MAX REGER (1873—1916) prägte einmal folgen den Satz: „Jede Musik, ob absolut oder sinfonische Dichtung, ist mir höchst willkommen, wenn sie eben Musik ist", womit er nicht etwa seine Hinwendung zur Programmusik entschuldigen, sondern seine Ein stellung kundtun wollte, daß es ihm ausschließlich ums Musizieren ginge. Diese Grundhaltung spürt man aus jedem Takte der „Vier Tondichtungen nach A. Böcklin", die ihrem Vorwurf zufolge Programm musik sein müßten, der musikalischen Struktur ge mäß jedoch sehr strenggeformte, beinahe klassi zistische Musikstücke sind, die ihrem Klang nach jedoch wiederum so etwas wie einen deutschen Impressionismus verkörpern. Regers einzigartigem Können und seiner inspiratorischen Kraft ist es je doch gelungen, diesen Zwiespalt zu bannen. Der „geigende Eremit" ist dem langsamen Satz eines Violinkonzertes vergleichbar. Im „Spiel der Wellen" ist Regers Bildkraft zu bewundern, die das schau migspritzige Wasser, das graziöse Gekräusel der Oberfläche des Meeres, die neckisch-launige Unbe rechenbarkeit der Wogen schildert. Nixen, Meer männer und Delphine tummeln sich darin. „Die Toteninsel" gibt die Düsternis und Schwere, aber auch die farbige Süße dieser weltabgelegenen Insel der Gestorbenen wieder. Das „Bacchanal" entfesselt eine tolle Musik, trunken, voller Taumel — Reger beschwört, und hierin ist er ganz Romantiker, eine ausschweifende, hemmungslose Welt. Dieses Werk beweist die umfassende Fülle seiner Persönlichkeit, seinen weitgesteckten Horizont, seine schöpferische Freiheit. Sein Opus 128 gehört damit zu den großen Meisterwerken, die die letzte Welle der Romantik, die moderne Musik im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts hervorbrachte.