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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 8.1964
- Erscheinungsdatum
- 1964
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196400001
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19640000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19640000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 8.1964
-
- Ausgabe Nr. 1/2, 9. Januar 1
- Ausgabe Nr. 3, 16. Januar 1
- Ausgabe Nr. 4, 23. Januar 1
- Ausgabe Nr. 5, 30. Januar 1
- Ausgabe Nr. 6, 6. Februar 1
- Ausgabe Nr. 7, 13. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 20. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 27. Februar 1
- Ausgabe Nr. 10, 5. März 1
- Ausgabe Nr. 11, 12. März 1
- Ausgabe Nr. 12/13, 19. März 1
- Ausgabe Nr. 14, 2. April 1
- Ausgabe Nr. 15, 9. April 1
- Ausgabe Nr. 16, 16. April 1
- Ausgabe Nr. 17, 23. April 1
- Ausgabe Nr. 18, 30. April 1
- Ausgabe Nr. 19, 14. Mai 1
- Ausgabe Nr. 20, 21. Mai 1
- Ausgabe Nr. 21, 28. Mai 1
- Ausgabe Nr. 22, 4. Juni 1
- Ausgabe Nr. 23, 11. Juni 1
- Ausgabe Nr. 24, 18. Juni 1
- Ausgabe Nr. 25, 25. Juni 1
- Ausgabe Nr. 26, 2. Juli 1
- Ausgabe Nr. 27, 9. Juli 1
- Ausgabe Nr. 28, 16. Juli 1
- Ausgabe Nr. 29, 23. Juli 1
- Ausgabe Nr. 30, 30. Juli 1
- Ausgabe Nr. 31, 6. August 1
- Ausgabe Nr. 33, 13. August 1
- Ausgabe Nr. 33, 20. August 1
- Ausgabe Nr. 34, 3. September 1
- Ausgabe Nr. 35-38, 24. September 1
- Ausgabe Nr. 39, 2. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 40, 8. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 41, 15. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 42, 22. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 43, 29. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 44, 5. November 1
- Ausgabe Nr. 45, 12. November 1
- Ausgabe Nr. 46, 19. November 1
- Ausgabe Nr. 47/48, 26. November 1
- Ausgabe Nr. 49, 3. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 50/51, 10. Dezember 1
-
Band
Band 8.1964
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- Universitätszeitung
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Wie das \ *• geistige Leben unter den Studenten organisieren? Von Gerd Laßner, Aspirant am Mathematischen Institut, Kandidat des Zentralrats der FDJ Das geistige Leben entsteht nicht da durch, daß man darüber redet, sondern dadurch, daß man es konkret organisiert. Gerade über dieses Problem haben wir uns in den letzten Wochen auf der Univer sität sehr viel Gedanken gemacht, denn die Situation ist oft so, daß gute Freunde und FDJ-Funktionäre darüber reden, daß es notwendig ist, sich über philosophische Probleme der Naturwissenschaften und an dere interessante Dinge geistig zu streiten. Was sie aber nicht machen, ist, daß sie selbst darüber streiten — im Gegensatz zu denen, die idealistische Ideologien verbrei ten. Diese finden ihre Lauscher, schon des wegen, weil sie Fragen aufwerfen wie: Ist die Welt endlich oder unendlich? Ist die Welt erkennbar oder nicht erkennbar? Unsere FDJ-Funktionäre sind in der Re gel nicht genug in der Lage, auf solche Fragen tiefgehend zu antworten. Es wurde über die Frage „Hat das Leben überhaupt einen Sinn?“ gesprochen. Ein Freund sagte: „Warum soll das Leben denn einen Sinn haben? Auf welcher Stufe der Entwick lung der Materie soll die Existenz der Ma terie plötzlich einen Sinn bekommen?“ Es gab eine große Diskussion. Dann schaltete sich das Grundlagenstudium ein. Es zeigte sich, daß sich die Assistenten gar nicht einig waren, ob das Leben über haupt einen Sinn hat. Schließlich sagten sie: „Das Leben hat keinen Sinn, sondern man muß dem Leben einen Sinn geben.“ Es kommt darauf an, daß wir unsere FDJ-Funktionäre und unsere besten Freunde befähigen, an der Spitze zu ste hen. Sie müssen die ersten sein, die sich streiten und Anregungen geben. Warum sollen sie immer warten, bis sich einer streitet? Es muß ein Zentrum bestehen, in dem die FDJler, die fachlich und poli tisch die besten sind, streiten. Dann wer den sie auch Anhänger finden. Diejenigen Freunde, die im Hintergrund stehen, hören sehr genau zu, sie merken vor allen Din gen, wo es Auseinandersetzungen gibt, wo es sich lohnt, sich einzuschalten. Damit berühren wir gleich noch ein anderes Pro blem. An der Universität bestehen ver schiedene Auffassungen darüber, was eine große Persönlichkeit ist und inwiefern Charaktereigenschaften dazu gehören wie Humanität, Prinzipienfestigkeit, Ehrlich keit. Solche Eigenschaften zeichnen auch unsere FDJ-Funktionäre aus. Es ist nicht so, daß sie nur gut reden können, sondern diese Freunde sind charakterfest, ener gisch, ehrlich, kameradschaftlich. Diese Eigenschaften müssen wir vielmehr be tonen. Die Funktionäre dürfen nicht bloß in den Versammlungen im Präsidium sit zen und reden. Sie müssen in die Gruppen gehen. Ein paar Wochen vor einer großen Klausur, beispielsweise vor einer großen Prüfung in theoretischer Physik, müssen sie den Freunden helfen. Dann wird je der Freund das Gefühl haben, das sind Kerle, auf die man sich verlassen kann. Es zeigt sich immer wieder, daß die Freunde, die so etwas getan haben, hoch erfreut waren, welchen Anklang sie fan den. Bei den Physikern hatte ein Seminar über die Heisenbergsche Unschärferelation der Quantenmechanik stattgefunden. Dazu sollte Literatur von Pasqual Jordan, Hei senberg und anderes studiert werden. Ein Freund der Leitung sagte sogar: „Wir wol len all diese Werke studieren und uns dar über unterhalten, und dann wollen wir beweisen, daß der Materialismus richtig ist.“ Wir wollen natürlich nicht dogmatisch herangehen und behaupten: Der Materia-' lismus ist richtig, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. — Aber es hat doch keinen Sinn, zuerst über alle Philosophien seit der Urgemeinschaft zu sprechen, um dann nach zehnjähriger Diskussion darauf zu kommen, daß es auch den Materialis mus gibt, sondern man muß vom Mate rialismus ausgehen und besonders die Klassiker des Marxismus studieren. Auch aus dem „Anti-Dühring“ kann man ler nen, wie man sich auf interessante Weise auseinandersetzt. Viele Freunde, die die klassischen Werke des Materialismus nicht kennen und sie dann eines Tages lesen, sind sehr erstaunt, wie interessant diese Werke sind. Mit solchen Fragen sollte man sich auch im FDJ-Schuljahr beschäftigen. Ein Wis senschaftler wird doch erst dann zum Wis senschaftler, wenn er sein Fach, auch von der Philosophie her, kennt. Wenn man sich fragt, was heute die Hauptaufgabe ist, die wir an der Univer sität erfüllen müssen, dann muß man sa gen: Die Hauptaufgabe war schon immer und muß immer bleiben, unsere Studenten zu sozialistischen Wissenschaftlern auszu bilden und zu erziehen. Dabei geht es heute aber nicht mehr nur darum, daß sie für den Sozialismus sind, sondern daß sie Kraft und Willens sind, den Sozialis mus selbst durchsetzen zu helfen. In der Wahlversammlung des vierten und fünften Studienjahres der Physiker traten in der Diskussion einige Freunde auf und sagten: „Das ist alles ganz schön und gut, aber wie soll ich in einen Betrieb gehen, wenn mich der Betriebsleiter gar nicht will?“ Dieselben Freunde hielten einen Vortrag darüber, daß in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern der Anteil der Wissenschaftler und der Hochschulkader höher sei als bei uns. Als man ihnen sagte, wenn er höher ist, müssen wir doch hel fen, daß wir die Wissenschaft in den Be trieben durchsetzen, meinten sie: „Das stimmt schon, aber dann muß die Plan kommission den Betrieben eine Anwei sung geben!“ So gibt es Vorstellungen, daß eine Anweisung genüge, um den wissen schaftlich-technischen Höchststand zu er reichen. Wir müssen das Problem klären, daß die künftigen Wissenschaftler ihre Wissenschaft in den Betrieben einzuführen und durchzusetzen haben. An unserer Universität hat eine Tagung der Karl-Marx- und Wilhelm-Pieck-Stipen- diaten stattgefunden, die sehr gut war. In dieser Beratung war auch eines inter essant: Die Karl-Marx-Stipendiaten sagten u. a.: „Wir haben gut studiert. Dann be kamen wir das Karl-Marx-Stipendium. Als wir das hatten, hieß es aber gleich: aha, Karl-Marx-Stipendiat, vielleicht noch. Genosse, der muß eine Funktion bekom men, der muß FDJ-Sekretär werden. — Wir bekamen einen Haufen Funktionen und waren teilweise nicht mehr in der Lage, so weiterzustudieren wie vorher.“ Es ist sicherlich nicht richtig, daß ein guter Student während seines ganzen Stu diums FDJ-Sekretär eines großen Instituts ist. Andererseits bleibt es dabei, daß die Besten führen müssen. Wohin kämen wir, wenn wir sagten, die Besten sollten wis senschaftlich arbeiten und die anderen, die sowieso nichts schaffen, die FDJ-Arbeit machen. Die Lösung muß sein, daß die Besten die FDJ-Arbeit so gestalten, daß etwas herauskommt — für sie und für die anderen. Man muß sich bei allem über legen, ob etwas dabei herauskommt. Viele lassen sich noch über’s Ohr hauen: Es wird ein Bericht verlangt, und weil es einfach ist, wird der Bericht geschrieben. Es kommt darauf an, die FDJ-Arbeit zu durchdenken, und sich zu überlegen: Was muß verändert werden? Wie muß es ver ändert werden? Wer kann das verändern? Wenn wir im Studium neue Gedanken durchsetzen wollen, dann kann das die FDJ nicht auf Partisanenart tun, sondern nur in Zusammenarbeit mit dem Lehrkör per. Ich hatte auf dem Parlament die Frage gestellt, wie es mit dem Komplex praktikum in Böhlen weitergehen soll. Bei zwei Freunden aus dem Mathematischen Institut sind aus unserer Praktikumsarbeit Diplomarbeiten entstanden. Prof. Focke, der Leiter des Produktionsinstituts, ist sehr interessiert, daß die Arbeiten ge schrieben werden. In diesem Jahr ist das Komplexprakti kum weiter verbessert worden. Während des Ernteeinsatzes hat eine Brigade von Studenten, hauptsächlich Naturwissen schaftler, aber auch Philosophen und Me diziner, die Problematik für das nächste Praktikum herausgearbeitet. Sie sind durch den Betrieb gestreift und haben sich die Thematik selbst gesucht. Damit ist Ge legenheit geboten, daß im nächsten Prak- tikum die Thematik schon vorliegt. Ein Problem ist dabei, daß der Lehrkörper noch etwas abseits steht. Er unterstützt, aber die Vorbereitung hat sonst die FDJ- Leitung gemacht. Natürlich ist es nicht einmal das Schlechteste, daß die' FDJ ein bißchen vorangeht. Auch Medizinstuden ten haben Gutes geleistet. Sie haben den Gesundheitszustand der LPG-Mitglieder untersucht und daraus Schlußfolgerungen gezogen, welche hygienischen Maßnahmen in Groß-LPG eingeführt werden müssen. Die Wifa-Studenten haben die Optimie rung der Hotel-Betriebe in Leipzig über nommen und haben im Warenhaus die Lebensmittelabteilung und die Selbst bedienungsabteilung rekonstruiert. Das sind Beispiele, wie ein großer Teil der Studenten schon ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis anwenden. Es kommt aber auch darauf an, vieles innerhalb der Universität zu verbessern. Jedes Jahr wird neu über das Grund lagenstudium des Marxismus diskutiert. Aber die Hauptsache ist, daß nicht nur darüber geredet wird, sondern auch stu diert wird. Einige Studenten gehen in die Vorlesungen, schwatzen da herum, es ist Unruhe. Dann wird darüber geredet, daß die Vorlesungen langweilig sind. Man muß anders herangehen. Studenten des ersten Studienjahres Physik haben das ganz rich tig angefangen. Daß es der Marxismus wert ist, studiert zu werden, war ihnen klar, also hörten sie sich die Vorlesung an. Dann konnten sie sagen: Was der Lek tor über das und das gesagt hat, das halte ich für Unsinn, aber sie mußten es be gründen können. Dann kommt man auch zum Meinungsstreit. Genauso ist es bei der Diskussion über die aktuellen politischen Tagesfragen. In der Vollversammlung der Diplomanden in der Mathematik, die wir zwei Tage nach der Ermordung Kennedys hatten, sagte z. B. einer: „Was hat die LVZ für einen dummen Artikel geschrie ben! Überall wird gesagt, daß Kennedy ein fortschrittlicher Präsident war. In der LVZ steht, Kennedy habe viele Situatio nen verschärft.“ — Ich kannte den Artikel nicht. Ich habe gesagt: Erläutere einmal, was an dem Artikel falsch war! — Da war er erst einmal vor den Kopf geschlagen,. Dann wurde überhaupt nichts mehr ge sagt. Es ist sehr einfach zu sagen, ein Ar tikel sei dumm, und nicht darüber zu dis kutieren. Das sind Probleme, die in der FDJ- Gruppe geklärt werden müssen. Aus einem Diskussionsbeitrag, den Gerd Laßner auf der letzten Zentralratstagung hielt. Foto: Norbert Göth o Werte Kollegen! Weder bin ich ständiger Leser der „Universitätszeitung“ noch Student, aber dennoch schreibe ich Ihnen einen „Leserbrief“. Ich möchte ihn nicht mit einer Gesamteinschätzung oder einem Versuch der Würdigung der UZ verbinden. Es steht außer Zweifel, daß die UZ eine eigene Aufgabe hat, die sie weitgehend erfüllt. Viele Beiträge sind mehr als infor mativ, vor allem, wenn es um Aus einandersetzungen zu aktuellen, gei stigen Problemen geht. Das ist von einer „Universitätszeitung“ wohl auch zu erwarten. Sie nähert sich meiner Meinung nach einer wertvol len und vor allem auch gut gestalte ten Zeitschrift wie dem Forum. Das gilt besonders in Hinblick auf die Behandlung von Fragen der Kul tur, vor allem der Literatur. Dabei denke ich besonders an einige Beiträge zu Fragen der Gegen- wärtslyrik. Aber gerade dort setzt auch meine Kritik an, die sich weni ger gegen die UZ als vielmehr gegen die Auffassungen einiger Autoren richtet. Ich entsinne mich an die Ausein andersetzung um ein Gedicht von Helmut Richter — es war Anfang vorigen Jahres — wo der Autor der kritisierten Verse im wahrsten Sinne des Wortes „fertiggemacht“ wurde. Dabei geht es mir weniger um die Kritik und ihre sachliche Begrün dung als um Tonart und -läge; Rich ter wurde quasi als Reklameagent des erzreaktionärsten Reaktionär- tums „entlarvt“. So kann man eine er sprießliche Literaturdiskussion mei nes Erachtens nicht führen! Nicht immer glücklich erschien mir auch die Auseinandersetzung über einige Gedichte von Volker Braun. Allerdings ist in diesem Falle fest- zustellen, daß sich eine echte Dis kussion entwickelte, ein Meinungs streit, wie er nötig und zu begrüßen ist. Lyrik, das heißt besonders die sogenannte „junge Lyrik“, fordert zu Recht zur Diskussion heraus und soll es auch. Soweit einige Bemerkungen. In diesem Brief geht es mir aber vor allem um die Einschätzung des Ro mans von John Braine „Der Weg nach oben“. Dr. Georg Seehase gibt in Nr. 3/64 der „Universitätszeitung“ einen „Bei trag zur- Literaturdiskussion“ unter dem die Problematik richtig tref fenden Titel „Staubkorn im Exi stenzkampf“. Den Ausführungen von Dr. Seehase stimme ich im wesent lichen zu, auch seiner Einschätzung der englischen Verfilmung. Es kommt mir auf einige „Rand bemerkungen“ im Artikel von Herrn Dr. Seehase an. So schreibt er im Schlußabsatz u. a.: „Sicher läßt sich darüber strei ten, ob es richtig war, Roman und Film bei uns herauszubringen.“ Warum läßt sich darüber streiten? Weil Braine in seinen folgenden Veröffentlichungen seinen eigenen ,Weg nach oben 1 gegangen ist? Die Entwicklung Braines bzw. seiner nun bekannten opportunistischen Haltung in seinen späteren Werken hebt die sozialkritische antikapitalistische Note im „Weg nach oben“ nicht auf. Um wen oder was geht es konkret? Um den Roman, der bestimmte Er kenntnisse und Einsichten über die gesellschaftliche Wirklichkeit im Eng land der 50er Jahre vermittelt oder um die Persönlichkeit John Braines? Fakt ist, daß durch bestimmte Mo mente der Darstellung der Erkennt niswert des Romans geschmälert wird. Fakt ist auch, daß die gesell schaftlichen Zusammenhänge nicht immer richtig und eindeutig, nicht vom Klassenstandpunkt der Arbei terklasse aus gestaltet werden. Das sind die unbestrittenen Mängel die ses Romans von John Braine, und was für ihn und diesen „Weg nach oben“ gilt, kann man genauso be rechtigt von vielen anderen Werken junger Autoren, von sogenannten „zornigen jungen Männern“ im ge samten kapitalistischen Ausland ein schließlich von Veröffentlichungen nonkonformistischer Schriftsteller in der Bundesrepublik sagen. Mit Dr. Seehases Frage nach der „Richtigkeit“ der Publikation von Braines Roman ergibt sich die Frage, ob man überhaupt in der DDR Bü cher solcher Autoren abdrucken soll, die zwar zu den Verbündeten der Schriftsteller des sozialistischen Rea lismus zählen, die sie umgebende ge sellschaftliche Wirklichkeit, in der sie leben, kritisieren, aber noch nicht Klassenkämpfer und keine Kommu nisten sind. Das ist doch in der End konsequenz die Fragestellung, die auf eine Eliminierung von Schriftstel lern des bürgerlichen kritischen Rea lismus in unserer Verlagsproduktion hinauslaufen würde. Natürlich läßt sich über Veröffent lichungen streiten, aber doch wohl erst dann, wenn sie erschienen sind und wenn der Leser — nicht nur ein „Eingeweihter“ — darüber seine Mei nung äußern, wirklich streiten kann. Das ist das Problem, das sich ergibt — vor allem auch in Hinblick auf eine Reihe von Publikationen non konformistischer Schriftsteller aus der Bundesrepublik. Es ist inter essant und erschütternd zugleich, daß Z. B. in der Sowjetunion mehr Über setzungen westdeutscher Autoren er schienen sind als Lizenzausgaben in der gleichsprachigen DDR. Erwartet man von einem eben „nur“ nonkon formistischen Autoren, der in einer absolut kapitalistischen Umwelt lebt und diese offen kritisiert, und zwar eben in dem Maße, wie sein eigenes Bewußtsein entwickelt ist, daß er urplötzlich mit Büchern an die Öffentlichkeit tritt, die den Klassen standpunkt der Arbeiterklasse ver treten? Das ist eine Überforderung, mit der noch allzu oft auch in un serem eigenen Lebensbereich „ge arbeitet“ wird, indem man schema tisch mit einer Art ideologisch-litera rischem Rechenschieber „Maßstäbe“ setzt, die Endzustände postulieren, auf die wir uns aber in der Gesamt heit erst zuentwickeln müssen. Die fruchtbaren, klärenden Diskus sionen über Christa Wolfs Buch „Der geteilte Himmel“, die Debatten über neue Bücher, wie „Die Spur der Steine“ von Neutsch oder den „Ole Bienkopp“ Strittmatters können viel leicht verdeutlichen, .was ich meine. Sicher ist auch, daß wir hier in der DDR strengere, härtere Maßstäbe setzen müssen als bei der Beurtei lung von Werken westdeutscher, eng lischer und amerikanischer Autoren, selbst wenn sie Mitglieder der Kom munistischen Partei wären. Bücher | 'junger, kritisch-realisti scher Autoren, gleich aus welchem kapitalistischen Land, sind, auch wenn sie keinen Ausweg zeigen, immer wert, gelesen zu werden. Das heißt, man braucht nicht darüber streiten, ob es richtig ist, sie heraus zubringen. Entscheidend, ist, daß man dann, nachdem man sie herausge bracht hat, sachlich darüber Streit gespräche führt, Streitgespräche nicht um einer Diskussion, sondern um ihres Ergebnisses willen. Das Ergeb nis wird in jedem Falle mehr Wis sen, besseres Einschätzungsvermögen gegenüber bestimmten Ereignissen in anderen Ländern sein. Wie dem auch sei: Braines Roman ist ein interessantes, aufschlußreiches, in seiner Art gutes Buch. Der Streit darüber kann besser sein. Mit freundlichen Grüßen! Franz Neumann Universitätszeitung, 13. 2. 1964, S. 4
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