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Lachen kann man im Kino (da sieht’s niemand!), in der Operette (da gehört's dazu!), auch in der Oper (aber nur ganz selten, weil da zumeist so oft und so lange gestorben wird!),... aber im Konzertsaal? Nein! Wir wissen doch, was sich gehört! Ein Sinfoniekonzert, noch dazu ein „philharmonisches“, ist die ernsteste Sache, die es auf der Welt gibt! Wehe, wer da wagt, sein Gesicht zu einem Lächeln zu verziehen! Am liebsten würde man mit Fingern auf ihn zeigen. Auch das Schmunzeln ist „unerwünscht“. Man sollte am besten Verbots tafeln in den Konzertsälen aufhängen! Bei einem Konzert muß vor allem gesucht werden, was „hinter“ der Musik steckt, die „tiefere Bedeutung“ muß mit deutscher Gründlichkeit ergründet werden. Wer das tut und wer das kann, erwirbt sich die Fähigkeit, zu den „Musikalischen“ gezählt zu werden. Woran erkennt man diese Auslese? Oh, das ist nicht schwer: Die Musikalischen müssen sehr ernst sein (siehe oben!), sie müssen auch sehr stolz sein, und vor allem sehr, sehr würdevoll. Nach Kurt Tucholsky sind die Musikalischen (soweit es sich um Frauen handelt!) „unentwegt edel und schweben hörbar eine Handbreit über dem Erdboden“. Etwa so: Es sind natürlich nicht nur Frauen, die durch das Prädikat „musikalisch“ ausgezeichnet werden können, es gehören (um noch einmal ,Tucho‘ zu zitie ren. Ach so, ... ,Tucho‘, das ist der Spitzname für Kurt Tucholsky!) „ganz vernünftige Menschen dazu, solche mit einer Stellung oder einem Mann oder einer oder mehreren Überzeugungen, die plötzlich in das Musikfeld ein fallen und gurgelnd durch die Notenstoppeln jagen ...“ Sie verachten natürlich einen Mann, einen „Literaten“ (Dichter ist er bei weitem nicht, der gewöhnliche Satiriker!) wie Erich Kästner, der vor Jahren einmal sagte, daß die deutsche Muse einäugig sei, denn sie habe nur ein tra gisches Auge. Das andere Auge ist zwar vorhanden, aber damit kann man nicht sehen, ... es ist romantisch verklebt, durch Gefühlsschmalz ver-