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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 5.1961
- Erscheinungsdatum
- 1961
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196100005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19610000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19610000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 5.1961
-
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- Ausgabe Nr. 46, 16. November 1
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Band
Band 5.1961
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Eine Persönlichkeit von prägender Kraft Zum 75. Geburtstag von Nationalpreisträger Prof. Dr. Dr. h. c. Theodor Frings, Hervorragender Wissenschaftler des Volkes, Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, komm. Direktor des Instituts für Deutsche und Germanische Philologie Der Weg aller Wissenschaft führt immer H weiter in die Tiefe und in die Breite. Einerseits weist er auf Spezialisierung, Verlangt die Vertiefung unserer Erkennt nisse auf engbegrenzten Teilgebieten. An dererseits müssen die vielfältigen Einzel ergebnisse eingefügt werden in den Aufbau der gesamten Fachwissenschaft und dar über hinaus in das größere Gebäude aller wissenschaftlichen Erkenntnis, wobei nicht selten erst abgerissen und neu errichtet Werden muß. Dazu ist es nötig, über die Grenzen des eigenen Spezialgebietes hin auszublicken. Gerade aus der Berührung mit den Nachbarwissenschaften und auch durch die Verknüpfung scheinbar weit entfernter Sachbereiche ist in den letzten Jahrzehnten manche neue Erkenntnis ge wonnen worden. Keiner kann heute noch alle Spezialfor schung durchdringen, selbst die seiner Fachwissenschaft kaum mehr. Und auch die vielfältigen Beziehungen des eigenen Spezialgebietes zu allen anderen Wissens bereichen zu überschauen, ist wohl kaum mehr einem einzelnen vergönnt; manche Fäden mögen noch unverknüpft geblieben sein. Doch das Wesentliche ist wohl zu nächst nur, daß der Forschende sich der Doppelseitigkeit seiner Aufgabe bewußt ist. daß er die Dialektik von Intensität und Extensivität erkennt und in seinem Schaf fen fruchtbar werden läßt/ daß er seiner seits versucht, in einem speziellen Bereich in die Tiefe zu dringen und daß er sich doch andererseits dabei den Blick freihält für die Bezüge zu den Nachbarbereichen und daß er sich bemüht, seine Ergebnisse und die seines Faches in die Ganzheit wis senschaftlicher Erkenntnisse einzuordnen. Theodor Frings, der am 23. Juli seinen * 75. Geburtstag beging, hat diese Wech selseitigkeit von eindringlicher Kleinarbeit und großzügiger Zusammenschau in sei nem langen Gelehrtenleben von Anfang an Wirksam werden lassen. Da steht neben seiner 1911 bei Ferdinand Wrede am Deut schen Sprachatlas in Marburg entstande nen Dissertation mit den vielfältigen, exakt dargestellten dialektgeographischen Einzelmerkmalen seiner rheinischen Hei mat zwischen Düsseldorf und Aachen sehr bald die Konfrontierung seiner Ergebnisse mit den noch herrschenden junggrammati schen Ansichten von der lautgesetzlichen Entwicklung, die die Sprachwissenschaftler her älteren Generation damals vertraten, und es folgt der programmatische Aufsatz über „Die deutsche Sprachwissenschaft und die deutsche Mundartenforschung“. Da reift die eingehende Beschäftigung mit ein zelnen Lehnwörtern aus altdeutscher Zeit zum weitgreifenden Überblick, der in der „Germania Romana“ und in mehreren Vorträgen geboten wird, darunter in dem zur Wiedereröffnung der Sächsischen Aka- demie der Wissenschaften im Jahre 1948 „Antike und Christentum an der Wiege der deutschen Sprache“. Da tritt zur Behand lung einzelner südniederländischer Mund arten und einzelner Erscheinungen der niederländischen Sprache die gewichtige Einordnung „Die Stellung der Niederlande im Aufbau des Germanischen“. Und da führt die aufmerksame Interpretation und die philologische Detail-Arbeit am lyri schen und epischen Werk Heinrichs von Veldeke, Walthers von der Vogelweide, der Spielleute und anderer mittelalter licher Dichter zum umspannenden Über blick „Europäische Heldendichtung“ und »Minnesinger und Troubadours“, wo der Sogen portugiesische, serbische und chine sische Volksdichtung einbegreift. Theodor Frings hat aber auch als einer der ersten auf unserem Fachgebiet die notwendige Schlußfolgerung aus der un absehbar in die Breite und in die Weite gehenden Entwicklung aller Wissenschafts zweige gezogen und hat sehr früh die Zu sammenarbeit mit anderen Gelehrten ge sucht. Mit niederländischen Forschern ver banden ihn sehr bald gemeinsames Anlie gen und gemeinsamer Weg. Die Zusam menarbeit mit dem Romanisten Walther Bonn seine erste Wirkungsstätte gefunden hatte. Als er dann 1927 nach Leipzig be rufen wurde, wo er auch ein Jahr bei Eduard Sievers studiert hatte, brachte er diese Erfahrungen mit, gründete hier mit Rudolf Kötzschke und dessen Schülern eine neue Arbeitsgemeinschaft und führte sie 1936 zur Herausgabe der Kollektiv arbeit „Kulturräume und Kulturströmun von Wartburg erbrachte wichtige Einsich ten im Bereich der germanischen Lehn wörter im Französischen. Mit dem Slawi sten Max Braun hat er wesentliche Ge meinsamkeiten in den Motiven der alten europäischen Epik aufgespürt. Vor allem aber hat Theodor Frings die Gemeinschaft mit Historikern und Volkskundlern ge sucht; er hat damit der Sprachwissenschaft und der Volkskunde den klar umrissenen historisch-soziologischen Unterbau ge schaffen und hat andererseits dazu beigetragen, daß die Geschichtswissen schaft, die mit Lamprechts wirtschafts wissenschaftlicher Grundlage auf dem gleichen Wege war, den geographischen Aspekt hinzugewann. So ist die Kultur morphologie, die landwirtschaftliche Aus prägung aller territorial-, wirtschafts-, Verkehrs-, kunst- und sprachgeschichtlicher Entwicklungen, zunächst für das Rheinland erforscht worden, wo Theodor Frings in gen im mitteldeutschen Osten“, Diese Tra dition führt heute unter seiner und Rudolf Fischers Leitung die Arbeitsgemeinschaft „Deutsch-Slawische Forschungen zur Na-' menkunde und Siedlungsgeschichte“ mit neuen Zielen und erweiterten Methoden fort. Theodor Frings selbst ist hier auf dem thüringisch-obersächsischen Boden, auf dem die deutsche Schriftsprache ent stand. zu den wesentlichen Problemen der germanischen und deutschen Sprach geschichte weitergeführt worden; in der „Grundlegung einer Geschichte der deut schen Sprache“ haben diese Gedanken ihren Niederschlag gefunden. A ber nicht nur für die extensive Seite, für die enge Verknüpfung mit den For schungen anderer Disziplinen, suchte Theo dor Frings die Verbindung mit anderen Gelehrten. Auch für die intensive Durch dringung des eigenen Faches erkannte er die Notwendigkeit kollektiver Arbeit, weil noch große unbewältigte Stoffmassen der Aufbereitung harrten. Da lagen ihm die textkritischen Ausgaben mittelalterlicher Dichtungen am Herzen, die er zusammen mit mehreren jüngeren Germanisten in Angriff nahm; auch war spätmittelalter- liches Urkundenmaterial durchzuarbeiten. Und dann sind die großen Wörterbuch-Un ternehmungen zu nennen, so die land schaftlichen Mundartwörterbücher, von de nen er das Rheinische 1919 mit aus der Taufe hob und das Obersächsische 1928 mitbegründete, so das Althochdeutsche Wörterbuch, das seit 1952 von ihm und Elisabeth Karg-Gasterstädt in Lieferun gen herausgegeben wird und den gesam ten überlieferten Wortschatz aus dem 8. bis 11. Jahrhundert enthalten soll, so nicht zuletzt das Deutsche Wörterbuch der Brü der Grimm, das unter seiner Leitung jetzt vollendet wurde. Seit der Gründung des Instituts für Deutsche Sprache und Litera tur bei der Deutschen Akademie der Wis senschaften zu Berlin ist er dessen Direk tor. Dort entstehen in gemeinsamer Arbeit vieler erfahrener und jüngerer Germani sten weitere kritische Textausgaben und Spezialwörterbücher, so ein Wörterbuch der Gegenwartssprache, ein Goethe-Wör terbuch, ein Marx-Engels-Wörterbuch, ein Tiernamenwörterbuch. In Zusammenarbeit mit dem Sprachwissenschaftlichen Institut der Sowjetischen Akademie der Wissen schaften wird die Entwicklung der literari schen Norm der deutschen Nationalsprache für die Zeit vom 16. bis 18. Jahrhundert zunächst in monographischen Beschreibun gen und Analysen untersucht, denen dann die Zusammenfassung folgen soll. Überall bei diesen Unternehmungen, auch dort, wo Professor Frings nicht un mittelbar leitend tätig ist, wirkt doch seine Persönlichkeit mit, nimmt Einfluß auf die Kollektivbildung und die Arbeitsintensität. Genauigkeit und Exaktheit im Einzelnen und Kleinen wie Großzügigkeit und Weit blick im Umfassenden und Ganzen bestim men die Atmosphäre. Und nur der besteht vor seinen kritischen Augen, der die Fä higkeit des gedanklichen Zusammenbegriffs verbindet mit größter Gründlichkeit und peinlichster Sorgfalt in der Materialbear beitung. Unnachgiebig achtet er auf Kor rektheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit. Da er aber nichts verlangt, was er nicht selbst vorlebt, fügt sich jeder bereitwillig seinen Ansprüchen. D)ie wissenschaftliche Welt hat sich seiner V Mitarbeit in vielen Gremien versichert. Nachdem er schon vor dem Krieg Sekretär der philosophisch-historischen Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gewesen war, ist er 1946 zu ihrem Präsi denten gewählt worden. Bis vor kurzem war er auch Sekretär der Klasse für Spra che und Literatur und Präsidiumsmitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaf ten und hat mehrere Jahre hindurch alle deutschen Akademien bei der Union Aca- demique Internationale mit Sitz in Brüssel vertreten. Außerdem ist er Mitglied zwan zig anderer Akademien und wissenschaft licher Ausschüsse. Die Auszeichnungen, die ihm zuteil wurden, sind ein Ausdruck des Ansehens, das er sich erworben hat; er erhielt den Nationalpreis, den Vaterländi schen Verdienstorden in Silber und Gold, den Titel „Hervorragender Wissenschaftler des Volkes“ und andere Ehrungen. Die Universität Amsterdam, an der er 1922/23 alg Gastprofessor und von 1923 bis 1927 als Mitglied der niederländischen Staatsprüfungskommission gewirkt hatte, ernannte ihn 1937 zum Ehrendoktor. F ine Persönlichkeit, die zu solchen Lei- —stungen und Anerkennungen gelangt ist, muß eine prägende Kraft besitzen. Doch der Sohn des schlichten Buchbindermei sters, der als Junge in der väterlichen Werkstatt kräftig zufassen mußte und von der Mutter unter drastischen Strafanord nungen zu Ordnung und Sauberkeit an gehalten wurde, der als junger Wissen schaftler auf anstrengenden Erkundungs fahrten die Volkssprache seiner Heimat er lauschte, dem in all seinen Werken die Mundart Mittelpunkt geblieben ist als rein ste Ausformung sprachlicher Wirklichkeit, hat sich dabei Weltoffenheit und Weltver trautheit bewahrt, ist freundlich und zu gänglich geblieben gerade auch für junge Menschen. So ist er auch ein guter Päd agoge und ein stets anregender Lehrer; selbst (und gerade) bei schwierigsten Pro blemen wählt er in seinen Vorlesungen zunächst den induktiven Weg. und überall weist er auf Unbearbeitetes und Ungeklär tes hin. nicht ohne daß er allenthalben die Abrundung anstrebte. Gerade auch in den schweren Jahren nach dem Krieg war er rastlos tätig; als es galt, aus den Trümmern ein neues de mokratisch-humanistisches Hochschulleben aufzubauen, war er einer der ersten, die ans Werk gingen. Aus der unüberschaubaren Zahl seiner Hörer ist eine große Schar von Schülern hervorgegangen, die seiner gerade an die- sem Tag in Dankbarkeit und Verehrung gedenken. Dr. Rudolf Große Glückwünsche des ZK und des Ministerrates Das Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wünscht in einer Grußadresse Prof. Dr. Dr. h. c. Frings noch viele Jahre guter Gesundheit und un verminderter Schaffenskraft. In dem Glück wunschschreiben heißt es u. a.: „In lang jähriger unermüdlicher Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten, besonders aber an der Universität Leipzig, haben Sie eine Generation junger Germanisten herangebildet, die, bestrebt, Ihnen nachzu- eifern, bereit und fähig ist, Ihr Werk fort zuführen und zur weiteren Mehrung des Ansehens der Germanistik der DDR bei zutragen.“ Auch der Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Otto Grotewohl, beglückwünscht Prof. Frings in einem persönlichen Brief und dankt ihm für sein nimmermüdes Wirken, das dem gesellschaftlichen Fort schritt und dem Frieden der Menschheit dient. Glückwünsche der Universitäts-Parteileitung Hochverehrter Herr Präsident! Gestatten Sie. daß wir Ihnen zu Ihrem 75. Geburtstage herzliche Glückwünsche übermitteln. Wir sehen in Ihnen einen Ge lehrten von Weltruf, der als Forscher und Hochschullehrer unserer Karl-Marx-Uni versität mit seiner Persönlichkeit und sei nem Werk zum Ansehen dieser Universi tät und der Deutschen Demokratischen Re publik wesentlich beigetragen hat. Ihre Wirksamkeit im Rahmen der Deutschen und der Sächsischen Akademie der Wissen schaften ist Vorbild einer echten, in huma nistischem Sinne aktiven, Theorie und Praxis verbindenden Wissenschaft. Uns sei auch erlaubt, Ihnen dafür zu danken, daß Sie zusammen mit dem von Ihnen ge schaffenen Arbeitskollektiv Generationen von Lehrern der deutschen Sprache aus gebildet haben. Wir grüßen Sie Zu Ihrem Ehrentage und wünschen Ihnen beste Gesundheit, Erfolg und Freude im wissenschaftlichen und er zieherischen Arbeiten, alles Gute für Ihr persönliches Wohlergehen. Mit dem Ausdrude vorzüglicher Hoch achtung! Hans-Joachim Böhme, Erster Sekretär . „Guten Tag. Entschuldigen Sie bitte, sind die Plätze noch frei?“ — „Guten Tag. Ja bitte sehr.“ Wir setzen uns. Nachdem mein Nachbar, ein Student aus Stuttgart, die offen Betragene Teilnehmerkarte — Reinhard Broddack, DDR — gelesen hat: „Ah, Sie kommen aus Leipzig. Das ist doch drüben. hätte gar nicht gedacht, daß von dort Welche hierher kommen könnten.“ Unsere Bemerkung, daß uns unsere Re- Bierung und der Jugendverband immer Großzügig unterstützen, wenn es darum Beht, daß wir uns die neuesten Ergebnisse der Wissenschaft aneignen, daß sie deshalb einer Gruppe von 16 Studenten verschie- dener Hochschulen unserer Republik er- möglichten, an dieser Tagung teilzunehmen, und daß über 85 Prozent der Leipziger Stu- Renten ein Stipendium bekommen, erstaunt meinen Gesprächspartner sichtlich. „Bei uns an der Universität sind es vielleicht hur 10 oder 15 Prozent, die ein Stipendium ^halten.“ Die Fortsetzung unseres Gesprä- hes — es geht um die Schuld der Bonner riegspolitik auch dafür — wird durch ein Klingelzeichen unterbrochen, welches den Beginn der Tagung ankündigt. Der Ehrendoktor, Graf Lennart Berna- “Otte, Neffe des schwedischen Königs und Schloßherr auf der tropischen Märcheninsel Mainau, eröffnet die vom 26. bis 30. 6. statt- endende 11. Tagung der Nobelpreisträger, IV. Tagung der Chemiker, im Stadttheater der Bodenseestadt Lindau. Er begrüßt unter den Teilnehmern be- sonders herzlich die 17 anwesenden Nobel- Preisträger, von denen 11 über die Ergeb nisse auf ihren Arbeitsgebieten vortragen Werden. In seiner verbindlichen Art gelingt 65 >hm schnell, den gewünschten Kontakt ^i^chen den Laureaten und den etwa 550 Studenten aus Finnland, Frankreich, England, Österreich, der Schweiz, den USA find beiden deutschen Staaten herzustel- en. Unter dem Motto: Kontakte knüpfen zwischen Wissenschaftlern und Studenten find „reiche Ausbeute aus vielen Begeg- nungen" zu erzielen — wie es Graf Berna- Potte jedem Teilnehmer wünschte —, fan- den alle Veranstaltungen statt. Um es vorwegzunehmen, besonders be- eindruckt haben mich neben den Vorträgen ein Diskussionsnachmittag mit den Preis- ragern und die Dampferfahrt nach Mainau, Begegnungen am Bodensee Von Vorträgen und Gesprächen bei der 11. Tagung der Nobelpreisträger in Lindau auf der wir Prof. Dr. Richard Kuhn aus Heidelberg und Prof. Dr. Max Born aus Göttingen zu einem Gespräch eingeladen hatten. Im Gespräch mit Prof. Kuhn stan den besonders Fragen der Ausbildung im Mittelpunkt, während bei Prof. Born haupt sächlich erkenntnistheoretische Fragen der Naturwissenschaften diskutiert wurden. Jede Begegnung mit den Preisträgern war für uns ein neues unvergeßliches Erlebnis. Bei der Begrüßung durch den Lindauer Oberbürgermeister Haas gibt es herzlichen Beifall, als er die Delegation von Profes soren aus unserer Reupblik, die von Staats sekretär Dr. Girnus geleitet wurde, und auch unsere Studentendelegation nennt. Obwohl er sich bemühte, den Namen „DDR“ zu umgehen, mußte er uns seine Anerken nung aussprechen. Die Reihe der wissenschaftlichen Vor träge eröffnet Prof. Dr. Kuhn mit einem faszinierenden Vortrag über das Leben und Werk Jacobus Henricus van’t Hoffs, des ersten Nobelpreisträgers für Chemie (1901). Äußerst geschickt flicht er bei der Dar legung der Bedeutung des van’t Hoffschen Tetraedermodells des Kohlenstoffatoms seine eigenen neuesten Ergebnisse bei der Untersuchung chemischer Umlagerungen, über die er Anfang des Jahres bereits hier in Leipzig berichtete, ein. Besonders beein druckt auch, wie es Prof. Kuhn versteht, van’t Hoffs Liebe zum einfachen Menschen nahezubringen. Begeisterter Beifäll dankt Prof. Kuhn für seinen sehr beeindrucken den Vortrag. Am Nachmittag wandern wir hinaus zum Strandbad Eichwald. Vom anderen Ufer des Bodensees winken die österreichischen und Schweizer Alpen herüber, aber uns locken bei glühender Sommerhitze nur die kühlen Fluten des Bodensees. Im Bad warten schon die Stuttgarter Studenten auf uns, mit denen wir uns in einer Pause des Vortrages am Vormittag verabredet hatten. Nach einer Erfrischung im See läuft dann die Unterhaltung munter fort: Studien ablauf, Lehrbücher, Lebensverhältnisse — und da sind wir auch schon wieder mitten im politischen Gespräch. Hierbei finden wir eine breite Bestätigung zu der Bemer kung eines Studenten: „Wir wollen alle in Frieden leben. Wenn es wirklich zur all gemeinen Abrüstung kommen und ein friedlicher ökonomischer Wettbewerb zwi schen den beiden Systemen geführt würde, wäre das ein idealer Zustand.“ Diese Be merkung kennzeichnet wirklich den Wunsch breitester Kreise der westdeutschen Be völkerung, den Frieden zu erhalten; es wurde auch geäußert im Gespräch mit Hausbewohnern unseres Quartiers und an dern Einwohnern Lindaus. Aus diesem Grunde wird das Auftreten Seebohms auf .Revanchistentreffen auch allgemein verur teilt. Viele Gesprächspartner, und das er füllte mich mit Besorgnis, tun aber diese gefährlichen symptomatischen Erscheinun gen, die ihre Parallele vor 1933 haben, als unbedeutende Einzelerscheinungen ab, die keinerlei Einfluß auf die Entwicklung in Westdeutschland hätten. Diese Gespräche sind für uns eine wichtige Lehre. Es ist eine unserer Hauptaufgaben, allen Men schen in ganz Deutschland zu zeigen, daß der Militarismus in Westdeutschland eine gefährliche Macht darstellt und der Frie densvertrag dringend notwendig ist. Am nächsten Tag sitzen im Theater in der Reihe vor uns einige Freiburgei- Ta Begegnung zwischen Nobelpreisträgern und Studenten bei einer Dampferfahrt nach Mainau. gungsteilnehmer. Sie beginnen mit Dieter aus Jena eine Unterhaltung. Daran betei ligt sich ein „nur englisch sprechender Mexikaner“. Sie versuchen, immer lauter und lauter, uns zu provozieren, indem sie uns als Unfreie und Unterdrückte bezeich nen. Wir werden aufmerksam und brechen die Unterhaltung ab. Die Vorträge wer den gleich beginnen. Zu offenen Gesprächen sind wir in der vortragsfreien Zeit gern bereit, aber nicht zu öffentlichen Tumulten. Abends im Gespräch stellt Peter aus Ber lin dann fest, daß der „Mexikaner“ auch aus Freiburg kommt und recht gut deutsch sprechen kann. Das ist unsere erste Be gegnung mit den Kräften, die uns und viele westdeutsche Studenten von der Wei terführung ehrlicher und offener Gespräche ablenken und neue Kontakte verhindern wollten. Weitere Provokationen startete diese Gruppe unter der Regie eines ge wissen Lincke auf der Damperrückrhrt von Mainau nach Lindau. Wir haben sie entschieden zurückgewiesen. Am Sonnabend, dem 1. Juli, unserem Abreisetag, lasen wir im „Südkurier“, Nr. 148, S. 13. darüber dann den vom Schrsike - ling A. F. D. verfaßten Kommentar: „Sie (yns) über politische Fragen ins Gespräch zu ziehen, mißlang. Sie freuten sich dar über, so sagte einer (keiner von uns hatte ein Interview. R. B.), daß man ihnen vor urteilslos überall begegnet und niemand mit ihnen politische Streitgespräche an fängt. ,Sind wir nicht alle Deutsche? 1 fragte einer. Das ist nicht zu widerlegen.“ Hätte uns tatsächlich jemand gefragt, worüber wir uns freuen, hätte er ja schreiben müs sen: Besonders über den herzlichen Kon takt zu einer ganzen Reihe westdeutscher Studenten, mit denen wir ehrliche und effene politische Gespräche führen konnten, die wertvollen Anregungen durch die wis senschaftlichen Vorträge und Gespräche mit den Nobelpreisträgern; die freundliche Be grüßung und Unterstützung durch die Ta gungsleitung; die herzliche Atmosphäre mit der Lindauer Bevölkerung und nicht zuletzt darüber, daß wir in den Gesprächen die Notwendigkeit des Abschlusses eines Frie- densvertrages und die Lösung der West berlinfrage dar’egen konnten. Reinhard Bredack Universitätszeitung, Nr. 30. 25. 7. 1861, S. 5
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