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KONGRESS- SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM Sonnabend, 14. Januar 1961, 19.30 Uhr Sonntag, 15. Januar 1961, 19.30 Uhr 5.ZYKLUS-KONZERT GASTD IRIGENT GMD Herbert Kegel, Leipzig ANTONIN DVORAK 1841—1904 Das goldene Spinnrad, Sinfonische Dichtung op. 109 nach der Ballade von Karel Jaromir Erben (Erstaufführung) 4 Slawische Tänze aus op.46 und 72 A-Dur, Allegro vivace c-Moll, Allegro assai e-Moll, Allegretto grazioso C-Dur, Allegro vivace PAUSE 5. Sinfonie F-Dur, op. 76 Allegro ma non troppo Andante con moto quasi l’istesso tempo — allegro scherzando Finale — allegretto molto Einführung (Zu den Slawischen Tänzen vgl. das in der Einführung zum 3. Zyklus-Konzert Gesagte) Nach seiner endgültigen Rückkehr aus der ,,Neuen Welt“ (Ende April 1895) nahm Dvorak, dessen Briefe aus dem letzten Jahre des Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten von ständig wachsendem Heimweh zeugen, wohl seine Lehrtätigkeit am Prager Konservatorium wieder auf, gönnte sich aber im Schaffen eine Ruhepause bis gegen Ende des Jahres. Diese mag notwendig gewesen sein, um ihn nach der Turbu lenz der in der Fremde verbrachten Jahre (und alle dort unternommenen Versuche, ihn länger in New York zu halten, scheiterten an seinem Sehnen nach Geborgensein in der heimatlichen Umgebung) wieder im vertrauten Boden einwurzeln zu lassen. Als er sich nach entsprechender Zeit wieder endgültig geborgen fühlte, äußerte sich das u. a. darin, daß in seinem sinfonischen Schaffen die Stoffkreise der den schlichten Menschen seiner Heimat so nahestehenden Volksmärchen in den Vorder grund traten. (Über die Stoffquelle. Karel Jaromir Erbens Balladenband „Der Blumenstrauß“ und die im Zusammenhang mit dem „Goldenen Spinnrad“ konzi pierten anderen sinfonischen Dichtungen vgl. die Einführungen zum 1. bis 3. Zyklus- konzert!) Jfiorgen Mittwoch den 13. März Abds. ffUhr im Saale des Gewerbehauses: VI. Philharmonisches C’oncert. Diniert: Herr Anton Dvoräk, soiüi: Streb. Stoenhagen Billets ä Rmk. 5, 3,50, 2,50 und 1,50 sind in der Kgl. Hof-MusikalienhwidlUDg von JRie«, Kaufhaus — Fernsprechstc-llc Nr. 1460 — zu haben. I KB. Billetverkauf von 8—1 und 3—6 Uhr. Bestellungen auf Billots nimmt auch die König!. Hof-Musikalienhandlung von Ad. Brauer (VTötlier), Neustadt, entgegen — Fernsprechstelle Nr. 579. Konzertanzeige aus dem Jahre 1889 In diesem Konzert wurde die F-Dur-Sinfonie zum ersten Male in Dresden aufgeführt Den Vorwurf der sinfonischen Dichtung „Das Goldene Spinnrad“ op. 109 (Skizze: 15. bis 22.Januar 1896, Partitur: 4. März bis 25. April 1896) gibt der Dvofäk- biograph Otakar Öourek wie folgt wieder: „Der König begibt sich zu Pferd auf die Jagd. Im Walde hält er vor einer Hütte, um einen labenden Trunk zu erbitten. In der Hütte wohnt eine Mutter mit ihrer eigenen Tochter und ihrer Stieftochter. Die Stieftochter ist zur Stunde allein zu Hause und sitzt am Spinnrad. Ihre Schönheit schlägt den König in Bann, so daß er in Liebe zu ihr entbrennt und um ihre Hand anhält. Bei seinem zweiten Besuch heißt er die Mutter — eine böse alte Vettel —, ihm die Stieftochter, die Dorniöka, also Lieb-Dorchen, auf seine Burg bringen. Die Alte macht sich mit beiden Töchtern auf den Weg. Unterwegs im tiefen Wald aber bringt sie Dor nicka mit Hilfe ihrer eigenen Tochter um. Die beiden nehmen die Augen, die Arme und die Beine der Erschlagenen an sich und begeben sich auf die Burg, wo die Alte ihre eigene Tochter für die Stieftochter ausgibt. Der König wird des Verrats nicht gewahr, heißt freudig die Braut willkommen und feiert mit ihr Hochzeit. Bald darauf muß er aber ins Feld ziehen. Inzwischen findet ein geheimnisvoller Greis Dornickas verstümmelten Körper im Walde. Dreimal schickt er seinen Knaben auf die Burg und heißt ihn, dort für ein goldenes Spinnrad Beine, für einen goldenen Spinnrocken Arme und für eine goldene Spindel Augen zu verlangen. Von Gier nach solch herrlich schimmern dem Hausrat getrieben, liefert die junge Königin dem Knaben für seine Gaben Dornickas Beine, Arme und Augen aus. Der Alte im Walde benetzt dann Leib und Glieder der Erschlagenen mit lebenspendendem Wasser und ruft das Mädchen, das nun wieder an Leib und Gliedern heil ist, ins Leben zurück. Den als Sieger aus dem Felde heimkehrenden König zu begrüßen, setzt sich die junge Königin an das köstliche Spinnrad, doch übel bekommt ihr solches Tun: das Spinnrad surrt ein Lied, das dem König die Untat der beiden Frauen verrät. Der König macht sich auf, findet im Wald die unversehrte Dornicka, schafft sie als seine rechtmäßige Gemahlin auf die Burg und läßt die Mörderinnen den Wölfen zum Fraß vorwerfen.“ Das Werk ist ausgedehnter als der „Wassermann“ und die „Mittagshexe“, aber musikalisch gesehen weniger einheitlich als diese. Erbens Dichtung in sechs Kapiteln hat eine Vielzahl von Strophen, die jeweils Neues zum Ablauf der Handlung aus sagen. Indem Dvorak solchen Einzelheiten kompositorisch nachgeht, beraubt er sich notwendigerweise der formalen Straffung, die seine anderen sinfonischen Dichtungen aufweisen, gewinnt aber andererseits Möglichkeiten, farbig und mit hohem Klangsinn Episoden zu schildern, die dem Vollendetstem in seinem gesamten Schaffen zu zuordnen sind. Um einige solcher an den Text gebundener Einzelschilderungen hat zugunsten formaler Verdichtung Dvoraks Schüler und Schwiegersohn Josef Suk die Partitur gekürzt, in der sich im wesentlichen drei Themenkreise voneinander ab heben : ein erster, der sich, aus motivisch gemeinsamen Kern entwickelt, auf die Idee der guten und der bösen Macht konzentriert (König, geheimnisvoller Alter im Walde und Stiefmutter), ein zweiter mit Motiven der schönen Dornicka und ihres Spinn rades, und ein dritter, der die Gefühle des Königs für das Mädchen symbolisiert. Das Ganze ist eingefangen in den überzeugenden Ton des Märchens als der Dich tungsform, die im Volke ihre Wurzeln hat und unter den einfachen Menschen des damaligen Böhmens in großem Umfange lebendig war. Die 5. Sinfonie F-Dur aus dem Jahre 1875 (Niederschrift der Partitur: 15.Juni bis 23 .Juli) ging, als Dvoraks Verleger Simrock sich zur Herausgabe entschloß, als „Dritte“ in die Welt (vor ihr waren im Druck die später entstandenen in D-Dur, op. 60, und d-Moll, op. 70, erschienen) und trug — obwohl das 24. Werk — die Opuszahl 76: ein Umstand, welcher die Dvoraks Entwicklung aufmerksam verfolgende Fachwelt einigermaßen in Verwirrung brachte. Dem Kreise der Verehrer des Dvofäkschen Schaffens hatte sich Hans von Bülow zugesellt, der, als ihn sein Impressario wegen oftmaliger Aufführung der Ouvertüre „Husitskä“ glaubte rügen zu müssen, antwortete: „Was ich aufführe, dafür stehe ich ein 1“ Ihm widmete Dvorak die F-Dur Sinfonie, und Bülow dankte mit den Worten: „Höchstgeehrter Meister! Eine Widmung von Ihnen — dem nächst Brahms gott begnadeten Tondichter der Gegenwart — das ist eine höhere Auszeichnung als irgend welches Großkreuz seitens irgendwelcher Fürsten. Mit meinem herzlichsten Danke nehme ich die Ehre an. Ihr in aufrichtigster Hochachtung ergebener Bewunderer Hans Bülow.“