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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 5.1961
- Erscheinungsdatum
- 1961
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196100005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19610000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19610000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 5.1961
-
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- Ausgabe Nr. 7, 14. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 21. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 28. Februar 1
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- Ausgabe Nr. 11, 14. März 1
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- Ausgabe Nr. 35, 29. August 1
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- Ausgabe Nr. 37, 12. September 1
- Ausgabe Nr. 38, 19. September 1
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- Ausgabe Nr. 40, 4. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 41, 11. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 43, 25. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 45, 8. November 1
- Ausgabe Nr. 46, 16. November 1
- Ausgabe Nr. 47, 23. November 1
- Ausgabe Nr. 48, 30. November 1
- Ausgabe Nr. 49, 7. Dezember 1
- Ausgabe Nr. 50, 14. Dezember 1
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Band
Band 5.1961
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A uf dem 6. Deutschen Bauern kongreß in Rostock nahm der Minister für Landwirtschaft, Erfassung und Forstwirtschaft am 8. Dezember 1960 persön lich die Auszeichnung der Ar beitsgemeinschaft „Belebtschlamm“ des Be zirkes Leipzig mit dem Staatstitel „Ge meinschaft der sozialistischen Arbeit“ vor. Diese Arbeitsgemeinschaft war auf An regung der Bezirksleitung der SED Leipzig ins Leben gerufen worden. Als Mitglieder gehören dieser Arbeitsgemeinschaft an: Prof. Dr. Leibnitz, Dr. Behrens, die Diplombiologen Sattler und Stein vom Institut für Verfahrenstechnik der or ganischen Chemie, Prof. Dr. Wildführ und Frau Dr. Möbius vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Epidemio logie, Prof. Dr. Hussel vom Institut für Staatsveterinärkunde und Veterinärhy giene, Prof. Dr. Leistner vom Institut für Lebensmittelhygiene, Prof. Dr. Voigt vom Institut für Mikrobiologie und Tier- seuchenlehre, Herr Clemen, Mitarbeiter des Rates des Bezirkes Leipzig. Um welches Problem geht es bei der Ar beit des Kollektivs, das den anerkennenden und gleichzeitig verpflichtenden Namen „Gemeinschaft der sozialistischen Arbeit“ trägt? Steigende Viehbestände = größerer Eiweißverbrauch und Geflügelbeständen mit tierischem Ei weiß im allgemeinen urrd besonders im Be zirk Leipzig nicht ausreicht, um die erfor derlichen Leistungen der Viehbestände ent sprechend erhöhen zu können, sah die so zialistische Arbeitsgemeinschaft „Belebt schlamm“ ihre Aufgabe in erster Linie darin, aus dem kommunalen Abwasser ein Eiweißfuttermittel zu gewinnen. Nach Lö sung dieser Frage würde die knappe Ei weißdecke für die Tierernährung nicht un wesentlich erweitert werden können, wenn zunächst alle bestehenden Kläranlagen der biologischen Reinigung dazu ausgenützt würder. und in den nächsten Jahren neu zu errichtende Anlagen von vornherein auf die Gewinnung dieser neuen Eiweißstoffe eingerichtet würden. Im Gegensatz zu den bisherigen Arbeiten auf diesem Gebiet sollte der Schwerpunkt nicht auf der Ge winnung des Vitamin B 12 liegen,' sondern dieses nur als willkommene Aufbesserung des gewonnenen Eiweißes mit in die Füt terung einbezogen werden. Trocknung bei 80 Grad Celsius Nachdem zunächst der bei einer mecha nischen Reinigung städtischer Abwasser an fallende Klärschlamm als Eiweißquelle zur Verfütterung sich als ungeeignet erwiesen hatte, wurde dafür der bei dem biologischen Reinigungsvorgang im Emscher-Brunnen einem Rohproteingehalt in der Trocken substanz von 40 bis 60 Prozent, je nach jahreszeitlichen Verhältnissen, dar. Gleich zeitig wird damit eine Vitamin-B-12-Akti- vität von 5 mg/kg Trockensubstanz gewon nen. Wie nicht anders zu erwarten war, enthielt diese Bakterienmasse die verschie densten Arten spezifischer und unspezi fischer Krankheitskeime, deren restlose Be seitigung bzw. Vernichtung die Hauptfor derung der Tierärzte vor einer Anwendung als Futtermittel war. Mit der Vernichtung dieser Keime durfte jedoch keinesfalls die Qualität des Bakterieneiweißes mit seiner normalerweise 80- bis 90prozentigen Ver wertung durch das Tier vermindert wer den. Zunächst galt es, den mit einem Prozent Feststoffgehalt anfallenden Belebtschlamm durch einen geeigneten technologischen Vorgang so weit vom Wasser zu befreien, daß eine Trocknung während einer halben Stunde bei einer Temperatur von 80° C die Unschädlichkeit für das Tier garantieren konnte. Durch eine Spezialzentrifuge wurde daraufhin der Feststoffgehalt des Belebt schlammes um das Sechsfache erhöht, um anschließend auf einem Walzentrockner haltbar gemacht zu werden. Die Trocknung machte insofern Schwierigkeiten, als es sich herausstellte, daß ein geeigneter Zuschlag stoff notwendig wurde, sollte das Eiweiß nicht seinen hohen Wert verlieren. Die Mit- Die Gewinnung des Eiweißes aus Belebtschlamm erfordert eine intensive und gewissen hafte bakteriologische Arbeit, um Krankheitskeime auszuschalten. Umfangreiche Unter suchungen im Laboratorium waren dazu notwendig. Foto: HBS Die Kollektivarbeit fußte auf den Ergeb nissen der Untersuchungen zur Beseitigung und Verwertung industrieller Klär schlämme, die das Institut für Verfahrens technik der organischen Chemie seit einigen Jahren durchführte. Es wurde damit eine seit einem Jahrzehnt immer wieder von seifen der Tierphysiologen und der Tier ernährungswissenschaftler aufgegriffene Frage der Verwertung von Klärschlamm aus kommunalen Abwassern als Vitamin- B-12-Quelle für die Tierernährung einer Lösung zugeführt. Die bisher zur Lösung dieser Frage beschrittenen Wege zu einer brauchbaren Gewinnung dieser Vitamin- B-12-Mengen waren zum Teil unwirtschaft Eiweiß und Vitamine aus Abwasser für die Tierernährung Aus der Tätigkeit einer „Gemeinschaft der sozialistischen Arbeit“ der Karl-Marx-Universität und der Akademie der Wissenschaften zu Fragen der Belebtschlamm-Verwertung lieh oder führten zu hygienisch minderwer tigen Produkten, deren Verfütterung weder Mensch noch Tier auf längere Zeit zumutbar war. Da jedoch die Versorgung von Schweine ¬ vorhandene sogenannte Belebtschlamm da für ins Auge gefaßt. Dieser Belebtschlamm stellt eine durch starke Umwälzung und Belüftung erzeugte Bakterienmasse mit arbeiter der Arbeitsgemeinschaft fanden diesen Zuschlagstoff am Ort der Trock nungsanlage in frischer Bierhefe. Nach mehreren Versuchen wurde als geeignetes Zumischungsverhältnis von Belebtschlamm und Bierhefe ein solches von 2:3 gefunden. Fütterungsversuche mit Belebt schlamm-Bierhefe-Gemisch Die Untersuchungen des frischen kommu nalen Belebtschlammes zeigten, daß der Belebtschlamm sowohl in seinem Gehalt an B-Vitaminen als auch an der Zusammen setzung der einzelnen Aminosäuren eine weitgehende Übereinstimmung mit der Futterhefe ergab. Die Nährstoffanalyse des getrockneten Belebtschlamm-Bierhefe-Ge- misches zeigte ebenfalls weitgehende Über einstimmung mit der Nährstoffzusammen setzung getrockneter Bierhefe, so daß dieses Futtermittel praktisch der Hefe gleichzu setzen war. Insgesamt wurden auf diese Weise 450 kg getrocknetes Gemisch mit einem Trockensubstanzgehalt von 90 Pro zent gewonnen. Während des Trocknungs prozesses waren entsprechend den Beden ken der Tierärzte laufend Proben gezogen worden und einer Prüfung auf krankheits erregende Keime im Institut von Professor Dr. Wildführ unterworfen. Parallel untersuchungen im Institut für Mikrobio logie und Tierseuchenlehre konnten ebenso wie die Untersuchungen im vorgenannten Institut weder Salmonellen noch irgend welche anderen pathogenen Keime feststel len. Damit stand einem Tierversuch in Form eines praktischen Fütterungsversuches an Schweinen nichts mehr im Wege. Prüfungen mit drei Kontrollgruppen Um die Eiweißwirkung dieses neuge wonnen Eiweißfuttermittels zu prüfen, wurde es in drei Versuchsreihen von je 30 Schweinen in Futtermischungen für Trockenfutterautomaten zugegeben. Ent wurden dagegen acht Prozent getrocknete Bierhefe umgetauscht, um feststellen zu können, inwieweit in dem Belebtschlamm- Bierhefe-Gemisch die Bierhefe in der Wir kung den Ausschlag gibt. Das Ergebnis die ser Fütterungsversuche brachte die Bestä tigung dafür, daß das von der sozialisti schen Arbeitsgemeinschaft „Belebtschlamm“ neuentwickelte Eiweißfuttermittel völlig die Eiweißwirkung von acht Prozent Ei weißkonzentrat übernehmen kann. Im Ge gensatz dazu ist die Bierhefe nicht in der Lage, die gleiche Wirkung zu erzielen. Zur Erzeugung von 1 kg Gewichtszunahme bei Schweinen benötigt man mit dem neuen Eiweißfuttermittel die gleiche Menge Ge treideeinheiten wie mit Eiweißkonzentrat, während Bierhefe 0,32 GE mehr benötigt. Die Bestätigung dieser ersten Ergebnisse wurde durch die beiden anderen Versuchs reihen gegeben, wo überall das Gemisch den vollen Ersatz des Eiweißkonzentrates erbrachte. Schnelle Ergebnisse durch Gemeinschaftsarbeit und Verbindung zur Praxis Mit diesen Fütterungsversuchen war die Qualität des neuen Eiweißfuttermittels be wiesen. Es kam jedoch darauf an, auch den Beweis seiner Unschädlichkeit für das Tier zu erbringen. Zu diesem Zwecke wurden fünf Tiere jeder Gruppe auf dem Schlacht hof Leipzig ausgeschlachtet, die Organe einer eingehenden pathologischen, parasi tologischen und bakteriologischen Unter suchung unterworfen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen ließen keine Unterschiede der Tiere der Versuchsgruppe gegenüber den beiden Kontrollgruppen erkennen. Pa rasitologisch war durch das Belebtschlamm- Bierhefe-Gemisch keine Veränderung oder Häufung von Parasiteneiern feststellbar. Bakteriologisch bestand ebenfalls in keinem Organ eine Häufung von Keimen bei den Die Landwirtschaftsausstellung in Markkleeberg vermittelt allen in der Landwirtschaft Täti gen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und besten Erfahrungen der Praxis. Diese Schweinehaltungsanlage wurde für die Ausstellung neu errichtet. Für 2500 Borstentiere kann das notwendige Eiweißfutter gewonnen werden, wenn die notwendigen Baulichkeiten in der Kläranlage Leipzig-Wahren geschaffen sind. Foto: ZB hielt die Vergleichsgruppe 13 Prozent Ei weißkonzentrat, so wurden in der Versuchs gruppe acht Prozent dieses Eiweißkonzen trates durch das Belebtschlamm-Gemisch ersetzt. In einer zweiten Kontrollgruppe Tieren der Belebtschlammgruppe, und auch die Zusammensetzung der Keime war durch den Belebtschlamm nicht verändert wor den. Pathologisch waren bei den Versuchs tieren keine Veränderungen erkennbar, die auf die Einwirkung von Krankheitserregern schließen lassen könnten. Der Ausschlach tungsversuch bestätigte damit die Ergeb nisse der Untersuchungen des getrockneten Belebtschlamm-Gemisches. Die Zusammenarbeit mehrerer Institute der verschiedensten Disziplinen hat damit innerhalb eines Jahres für die Tierernäh rung ein neues Futtermittel erbracht, das in seiner Eiweißwirkung der Hefe nahe steht und durch seinen Vitamin-B-Gehalt wesentlich zu einer ausreichenden Versor gung von Schweinen mit diesem Vitamin- komplex beitragen kann. Alle in früheren Arbeiten einzelner Institute festgestellten Gesundheitsschädigungen wurden durch die kollektive Zusammenarbeit der verschie densten Disziplinen beseitigt. Die Arbeits gemeinschaft „Belebtschlamm“ im Bezirk Leipzig hat damit als zweite Arbeitsge meinschaft im Bezirk Leipzig auf dem Ge biet der Tierernährung die Staatsauszeich nung erworben und erneut die Tatsache be kräftigt, daß sozialistische Gemeinschafts arbeit schneller zu wissenschaftlichem Fort schritt führt. Die Verbindung dieser Ar beitsgemeinschaft mit der landwirtschaft lichen Praxis bringt praktisch sofort an wendbare Ergebnisse für die sozialistische Landwirtschaft und erübrigt dadurch zei- und geldraubende Überleitungsaufträge. Den Mitgliedern der sozialistischen Ar beitsgemeinschaft „Belebtschlamm“ im Be zirk Leipzig gilt der Dank der Genossen schaftsbauern, denn durch ihre gute Zu sammenarbeit haben sie ein neues Futter mittel geschaffen, das die tierische Produk tion steigern hilft. Nachdem die Wissenschaft ihre Aufgaben gelöst hat, ist die Verantwortung für die Aufnahme der Großproduktion in die Hände des Rates der Stadt Leipzig gelegt' worden. Leider ist durch die saumselige • Behandlung des Projektes durch die zu-, ständigen Organe des Rates der Stadt zur Zeit noch nicht abzusehen, wann größere Mengen dieses neuen Eiweißfutters den landwirtschaftlichen Produktionsgenossen- schafte.n und volkseigenen Gütern geliefert werden können. Zwar sind die Zentrifugen für die Großproduktion bereits geliefert, aber die notwendige Baukapazität wurde noch nicht zur Verfügung gestellt. Es ist zu hoffen, daß der Rat der Stadt Leipzig bald die notwendigen Voraussetzungen für die Aufnahme der Großproduktion schafft. Werden auch zunächst nur 2500 Schweine täglich mit diesem neuen Eiweißfutter mittel versorgt werden können, so ergibt sich aber in der Perspektive durch diese neuen Maßnahmen bei Einführung einer geeigneten, wirtschaftlich tragbaren Tech nologie eine wesentliche Verstärkung unse rer Eiweißvorräte für die Tierfütterung und damit die Möglichkeit höherer Markt produktion an Schweine- und Geflügel fleisch. Dr. E. R. Franke Der Arzt, unsere gemeinsamen Aufgaben und die Ökonomie Diskussionsbeitrag von Oberarzt Dozent Dr. med. habil. Martin Herbst, Verdienter Arzt des Volkes, auf der Universitäts-Delegiertenkonferenz der Gewerkschaft Wissenschaft Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus den vielen wichtigen Problemen, die heute hier erwähnt und besprochen worden sind, möchte ich eines herausgreifen, wel ches für uns alle entscheidende Bedeutung besitzt und auch schon kurz erwähnt wurde. Es ist die Republikflucht, vor allem der Ärzte. An sich ist es ganz unverständ lich, daß gerade Ärzte so häufig unter An gabe irgendwelcher Gründe unsere Repu blik verlassen. Eine eingehende Überprü fung der angeführten Ursachen zeigt, daß keineswegs Einheitlichkeit besteht, im Gegenteil, sie sind außergewöhnlich unter- schiedlich. Sehen wir von den wirklich wenigen Fällen echter Verärgerung ab, er gibt sich, daß oftmals Kleinigkeiten, be langlose Dinge angegeben werden, die nichts zu tun haben mit dem Wesen der ärztlichen Tätigkeit, mit dem Arzttum an sich, beziehungsweise mit dem ärztlichen Ethos. In vielen Fällen hat man den Eindruck, daß der Mangel darin liegt, daß in unge nügender oder auch ungeeigneter Weise mit solchen Menschen gesprochen worden ist. daß es nicht gelungen ist. diesen Menschen das Wesen unseres Lebens ver ständlich zu machen, diesen Ärzten ihre Tätigkeit zu einer Aufgabe zu machen, die mit dem ganzen Einsatz der ärztlichen Persönlichkeit zu lösen ist. Es ist eine große, aber notwendige Aufgabe, jedem unserer Mitarbeiter eine persönliche Bin dung an unsere großen Probleme zu ver mitteln. Noch wichtiger aber erscheint es mir, Bindungen an eine Gemeinschaft zu Universitätszeitung, Nr. 25, 20. 6. 1961, S. 6 erstreben und zu erreichen, welche die vor uns allen stehenden Aufgaben gemein schaftlich zu lösen bestrebt ist. Denn es sind doch letzten Endes gemeinsame Auf gaben und Probleme, die zu meistern sind. Zweifellos ist das nicht leicht. Es steht dem in vielen Fällen ein stark ausgeprägter Individualismus entgegen, der aber nicht mit Gewalt überwunden werden kann, sondern intensive und geschickte Überzeu gungsarbeit verlangt. Es ist doch durchaus im Sinne und zum Vorteil des einzelnen Wissenschaftlers, zur Gemeinschaft zu kommen oder dahin ge führt zu werden. Unser aller Aufgaben bereich wird immer größer und komple xer. Es gibt heute schon in der Wissen schaft eine große Anzahl von Beispielen, wo eine fruchtbare Arbeit nicht mehr von einem einzelnen oder sogar nicht mehr von einer einzelnen Fachdisziplin gelöst wer den kann. Und ähnlich sieht es auch mit unseren Gesamtaufgaben aus. Mag sein, daß einige fleißige und tüchtige Wissen schaftler manchmal den Eindruck haben, sie kämen in ihrer Arbeit nicht voran, wie sie das für wünschenswert und für persön lich möglich halten, weil irgendwelche da für notwendigen Geräte oder sonstigen Voraussetzungen nicht im Augenblick be schafft worden sind. Dazu muß einmal deutlich gesagt werden, daß wir trotz gro ßer Fortschritte, die wir in den letzten Jah ren erzielt haben, nicht im Wölken kuckucksheim leben. In jedem Staat und in jeder Gesellschaftsordnung muß man sich an natürliche Gegebenheiten halten und in den Grenzen des Möglichen bewegen. Ab gesehen davon erfordert unser angestreng ter Aufbau z. B, auch im Gesundheits wesen die Schaffung von Schwerpunkten, die unter Einsatz aller Mittel bearbeitet und vorangebracht werden müssen, wobei unter Umständen weniger wichtige Dinge zunächst zurückstehen müssen. Da die Lö sung der Schwerpunktprobleme letzten Endes allen zugute kommt, sollte erwartet werden können, daß alle daran mitarbei ten. Es soll damit allerdings keineswegs propagiert werden, den Wissenschaftlern eine Zwangsjacke anzuziehen und die ge samte wissenschaftliche Arbeitskapazität vor einige wenige Probleme zu spannen. Es bleibt trotzdem viel für eigene Initia tive übrig. Ich erinnere in diesem Zusam menhang nur an die fast astronomische Zahl erreichenden Mittel, die unser Staat Jahr für Jahr für Forschungsaufträge aus gibt. Was meiner Meinung nach noch recht mangelhaft entwickelt ist, ist der persön liche Kontakt untereinander. Es herrscht unter den Wissenschaftlern noch vielfach eine recht egozentrische Einstellung. Jeder sieht nur sein eigenes Gebiet und hält die ses naturgemäß für das allerwichtigste, während andere Gebiete, etwas übertrie ben gesagt, nur insofern von Bedeutung sind, wenn sie keine Anforderung aps eigene stellen. Es fehlt wohl oft auch hier die Gemeinsamkeit im größeren Rahmen, die Einsicht für die im gegebenen Augen blick wichtigen Fragen und Aufgaben. Es ist in keinem Staat der Welt möglich, alle Gebiete und Fragen zu gleicher Zeit mit der gleichen ökonomischen Intensität zu fördern. Und es ist auch für unseren Staat nach dem letzten Kriege mit seinen ver heerenden Zerstörungen nicht möglich, auf einmal alles wieder aufzubauen. Es kann auch dem einzelnen und der Gemeinschaft nichts geschenkt werden, sondern jeder Fortschritt muß von uns allen zusammen und von jedem auf seinem Gebiet hart vor bereitet werden. Es geht aber schneller, wenn das nach einer große Ordnung, ge gliedert nach der Notwendigkeit, geht und vor allem, wenn es gemeinsam erarbeitet wird. Es geht besser und leichter für jeden einzelnen, wenn es auf der Basis gegen seitigen Verständnisses und gegenseitiger Hilfe geschieht. Um speziell wieder auf die Probleme der Republikflucht von Ärzten zurückzukom men und diese Frage in einen Zusammen hang mit dem Begriff der ärztlichen Ethik zu bringen, möchte ich auffordern, sich ein mal zu überlegen, welche Fortschritte un ser Gesundheitswesen bisher erzielt hat. Es dürfte darin nämlich fast einzigartig in der Welt dastehen. Jedenfalls hat es nichts seinesgleichen in der kapitalistischen Welt. Es setzt uns ärztlich gesehen in die Lage, unsere Sendung in nahezu idealer Weise zu erfüllen. Es gibt niemand mehr, der sozial ge sehen Angst vor Krankheit und ihren Fol gen haben muß. Der Wille zum Helfen und Heilen von seifen des Arztes ist nicht mehr gebunden und abhängig von den finanziel len Möglichkeiten des Kranken. Jedem ist eine optimale Behandlung seiner Krank heit bei finanzieller Sicherheit gewährlei stet. Es gibt beim Arzt keinen Gewissens konflikt mehr, ob er das optimale Mittel gegen die Krankheit oder ein billigeres, nicht so wirksames wegen der wirtschaft- lichen Lage des Patienten verordnet. Ein Krankenhausaufenthalt muß nicht ver kürzt oder abgebrochen werden, weil die Familie nichts mehr zu essen hat, sondern kann so lange ausgedehnt werden, wie es die Heilung der Krankheit erfordert. Ge wöhnt an und verwöhnt von unseren Ver hältnissen können beim Studium auslän dischen Schrifttums unter Umständen Irr tümer unterlaufen. So finden sich im ame rikanischen Schrifttum Angaben, daß man Patienten, die wegen Mitralstenose operiert werden, am sechsten bis achten Tage nach der Operation aufstehen und zehn bis vier zehn Tage danach aus der Klinik gehen läßt. Eigene Nachprüfungen zeigten, daß die ses Verfahren keineswegs zur Verbesse rung der Erfolge beiträgt, etwa in dem Sinne, wie man in der allgemeinen Chirur gie das Frühaufstehen bevorzugt. Es han delt sich dort lediglich um wirtschaftliche Notwendigkeiten. Der Vorteil für den Pa tienten liegt viel mehr darin, ihn nach solchen Operationen fünf bis sechs Wochen fest im Bett zu halten und erst dann auf stehen zu lassen, um allmählich mit einem Belastungstraining zu beginnen. Welcher Sinn steckt dann noch in der manchmal geäußerten Meinung, man müsse hier als Arzt „ausharren“. Es steckt darin ein grober Widersinn, indem sich diese Einstellung noch auf ärztliche ethische Bindungen beruft. Ich habe manchmal den Eindruck, als ob diese Verhältnisse unseres Gesundheits wesens schon zu einer Selbstverständlich keit geworden sind und es vielen gar nicht mehr zum Bewußtsein kommt, in welch wirklich idealer Weise damit die Grund idee der ärztlichen Ethik verwirklicht wird, deren letzter Sinn darin liegt, vorzubeugen, zu helfen und zu heilen, ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf die materielle Lage der Kranken.
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