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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 5.1961
- Erscheinungsdatum
- 1961
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196100005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19610000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19610000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 5.1961
-
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Band 5.1961
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Von Dr. Helmut Hartisch, Dr. Wilfried Friebel, und Hans Sahre, Institut für Strafrecht der Juristenfakultät Mitte 1960 fand vor dem Schwur- Bericht in Ansbach ein Strafverfah ren gegen den ehemaligen SS-Ge neral Simon statt. Simon hatte im April 1945 drei Einwohner des Dor fes Brettheim standrechtlich erhän gen lassen, weil sie einige Hitler jungen entwaffnet und nach Hause geschickt hatten, um das sinnlose Morden zu beenden und ihr Dorf vor der Vernichtung zu bewahren. In diesem Verfahren trat ein west deutscher Hochschullehrer als Sach verständiger auf. Dieser Mann, der in seinem hohen akademischen Amt die Pflicht gehabt hätte, mitzuhelfen, dieses furchtbare Verbrechen zu süh nen, stellte sich schützend vor die Mörder. Er erklärte dem Gericht, die An geklagten hätten als Soldaten han deln müssen, denn die Aufrecht erhaltung der Disziplin und der Schlagkraft der Truppe habe ein Solches Vorgehen erfordert. Dieser Mann war der Professor des Strafrechts an der Universität Marburg und ehemaliger Kriegs gerichtsrat Dr. Erich Schwinge. Als Hitler begann, die Kriegs maschine zur Verwirklichung der räuberischen Pläne des deutschen Imperialismus aufzubauen, trat auch Schwinge auf den Plan. Schon im Jahre 1936, also nur ein Jahr nach der offen verkündeten Wiederauf rüstung. erschien die erste Auflage seines umfangreichen Kommentars zum Militärstrafgesetzbuch. Durch die Kommentierung des Militärstraf gesetzbuches. und nach ihrem Er laß im Jahre 1938 auch der Kriegs sonderstrafrechtsverordnung mit der berüchtigten Bestimmung über Wehr kraftzersetzung und der drakoni schen Androhung der Todesstrafe, hat Schwinge zum Funktionieren der faschistischen Militärmaschine und Zur Verwirklichung der aggressiven Ziele des deutschen Imperialismus beigetragen. Die faschistische Gerichtsbarkeit war ein unentbehrliches Instrument in den Händen der Nazis, um die Soldaten zum bedingungslosen Ge horsam zu zwingen und die Armee zu einem verläßlichen Werkzeug der räuberischen Pläne des deutschen Imperialismus zu machen. Schwinge schrieb selbst in seinem Kommentar: „Beherrschende Stellung kommt im Wehrstrafrecht demjenigen allgemeinen Gesichtspunkt zu, ohne den der innere Zusammenhalt der Truppe und die Schlagkraft der Wehrmacht nicht ge währleistet werden kann: dem Gedan ken der Manneszucht. Eine Militär strafrechtspflege, welche die Mannes zucht als oberstes Gebot alles militäri schen Lebens aus dem Auge verlöre, brächte den Lebensnerv des militäri schen Organismus in Gefahr.. Der Name Schwinge steht unge schrieben unter jedem Urteil der fa schistischen Kriegsgerichte, denn er hat mit seinem Kommentar die theo retische Linie entworfen, die sie in die Wirklichkeit umgesetzt haben. Er hat sich dadurch mitschuldig gemacht an dem Tode vieler Soldaten, die nicht bereit waren, die Durchhalte parolen der Nazis zu befolgen. Die hohe Auflagezahl dieses Kommen tars — in der kurzen Zeit von 1936 bis 1944 erschienen sechs Auflagen — Und das uneingeschränkte Lob, das ihm gezollt wurde, zeigen, welche Bedeutung er für die Praxis der fa schistischen Militärgerichte gehabt hat. Schwinge war ein bornierter Ver fechter des preußischen Kadaver gehorsams und ein Wegbereiter der nazistischen Ideologie in der Wehr macht. Er verherrlichte die Mannes zucht, das heißt den blinden Gehor sam und die bedingungslose Unter ordnung. und stellte sie über alle an deren „soldatischen Tugenden“ wie z. B. Ehre und Kameradschaft. Schwinge hat dadurch mitgeholfen, die deutsche Jugend reif zu machen für das spätere Massensterben. In seinem Artikel „Manneszucht, Ehre und Kameradschaft als ein Aus legungspunkt“ schrieb er im Jahre 1937: „In der Tat handelt es sich hier um ein Problem auf das der neue (!) Staat seine ganze Aufmerksamkeit richten muß. Es ist der Wille des Nationalsozia lismus, Wehrmacht und Volk in orga nische Verbindung miteinander zu brin gen und darin zu erhalten. Als Schule der Nation soll das Heer für die Volks gemeinschaft eine Quelle der Kraft und Männlichkeit sein, und soll das Volks ganze der Wehrmacht immer neue Lebensströme zuführen. Dieses Ver hältnis lebendiger Wechselwirkung ist aber nur möglich, wenn in der Jugend der Geist völliger Hingabe und Opfer bereitschaft (!) vorhanden ist, so wie er heute besteht.“ „Manneszucht“ statt „unverständlicher Milde“ Schwinge legt seine Doktrin des bedingungslosen militärischen Ge horsams vor allem in seiner Schrift „Die Entwicklung der Manneszucht in der deutschen, britischen und fran zösischen Wehrmacht seit 1914“ dar, die im Jahre 1941 auch vom Ober kommando der Wehrmacht als Tor nisterschrift herausgegeben wurde. Sie ist ein einziger Appell an die faschistische Kriegführung, die „Feh ler“ des ersten Weltkrieges nicht zu wiederholen, sondern rechtzeitig und hart durchzugreifen. Der „unver- ständlichen Milde“ gegenüber Zer setzungserscheinungen in der engli schen Armee hält er begeistert das energische Durchgreifen der franzö sischen Generale entgegen. Als Bei spiel schildert er, wie der französi sche General Maud'huy eine Truppe, die aus dem deutschen Artillerie feuer geflüchtet war, daraufhin im Artilleriefeuer exerzieren ließ, unter der Drohung, jeder Flüchtende werde erschossen. Geradezu diabolisch triumphierend hält Schwinge das Er gebnis dieser „Erziehung der Man neszucht“ hoch: „Beim nächsten Angriff durfte sie (die Truppe — d. Verf.) 200 Meter vor der übrigen Truppe marschieren; ihre Mo ral ließ nichts mehr zu wünschen übrig.“ Das ist es. was Schwinges Mei nung nach auch die faschistische Wehrmacht benötigt. Kann man sei nem Herrn treuer dienen? Und wel che „Fehler“ beging damals die kai serliche Kriegführung? „Der größte Fehler, der trotz aller üblen Erfahrungen in der Heeres geschichte immer wieder zu beobachten ist, besteht darin, daß nicht rück sichtslose Gewalt angewandt wird, um die Widersetzlichkeit niederzuschla gen und den Gehorsam zu erzwingen.“ Damals habe man zu spät gelernt Erst 1918 — nach Herrn Professor ein Jahr zu spät — habe das Kriegsmini sterium den Offizieren befohlen, von der Waffe Gebrauch zu machen und die Gerichte angewiesen, mehr Todes strafen auszusprechen. Er stellt vol ler Genugtuung fest: „Der deutsche Gesetzgeber hat aus den Erfahrungen des Weltkrieges die notwendigen Schlüsse gezogen und dies mal dafür gesorgt, daß Gesetzgebung und Rechtsprechung jeder Möglichkeit der kriegerischen Entwicklung Rech nung tragen können.“ Und er ist befriedigt darüber, daß es das Gesetz ermöglicht, „jeder nur denkbaren Zersetzungshandlung auf das nachdrücklichste zu begegnen“. Er verweist auf den Paragraph 5 a der Kriegssonderstrafrechtsverord nung, der den Strafrahmen auch bei den geringfügigsten Vergehen bis zur Todesstrafe erweiterte, und recht fertigte diese unmenschliche Maß nahme mit dem lakonischen Hinweis: in Zeiten staatlicher und völki scher Not darf nicht Rücksicht auf den einzelnen entscheiden, sondern muß das geschehen, was das Wohl der Gemein schaft verlangt.“ Er hat keinerlei Skrupel und spen det den Faschisten abschließend noch einmal Lob: „Man muß feststellen, daß die Erfah rungen des Weltkrieges bis auf das letzte ausgewertet worden sind. Auch auf diesem Gebiet war die Kriegsvor bereitung vollkommen.“ Die gleiche Ideologie vertritt Schwinge noch in einer Reihe ande rer Publikationen, so z. B. in der Broschüre: „Soldatischer Gehorsam und Verantwortung“ aus dem Jahre 1939. Doch schauen wir weiter, wie Herr Schwinge um die Schlagkraft der faschistischen Armee besorgt ist. Einen Monat vor Ausbruch des zwei ten Weltkrieges schreibt er in der Zeitschrift für Wehrrecht über „Die Behandlung von Psychopathen im Militärstrafrecht“. Es ist aufschluß reich, mit welchem Eifer sich Schwinge bemüht, den Faschisten die juristisch-theoretische Grundlage für Een totalen Krieg an die Hand zu geben. Um ein rigoroses Vorgehen gegen Psychopathen zu ermöglichen, schlägt er vor. den Paragraphen 51, Abs. II, des Strafgesetzbuches, der den Gerichten die Möglichkeit einer Milderung der Strafe bei verminderter Zurechnungsfähigkeit eröffnet, im Militärstrafrecht nicht anzuwenden, obwohl der Paragraph 2 des Militär strafgesetzbuches die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung auf militärische Verbrechen und Ver gehen ausdrücklich vorschrieb. Psychopathen’ dürfen nicht überleben Ohne wissenschaftliche Begrün dung — allein, weil der faschistische Staat es für seine verbrecherischen Ziele braucht — lehnt Schwinge die analoge Anwendung des Paragra phen 51 II StGB im Militärstraf recht ab. Eine Reichsgerichtsentschei dung erläuternd, sagt er: „Die Stellung des nationalsozialisti schen Staates gegenüber den vermin dert Zurechnungfähigen sei grundsätz lich die, daß das neue Strafrecht gegen über den Interessen der Einzelnen die Interessen der Volksgemeinschaft (!) in den Vordergrund zu rücken habe.“ Aber es geht Schwinge letzten Endes gar nicht um die Psychopathen schlechthin: „Ins allgemeine Bewußtsein getreten sind die Schäden, die jene Menschen angerichtet haben, erst nachträglich, seitdem der Ausbruch der November- Revolution ihnen Anlaß gab, die Maske fallen zu lassen und nunmehr offen in Erscheinung zu treten.“ Hier zeigt Schwinge offen, daß es ihm nicht um die Klärung eines strafrechtlichen Problems geht, son dern um die „wissenschaftliche“ Schützenhilfe zur Vernichtung aller politischen und vor allem der konse quentesten Gegner des Faschismus. Welche Beleidigung, welche zynische Verkommenheit liegt doch in dem Bestreben dieses Pseudowissenschaft und unerbittlich; der Herr Professor läßt sich eingehend darüber aus, wie zu verhindern sei, daß zu viele von ihnen überlebten: Es dürfte nicht noch einmal vorkommen, daß (wie im ersten Weltkriege) „der Krieg ,Gegenauslese 1 gegen die guten und wertvollen Elemente unseres Volkes wird, Darwinsche Zuchtwahl im ent gegengesetzten Sinne treibt.“ Deshalb rät er: Rücksichtslose Säu berung der Truppe von diesen Ele menten; keine Entlassung, sondern Dienst in Sondereinheiten; dabei ist „ganze Arbeit“ zu leisten; Entlassung und Verlegung nur in Richtung Front; Arbeiten nur in Frontnähe. Das ist im Grunde nichts anderes als die Anweisung zum politischen Terror, zum politischen Mord; es ist die Übertragung der Konzentrations lager in den Bereich des Militäri schen, es ist deren juristische Recht fertigung. Hinopferung der Jugend ohne Grenzen, totaler Krieg sind die tra genden Gedanken auch in weiteren Publikationen Schwinges. In „Bemer kungen zu Fragen des ärztlichen Operationsrechts“ ordnet er be dingungslos den einzelnen der faschi stischen Kriegführung unter. Schwinge ist auch auf dem Gebiet der allgemeinen Strafrechtstheorie als geistiger Wegbereiter des Faschis mus in Erscheinung getreten. Im Jahre 1937 erschien z. B. die Schrift „Wesensschau und konkretes Ord nungsdenken“ von Schwinge und Zimmerl. Darin legen sie ihre ge meinsamen Auffassungen und Vor schläge dar. in welcher Richtung die faschistische Strafrechtsideologie wei terentwickelt werden müsse, um sie zu einem wirksamen Instrument in den Händen des NS-Staates zur Durchsetzung seiner Politik zu ma chen. Sie sehen die Aufgaben der Strafrechtstheorie darin, „die großen Gedanken der politischen Führung auszumünzen und in das Rechtsleben einzuführen“, das heißt, die Ideologie und die Politik des Faschismus durchzusetzen. Das bringen sie un lers, alle politischen Gegner des Fa schismus als geistig minderwertig zu diffamieren. Der „Wissenschaftler“ behauptet im Geist und Stil des faschistischen Revolverblattes „Der Stürmer“, daß die Führer der Münch ner Räterepublik und des Hamburger Aufstandes zu einem erheblichen Teil Psychopathen gewesen seien. Das hat Methode. Damit bereitet Schwinge den Weg der Gewalt und der Unterdrückung. Und es ist kein Zufall, daß heute ein Strauß in ähn licher Weise die Gegner der Atom rüstung verleumdet und sie zur Ver folgung freigibt. Ganz in die gleiche Richtung lenkt Schwinge die faschi stischen Machthaber in dem erwähn ten Vortrag über die „Manneszucht“, indem er ausdrücklich auf die her vorragenden Arbeiterführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hin weist. Sein Rezept ist: Zusam menfassung in Psychopathen-Kom- panien (die nach alldem nichts ande res sind als Strafkompanien). Das Los dieser Menschen war grausam verhüllt in folgenden Worten zum Ausdruck: „Das deutsche Volk hat die ihm art eigene Organisation im nationalsozia listischen Staat gefunden. Die national sozialistische Weltanschauung, so wie sie in großen Zügen im Parteiprogramm und in den Reden und Schriften des Führers zum Ausdruck kommt, konkre tisiert daher diesen Maßstab für Recht und Unrecht.“ Auf eine einfache Formel gebracht, heißt das: „Führer befiehl, wir fol gen dir!“ Es nimmt deshalb auch nicht wun der, daß für die „Wissenschaftler“ Schwinge und Zimmerl der Volks- gerichtshofhenker Roland Freisler die unumstrittene Autorität auf dem Gebiet des strafrechtlichen Denkens ist und von ihnen wiederholt zitiert wird. Das Auftreten von Schwinge im Prozeß gegen den SS-Mörder Simon und seine publizistische Tätigkeit nach 1945 zeigen, daß er die Lehren aus der Vergangenheit nicht gezogen hat Schwinge ist der gleiche bor nierte Vertreter des preußishenKa- davergehorsams geblieben. Er ist be strebt, die Tätigkeit der Kriegs gerichte zu rechtfertigen und die Kriegsverbrecher zu rehabilitieren. In einem 1950 geschriebenen Artikel packt Schwinge dieses Thema noch ziemlich vorsichtig an. Er schiebt einen Schweizer Diplomaten in den Vordergrund. Indem er dessen Buch zitiert, verkündet er seine Ansichten von einer angeblich verständnisvollen und milden Praxis der deutschen Kriegsgerichte gegenüber Kriegs gefangenen der westlichen Alliierten. Glaubte Schwinge 1950 noch das Ge lände in dieser Hinsicht sondieren zu müssen, so hält er sich 1959 in keiner Weise zurück. In seinem Ar tikel „Die deutsche Militärgerichts barkeit im zweiten Weltkrieg“ geht er ganz offen dazu über, die faschi stische Kriegsgerichtsbarkeit als Ganzes zu rechtfertigen: „In Krisenzeiten, in denen die staat liche Ordnung erhöhten Belastungen ausgesetzt und von der Gefahr des Zu sammenbruchs und der Auflösung be droht ist. kann sich kein Volk mit nor malen Abwehrmitteln begnügen.“ Das ist die faschistische Devise: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Es ist bezeichnend, daß er sich dabei auf den „Bluthund“ der deutschen bür gerlichen Revolution von 1918, Gustav Noske, beruft, der nach seiner Mei nung „ein Mann (war), der von höch stem Verantwortungsbewußtsein ge genüber Staat und Volk beseelt war“ und dennoch für die besondere Situa tion 1919 den rigorosen Erschießungs befehl erteilt habe. Schwinge und Noske — ein treffliches Gespann! Besorgt um die Bundeswehr... Schwinge rechtfertigt die gesamte faschistische Kriegsgerichtsbarkeit, indem er die Behauptung aufstellt, daß die Ungerechtigkeiten nur sel tene Ausnahmefälle gewesen seien. Er schreibt: „Wer jedoch die Dinge (die Vorwürfe der Ungerechtigkeit — die Verf.) unvor eingenommen betrachtet, wird nicht umhin können zuzugeben, daß das in einer aus den Fugen geratenen Welt Ausnahmefälle waren.“ Schwinge wendet die gleichen Me thoden der Geschichtsfälschung an, die von reaktionären Historikern in Westdeutschland zur Rehabilitierung des deutschen Militarismus verwen det werden, nämlich die Lüge von einem angeblichen Widerspruch zwi schen der Armee bzw. der Genera lität einerseits und Hitler anderer seits. Schwinge stellt die Behauptung auf, es habe ein Gegensatz zwischen der Militärjustiz und Hitler bestan den. Hitler habe sogar die Absicht gehabt, die Kriegsgerichte durch Sonderkommandos zu ersetzen — was glücklicherweise hätte verhin dert werden können. Dieser Gegen satz käme auch darin zum Ausdruck, daß Hitler die Teilnehmer des 20. Juli 1944 durch den sogenannten Volksgerichtshof hatte aburteilen lassen und den Kriegsgerichten die „politischen“ Strafsachen entzogen habe. Statt zu helfen, die Wahrheit über den deutschen Faschismus und Militarismus zu verbreiten, hilft Schwinge mit, diese Wahrheit zu verschleiern und damit den revan chistischen und militaristischen Be strebungen in der Bundesrepublik den Weg zu ebnen. Schwinge spielt dadurch heute in der Westzone wie der dieselbe Rolle, die er vor 1945 im Faschismus gespielt hat. Schwinge rührt nicht etwa das Ge wissen. daß er mit seiner Erziehung zum unbedingten militärischen Ge horsam deutsche Soldaten zu Kriegs verbrechern gemacht hat. Er ist viel mehr besorgt, daß Angehörige der Bundeswehr die Ausführung ver brecherischer Befehle verweigern könnten, weil sie mit einer folgenden Bestrafung rechnen müssen. Er schreibt: » .. daß cs auch vom militärischen Standpunkt aus höchst bedenklich sei, den einfachen Soldaten oder Truppen offizier zur Verantwortung zu ziehen, wenn es sich um die Ausführung von Befehlen handelt, deren Völkerrechts widrigkeit nicht klar auf der Hand lag.. Deshalb wendet er sich auch gegen die französische Auffassung über das Handeln auf Befehl und die kollek tive Verantwortlichkeit der in Nürn berg für verbrecherisch erklärten na zistischen Organisationen. Der Fall Schwinge ist symptoma tisch für die Entwicklung in der Bun desrepublik. Er zeigt, daß sich wie in allen Bereichen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens so auch im westdeutschen Hochschulwesen reaktionäre und faschistische Kräfte breitgemacht haben. Leute vom Schlage des Prof. Erich Schwinge, die den Faschismus offen unterstützt ha ben und nicht bereit sind, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, ha ben erneut die Gelegenheit, ihr gei stiges Gift zu verbreiten und einen verderblichen Einfluß auf die aka demische Jugend auszuüben. Im In teresse der friedlichen und demokra tischen Entwicklung unserer Nation ist es notwendig, diese Feinde des ge sellschaftlichen Fortschritts von den Universitäten zu entfernen. Universitätszeitung, 14, 3. 1961, S, 3
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