memoiren verfassenden Generale entgegen, den zweiten Weltkrieg verfälscht darzustellen und durch eine Glorifizierung des deut schen „Landsers“ für kommende Kriegs- abenteuer zu werben. Das angeführte Zitat zeigt aber zugleich auch die Grenzen Bölls (und der antimilitaristischen bürger lichen Literatur in Westdeutschland über haupt): Das Schlüsselwort ist Sinnlosig keit. Diese Schriftsteller stehen dem Krieg als einem letztlich unerklärbaren Schick sal gegenüber, die sozialen und ökonomi schen Zusammenhänge, die realen Ur sachen für das Entstehen des Faschismus und für seine Eroberungspolitik bleiben unerkannt und damit schließlich auch un gestaltbar. Vergleicht man hiermit das Bild des zweiten Weltkrieges in den Wer ken der Schriftsteller unserer Republik, die der gleichen Generation angehören und ähnliche Erlebnisse gehabt haben wie die westdeutschen Autoren — genannt seien Franz Fühmann, Herbert Otto, Die ter Noll, Max Walter Schulz —, so wird deutlich erkennbar, welch tiefere Erkennt nisse den sozialistischen Schriftstellern ihr weltanschaulicher Ausgangspunkt und die Methode des sozialistischen Realismus er möglichen, auch wenn diese Möglichkeiten nicht in jedem Fall künstlerisch vollstän dig realisiert werden konnten. In der Mitte der fünfziger Jahre wurde in Westdeutschland die Restauration des Militarismus durch den Eintritt in die NATO und durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht weitgehend abgeschlossen. Die Literatur, die vor dieser Entwicklung gewarnt hatte, war ohne die von den Autoren erhoffte Wirkung geblieben; die Folge war eine verbreitete Neigung zur Resignation unter ihnen, die Tendenz, den unmittelbar politischen Fragen in den literarischen Werken auszuweichen. Ganz besonders auffällig ist dieser Zusammen hang im Falle Wolfgang Koeppens, von dem in den Jahren 1950 bis 1954 drei zeit kritische Romane erschienen sind (der letzte, „Der Tod in Rom“, wurde auch bei uns in der DDR verlegt), der aber seit dem nur noch Reisebücher veröffentlicht hat. Wehiger ausgeprägt als bei ihm, der übrigens nie zur „Gruppe 47“ gehört hat, aber doch spürbar, ist zu dieser Zeit eine ähnliche Tendenz etwa bei Heinrich Böll. Gegen Ende der fünfziger Jahre jedoch entstand eine neue Situation. Der Be schluß des Bundestages zur atomaren Auf rüstung vom März 1958, der verstärkte Revanchismus und das Drängen nach Not standsgesetzen riefen den Widerstand brei ter Kreise, vor allem auch der Intelligenz, hervor, der seinen wichtigsten Ausdruck in der Anti-Atom-Bewegung fand. Daran waren von Anfang an eine Reihe Schrift steller wesentlich beteiligt. Seit dieser Zeit traten einzelne Autoren und teilweise auch die „Gruppe 47“ insgesamt mit Stellung nahmen zu politischen Fragen hervor, wie das seit den Gründungsjähren im Grunde nicht wieder der Fall gewesen war. H. W. Richter gründete den Grün- walder Kreis, eine Vereinigung von > In tellektuellen gegen die Atombewaffnung, Wolfgang Weyrauch und Martin Walser gaben Sammelbände mit Äußerungen von Schriftstellern (überwiegend Mitglieder der Gruppe) zur westdeutschen Situation her aus, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Die überwiegende Mehr zahl der Stellungnahmen setzte sich kri tisch mit der politischen Entwicklung, in der Bundesrepublik, mit der geplanten atomaren Rüstung, den Machtstellungen alter Faschisten und Militaristen, dem Revanchismus, auseinander. Um das Jahr 1960 fand diese Auseinandersetzung auch in einer Reihe von Romanen ihren Nie derschlag, die einen beachtlichen Auf schwung des kritischen Realismus in West deutschland erkennen ließen. So bedeutet „Billard um halb zehn“ von Heinrich Böll, in dem der Schriftsteller am Schicksal dreier Generationen einer Architekten familie die deutsche Geschichte der letz ten fünfzig Jahre in den Blick des Lesers rückt, eine wesentliche Zunahme an Er kenntnis der gesellschaftlichen Zusammen hänge gegenüber den früheren Werken. Ähnlich verhält es sich bei dem eben falls in der DDR veröffentlichten Roman Paul Schallücks „Engelbert Reineke“. Hier entschließt sich ein junger Lehrer, dem Druck der unbelehrbaren Vertreter der Vergangenheit an seiner Schule nicht zu weichen, sondern gemeinsam mit gleich gesinnten Kollegen diesen Kräften aktiv entgegenzutreten. Martin Walsers Roman „Halbzeit“ bezieht die Welt der Konzerne in die kritische Darstellung ein. In sei nem Mittelpunkt steht ein Vertreter und Reklamefachmann, dessen Werdegang den parasitären Charakter der imperialistischen Gesellschaftsordnung satirisch bloßstellt. Auch hier richtet sich die Kritik gegen das Weiterwirken alter Faschisten, gegen den Militarismus und den alle oppositio nellen Bestrebungen verteufelnden, hyste rischen Antikommunismus als Bonner Staatsdoktrin. Doch nicht nur aus dem Kreis der „Gruppe 47“ kamen um 1960 Werke dieses Charakters, so wie auch am Anfang der fünfziger Jahre das Beispiel Koeppens ge zeigt hatte, daß die Gruppe kein Mono pol der gesellschaftskritischen Literatur in Westdeutschland besitzt. Eines der konse quentesten, das die Fragen am direktesten stellt, stammt von Christian Geißler, der nicht zur „Gruppe 47“ gehört. Seine „An frage“ trägt bewußt Züge einer Dokumen tation, die dem Leser kein Ausweichen ins Unverbindliche gestatten, und nennt konkrete Fälle, wie den des damaligen Staatssekretärs Globke, beim Namen. Für all diese Bemühungen, die Ver gangenheit und mit ihr die westdeutsche Gegenwart unmittelbar politisch bzw. lite rarisch zu bewältigen, blieb allerdings charakteristisch, daß die Autoren dem Kri tisierten keine echte Alternative ent gegenzustellen vermochten. Der unter je nem Titel zur letzten Bundestagswahl her ausgegebene Sammelband von Martin Walser versuchte, diese „Alternative“ in der SPD zu sehen, die meisten der Betei ligten taten das jedoch schon damals mit spürbar schlechtem Gewissen, und in der Zwischenzeit dürften viele, darunter auf jeden Fall der Hausgeber, den Irrtum ein gesehen haben. Der Grund für das Ver treten einer solchen Scheinalternative muß vor allem darin gesehen werden, daß die echte Alternative, die nationale Rolle der DDR. auch kaum ansatzweise in den Ge sichtskreis dieser Schriftsteller getreten ist. Neben Unkenntnis und persönlichem Unverständnis wiederum in der Haupt sache die Auswirkung des Antikommu nismus, die bei nahezu allen dieser oppo sitionellen Autoren zu finden ist und die sie in der Endkonsequenz in ihrem berech tigten Kampf gegen die in der Bundes republik herrschenden Kräfte hemmt. Der 13. August 1961 wurde auch für diese Schriftsteller zum Prüfstein: Wer sich in der Zeit danach in den Hetzfeldzug gegen die Maßnahmen der DDR einspannen ließ, gab damit zwangsläufig letzten Endes die kritische Position gegenüber Militarismus und Restauration preis. Am deutlichsten trifft das auf den in Westberlin lebenden Mitbegründer der „Gruppe 47“ Wolfdiet rich Schnurre zu. Sein letzter Erzählungs band enthält derart aggressive Antisowjet hetze, daß die westdeutsche Studentenzei tung „konkret“ zu der Feststellung kommt, „daß Schnurre sich weiter entwickelt hat — in eine Richtung, die wir ihm nun doch nicht zugetraut hätten, in die Richtung Grimm, Dwinger, Beumelburg". (1963 Nr. 11, S 22.) Stellt man diese Position neben die anderer Mitglieder der „Gruppe 47“, beispielsweise neben die Reaktion der Mehrheit von ihnen nach der Polizeiaktion gegen den „Spiegel“ im Herbst 1962 (vgl. die Solidaritätserklärung mit den Verhafteten und die Forderung nach dem Rücktritt von Strauß, „Sonntag“ vom 11. November 1962), so wird offen sichtlich, daß auch unter ihnen ein Diffe renzierungsprozeß eingesetzt hat. dessen Ergebnisse noch keineswegs abzusehen sind, und der sicherlich gerade in der gegenwärtigen Situation neue Impulse erhalten wird. Daß die Bereitschaft zum offenen deutschen Gespräch trotz des Druckes des Antikommunismus auch unter den Schriftstellern der „Gruppe 47“ wächst, dafür spricht, daß neben Gästen aus der Sowjetunion (vgl. den Bericht von W. Solouchin, „Sonntag“ Nr. 2, 1964) und Johannes Bobrowski, dem Preisträger von 1962, auch Max Walter Schulz auf der letzten Tagung in Saulgau zu Wort ge kommen ist. Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe den Schluß dieses Beitrages, der folgende Pro bleme behandelt: • Literarischer Abstraktionismus in der „Gruppe 47" • Verschlossene Sphären der Wirklichkeit • Warum kein Prozeß gegen Günter Grass, aber gegen Max von der Grün? ///////////////////////////////// Auf dem XXVI. Internationalen Orientalistenkongreß in Neu-Delhi: DDR-Wissenschaftler stark beachtet Der Internationale Orientalistenkongreß blickt auf eine langjährige Tradition zu rück. Von 1873, dem Jahr des ersten Kon gresses, bis 1957 tagte er in ununterbroche ner Reihenfolge in den Ländern des We stens, vorwiegend im Bereich der traditio nellen Kolonialmetropolen. Mehr oder we niger handelte es sich bei diesen Zusam- menkünften um einen akademischen Mei nungsaustausch von Spezialisten, die sich fast ausschließlich mit den alten Kulturen Und Sprachen des Orients beschäftigten. Inzwischen mußte die Orientalistik ihre Beschränkung auf die traditionellen For schungsgegenstände und -methoden auf geben und sich auch dem aktuellen Ge schehen zuwenden. Dieser Prozeß wurde beschleunigt durch das Entstehen und die rasche Entwicklung der marxistisch-leni nistischen Asien- und Afrikawissenschaf ten in den sozialistischen Ländern und die Emanzipation der Wissenschaften in den jungen Nationalstaaten Asiens und Afrikas Von den kolonialen Fesseln. Der XXV. Internationale Orientalisten kongreß, der im August 1960 in Moskau erstmals in einem sozialistischen Land stattfand, widerspiegelte deutlich diesen Prozeß. So war es selbstverständlich, daß die Delegierten dieses Kongresses freudig das Angebot der indischen Regierung an nahmen und einstimmig beschlossen, die nächste Tagung der Weltorientalisten nicht in den Vereinigten Staaten, wo eine Reihe von Delegierten Diskriminierungen zu er warten hatten, sondern in Indien, einem vom Kolonialismus befreiten National staat, durchzuführen. Daß diese Entschei dung richtig war, bewies der Verlauf des Kongresses in Neu-Delhi. Zum XXVI. Internationalen Orien talistenkongreß reisten 1236 Delegierte und 144 Beobachter aus 49 Ländern an, dar unter mehr als 700 Delegierte aus der Re publik Indien, eine starke sowjetische Delegation und elf Wissenschaftler aus der Deutschen Demokratischen Republik. Un sere Delegation setzte sich nahezu aus schließlich aus jungen Wissenschaftlern zu sammen, die sich auf den Kongreß gut vorbereitet hatten. In ihrem Gepäck be fanden sich außer den Vorträgen zwei speziell dem Weltkongreß gewidmete Werke: eine Sondernummer der Mitteilun gen des Instituts für Orientforschung der Deutschen Akademie der Wissenschaften und eine auf Initiative des Orientalischen Instituts der Karl-Marx-Universität Leip zig entstandene internationale Gemein schaftsarbeit fortschrittlicher Historiker und Wirtschaftswissenschaftler der Sowjet union, Großbritanniens, der Vereinigten Arabischen Republik, Jemens, Irans und der DDR über „Probleme des Kolonialis mus und Neokolonialismus in Nordafrika und Nahost“. Indien empfing seine Gäste mit einer überwältigenden Gastfreundschaft und einer ausgezeichneten Organisation des Kongresses. Ministerpräsident Sri Jawa harlal Nehru ließ es sich nicht nehmen, andere dringende Verpflichtungen zurück zustellen und trotz angegriffener Gesund heit zu den Delegierten zu sprechen. Die Rede des indischen Ministerpräsidenten ge hört vorrangig zu den unvergeßlichen Er lebnissen des Indienaufenthaltes. Nehru forderte die versammelten Orientalisten auf, die alten Kulturen der Völker Asiens und Afrikas so zu studieren, daß ihre For schungsergebnisse zum besseren Verständ nis des gegenwärtigen Geschehens beitra gen. In einer verstärkten Orientierung auf das Neue in Sprache, Kultur, Geschichte und Wirtschaft der Völker Asiens und Afrikas sah er die notwendige Synthese zwischen der traditionsreichen alten Zivili sation und der modernen Entwicklung. Dieser Appell Nehrus, der zugleich die Schwäche der traditionellen europäischen Orientalistik aufdeckte, entspricht in vol lem Maße den neuen Wegen, die die Asien- und Afrikawissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik in Forschung und Lehre beschreiten. Der Kongreß tagte in folgenden Sektio nen: Ägyptologie, Semitische Studien, Hethitische Studien und Kaukasiologie, Altaiische Studien einschließlich Turkolo gie, Iranistik, Indologie, Südostasiatische Studien, Ostasiatische Studien, Islamische Studien, Afrikanistik. Insgesamt wurden 817 Vorträge geboten, davon 434 in den fünf Subsektionen der Indologie, 95 in der Sektion Islamische Studien und 91 in der Sektion Ostasiatische Studien. Die Delega tion der DDR beteiligte sich mit zehn Vor trägen, die sämtlich die notwendige wis senschaftliche Qualität aufwiesen, vom Auditorium gut aufgenommen wurden und auch gelegentlichen kritischen Einwendun gen standhalten konnten. Dabei erwies es sich als vorteilhaft, daß sich unsere Dele gation — entsprechend der komplexen Struktur der Asien- und Afrikawissen schaften der DDR — aus Vertretern ver schiedener Fachdisziplinen, wie Archäolo gen, Linguisten, Historikern, Literaturwis senschaftlern und Ethnologen, zusammen setzte. Wenn unsere Delegation auch zah lenmäßig klein war, hinterließ sie den Eindruck, daß in der DDR eine ausgewo gene, ernst zu nehmende und den Erfor- dernissen der Gegenwart entsprechende Arbeit auf dem Gebiete der Asien- und Afrikawissenschaften geleistet wird. Uns war der Kongreß eine willkommene Gelegenheit, unsere guten Kontakte zu ver tiefen und besonders enge wissenschaft liche und persönliche Beziehungen zu den so zahlreich anwesenden Wissenschaftlern Indiens und der anderen jungen National staaten Asiens und Afrikas herzustellen. Mit Befriedigung kann auch festgestellt werden, daß zahlreiche Wissenschaftler aus kapitalistischen Ländern mit großem Interesse die Entwicklung der Asien- und Afrikawissenschaften in der Deutschen De mokratischen Republik und das Auftreten unserer Delegation auf dem Kongreß ver folgten und ihre Anerkennung nicht ver hehlten. Das Auftreten der westdeutschen Kolle gen auf dem Kongreß beschränkte sich im wesentlichen auf alte Themen und ent sprach im übrigen nicht der zahlenmäßi gen Stärke ihrer Delegation. Offensichtlich ist in Westdeutschland die Orientalistik — sofern es sich um ein echtes wissenschaft liches und humanistisches Anliegen han delt — noch recht zersplittert. Wir da gegen haben begonnen, unsere Kräfte auf Schwerpunkte zu konzentrieren und plan mäßig einzusetzen, a Dadurch sind wir in dieser Hinsicht der westdeutschen Orien talistik einen ganzen oder sogar mehrere Schritte voraus. Ganz gleich, aus welchen Gründen das auch geschehen mag, die westdeutschen Orientalisten sind sich die ses Nachteils uns gegenüber bewußt. Wir müssen auf jeden Fall die Vorzüge, die unsere Gesellschaftsordnung für die sozia listische Gemeinschaftsarbeit und diepian mäßige Entwicklung der Asien- und Afrikawissenschaften bietet, in jeder Be ziehung maximal ausnutzen. Als erfreulich kann jedoch vermerkt werden, daß eine ganze Reihe westdeutscher Wissenschaftler zu einer sachlichen Zusammenarbeit mit den Asien- und Afrikawissenschaftlern der DDR bereit sind und die Reisebeschrän kungen für DDR-Wissenschaftler in die Länder des NATO-Bereiches verurteilen. Wir haben den Eindruck mitgenommen, daß in Neu-Delhi das offene deutsche Ge spräch unter den Orientalisten beider deut scher Staaten neue Impulse erhielt und daß viele der westdeutschen Wissenschaft ler, nicht zuletzt unter dem Eindruck der völligen Gleichberechtigung der beiden deutschen Delegationen auf dem Kongreß, den Ausschließlichkeitsanspruch der Bon ner Regierung und ihres Botschafters in der indischen Hauptstadt ignorieren. Überhaupt trat Bonn als der einzige Störenfried auf dem Kongreß durch die illegale Verbreitung einer Hetzschrift ge gen die DDR in Erscheinung. Mit besonderer Verärgerung hat Bonn registriert, daß unsere Delegation in Delhi die Möglichkeit gut nutzte, um durch zahl reiche Vorträge und Aussprachen die in dische Öffentlichkeit über die Entwicklung der Asien- und Afrikawissenschaften in der DDR und die Deutschland- und West berlinfrage zu informieren. So konnte es sich das Springer-Blatt „Die Welt“ vom 16. 1. 1964 nicht verkneifen, auf unsere „fest zusammengeschweißte Delegation“ zu verweisen und u. a. die westdeutschen Delegierten als „oft etwas hilflose Indivi dualisten“ zu bezeichnen. Die westdeut schen Wissenschaftler seien außerhalb des Kongresses nicht in Erscheinung getreten, „dafür“, fährt das Blatt fort, „las man in dieser Kongreßwoche immer wieder von den Vorträgen ostdeutscher Delegierter und Funktionäre. Westdeutschland hätte es dabei nötig, verlorene Positionen wie derzugewinnen.“ Für uns bleibt dazu nur noch festzu stellen, daß auch in Indien breite Kreise der Bevölkerung zwischen der Friedens- und Freundschaftspolitik des ersten Arbei ter-und-Bauern-Staates der deutschen Ge schichte und den neokolonialistischen Be strebungen der westdeutschen Monopole zu unterscheiden wissen. Aus diesem Grunde brachte die indische Öffentlichkeit unseren Vorträgen so großes Interesse ent gegen. Der XXVI. Internationale Orientalisten kongreß bestätigte somit voll und ganz den von uns eingeschlagenen Weg in der Entwicklung der Asien- und Afrikawissen schaften. Prof. Dr. L. Rathmann Dr. F. Gruner Universitätszeitung, Nr. 8, 20. 2. 64, Seite 5
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