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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 8.1964
- Erscheinungsdatum
- 1964
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196400001
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- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19640000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19640000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 8.1964
-
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- Ausgabe Nr. 40, 8. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 42, 22. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 45, 12. November 1
- Ausgabe Nr. 46, 19. November 1
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Band
Band 8.1964
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SEINE WAFFE Tm Februar 1945 schrieb Louis Fürnberg an den Schriftsteller I. G Schwarz: „Ich habe ein großes Gedicht begonnen, das anfangs sehr schnell fortging, jetzt aber unter tausend äußeren Einflüs sen ins Stocken gerät — eine sehr schlimme Sache, denn es ist meine bisher wichtigste Leistung, von der alles für mich, nein, für meine Arbeit, mein Weiterschaffen, ab hängt, — turning point sagen die ... Engländer.. und im März desselben Jahres an Arnold Zweig: „Und dann schreibe ich ein langes Gedicht, schon seit Wochen, sozusagen das Ge dicht meines Lebens (nicht etwa, meines Lebens), ein politisches Gedicht,— ich weiß nicht, ob ich nachher werde noch ein Gedicht machen können.“ Wir lebten in Jerusalem. Der Krieg ging seinem Ende entgegen. Die faschistische Bestie war entschlossen, einen beträcht lichen Teil der Welt in ihren Untergang hineinzureißen. Noch stiftete sie ungeheu res Unheil, noch starben täglich aber tausende von Menschen, wurden ungeheure Zivilisationsgüter, Werte, die von Men schen zur Verbesserung ihres Daseins ge schaffen wurden, aber vor allem Lebens glück, vernichtet! Die Sowjetunion hatte sich als die einzige Kraft erwiesen, die dem Untier gewachsen war. Aber jetzt, da man bereits das Ende des Gemetzels ab sehen konnte, wurden schon wieder die während des Krieges aus Gründen der Selbsterhaltung etwas gedämpften Stim men des Antikommunismus laut. In Wa shington und London verteilte man die Kriegsbeute, die man selbst nicht gemacht hatte. Roosevelt, der eine vernünftige Poli tik gegenüber der Sowjetunion vertrat, war tot, und sein Nachfolger Truman der richtige Partner für Churchills politische Konzeption: Ausbluten lassen und für sich den größten Vorteil aus dem Debakel zie hen! Für jeden, der politisch denken konnte, zeichnete sich diese Hyänenpolitik klar und deutlich ab. Wir waren in ein britisches Kolonial gebiet verschlagen und hatten vier Jahre lang Gelegenheit, die Praktiken der Kolo nialmacht, die hier und in den Nachbar ländern angewandt wurden, zu studieren. Aber auch die Rolle der reformistischen Gewerkschaften, die Rolle der Sozialdemo kratie in einem solchen Mandatar-Land hatten wir kennengelernt. Im Krieg waren die Entfernungen un geheuer groß. Briefe und Zeitungen brauch ten sechs Wochen aus den westlichen Län dern, noch viel länger aus der Sowjet union, bevor sie uns erreichten. Am näch sten lagen uns die Mittelmeerküsten. Über das neutrale Ägypten kamen antifaschisti sche Kämpfer aus diesen Ländern, vor allem Griechen und Jugoslawen, aber auch Italiener und Franzosen besuchten uns. Wir lechzten nach Nachrichten über den Widerstandskampf, und Fürnberg verstand es ausgezeichnet, immer gut unterrichtet zu sein. Wir hatten nicht erwartet, daß aus impe rialistischen Regierungen, aus wütenden Antikommunisten wirklich aufrichtige Ver bündete im antifaschisten Kampf werden würden, aber was sich nun in den letzten Kriegsmonaten unmittelbar um uns ab spielte und wir täglich von unseren Genos sen, die direkte Verbindung mit den euro päischen Widerstandsgruppen hatten, hör ten, übertraf alles Vorstellbare. In diesen Tagen bot sich für Fürnberg eine Arbeitsmöglichkeit, die ihm einen neuen Einblick gewährte. Jahrelang hatten wir nur von Unter stützung gelebt, aber nun sollte Fürnberg endlich wieder ein Gehalt beziehen. Es schien uns ein großes Glück, und es sollte außerdem eine Arbeit im Rahmen des war effortes (der Kriegs-Anstrengungen) sein, an denen wir Antifaschisten uns überall dort, wo wir waren, beteiligten. In Jerusa lem war der sogenannte Mittelmeersender, der in allen Sprachen der Mittelmeervöl ker alliierte Nachrichten ausstrahlte. Aber er wandte sich auch an die deutschen Sol daten in den besetzten süd- und südost europäischen Ländern, forderte sie auf, Hitlers Krieg nicht mehr mitzumachen und auf die Seite seiner Opfer überzugehen, — also eine gute und nützliche Arbeit für einen Antifaschisten. Und mit solchen Ge danken ging Fürnberg auch dahin. Es war die Zeit nach der Landung der alliierten Truppen in Italien, des vergeb lichen Wartens auf eine wirksame zweite Front in Westeuropa, die Zeit der Parti sanenkämpfe in Norditalien, der Partisa nensiege in Jugoslawien und Griechenland. Es war die Zeit, das sich Paris selbst befreite — viele haben das schon verges sen, — da das italienische Volk seine fa schistischen Unterdrücker selbst richtete, da eine griechische und jugoslawische Stadt nach der anderen in die Hände des Volkes überging. Es war die Zeit des machtvollen, opferreichen Vormarsches der Sowjet armee. — In Ägypten saßen die längst bankrotten und kompromitierten könig lichen Regierungen von Englands Gnaden, gaben gute Ratschläge, versuchten Un frieden und Verwirrungen zu stiften, um im trüben fischen zu können, entsandten ihre Emissäre, unterhielten Konzentra tionslager — man lese Arnold Zweigs „Traum ist teuer“ — und rüsteten sich, die Macht zu übernehmen, die ihnen das aus- Das Ehepaar Fürnberg während seines Aufenthaltes in Jerusalem geblutete Volk untertänigst zu Füßen legen sollte. Mit Besorgnis sahen sie ihre Felle davonschwimmen, je entscheidender die Siege der Partisanen wurden. Aber sie konnten sich auf ihren Winston Churchill verlassen! Wir erkannten bald, daß die Truppen landungen an der europäischen Mittel meerküste nicht gegen die deutsche Wehr macht, sondern gegen die Partisanen ge richtet waren. Louis Fürnberg fand im Nachrichten material, das unfrisiert in den Sender kam, viele in der Öffentlichkeit nicht bekannte Einzelheiten, Fakten, die natürlich nicht gesendet werden durften, sondern mit roten Strichen der Militärzensur versehen waren. Der Einblick war lehrreich, aber furcht bar. Die Arbeit, die ihm zunächst als Glück erschienen war, hatte sich schnell als ent setzliches Joch, als Quelle der täglichen Aufregungen und Kämpfe herausgestellt. Die Nachrichten von den toten Kindern in Griechenland, von General Scobies Blutsonntag, all dies hatte in zynischer Genauigkeit beschrieben in der Mappe ge legen, die der Übersetzer und Redakteur auf seinem Arbeitsplatz vorfand, — natür lich mit jenen roten Strichen und Bemer kungen versehen, was verwendet werden durfte und was nicht. Da mußte man schon sehr geschickt sein, um noch etwas nützen zu können, denn man war in einem mili tärischen Unternehmen. Fürnberg war sehr geschickt. Aber es kostete sehr viel Ner ven. Lotte Fürnberg übergab freund- licherweise auf die Bitte der Redak tion der „UNIVERSITATSZEITUNG" einen Beitrag über die Entstehungs geschichte der „Spanischen Hochzeit* — balladeskes Poem von Louis Fürn berg — in dem sie sehr anschaulich über die politischen Ereignisse schreibt, in der Fürnberg an diesem Werk arbeitete, das zum Gipfelpunkt in sei nem Schaffen wurde. Die 1944 45 geschriebene Dichtung legt vom Standpunkt des sozialisti schen Realismus aus Ursache und Ver lauf der Ereignisse von 1935 bis 1945 dar und trägt zum Verständnis des Kampfes der deutschen und inter nationalen Arbeiterklasse gegen den Faschismus bei. Mit seiner schönen, bilderreichen Sprache ist sie die ein zige Dichtung dieses Genres, die zu einem Hohelied auf diesen schweren Kampf wurde und die die welt ¬ historische Mission der internationalen Arbeiterklasse als Befreierin der gan zen Menschheit gestaltet. Unmittelbarer Anlaß für die Bitte der Redaktion an Lotte Fürnberg war, daß das Louis-Fürnberg-Ensemble unse rer Universität mit dem Einstudieren der „Spanischen Hochzeit" begonnen hat. Damit geht das Ensembe neue, hochwirksame künstlerische Wege: Zum erstenmal werden alle Teilgruppen - Chor, Sprecher, Tänzer, Instrumenta listen, Solisten, technisch-künstlerische und technisch-organisatorische Kräfte — miteinander eine große künstlerische Aufgabe bewältigen. Im gemeinsamen Ringen um das Gestalten von Fürn- bergs herrlichem Poem werden die Ensemblemitglieder politisch und künst lerisch reifen, womit sie auf ihre Weise das große Jugendtreffen im Mai vor bereiten helfen. Ich kann nicht besser über die Ent stehung der Spanischen Hochzeit berichten als indem ich die politischen Ereignisse nachzuzeichnen versuchte, die uns damals umgaben. Nur, wenn man die Zeit ver steht, versteht man das Poem, das aus ihr geboren wurde, und Fürnberg’s Anliegen: noch einmal in Erinnerung wachzurufen. ... „Noch einmal vom Tode zu singen wo es dem Tod des Todes gilt!“ die großen Zusammenhänge sichtbar machen, die Wahrheit über die Wirklich keit hinausschreien, das Gedächtnis wach halten und an das Gewissen der Mensch heit appellieren! 1947, als Louis Fürnberg seine „Spa nische Hochzeit“ im Dietz-Verlag anbot, holte dieser, wie das so üblich ist, Gut achten ein. Der große deutsche Dramatiker Friedrich Wolf schrieb am 1. August 1947: „Endlich kam ich dazu, „Die spanische Hochzeit“ von Fürn berg zu lesen, und ich freue mich, Euch meinen sehr posi tiven Eindruck sagen zu kön nen: eine echte Dichtung gro ßen Gehaltes, die uns an geht. Man muß sie unbedingt drucken, jetzt, heute, gerade weil sie vom üblichen Genre des oft billigen, patriotisch sich dünkenden Versgeklin- gels abweicht, weil sie einen ganz eigenen starken ehrlichen Ton anschlägt . . . auch wenn er vorerst nicht jedem liegen und in manchem sogar nicht verständlich sein wird. Dieses Inferno und Purga- torio in memoriam Garcia Lorca ist heute wieder ein Anfang der epischen Gesänge wie wir sie an jeder klassi schen Zeitenwende finden, von d,er Odyssee über die Aeneis, die Commedia divina, den Cid bis zum Berner Totentanz u. a. Damals aller dings war der Gegenstand der Dichtung Allgemeingut des ganzen Volkes, so daß das dichterische Epos sofort die nationale Dichtung werden konnte. Heute ist das leider ganz anders! Man muß Fümbergs „Spa nische Hochzeit“ erst „popu larisieren“, das heißt, die Er eignisse, die für Fürnberg und uns bekannt, ja selbst verständlich sind, wie die Partisanenkämpfe in Jugo slawien, China, Italien, Frank reich, unseren deutschen Le sern irgendwie nahebrin gen ...“ Ja. sehen Sie, das müßte man! Das i auch meine Ansicht und deshalb bin id dem Louis-Fürnberg-Ensemble so unen lieh dankbar, daß es dies zu seiner Sac gemacht hat: Die „Spanische Hochzeit“ de deutschen Lesern nahezubringen. Denn wenn ihre Auflage auch über d 100 000 hinausgeht, wird sie doch nicht ! dem Maße gewürdigt, wie es dieser Dic tung gebührt, und wie es auch aus Gründe politischer Aktualität notwendig wäre. Als meine Tochter in die siebente Klas ging — sie war bereits sehr vertraut m der Spanischen Hochzeit, die ihr vo allen Gedichten ihres Vaters als erstes aw gegangen war — bei irgendeiner Gelege! heit erklärte, die Griechen hätten sil selbst befreit, widersprach ihr Deutsc und Geschichtslehrer auf das entschi denste. Ich ging in die Schule, aber io glaube, es gelang mir auch nicht, ihn 1 überzeugen. Es ist eine Tatsache, daß in unseren Sch len diese für uns noch ungeheuer aktuelle für die Bildung des Geschieh tsbewußtsei so wichtigen Dinge nicht immer genüget' behandelt werden. Geht es doch um d jüngste Vergangenheit, die noch furcht^ in die Gegenwart hineinreicht. Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann z. B. auf nicht begreifen, was heute in Spanien u Westdeutschland vorgeht. — Noch Ö Fürnbergs Poem nicht historisch, wie 6 es in seinem Vorwort zur zweiten Auflaf für bald erhoffte. Noch mordet Franco n! Würgeisen, noch foltert er asturisc Bergarbeiter, deren Taten so herrlich v0 dem ungebrochenen Freiheitswillen d spanischen Volkes zeugen, noch ist d griechische Volk um die Früchte sein* historischen Kämpfe von denselben Leute betrogen, die den Blutsonntag in Ath auf dem Gewissen haben, noch mord dieselben mächtigen Hintermänner in Sv Vietnam, entfachen einen Bruderkrieg z® sehen Marokko und dem ihnen viel 1 fortschrittlichen Algerien, unterstützen d barbarische südafrikanische Verwoer° Regime, haben Lumumba umgebracht u trachten nach dem Leben Gizengas, und Ö Westdeutschland sitzen die Naziblutricht* über Antifaschisten zu Gericht. Wer dl 1 Zusammenhänge nicht sieht, ist blind. Die „Spanische Hochzeit“ ist nicht n eine wunderbare Dichtung, sie ist daru” weil sie eine wirkliche Dichtung ist, eip wirksame Waffe im Kampf gegen d« ewig gestrige Dunkelmännertum und ei” Flamme zur Erleuchtung der Köpfe m dem Licht des sozialistischen Humanismu Erst wenn vom letzten Schatten befreit Allen ein Morgen erglüht segnet die Waffen, und segnet die Zei die Euch den Sieg beschied! ) Rote Nelken aufs Grab eines guten Genossen Mi Fürnberg zum „Theater der Poesie“ Wer den Fluch der Zeit erlitten, vor dem Morgen fortzugehn, wird bei unsern Sensenschnitten auferstehn und auferstehn! Der Morgen auch euer! Diese Zeilen aus dem „Feuerspruch über die toten Genossen“ von Louis Fürnberg stehen als Motto am Beginn unserer In szenierung der Ballade „Die spanische Hochzeit“, mit der das Louis-Fürnberg- Ensemble einen ersten Beitrag zum Auf bau eines „Theaters der Poesie“ leisten will. Wir, die Jungen, die Heutigen, die wir das Glück haben, den Morgen selbst zu erleben, für den die Besten der Werk tätigen kämpften und fielen, verneigen uns voll Ehrfurcht vor den Gefallenen unseres Volkes und aller Völker, die im Kampf gegen Imperialismus und Faschismus ihr Leben gaben. Und in unser Gedenken an Kari Liebknecht und Rosa Luxemburg, an Hans Beimier und Ernst Thälmann, an Federico Garcia Lorca und Julian Grimau schließen wir mit tiefem Schmerz auch einen guten, treuen Freund unseres En sembles ein, der wesentlichen Anteil an unserem Weg zum lyrischen Theater hat, einen jungen Genossen, der in diesen Ta gen in der Blüte seines Lebens durch den Tod aus unseren Reihen gerissen wurde: Hans-Werner Schubert. * Herbst 1961. Die ersten Universitätsfest spiele standen vor der Tür. Unser Louis- Fürnberg-Ensemble beschloß die Gestal tung einer Matinee. Wir gaben ihr den Titel „Zieh den alten Adam aus, Mensch!“ Damit war nicht nur unser inhaltliches, sondern auch unser formales Anliegen’zur | Art und Weise der Interpretation der Ly- I Universitätszeitung, 30. 1. 1964, Nr. 5, S. 6 [ rik charakterisiert: Wir wollten neue, zeit gemäße, interessante Formen der Vermitt lung progressiver Dichtung suchen und finden. Hans-Werner verhalf durch seine nie er lahmende Energie und Begeisterung un serem Vorhaben mit zum Erfolg. „Unser politisches Gewissen“ nannten ihn die Mit glieder der Spielgruppe scherzhaft, und wahrhaftig, er trug diesen ehrenden Bei namen zu Recht, er war ein wunderbarer Genosse: Bescheiden, prinzipienfest, immer einsatzbereit, ernst und ausdauernd in der Arbeit, dabei fröhlich, oft mit einem Scherz, einem aufmunternden Wort die müde Gewordenen freundlich in die Rip pen puffend. . . Die Matinee war der Ausgangspunkt für unsere langfristige Zielstellung, ein poeti sches Theater aufzubauen. Hans-Werner Schubert beteiligte sich aktiv an der Aus arbeitung der Grundlagen dafür. In seinem „Mit Fürnberg zum Theater der Poesie“ überschriebenen Artikel popularisierte er Anfang 1962 unser Programm: „. . . In der Zielstellung — Literaturpropaganda im besten Sinne des Wortes — stimmten wir überein, auch in der Auffassung: Weg vom akademischen uninteressanten Ablesen der Lyrik vom Blatt; an Stelle langweiliger Darbietungen moderne, wirksame und überzeugende Inszenierung guter Lyrik ...“ Das war vor zwei Jahren. * Sommer 1963. Unser Ensemble führte in der Groß-LPG Bantikow im Kreis Kyritz sein alljährliches künstlerisches Proben lager mit anschließendem Ernteeinsatz durch. Auf dem Programm für die künst lerische Arbeit in den Gruppen standen u. a. die ersten Proben für „Die spanische Hochzeit“. Und wieder — wie in seiner Studien zeit — war Hans-Werner, jetzt verantwort licher Redakteur der Kyritzer Kreiszeitung, bei uns. Wir diskutierten die erste Fas sung der Konzeption, er gab Anregungen für die Gestaltung. Er begleitete uns bei den Fahrten in die Dörfer, er berichtete über das kulturpolitische Wirken unseres - seines Ensembles. * Unser Ziel ist klar: Am „Tag der Uni versität“, am 5. Mai, findet die Premiere der „Spanischen Hochzeit“ statt. Das wird der Beitrag des Louis-Fürnberg-Ensembles zur Vorbereitung des Deutschlandtreffens der Jugend. Kollegen des Bezirksvorstandes des Bundesvorstandes des FDGB besuchten uns zur Wochenendschulung am 18. und 19. Januar. Sie erlebten den Prolog und die ersten drei Gesänge der Dichtung im Zusammenklang der verschiedenen künst lerischen Gestaltungsmittel. Unser Plan vom lyrischen Theater gewinnt konkrete Gestalt. Wie schrieb doch Hans-Wener Schubert vor zwei Jahren: „. . . moderne, wirksame und überzeugende Inszenierung guter Ly rik“ — ja, er hatte die Aufgabe richtig erfaßt, in diesen wenigen klaren Worten steckt das ganze Programm des „Thea- ters der Poesie“: „Teater der Poesie“ — das heißt: Szeni sche Gestaltung der Dichtung, gesellschaft lich aktive Inszenierung von Poesie, durch die dem Publikum eine wesentliche gesell schaftliche Erkenntnis im Sinne der sozia listischen Bewußtseinsbildung vermittelt wird. Es geht also um die genau durch dachte, sowohl auf die größtmögliche emotiale als auch klar intellektuell zu er fassende Wirkung zielende Kombination der verschiedensten künstlerischen und künstlerisch-technischen Ausdrucks- und Gestaltungsmittel im Dienste der Aussage einer gegebenen Dichtung (oder mehrerer Werke), durch die gesellschaftliche Zusam menhänge sichtbar gemacht werden. Bei der unter diesem Aspekt erfolgen den Inszenierung der „Spanischen Hoch zeit“ arbeiten wir mit Einzelsprechern und Sprechchor, Gesangssolisten und A-capellpa-Chor (Frauenchor, Männerchor und gemischter Chor), Instrumentalmusik und Tanz, der unterschiedlichen Kombi nation von Sprechern, Sprechchor, Gesang, Tanz und Musik, ferner mit Projektionen (bildkünstlerische Werke, dokumentarisches Foto), Tontechnik und Lichttechnik und der unterschiedlichen Kombination aller genannten Mittel. Sprechen wir von der Inszenierung der Dichtung, so verstehen wir darunter also das sich im oben genannten grundsätz lichen Sinne aus dem Geist und aus der Form der Dichtung als akzeptabel er gebende harmonische Zusammenwirken der Schwesterkünste im Dienste der Wer kes: Der Ton, die tänzerische Geste, das Bild, der Wechsel des Lichts, die Be wegung auf der Bühne gesellen sich dem gesprochenen Dichterwort zu, unterstützen, verstärken, erhöhen es in seiner Aussage kraft, erhellen gesellschaftliche Zusammen hänge, die durch die Rezitation allein nie mals sichtbar gemacht werden könnten. Diese Vielfalt der Gestaltungsmittel zer reißt aber nicht die Einheit der Dichtung und ihre geschlossene Form, im Gegenteil, sie betont und vertieft sie. Die Inszenierung der „Spanischen Hoch zeit“ gibt unserem Ensemble die Möglich keit, zu demonstrieren, daß in der En semblekunst neue, politisch und künstle risch wirksame Formen gefunden werde 1 können. Zum ersten Mal wirken alle Tel gruppen an der Verwirklichung einer .ge meinsamen großen Aufgabe. Durch die be wußte Mobilisierung aller Mitglieder fö dieses gemeinsame Vorhaben, durch d9 schöpferische Ringen um inhaltliche ud‘ künstlerisch - praktische Klarheit wächs die politische und künstlerische Aktivit jedes einzelnen und des ganzen Ensemble kollektivs. Ich halte den letzten Brief Hans-Wern Schuberts in der Hand, den er uns gerad erst aus Kyritz schrieb: „ . . laßt bal° einmal wieder von Euch hören, was be Euren Plänen schon Gestalt angenomme hat...“ Er war bis zuletzt in seinen Ge danken bei uns, bei seinem Louis-Für® berg-Ensemble. Als ich vorgestern die Nachricht vo seinem Tode erhielt, konnte, wollte ich nicht glauben. Lieber Hans-Werner! Sei gewiß, wi werden dich nicht vergessen. Nimm dies' Zeilen über unsere Arbeit an der „Spaß’' sehen Hochzeit“, an der Verwirklichung des poetischen Theaters, für das du did so begeistert eingesetzt hast, als letzte' Gruß deiner vielen Freunde und Genosse’ 1 schäft Treue zur Sache der Arbeiterklasse, zu Sache Fürnbergs, Wird uns immer Al sporn und Verpflichtung sein. In Gedanken schmücken wir dein Gra mit den Blumen, die Louis Fürnberg un° du so sehr liebten. Rote Nelken aufs Grab eines guten Gf nossen. Hans Thorn«-' Dein Beispiel selbstloser Einsatzbereit und nie ermüdender Liebe un0
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