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Vielfältige Kunst der Arbeitsgemeinschaft Graphiksammler P. F. 1964 — pour fliciter — Um Glück zu wün schen für das Jahr 1964. So lautet die international bekannte Abkürzung für einen Neujahrswunsch. Der überall geübte Brauch, seinen Bekannten und Freun den zum neuen Jahr Glück zu wünschen, wird in der verschiedensten Form geübt. Entweder man geht ins Papiergeschäft und kauft sich eine Neujahrskarte. Oder aber man nimmt sich Zeit und schreibt einen wirklichen Brief, bezieht Persönliches oder die Gegenwartssituation ein, gibt eine Art Bilanz. Man kann aber auch anstelle einer Karte, die man kauft, selbst ein Blatt herstellen und das, was andere in einem Brief sagen, mit den Mitteln der graphischen Gestaltung ausdrücken. Hier bietet sich eine gra phische Technik — Holzschnitt, Holzstich, Linol schnitt, Radierung, Kupferstich, Lithographie, Sieb druck — ganz von selbst an, weil sie Vervielfältigung gestattet. In unserem Institut (Kunsterziehung) wurde der Brauch vor einigen Jahren eingeführt, und nun gibt es kaum noch einen Kollegen, der nicht daran teilnimmt, ja die Sache interessiert auch viele Stu denten. Daß gerade hier sinnvolle Betätigungsmög lichkeiten für das Laienschaffen liegen, versteht sich nahezu von selbst, die Anwendung ist noch dazu so fort gegeben. Nun hat die Angelegenheit noch eine andere Seite. Natürlich kann auch einer, der sich gar nicht im stande fühlt, selbst etwas zu machen, sich ein solches Blatt, das speziell für ihn und den bestimmten Zweck bestimmt ist, bei einem Graphiker bestellen. Dieser Brauch ist in den Kreisen der internationalen Kleingraphiksammler außerordentlich verbreitet. Be kannte und bedeutende Graphiker versenden solche Blätter für sich selbst, Sammler verschiedener Län der vergeben solche Aufträge. Wer selbst etwas schickt, erhält auch meist ein Antwortblatt. Ein Student unseres Instituts teilte voller Freude mit, daß er auf eine noch bescheidene Arbeit hin ein Blatt von Franz Masereel erhalten habe. Der Kreis in dem dieser Austausch stattfindet, ent spricht etwa dem Kreise von Menschen, die sich 1961 zum 9. Europäischen Exlibriskongreß in Leipzig tra fen. Es war auf dem vorhergehenden Kongreß in Wien 1960 den beiden Teilnehmern aus der DDR, dem Kupferstecher H. Ilgenfritz und Dr. H. Schulze gelungen, zu erreichen, daß Leipzig als nächster Tagungsort festgesetzt wurde. So ist die Neujahrszeit für den in diese Bräuche „Eingeweihten“ eine Zeit reicher Ernte. Wenn man dann Ende Januar alles überblickt, so hat man nicht nur Freude an der Vielfalt künstlerischer Lösungen (die Blätter sind ja als Originalgraphiken ausdrück lich für den bestimmten Zweck geschaffen), sondern findet auch inhaltlich und thematisch vielerlei Inter essantes. Wir bilden ein Blatt eines jungen belgischen Künstlers, G. Gandaen ab, dessen Besteller, auch ein Belgier, ein „friedliches Jahr“ wünscht. Hund und Katze — ein sprichwörtliches Beispiel der Unverträglichkeit — fressen aus einem Napf. Beispiele dieser Art könnten noch viele angeführt werden; sie zeigen, daß solche Blätter Träger und Vermittler von Gedanken des Friedens über die Grenzen hinweg sein können. Und es ist kein gerin ger Prozentsatz, der vergleichbare Thematik auf wies. Die Freunde der Arbeitsgemeinschaft Graphik sammler kamen Ende Januar im Haus der Wissen schaftler zusammen, um die diesjährige Ausbeute zu betrachten. Viele hatten sich an dem Austausch be teiligt und konnten beisteuern. Der Abend war gut besucht, auch die Beteiligung aus den Kreisen der Studenten war erheblich. Es wurde weiter an dem Abend über die weitere Arbeit der Gruppe gespro chen. Ein festerer Zusammenschluß ist schon deshalb notwendig, weil in Zukunft auch Aufgaben an uns herantreten werden, die ein einzelner nicht leisten kann. Es wird weiter möglich sein, eine Jahresgabe in Gestalt einer Originalgraphik an die Mitglieder auszugeben. Die nächste Veranstaltung findet ge meinsam mit dem Buch- und Schriftmuseum in der Deutschen Bücherei am 12. 3. 1964 statt. Dr. Schulze spricht unter dem Titel „Daumier und Zeitgenossen“ über gesellschaftskritische französische Graphiker des 19. Jahrhunderts. Geplant sind weitere Veran staltungen mit Prof. Klemke, Prof. Arno Mohr' und Prof. Breuer. Dr. H. S. KIKA. 8. ALBERT COLLART UN€ PAISIBLE ANNEE 1964 pasdtings-'tZeminisxensi „Wer so einlädt, bekommt bestimmt Besuch“, meint UZ-Bild* reporter Hans-Peter Gaul. Johann Christian Günther, ehemaliger Leipziger Medizinstudent: über die Verstellung derer Frauenzimmer Mägdgens; stellt euch nicht so spröde Und entflieht uns nicht so fern! Scheint gleich euer Antlitz blöde, Hat es doch das Herze gern. Küßt man euch, so heißt es thalen; Ich versteh wohl, das sind Schalen, Darum wollt ihr nur den Kern. Wenn wir etwan Rosen brechen Und in Busen stehlen gehn, Wollt ihr flugs mit Nadeln stechen Und den Galgen gleich erhöhn; Ja, ihr flucht wohl um die Wette Und entlauft uns bis zum Bette, Nur damit wir schärfer stehn. Meint nicht, daß es niemand merke, Wie es euch geheim verdreußt, Wenn man zu dem süßen Werke Gar zu fromm und christlich heißt; Denn da könnt ihr bei den Schwestern Dessen Einfalt gut verlästern, Der sich gar zu feig erweist. Wenn ihr uns den Mund entrücket. Wollt ihr nur gezwungen sein, Wenn man den nun ernstlich drücket, Hört man keine Feuer schrein. Kurz, ihr pfleget in dem Lieben Nie kein Wasser zu betrüben, sondern piumpt mit uns hinein. Günther-Gedichte mit Musik Matinee der Studentenbühne in der Alten Börse Die zahlreichen, bisher vor allem im Studen tenklub erfolgreichen literarischen Lesungen neuer und älterer Literatur lassen die Studen tenbühne ständig nach Wegen suchen, durch neue Formen der Gestaltung sich ein eigenes aufgeschlossenes Publikum heranzuziehen. Die literarisch-musikalischen Programme sind ein Beitrag dazu. Dabei steht der musikalische Teil möglichst selbständig im Programm, er ist nicht nur dazu da, den literarischen Teil musikalisch zu „umrahmen“. Den Anfang für eine solche Form machte die Studentenbühne mit einer Johann-Christian- Günther-Matinee in der Alten Börse. Damit kam die Studentenbühne zugleich einem vielfach ge äußerten Anliegen nach, sich mehr des Leipziger Kulturerbes anzunehmen. „Mit unserer Lesung möchten wir Andenken und Ehrung für Johann Christian Günther verbinden, dem Leipzig und besonders die Leipziger Universität in seinem unruhigen Leben eine geistige Heimstatt ge wesen ist“, stand im Programmheft zu lese . Das von Jürgen Hauschild klug zusammen gestellte Programm wurde von drei Mitgliedern der Studentenbühne in einer sauberen Gesamt leistung dargeboten. Der besondere Reiz der Matinee bestand in den von Gerd Rienäcker, Berlin, dargebotenen Cembalokompositionen Barocker Meister. Gerd Rienäcker, der die Stu dentenbühne schon mit seiner einfallsreichen Musik zur „Broadwaymelodie 1492“ unentgelt lich unterstützt hatte, bot ein ausgezeichnet zu sammengestelltes musikalisches Programm. Lei der mangelte es der gesamten Veranstaltung an einem herausragenden Höhepunkt, so daß der Spannungsbogen der Darbietungen einer inhalt lichen und formalen Zielsetzung entbehrte, eine Schwäche, die für die Zukunft sicherlich ver meidbar ist. Die Studentenbühne plant ähnliche Programme mit Dichtungen von Andreas Gry phius, Jacques Prevert und Pablo Neruda. Das Volkskunstzentrum unserer Universität sollte freilich in Zukunft Werbung und Karten verkauf für solche Veranstaltungen besser kon trollieren, um sich so auch zum Zentrum der technischen Arbeit unserer Volkskunstensembles zu entwickeln und eine größere Besucherzahl seiner Veranstaltungen zu sichern. Eike Sturmhöfel Universitätszeitung, Nr. 1. 13. 2. 1964- S. 6