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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 8.1964
- Erscheinungsdatum
- 1964
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196400001
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- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19640000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19640000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
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Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 8.1964
-
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- Ausgabe Nr. 33, 20. August 1
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Band
Band 8.1964
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Philosophie - Wissenschaft - Leben (Fortsetzung von Seite 4) ständigen Aufgabe in Erscheinung, das Wesentliche des menschlichen Wissens und der praktischen Erfahrungen zu einem umfassenden Weltbild zu integrieren, was durch die philosophische Analyse, Verglei chung und Verallgemeinerung der Resul tate der Einzelwissenschaften und der ge sellschaftlichen Praxis erfolgen muß. Die mit der wissenschaftlich-technischen Re volution unserer Zeit verbundene Be schleunigung des Erkenntnisfortschritts verlangt von der Philosophie eine schwer- punktmlßige Orientierung auf die Brenn punkte der Forschung in den Grundlagen wissenschaften, um zu erreichen, daß die Weltanschauung nicht allzuweit hinter dem bereits erzielten Wissensstand zu rückbleibt. Daß dies nur durch eine enge Gemeinschaftsarbeit von Philosophen und Fachwissenschaftlern möglich ist, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen. In die sem Zusammenhang ist weiter zu ver merken, daß es der marxistischen Philo sophie bisher nur ungenügend gelungen ist, die Problematik der technischen Wis senschaften und der Technik philosophisch zu verarbeiten und in die Weltanschau ung einzubeziehen. Der rasche Fortschritt der Technik und ihre enorm wachsende Bedeutung im Leben der Gesellschaft läßt diese Diskrepanz immer stärker hervor treten. Darin ist zweifellos auch eine Ur sache für die Tatsache zu sehen, daß ge genwärtig noch idealistische Konzeptionen aus der bürgerlichen Technikphilosophie unter der technischen Intelligenz weit ver breitet sind. Dieses Vakuum muß drin gend ausgefüllt werden, will die Philoso phie nicht hoffnungslos hinter der Ent- wicklung zurückbleiben. Mir scheint auch, daß es erforderlich ist, das Begriffsinventarium des historischen Materialismus in Einklang mit der mo dernen technischen Entwicklung zu brin gen. Insbesondere bedarf die Kategorie „Produktivkraft“ einer Präzisierung, die der modernen technischen Entwicklung entspricht. Die philosophische Integration des Wis sens und der Praxis zu einer wissenschaft lich begründeten Weltanschauung ist kein Selbstzweck; sie gibt allen Einzel Wissen schaften ein weltanschauliches Fundament. Wie hoch oder gering der Nutzen eines solchen weltanschaulichen Fundaments auch immer veranschlagt werden mag, aus der ganzen Geschichte der Wissenschaft kann eindeutig nachgewiesen werden, daß weltanschauliche Prämissen bewußt oder unbewußt immer in die Wissenschaft ein gehen und Einfluß auf ihre Gestaltung nehmen. Es handelt sich dabei keineswegs nur um die allgemein-theoretische Inter pretation der Resultate, wie leider oft auch von philosophischer Seite behauptet Wird, sondern diese weltanschaulichen Voraus setzungen können schon die Denkrichtung und die Methodik in der experimentellen Arbeit und überhaupt auf der empirischen Erkenntnisstufe beeinflussen. Das bewußte Zurückgreifen auf die wissenschaftliche Weltanschauung, die aus der Verallgemei nerung der Wissenschaften selbst hervor geht, schafft zweifellos die günstigsten Be dingungen dafür, daß nur wissenschaftlich gesicherte philosophische Voraussetzungen in die Arbeit der Wissenschaftler ein fließen. Die mit der wissenschaftlich-technischen Revolution verbundene Beschleunigung in der Entwicklung der Wissenschaft führt dazu, daß die Differenzierung und Spezia lisierung des Wissens enorm zunimmt. Der riesige Umfang des modernen Wissens hat zur Folge, daß die meisten Wissenschaft ler nur noch ein begrenztes Gebiet ihrer Spezialdisziplin beherrschen. Ein bekannter Naturwissenschaftler hat das so formuliert: der Fachmann sei wie ein Gefangener in sei nem Gefängnis, dort kenne er jeden Stein und jede Ritze in der Mauer, die ihn um schließt — über die Mauer aber kann er nicht hinaussehen (Lawrence). Das ist sicher übertrieben, aber richtig ist, daß es immer schwieriger wird, den Zusammen hang mit den angrenzenden oder gar mit weiter entfernt liegenden Wissenschaften zu wahren. Für den planmäßigen Einsatz der Wissenschaften in der Produktion und in der Leitung der gesellschaftlichen Ent wicklungsprozesse ist aber gerade die Ko operation verschiedener Wissenschaften er forderlich. Das setzt voraus, daß in den einzelnen Wissenschaften, die bei der Lö sung bestimmter Aufgaben Zusammenar beiten sollen, gemeinsame Züge, einheit liche Strukturen und Beziehungen gefun den werden, welche es gestatten, die Re sultate dieser verschiedenen Wissenschaf ten zu einer Synthese zusammenzufassen. Hierbei nun kann die marxistische Philo sophie eine gewisse Hilfe leisten. Da sie in der Weltanschauung in stark verallge meinerter Form wesentliche Resultate aus dem Gesamtbereich des Wissens vermittelt, erleichtert sie es dem Fachwissenschaftler, seine eigene Arbeit in das Gesamtgefüge der Wissenschaften einzuordnen und gibt ihm Anhaltspunkte für die Erkenntnis von Zusammenhängen und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Wissenschaften. In dieser Hinsicht kann die Philosophie eine wichtige heuristische Bedeutung ge winnen, indem sie hypothetisch auf mög liche Gemeinsamkeiten hinweist. Noch ausgeprägter tritt die wissenschaft lich-theoretische Funktion der marxisti schen Philosophie in der Ausarbeitung der erkenntnistheoretischen und methodologi schen Probleme der Wissenschaften in Er scheinung. Die Entwicklung der modernen Wissenschaft hat viele Probleme aufge worfen, die mit dem bisherigen Inventa- rium der Erkenntnistheorie nicht bewältigt werden können. Der hervorstechendste Zug in der modernen Wissenschaft ist die wadisende Bedeutung des theoretischen Denkens. Das hat Konsequenzen für die Erkenntnistheorie: Vor allem kommt es darauf an, noch vorhandene empiristische, praktizistische sowie naiv-realistische Vor stellungen zu überwinden und die dialek tisch-materialistische Abbildtheorie auf der Grundlage der neuen Erkentnisse, welche moderne Neurophysiologie, Kybernetik, In formationstheorie, Neurokybernetik, Semi otik und allgemeine Sprachwissenschaften liefern, weiterzuentwickeln. Von großer Bedeutung ist hierbei die detaillierte Untersuchung des aktiven, schöpferischen und konstruktiven Charak ters der Widerspiegelung im rationalen Bereich der Erkenntnis, im theoretischen Denken. Die wachsende Symbolisierung und Formalisierung des Wissens, die offen- sichtlich eine Gesetzmäßigkeit in der Ent wicklung der Wissenschaften ist, läßt die ganze Problematik der Wissenschaftsspra- ehe, der Verwendung von Zeichen und der Rolle von Zeichensystemen in der Erkennt nis außerordentlich aktuell werden. Eine Grundfrage der Erkenntnistheorie ist hier bei die allseitige Klärung des Verhältnis ses von Zeichen, Abbild und Objekt. Von großer Bedeutung für den Erkenntnisfort schritt ist das stärkere Eindringen der Mathematik in die Wissenschaften, wo durch eine exakte quantitative Erfassung der wissenschaftlichen Objekte möglich wird und zugleich auch eine weitere An näherung der verschiedenen Wissenschaf ten erreicht wird. Eng verbunden mit den erkenntnistheo retischen sind die methodologischen Proble me. Die bisherige Vernachlässigung dieses Aufgabenbereiches der Philosophie hat da zu geführte, daß noch viele Grundfragen ungenügend geklärt sind. Die Tendenz, „Methodologie“ zu einem Modewort zu machen und alle möglichen Fragen, die man früher anders nannte, heute „metho dologisch“ zu nennen, kann allerdings höchstens als Symptom dafür gelten, wie weit dieser Mangel sich bereits im allge meinen Bewußtsein niedergeschlagen hat. Brauchbare Resultate erfordern, daß sol che methodische Verfahren wie Beobach tung, Experiment, Meßverfahren, Modell bildung, Analyse und Synthese, Induktion und Deduktion, reduktive Verfahren, Axio- matik, Begriffsbildung und Theorienbil dung, Schematisierung und Idealisierung, Abstraktion und Verallgemeinerung auf der Grundlage der marxistischen Dialektik und der Erfahrungen der Einzelwissenschaften konkret analysiert werden. Besonders wich tig wäre die Untersuchung dieser metho- dologischen Fragen im Bereich der Gesell- schaftswissenschaften. Indem die marxistische Philosophie diese hier nur kurz umrissenen weltanschau lichen, erkenntnistheoretischen und metho dologischen Aufgaben in engem Zusam menhang mit den Einzelwissenschaften be arbeitet, wird sie ein unentbehrliches Ele ment in der Entwicklung der Gesamtwis senschaft, ein aktives Glied in der wissen- schaftlich-technischen Revolution, durch dringt alle Wissenschaften und fördert ihren Fortschritt. Die politisch-ideologische Funktion der marxistischen Philosophie verbindet diese mit dem gesellschaftlichen Leben, mit den grundlegenden sozialen Prozessen beim umfassenden Aufbau des Sozialismus. Die marxistische Philosophie ist das allgemein theoretische Fundament der Politik der Partei der Arbeiterklasse. Ihre Leitideen durchdringen immer stärker das ganze Leben der sozialistischen Gesellschaft, for men das gesellschaftliche Bewußtsein, die geistige Kultur und die Sozialpsyche in entscheidendem Maße mit. Der dialektische und historische Mate rialismus hat stets seinen politischen Cha rakter betont und unterschied sich in die ser Hinsicht von der bürgerlichen Philo sophie, die — obwohl politisch nicht weni ger engagiert — sich heuchlerisch für un politisch erklärte. Indessen zeichnet sich in letzter Zeit in der bürgerlichen Gegen wartsphilosophie Westdeutschlands ein Wandel ab: Es wird Kritik an der unpo litischen Haltung der Philosophie geübt und ein offenes Bekenntnis zu den politi schen Zielen des Bonner Staates verlangt. Die Ursache hierfür liegt auf der Hand: Genügte es früher, daß die Philosophie sich unpolitisch gab und durch ihren In halt mittelbar die politische Herrschaft der Großbourgeoisie stützte, so reicht das heute, im Zeitalter des erbitterten Ringens zwischen dem sozialistischen und dem ka pitalistischen System nicht mehr aus. Die zur Schau gestellt^ unpolitische Haltung kann zur Indifferenz, ja sogar zur Distan zierung gegenüber der Politik des Mono polkapitals führen, und deshalb fordern solche Wortführer der philosophischen Re aktion wie Karl Jaspers und Theodor Litt von den bürgerlichen Philosophen West deutschlands ein direktes politisches Enga gement. Der Marxismus hat immer den engen Zusammenhang der Philosophie mit der Politik betont. Die philosophischen Ein sichten sind kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, die gesellschaftliche Welt umzuge stalten, sie münden also in die politische Praxis ein. Indessen sind die Beziehungen zwischen marxistischer Philosophie und revolutionärer sozialistischer Politik nicht so einfach aufzufassen, wie das in der Vergangenheit häufig der Fall war. Eine der schlimmsten Auswirkungen des Per sonenkults auf die marxistische Philoso phie war die dogmatische Vereinfachung und Vulgarisierung des Verhältnisses von Philosophie und Politik. Nach dem Schema „wenn sich in der Welt alles entwickelt, dann muß man in der Politik Revolutionär sein“ wurde der Eindrude erweckt, als könne man aus den allgemeinsten philo- PROF. DR. PHIL. HABIL. KOSING, seit September 1964 Direktor des Instituts für Philosophie an der Karl-Marx-Universität, stu dierte in Halle und Berlin Ge schichte und Philosophie, wurde noch vor Abschluß seines Stu diums wissenschaftlicher Assi stent, erhielt später einen Lehr auftrag für Philosophie und war als Dozent tätig. 1953 wurde er an das Institut für Gesellschafts wissenschaften beim ZK der SED berufen, wo er 1960 mit der Dissertation „Uber das Wesen der marxistischen Erkenntnistheo rie" promovierte. Seit 1953 ver öffentlichte er über 50 wissen schaftliche Arbeiten, außerdem ist er an zahlreichen wissen schaftlichen Büchern beteiligt. Seit 1954 ist er Redaktionsmit glied und seit 1956 stellvertre tender Chefredakteur der „Deut schen Zeitschrift für Philosophie"; Gegenwärtig bereitet unter sei ner Leitung ein Autorenkollektiv ein neues Lehrbuch der marxi stischen Philosophie vor. Foto: ND/Schönfeld der Politik ist es notwendig, die Beziehun gen der Philosophie zur Politik differen ziert zu betrachten, denn sie müssen un terschiedlich sein zu den verschiedenen Bereichen der Politik. Die politische Funk tion der marxistischen Philosophie reali siert sich zunächst in der Weise, daß sie als Mittel der Analyse und Erkenntnis der politischen Beziehungen auftritt, die sich notwendig aus den jeweiligen Pro duktionsverhältnissen ergeben. Die Theorie des historischen Materialismus bildet die wichtigste Grundlage, um eine objektive Analyse der Klassenbeziehungen vorzu nehmen und die Tendenzen der künftigen Entwicklung vorauszusehen. Dies ist der feste Boden, von dem aus die marxistisch- leninistische Partei ihre praktische Politik entwickelt. Hier nun wird die Philosophie zur allgemein-theoretischen und methodi schen Grundlage der Politik, der prakti schen politischen Tätigkeit der Partei. Die Kenntnis der Entwicklungsgesetze der Ge sellschaft gestattet es, die Entwicklungs richtung, die Entwicklungstendenzen, die Rolle und das mögliche Verhalten der wichtigsten Klassenkräfte zu bestimmen, und von diesen Faktoren her ist es mög lich, eine richtige politische Linie, eine ak tive schöpferische Politik auszuarbeiten. Die lebendige „Seele“ der politischen Pra xis ist vor allem die materialistische Dia lektik. Die dialektische Methode ermög licht es der Partei, das in der politischen Linie Formulierte richtig anzusteuern und die Methoden, Mittel und Formen des po litischen Kampfes entsprechend den sich ändernden Bedingungen zu variieren. Da die politische Tätigkeit der marxistisch- leninistischen Partei auf wissenschaftlichen Grundlagen beruht, gewinnt sie wesent liche Züge einer angewandten Wissen schaft. Diese Züge verstärken sich beim Aufbau der sozialistischen Gesellschaft, weil hier die Leitung der gesellschaftli chen Gesamtentwicklung, insbesondere die Entwicklung der Wirtschaft, der Wissen schaft, der Kultur und der sozialen Be ziehungen den Hauptinhalt der Politik bilden. Aber die Politik ist nicht nur an gewandte Wissenschaft; sie hat auch eine Verwandtschaft mit der Kunst, denn sie ist stets mit der Fähigkeit verbunden, große Menschenmassen zu führen. Dazu gehört nicht nur Wissen, sondern auch po litisches Können, Fingerspitzengefühl und das Vermögen, in kleinen Symptomen be reits wichtige Veränderungen zu spüren und entsprechend zu reagieren. Schließlich erfüllt die marxistische Philo sophie ihre politisch-ideologische Funktion auch dadurch, daß sie als theoretische Grundlage der politischen Ideologie auftritt. In der politischen Ideologie des Marxismus finden die politischen Beziehungen und die Lebensinteressen der Arbeiterklasse ihre Widerspiegelung, in ihr wird die Arbeiter klasse sich ihrer objektiven Stellung in der Gesellschaft, ihrer grundlegenden Ziele und ihrer historischen Rolle in der Geschichte der Menschheit bewußt. Dieses umfassende politische Selbstverständnis ist nur auf der Grundlage der wissenschaftlichen Einsich ten der marxistischen Philosophie — insbe sophischen Thesen unmittelbar konkrete politische Einsichten ableiten. Zugleich machte sich die Tendenz breit, tagespoliti sche Entscheidungen, die durch die Um stände bedingt waren, mit den höchsten Prinzipien der marxistischen Philosophie zu begründen. Dadurch wurde die Philosophie oft genug zu einer Magd der Tagespolitik degradiert und im Grunde auch ein un- philosophischer Praktizismus gefördert, was sowohl die Philosophie als auch die Politik diskreditieren mußte. Im Ergebnis der Kritik des Personen kults und des Dogmatismus ist diese Vul garisierung überwunden worden. Doch haben manche Philosophen und Vertreter anderer Wissenschaften daraus den fal schen Schluß gezogen, daß es überhaupt falsch sei, die Philosophie eng mit der Po litik zu verbinden. Es entstand eine Ten denz zur Entpolitisierung der marxisti schen Philosophie, die ich nicht nur für falsch und schädlich, sondern auch für aus gesprochen revisionistisch halte. Die mar xistische Philosophie benötigt eine enge Verbindung zur Politik, will sie als Mittel der Weltveränderung wirken — umgekehrt braucht die sozialistische Politik das theo retische Fundament der Philosophie, um nicht in Praktizismus und sogenannte Re alpolitik’ abzugleiten. Notwendig ist nur, daß diese Verbindung auf richtige Weise erfolgt, das heißt dem Wesen der Philo sophie entsprechend. Um die politisch-ideologische Funktion der marxistischen Philosophie näher zu explizieren, müssen wir den Begriff der Politik definieren. Was verstehen wir un ter Politik? Die Politik ist eine komplexe soziale Erscheinung, die in verschiedene Sphären des gesellschaftlichen Lebens hineinragt; sie umfaßt vor allem die Beziehungen zwischen den Klassen und Staaten und die organisierte Tätigkeit und den Kampf der Klassen unter Führung politischer Par teien, um ihre grundlegenden Interessen durchzusetzen. Wir können im Gesamt komplex der Politik drei Bereiche unter scheiden, nämlich erstens: die politischen Beziehungen zwischen den Klassen und Parteien (Innenpolitik) sowie zwischen Staaten und Nationen bzw. Weltsystemen (Außenpolitik), die jeweils ein historisch bestimmtes System bilden; zweitens: die politische Tätigkeit oder praktische Politik, deren Hauptinhalt der Kampf der Klassen und Parteien, der Staaten und Lager um die Realisierung ihrer politischen Ziele, um die Veränderung des Systems der po litischen Beziehungen ist; und drittens: die politischen Ideen und Theorien, die politische Ideologie. Angesichts dieses komplexen Charakters sondere des historischen Materialismus — möglich. Diese weist aus den Entwicklungs gesetzen der Gesellschaft die Unvermeid lichkeit der Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus nach. In diesem Sinne ist der Sozialismus und Kommunis mus die logische Konsequenz der marxisti schen Philosophie — und umgekehrt führt die praktische Entwicklung des Sozialismus notwendig zur Einsicht in die Richtigkeit der marxistischen Philosophie, wie wir das in der Gegenwart an der ideologischen Ent wicklung der jungen Nationalstaaten sehen, die einen sozialistischen Weg anstreben. Indem die marxistische Philosophie in der hier nur kurz ausgeführten Weise ihre poli tisch-ideologische Funktion erfüllt, verbin det sie sich eng mit der sozialistischen Poli tik und dem Aufbau der sozialistischen Ge sellschaft. Durch ihre Wirksamkeit wird sie zu einem Mittel zur praktischen Um gestaltung der Gesellschaft, zu einem aktiven Mitgestalter der sozialen Revo lution. Verbindet die politisch-ideologische Funk tion die marxistische Philosophie in aktiver Weise mit den großen Grundfragen der Neugestaltung des gesellschaftlichen Lebens, mit dem Aufbau des Sozialismus, so knüpft die ethisch-axiologische nun die Verbin dung auch zum einzelnen Menschen und seinem Denken und Handeln. (Unter Axio logie ist die Wertlehre zu verstehen.) Hier kommt es darauf an, die philosophischen Einsichten und Erkenntnisse nicht im Be reich einer das individuelle Leben des Menschen kaum berührenden wissenschaft lichen Weltanschauung zu belassen, sondern sie zu einer entsprechenden Lebenshaltung und Gesinnung werden zu lassen. Zwar hat der Mensch für den Marxis mus immer im Mittelpunkt gestanden, denn das letzte Ziel des Marxismus und der marxistischen Partei ist die Befreiung des Menschen von Ausbeutung und Unter drückung. Der junge Karl Marx schrieb hierüber: „Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Mensdien sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein er niedrigtes, ein geknechtetes, ein verlasse nes, ein verächtliches Wesen ist ..." (Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: Marx-Engels: Werke Bd. 1, S. 385.) Aber hier handelt es sich unmittel bar um die Klassen der unterdrückten und ausgebeuteten Menschen und nur mittelbar um das Individuum. Es gibt ja keinen an deren Weg, den einzelnen Menschen zu befreien, als die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung. Daher war es historisch unvermeidlich, daß der Mensch in der marxistischen Philosophie zunächst in Ge stalt der Arbeiterklasse, der Werktätigen, der Volksmassen im Vordergrund stand. Aber inzwischen haben die historischen Be dingungen sich weitgehend gewandelt. Der Sozialismus hat bereits in einem Teil der Welt gesiegt, und der Aufbau der neuen Gesellschaft rückt nun auch die Probleme des Individuums stärker in den Vorder grund. In den sozialistischen Ländern geht es nicht mehr um die Beseitigung der Aus beutung, sondern vorwiegend darum, wie die individuellen Interessen und Bedürf nisse in Einklang mit den gesellschaftlichen Erfordernissen gebracht werden können. Die Umgestaltung der Lebensbedingungen und der Lebensweise bedeutet, daß die aus der alten Gesellschaft stammende Lebens haltung, Gesinnung und Mentalität, soweit sie noch wirken, in Konflikt geraten mit den neuen Verhältnissen. Die alten Normen des Verhaltens, Gewohnheiten und Sitten werden unter dem Einfluß der neuen so zialen Verhältnisse und der sozialistischen Erziehung entweder überwunden oder sie passen sich an und gewinnen allmählich einen neuen Inhalt. Die im Ergebnis der fortschreitenden wissenschaftlich-tech nischen Revolution sich verändernde Stel lung des Menschen in der Produktion, die Veränderung seiner Arbeitsweise und da mit oft des Sinnes seines Arbeitslebens führen zweifellos zu komplizierten mensch lichen Problemen und Konflikten. Im So zialismus wird der Mensch zum ersten Mal bewußter Gestalter seines eigenen Schick sals. Aber er wird es nur in der Gemein schaft, in die er sich sinnvoll einfügt, der gegenüber er eine bestimmte Verantwor tung trägt und die auf sein Verhalten ein wirkt. Das Leben in der sozialistischen Gesell schaft erfordert eine neue Lebenshaltung und Gesinnung, eine aktive optimistische Einstellung zur Welt, die getragen ist von der Verantwortung gegenüber der Gesell schaft und von dem humanistischen Stre ben, der Menschheit zu dienen. Diese Ein stellung des Menschen schlägt die Brücke von der Weltanschauung zu den Einzel erscheinungen des menschlichen Lebens, sie bewirkt, daß der Mensch sein Denken, Fühlen und Handeln in Einklang bringt mit seiner Weltanschauung. Hier tut sich für die marxistische Philosophie, insbeson dere für die Ethik, ein weites Feld der Wirksamkeit auf, denn das meiste erfolgte in dieser Hinsicht noch ziemlich spontan. Die marxistische Philosophie muß ihre ethisch-axiologische Funktion vor allem auch dadurch erfüllen, daß sie ein neues Wertsystem aufbaut, welches den sozia listischen Bedingungen entspricht und zu einem wichtigen Faktor der Regulierung der Beziehungen des einzelnen Menschen mit seiner Umwelt wird. Die Ideale und Werte, welche die marxistische Philosophie vermitteln muß, sind keine zeitlosen; ewigen abstrakten Wesenheiten. Sie müs sen sich aus den objektiven Entwicklungs gesetzen des sozialen Lebens und den hier mit zusammenhängenden humanistischen Zielen des Sozialismus und Kommunismus ergeben. Sie dürfen nicht einfach die emo tionale Einstellung des Individuums zu den Erscheinungen und Vorgängen seiner Um welt spontan und passiv wiedergeben, son dern sollen selbst rational begründet sein und das emotionale und praktische Ver halten bewußt steuern. Die Ausarbeitung einer begründeten Werteskala wäre für die gesamte politisch-moralische Erziehung von größter Bedeutung. Der Mensch will nicht nur erfahren, daß er etwas tun soll, er will auch begreifen, warum er es soll. In diesem Sinne benötigen auch die zehn Gebote der sozialistischen Moral, die eine gewaltige erzieherische Bedeutung haben, eine Begründung. Die marxistische Ethik bleibt leider noch zu sehr bei einer Phänomenologie der neuen moralischen Beziehungen und Ver haltensweisen im Sozialismus stehen. Aber der Sozialismus bedeutet in gewisser Weise den „Umsturz aller Werte“, das heißt aber vor allem das Entstehen neuer Werte. Sie auf der Grundlage der Weltanschauung des Marxismus zu formulieren und bewußt zu machen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Ethik. Erst auf der Basis einer solchen neuen Werteskala erhalten die Forderungen und Gebote der sozialistischen Moral, die Normen und Maximen des Verhaltens ihre Rechtfertigung und ihren verpflichtenden Charakter für den einzelnen Menschen. Indem die marxistische Philosophie dem Menschen eine umfassende, wissenschaft lich begründete Weltanschauung vermittelt, die ihm objektives Wissen über die Welt als Ganzes (in den bislang erkannten Grenzen) gibt, die ihm das Wesen und den Sinn der in unserer Zeit vor sich gehenden sozialen Prozesse verständlich macht, seine eigene Stellung in diesen Prozessen zum Bewußtsein und sein individuelles Denken, Fühlen und Handeln in Einklang mit ihnen bringt, wird sie zu einem notwendigen Mittel der Orientierung für den Menschen, zu einem Instrument, sein Verhältnis zur Umwelt bewußt zu gestalten. Allein das verhindert, daß der einzelne Mensch sich als Spielball fremder Mächte empfindet, als verlorenes Schräubchen in einem Welt getriebe, dessen Sinn ihm verborgen bleibt. So gibt die marxistische Philosophie dem Menschen das Bewußtsein seiner Menschen würde, weil sie ihm das umfassende Mittel der bewußten Gestaltung seines Lebens gilt. Damit wird die marxistische Philosophie nicht nur vom Standpunkt der wissen schaftlichen, technischen und sozialen Ent wicklung eine ständig wachsende Bedeu- tung gewinnen, sondern sie wird auch für den Menschen der sozialistischen Gesell schaft immer mehr eine Lebensnotwendig keit. UZ 47-48/64. Seite 5
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