Volltext Seite (XML)
tierteste aller Musikstücke — formell und inhaltlich sogar vielleicht das vollendetste Stück der ganzen Partitur, auch im Rah men eines ernsten sinfonischen Programms noch beste Figur macht! Diese Sommernachtstraum-Musik wirkt, wenn sie als selbständige Suite im Konzert saal aufgeführt wird, ungleich stärker, als wenn sie als Bühnenmusik im Gefolge Shakespeares erscheint, wo ihr weder seitens der Aufführenden noch von den Hörenden die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die ihr gebührt. Daß im Konzertsaal nicht all das, was in der Partitur noch figuriert und rein zur Unterstützung der Szene gehört (Rüpeltanz, Elfentänze usw.), am Platze ist, ist selbstverständlich — es würde auf dem Orchesterpodium wirkungs los verpuffen. Sdiumanns 4. Sinfonie in DsMoII Auch Schumann gehört nicht — wie schon erwähnt — zu den ganz Großen der Romantiker, die Bewunderung abzwingen und über deren Werken man den Schöpfer vergißt. Schubert und Weber wuchsen über ihre Persönlichkeit hinaus und betraten die Schwelle der Unendlichkeit. Schumann war dort groß, wo er die individuellen Schranken seiner Natur nicht überschritt. Diese seine Natur aber war im höchsten Maße fein, poetisch-empfindend, phantasie voll und gütig. Nicht zuletzt sind es nun gerade diese Güte und dieser Adel seines Charakters, die seiner Musik den ihr eigen tümlichen Stempel aufdrücken. Im intimen Kreise äußert sidi Güte meistens lieber, als vor der großen Welt. Vielleicht war Schu mann gerade darum der große Klein künstler (der Meister des Liedes und der Klavierkomposition), als der er uns liebens wert und fast unübertroffen ist. Hier ist er eine Welt für sich. Und der Sinfoniker Schumann! Hier soll man nicht Vergleiche ziehen — etwa mit den drei großen „B“ (Beethoven, Brahms, Bruckner). Aber warum an einem blühen den Garten vorüber gehen, weil ein ge waltiges Gebirge dahinter sichtbar wird. Und welchen erquickenden Duft dürfen wir atmen, wenn wir in Schumanns Garten lustwandeln. Schumanns Sinfonien haben heute noch ihre volle Frische, trotz der mangelnden Monumentalgröße (letztere haftet eigentlich in sinfonischem Sinne nur seiner grandiosen „Manfred‘‘-Ouvertüre an, wo der romantische Träumer zum prophe tischen Seher wird und uns im Innersten packt). Mögen strenge Richter im sinfo nischen Stil manches bei Schumann mit einigem Recht bemängeln: der Reichtum der Gedanken, der frisch dahinströmende Fluß und die glückliche lebenswarme Stimmung des Ganzen sind unverwüstlich, die herr lichen Melodien der getragenen Sätze, die prächtigen Scherzi bilden — einzeln heraus gegriffen — herrliche Blüten im unsterb lichen Kranze, der des Meisters Stirn schmückt. Schumanns 4. Sinfonie in D-Moll — eigentlich ist es die zweite, da sie. bereits kurz nach der ersten Sinfonie (in B-Dur) komponiert wurde, aber erst als letztes sin fonisches Werk im Jahre 1841 heraus gegeben wurde — hat die besondere Eigen tümlichkeit, daß sie „durchkomponiert“ ist: d. h. die einzelnen Sätze sind ohne Pausen verbunden und stellen auf diese Weise ein einheitliches Ganzes dar. Schumann hat diese Sinfonie in Düsseldorf „leider" um- gearbeitet. Gegen den Willen von Clara Schumann führte Franz Wüllner (der Vater des Rhapsoden) im Gürzenich in Köln die Originalfassung vor, worauf ihm Brahms schrieb: „Ich linde es nun einmal entzückend, wie das lieb liche Werk auch sofort im lieblichsten angemessendsten Gewände da war Daß Sihuraann cs später bo schwer behängt hat, dazu mag ihn das schlechte Düsseldorfer Orchester verführt haben, aber alle seine schöne, freie und anmutige Bewegung ist in dem schwerfälligen Kleid unmöglich geworden“. (Briefwechsel Brahms-Wüllner.) Weingartner suchte in einer besonderen Einrichtung dem allzu dick instrumentier ten Original die von Brahms bewunderte Beweglichkeit und Frische zurückzugeben und die eigentlichen wundervollen Reize der Komposition unverhüllt in Erscheinung treten zu lassen. Höhenpunkte derselben (auch des ganzen Schumannschen Schaffens) sind und bleiben der herrliche zweite Satz, die zärtlich gestimmte „Romanze", und das lichte Moll-Scherzo mit seiner einzig-schönen Parenthese, diesem Wunderwerk tonaler Vorbereitung, der langsamen Ueberleitung zum letzten heroischen, stürmischen Satze. Gerade in dieser Sinfonie spielen viele ge heime Reflexe, die man nicht übersehen darf, um nicht über der tiefen Leidenschaft, die da zuweilen spricht und mehr als ein mal vom Dunkel weiter in die Nacht führt, ganz den .,Romantiker Sdiu/nann" zu ver- Chopins Klavierkonzert in F*Mol! Heinrich Heine sagte einmal von Chopin: „Die Einflüsse dreier Nationalitäten machen seine Persönlichkeit — Polen gab ihm seinen chevaleresken Sinn und seinen ge schichtlichen Schmerz, Frankreich gab ihm seine leichte Anmut, seine Grazie und Deutschland gab ihm seinen romantisdien i iefsinn . . .* — Chopins ganzes Leben war Sehnsucht. Chopins Schaffen ebenfalls Sennsucht, Fühlen, Träumen, die „liebens würdige Träumerei“, wie Richard Wagner