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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 5.1961
- Erscheinungsdatum
- 1961
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196100005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19610000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19610000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 5.1961
-
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Band 5.1961
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schlag der Dispatcherausbildung der ihm den Lebensmut PORTRÄT EINES JUNGEN MÄDCHENS Foto: Wittwer Der Lehrer der Hans-Joachim Ruckick Universitätszeitung, Nr. 20, 16. 5. 1961, S. 6 Kontrastierung der beiden Ebenen und die schleifungen, die es zwischen beiden gibt, die einzige Figur, die Jutta lernen wir nur Herberts kennen. Da- nicht exakt auf die Funktion abgestimmt, sie jeweils haben. So wirkt zum Beispiel Brechtzitat in dem oben wiedergegebenen innere Monolog birgt zwar die Gefahr Subjektivierung. der Entfernung von jektiver Darstellung, da alles nur auf eine Gestalt und ihre Empfindungen zogen ist. Doch dem sucht Bräunig zu Es war die als Frühling Menschen in die Und Am nächsten Tag war für die Stadt der Krieg zu Ende. mit ist sie subjektiv verfärbt, ja verzerrt. Mehnert ist kaum im Umriß als Charakter angedeutet. Er ist kaum die Skizze einer lebendigen Gestalt. Auch Schwester Ruth wird uns nur so vermittelt, wie sie Her bert erscheinen kann. Ihr Bild wird durch ihr Handeln, ihre ständige Anwesenheit geformt. Kein optischer Eindruck wird von ihr wiedergegeben. In der Erzählung „Weil dich das Leben braucht“ stellt Werner Bräunig einen Berg bauingenieur dar, der durch einen Unfall sein Augenlicht verloren hat. Dieser In genieur ist ein sehr aktiver und tatkräftiger Mensch. Deshalb trifft ihn dieses Verhäng nis mit großer Härte. Alle Beziehungen er weisen sich für ihn unter dieser Belastungs probe als fragwürdig. Voller Verzweiflung geht er nachts aus dem Haus, um sich von der Brücke in den Fluß zu stürzen und so seinem Leben ein Ende zu setzen. Kurz vor dem entscheidenden Schritt überwindet er aber seine Hoffnungslosigkeit und kehrt um. Am Ende wissen wir: Er wird ins Leben der Gesellschaft zurückfinden, weil ihn das Leben braucht. So etwa könnte man die Fabel Bräunigs als Erzählung skizzieren. die das Ab- Ver- sind der ob- die be- be- ihr Ringen darum, zurückzugeben. • Herbert Beier ist plastisch erscheint, aus der Erinnerung „Mensch, Binder, verstehst du denn nicht? Du bist hier Lehrer, du hast einen großen Einfluß, du mußt deine Schüler zusammen rufen. Sag' ihnen, daß... nun, daß ihr einen Ausflug machen wollt“, er lachte über seinen Witz und fuhr dann fort, jedes Wort betonend, „die besten werden heraus gesucht und dann geht’s nach vorn, an die Front.“ Binder erschrak. „Also auf die Schlachtbank ...“ „Was heißt hier Schlachtbank? Im Kriege werden aus Männern Helden und aus Jun gen Männer. Also, morgen früh acht Uhr vor der Schule.“ Und jetzt hastet Binder durch die Stra ßen. Er spürt nicht den feinen Regen und den Wind. Nur ab und zu horcht er. Manch mal war das Einschlagen der Geschosse zu hören, noch fern, aber doch schon deutlich. Die Front rückte näher, langsam, aber un aufhaltsam. Schüler. Er mußte mit ihnen sprechen, er mußte sie warnen. Er hatte sich alles gründlich überlegt; auch er hatte einen Sohn, ja, und darum mußte man doch etwas dagegen tun. „Noch ist die Stadt nicht ganz umzingelt, dazu fehlt es an Leuten. Vielleicht können die Schüler noch heraus aus der Stadt. In den Dörfern gibt es genug Schlupfwinkel, dazu haben sie. keine Zeit. Freilich, die Mütter werden’s dann schwer haben, Väter gibt’s ja schon nicht mehr“, murmelte er dann. Er schlief nicht in dieser Nacht. Er dachte nach, er schrieb, denn er wußte, was kom men würde. Aber die Stadt verlassen, das wollte er nicht. Am Morgen wußte er, daß die meisten Kinder aus der Stadt heraus waren; nicht alle, denn einigen konnte er es nicht sagen, aber doch die meisten. Er atmete tief und langsam, wie zum Ab schied. Die Uhr tickte unaufhörlich, und jedes Ticken war ein Schritt zum Ende. Kurz vor halb neun kamen sie; er trat ihnen entgegen, ruhig und gefaßt. Sie wußten schon. „Es geht schneller“, dachte er. Sie stießen ihn hinaus. Der Motor sprang an, wenig später hielt das Auto. Er lächelte, als er starb. deren schlichte stehend erkannt Lösung des zen- der zugleich der Zeit, die auf dem Kalendefr bezeichnet wird. Aber die dieser kleinen, schmutzig IN DER FOTOSCHAU nannte Willi Tank dieses Bild, das er, ebenso wie Bernd Wittwer das Mädchenporträt, zum künstlerischen Wettbewerb der Karl-Marx-Universi tät einsandte. Es ist eine Besonderheit dieser Erzäh lung, daß sie stark darauf abgestimmt ist, Charakterskizze einer einzigen Figur' zu sein, nämlich Herbert Beiers. Dies wird auch durch den Aufbau, durch die Kompo sition unterstützt. Als auffälliges Stilmittel wird ein ständiger Wechsel der Erzähl- ebene gebraucht. Bräunig setzt mit einem inneren Monolog ein, einem stummen Selbstgespräch Herbert Beiers, in dem aus den hin und her springenden Gedanken und Erinnerungen die Situation gezeichnet wird, in der sich der Blinde befindet. Dann erfolgt der Sprung auf die Ebene des be richtenden Erzählers. Er stellt dar, wie Herbert mit der Schwester Ruth im Park spazieren geht. Der Wechsel des Standorts führt auch zum Wechsel in der sprachlichen Stilebene. Die Be richtssprache des Erzählers wechselt häufig mit dem umgangssprachlich eingefärbten Erinnerun gen Herberts und den wörtlichen Reden, die ebenfalls umgangssprachlichen Einschlag haben. Dieser Wechsel ist Bräunig meines Erachtens nicht vollständig gelungen. Da gibt es Nach lässigkeiten. Da ist nicht genau gearbeitet. Die zu machen. Dank der Trotz dieser Einschränkungen erscheint mir diese Erzählung als eine wertvolle Be reicherung unserer Gegenwartsliteratur. Besonders gilt das für den aufgegriffenen Konflikt: Wie realisiert sich die Forderung, daß im Mittelpunkt unseres Handelns und Wirkens der Mensch stehen soll? Hier zeigt sich in der Problematik eine gewisse Ver wandtschaft mit Arbusows „Irkutsker Ge schichte“, obwohl Bräunig, als er seine Fabel entwarf, dieses Stüde noch nicht kannte. In beiden Werken geht es darum, daß der sozialistische Mensch sich nicht als Rentner, sondern als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft betrachtet sehen will (oder soll). In der Gestaltung experimentiert Bräu nig mit Mitteln, die von der bürgerlichen Literatur voll entwickelt worden sind, als die Bourgeoisie als Klasse bereits nicht mehr progressiv war. Bräunig überprüft, in wieweit solche Formen (wie etwa der innere Monolog) neue Inhalte tragen kön nen. inwieweit sie Mittel sind, diese neuen' Inhalte besser, angemessener zum Aus druck zu bringen als die traditionellen des reinen Berichtens. Ich glaube, daß dieses Experiment gut und nützlich ist. Der Dieser Schluß fällt in der Gestaltung gegen über dem Anfang stark ab. Hier sind die sprach lichen Wendungen oft recht abgegriffen und konventionell. Die letzten drei Absätze entspre chen durchaus nicht der Höhe, die sonst das Ganze hat. lieh gestaltet hat? Die Genossen versagen, Parteilose setzen die Linie der Partei durch. Das könnte man verschieden beant worten. Man könnte sagen, das ist eine Disproportionierung, denn natürlich sind es im allgemeinen zunächst die Genossen, die die Linie der Partei durchsetzen und ver wirklichen. Man kann aber das Beispiel auch anders interpretieren: die Grundfor derung der Partei fällt so sehr mit der Menschlichkeit zusammen, daß nicht nur die Genossen, sondern alle, die wahrhaft menschlich handeln, die Forderungen der Partei erfüllen helfen. Herbert Beier stellt sich in dem kritischen Augenblick, als er auf der Brücke steht und schwankt, ob er Tod oder Leben wählen soll, die Frage: Wer ist die Partei? „Brauchen sie ihn denn nicht mehr? Einer hat gesagt: Es ist unmöglich, Genosse Beier. Du mußt begreifen! Hier kann dein Platz nicht mehr sein. Der Parteisekretär Mehnert hat das gesagt. Der Mensch Mehnert, der Fehler hat und Unebenheiten und Mängel. Aber ist der Genosse Mehnert die Partei? Vielleicht hat Mehnert recht, und Herbert Beier wird einen anderen Platz Anden müssen. Warum soll er keinen an deren Platz finden? Vielleicht irrt er aber auch, der Genosse Mehnert. Herbert Beier denkt dar über nach, was ein .Kollektiv ist. Haben sie nicht im Kollektiv darüber beraten, was aus ihm wer den soll, in der Leitung? Setzt sich denn nicht immer der Bessere durch im Kollektiv, oder das Bessere, das Stärkere, das Klügere? Das war die Meinung des Kollektivs. Aber ist ein Kol lektiv unfehlbar? Tausende und Tausende sol cher Kollektive, solcher Menschen — daraus wird das Ganze. Die Partei aber hat tausend Augen, denkt Herbert Beier. Das Bessere setzt sich immer durch, das Neue. Aber es setzt sich im Kampf durch, unter Rückschlägen, Widersprü chen, Irrungen. Das hier ist sein .Kampf. Das sind seine Rückschläge und Widersprüche und Irrungen. Man' muß bei sich selbst anfangen. Auch der Fehler der anderen wächst ins Un geheure, wenn man ihm entgegenkommt, wenn er dich bereit findet, auf ihn einzugehen.“ (NDL 1 1960, S. 73). Dieser Abschnitt ist der ideelle Kern der Erzählung. Die Parteilichkeit realisiert sich in der Hauptfigur. Herbert Beier ist Ge nosse. Er ringt sich dazu durch, seine Ver zweiflung zu überwinden. Er vermag das, weil er an die Partei und an das Mädchen Ruth denkt, an ihre Verantwortung und an schnitt nicht verstärkend, sondern abschwächend. Die Montage von bekannten Denkformeln, in nerhalb deren das Brechtzitat („Die Partei aber hat tausend Augen“) das einzige Bild ist, zeigt nicht, die lebendig aktivierende Wirkung der Partei, gibt nicht den Reichtum wieder, den die Bindung zur Partei in einem Genossen darstellt, sondern erweckt eher durch den sprachlichen Schema tismus einen Eindruck innerer Leere. Das ist aber vom Autor an dieser Stelle schwerlich beabsichtigt. Daß hier aber nicht nur ein flüchtiger Entwurf vorliegt, erweist der abgewogene und gut durch dachte kompositorische Aufbau. Der mehrfach erwähnte innere Monolog gibt die Exposition. Dann folgt als erster Hauptteil der Spaziergang im Park. Eingefügt ist darin als Erinnerung die Geschichte Juttas in ihren Hauptstationen, ferner ein zufällig belauschtes Gespräch mit Ärzten über seinen Zustand und — zur Charak terisierung Herberts — ein Lebenslauf in Stich worten. Der zweite Hauptteil umfaßt den Besuch im Betrieb mit der Parteigruppenversammlung, der eine Zuspitzung des inneren Konflikts bringt. Der dritte Hauptteil enthält, den Gang zur Brücke, die Krise und den Rückweg. Hier tauchen die Probleme, die bisher bildhaft ge staltet wurden, in der gedanklichen Verarbei tung auf. Hier werden sie unmittelbar aus gesprochen. Zugleich versucht Bräunig als Kon trast dazu die akustischen und die Geruchs- Wahrnehmungen des Blinden in der nächtlichen Stadt, verwoben mit seinen Empfindungen und Gedanken, darzustellen. Leider ist das Ganze nicht völlig ausgewogen und durchgearbeitet. Es finden sich gerade in diesem Teil neben stärksten Partien die größten Schwächen. Es schließt sich der Schluß an: die Heimkehr, die zweite Begegnung mit Mehnert, der noch spät abends gekommen ist, um Herbert den Vor- „Einen Ausflug machen“, hört er Stimme, „und sie werden Helden!“ dann noch: „Morgen früh, acht "Uhr!“ Und jetzt wollte er zu den Eltern Schließlich wird hier auch Schwester Ruth ausgedrückt, Größe Herbert auf der Brücke hat. Endlich mündet es in die tralen Konflikts, in den Titel, Schlußsatz ist. gegnen, indem er den Erzählerbericht kon- trastrierend dagegen einschaltet und stän dig die Erzählebene wechselt. In der Proportionierung ist das Ganze noch nicht gelungen. Auch in der sprach lichen Abstimmung gibt es noch manche Schwächen und Flüchtigkeiten. Die Erzäh lung würde es verdienen, daß sie genauer durchgefeilt wird, um Stoff und Fabel wirk samer zur Geltung zu bringen. grauen, aber doch auch schönen Stadt an der Ostseeküste schienen ihn nicht zu be merken. Ihre Gesichter waren blaß und ängstlich. Die Straßen waren ausgestorben; von den Dächern tropfte eintönig der Regen. Nur ein Mann ging eilig die Straße hinauf. Seine Schritte hallten auf dem Bür gersteig. Obwohl es noch kühl war, trug er keinen Mantel, kalter Schweiß lief über seine Wanken und seinen Rücken. Wie war das doch noch heute morgen? Der SS-Mann hatte, gesagt: „Ich befehle es! Ich befehle es dir, hörst du? Meinst du, wir wollen allein krepieren, in euerm dreckigen Nest? Glaubst du das etwa?“ Er sagte „du“, denn sie waren einmal Schulkameraden gewesen. „Die Stadt muß gehalten werden, so lau tet der Befehl. Und dazu brauchen wir Ver stärkung!“ Lehrer Binder saß gebannt auf seinem Stuhl, bleich und zusammengefallen. Er sah plötzlich sehr alt aus. Hätte er nicht „Für Führer und Vaterland“ den rechten Arm verloren, wäre er vielleicht noch an der Front. „Oder auch schon krepiert“, dachte er. Der SS-Offizier sah ihn lange an. dann sagte er: Veröffentlicht unter der Lizenz-Nummer 65 des Kates des Bezirkes Leipzig. - Erscheint wöchent lich. - Anschrift der Redaktion. Leipzig C 1, Ritterstraße 26, Fernruf 77 71; Sekretariat Appa rat 264. Bankkonto 513 808 bei der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. - Druck: Lvz-Druckerci „Hermann Duncker“. Leipzig C 1. Petersstein: weg 19. — Bestellungen nimmt jedes Postamt entgegen. Ein ungewöhnliches Ereignis wird hier gestaltet. Kann dieser Sonderfall eines Blinden Gültiges über unser neues Leben, über den neuen Menschen aussagen? Kann er stellvertretend für unser neues Leben stehen? Ist hier etwas Typisches gestaltet? Wer die Erzählung gelesen hat, wird diese Fragen bejahen. Er wird empfinden, daß hier neue Qualitäten im Bereich des Ethi schen, in den Beziehungen der Menschen untereinander gestaltet worden sind. Wenn man als typisch das Neue betrachtet, kann auch ein extremer Sonderfall, wie er hier behandelt wird, die neuen Beziehungen, die sich in unserer Gesellschaft entwickeln, sichtbar machen. Man möchte beinahe sagen, ein solcher Fall ist sogar besser da für geeignet als ein alltägliches Geschehen. Bräunig stellt uns in seiner Erzählung vier Charaktere vor. Der Hauptcharakter, um den sich das Ganze aufbaut, ist der Blinde, der Ingenieur Herbert Beier. Als zweite Gestalt wird üns seine Braut Jutta, eine Sprengstoffchemikerin, vorgeführt. Sie ist wie Herbert Beier Mitglied der Sozia listischen Einheitspartei Deutschlands. Fer ner lernen wir die parteilose Kranken schwester Ruth kennen, die den Blinden betreut. Schließlich tritt, freilich nur in Umrissen, der Parteisekretär Mehnert in Erscheinung. Die Art der Charakteristik deutet schon an, daß es hier um die Be deutung der Partei geht, darum, welche Rolle die Partei für die neuen ethischen Beziehungen spielt. Das eigentliche Anliegen der Erzählung ist die Frage: Wie realisiert sich die Forde rung der Partei, daß im Mittelpunkt der Mensch stehen solle, in einem solchen Falle? Wie wird der Mensch, das Indivi duum Herbert Beier behandelt? Wie ver hält sich die Partei, wie verhalten sich die einzelnen Mitglieder der Partei, die uns ge zeigt werden, zu dieser Forderung? Bräunig macht sich die Sache nicht ein fach. Er läßt die Verlobte, die Genossin Jutta, völlig versagen. Sie hatte einen Men schen kennengelernt, der voller Energie und Tatkraft ist. der genau weiß, was er will, der in seinem Beruf aufgeht und frei und unbefangen dem Leben gegenüber steht. Und sie findet nach dem Unfall einen Menschen, dem nicht nur das Augen licht zerstört ist. Jutta hat nicht die Kraft, ihm ihr Erschrecken ihr Entsetzen zu ver bergen. Sie bricht zusammen, schluchzt an seinem Bett. Dann verläßt sie ihn. (So in der vorliegenden Fassung. Im Szenarium des Fernsehspiels hat Bräunig diese Ge stalt verändert.) Dieses Versagen ist stark als Erfindung, denn hier wird gezeigt, daß es zweierlei ist, die Grundsätze der Partei anzuerkennen, sieh zur Partei zu bekennen, und unter stärkster Belastung dann auch danach zu handeln. Die Mitgliedschaft zur Partei verbürgt noch nicht, daß man so handelt, wie es den Forderungen der Partei entspricht. Hier brechen Widersprüche auf, Konflikte, die die Fabel anziehend und interessant machen. Bedenklich ist freilich, daß auch das zweite Parteimitglied, der Parteisekretär Mehnert, versagt, wenigstens sich nicht in dem Maße bewährt, daß er hier im entscheidenden Augenblick helfen könnte. Er kann, als es darauf ankommt, dem blinden Genossen nicht sagen: Wir brauchen dich, wir haben eine Aufgabe für dich. Er muß Herbert Beier mitteilen, daß die Parteigruppe zu der Meinung ge kommen ist. einen blinden Ingenieur kann man im Betrieb nicht brauchen. Alle wis sen. der Genosse Herbert Beier muß eine Aufgabe bekommen, die ihn ausfüllt. So weit kennt man ihn. Aber sie finden am Ort. im Betrieb keine Möglichkeit, ihn zu beschäftigen. Dieses doppelte Versagen wirft die Frage auf, ob hier die Proportio nen gewahrt sind, ob hier ein richtiges Bild von den Mitgliedern der Partei ent stehen kann? Herbert Beier ist von dieser Eröffnung tief, ja vernichtend getroffen. Er fühlt sich ausgeschlossen, zurückgestoßen, überflüssig, als einer, der nur von der Gesellschaft nimmt und ihr nichts zurückgeben kann. Nur ein Mensch erfaßt, wie schwer ihn dieser Schlag wirklich trifft, das ist die Krankenschwester Ruth. Bräunig zeichnet sie als einen Menschen mit tiefem Berufs ethos. pflichtbewußt, ihrer Aufgabe verbun den. Sie erkennt, was Beier fehlt. Sie selbst ist nicht politisch interessiert. Sie geht zwar zu Gewerkschaftsversammlungen, be sucht sie aber ungern und kümmert sich wenig um die dort aufgeworfenen Pro bleme. Jetzt aber erkennt sie. daß ihr Patient, der Genosse Herbert Beier, die Hilfe der Partei braucht. Sie, die Partei lose. geht zur Parteigruppe und fordert, daß Herbert eingeladen wird. Und damit verwirklicht sie in diesem Falle besser als die Genossen die grundsätzliche Aufgabe, für den Menschen zu sorgen und ihn er Gesellschaft zu erhalten. Bei einer zweiten Gestalt bleibt es offen, ob sie der Partei angehört oder nicht. Es ist die Frau des Parteisekretärs. Auf jeden Fall steht auch sie außerhalb der Parteigruppe des Betriebes, Sie kommt auf den Gedanken, daß man Herbert doch als Dispatcher aus bilden und im Betrieb einsetzen könne. Kann man sagen, daß. bei dieser Sach lage der Autor unsere Wirklichkeit partei Bemerkungen zu Werner Bräunigs Erzählung „Weil dich das Leben braucht“ / Aus einem Vortrag von Dr. Siegfried Streller, Institu t für Deutsche Literaturgeschichte
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