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Dresdner Journal : 30.11.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189711305
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18971130
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18971130
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-11
- Tag 1897-11-30
-
Monat
1897-11
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 30.11.1897
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Streich durch eiue, wieder aller Kriterien der Gtfetz- lichkeit entbehrende Abstimmung einen Anschein von Legalität erhalten sollte. Zugleich erfolgte die An tündigung strasgerichtlicher Maßnahmen gegen die oppositionellen Beteiligten an einer Prügelei im Parlament, über deien Urheberschaft höchst wider- spruch-volle Auffassungen der Augenzeugen verbreitet wann Binnen wenigen Stunden mußte man sich aber darüber klar werden, daß in Österreich keine Ge richte bereit waren, Strafamt-Handlungen nur gegen die oppositionellen Teilnehmcr jener Skandalscenen durchzuführen und die Anzeigen gegen die Mitschuldigen au- der Majorität zurückzuweisen Ter Plan der Anrufung der Gerichte mußte also aufgegeben werden, nachdem er kaum da- Licht der Öffent lichkeit erb» ckt hatte. So blieb denn nur die le» Falkrnhariii als Grundlage für den weiteren Kampf gegen die Obstruktion Auch diese Errungenschaft erwies sich aber kaum vierundzwanzig Stunden nach ihrem Auftauchen als praktisch wertlos. Die erweiterten Befugnisse, welche dem Präsidium durch die in illegaler Weise zu stände gekommene Neuerung eingeräumt wurden, waren gegenüber den bis zur Tollheit er bitterten, zur Anwendung de- Faustrechts bereiten Obstruktionisten nicht zur Geltung zu bringen, und so ereignete sich denn da- Ungeheuerliche, daß die uni formierte Sicherheit-wache im Auftrage de- Präsidium- im Hause der Volksvertretung erschien und Hand an die Deputierten legte. Diese Akte spielten sich in den dazu hergestellten Pausen der Freitag-Verhandlung ab. Die Mehrheit und da- Präsidium hatten aber schon so sehr das Gefühl für da- schlechterdings Un mögliche verloren, daß sie noch in Anwesenheit be stärken Wachdetachements die Sitzung wieder eröffnen und fortführen wollten'. Ganz und gar unerfindlich ist es, weshalb das Präsidium, wenn e- schon auf Grund der ungesetzlich vollzogenen Geschästsordnungsabänderung die Aus schließung der krakehlenden Abgeordneten erreichen wollte, nicht diese Ausschließung an dem einen Sitznngs- tage im Prinzip verfügte, um am nächster» Tage den betreffenden Abgeordneten einfach den Zutritt zum Sitzungssaale zu verwehren. So hätte man durch eine Weisung an die Parlamentsdiener dasselbe erzielt, wegen dessen man mit der Berufung der Wachmann schaft inS Parlament ein für Österreich beschämendes Schauspiel vor ganz Europa bot. Ebenso unerfindlich ist es, weshalb mau, wenn die berechtigte Scheu vor einer illegalen Abstimmung schon überwunden ward, anstatt der lex Falkenhaun nicht das Ausgleichsprovisorium, das eigentliche Objekt deS gesamten Kampfe-, durch eine solche Abstimmung erledigte. Die ungarischen Politiker hätten sich gewiß eher mit dieser Modalität ein verstanden erklärt, als mit einer Regelung, welche durch das handgreifliche Walten der Sicherheitswache im ParlamentSsaal ermöglicht werden sollte. Zur „Erklärung" des Vorgehens der Mehrheit und de- Präsidiums wurde auf dieser Scitc mehrfach die Behauptung ausgesprochen, daß man hoffe, jenes Vorgehen werde „abschreckend" auf die Lbstruktionisten wirken. Hat man wirklich diesem Glauben gehuldigt, so hat man sich vamit einer in der Geschichte der parlamentarischen und politischen Strategie für alle Zeiten denkwürdigen Täuschung hingegeben. Am Tage nach dem Ereignisse war unter dem mächtigen Eindrücke desselben die Einigung aller deutschen Oppositionsparteien und zugleich die Abschw.-nkung zahlreicher deutscher, italienischer und polnischer Ab geordneten, welche bisher fest zur Mehrheit hielten, vollzogen. Die nüchternsten und gemäßigtesten Mit glieder der Minorität bethatigten einen Umschwung ihrer Anschauungen, indem sie am Beginn der Sonn abendsitzung alle bis zur Stunde von ihnen ver urteilten und verschmähten Gewaltmittel der Obstruktion anwendeten; die wegen ihrer vorsichtigen Reserve oft verspottete Gruppe des v rfassungslreuen Großgrund besitzes trat mit einer vernichtenden Verurteilung der Gebarung des Präsidiums hervor, und die radikale Opposition, welche man dezimieren und erdrücken wollte, verfügte so über eine numerische und moralische Macht, die sie nie zuvor besessen hatte. So wurden alle Berechnungen und Plä w, welche die Parlament-mehrheit und da- Präsidium zu einer noch nicht daaewesenen Kraftleistung veranlaßten, «Stunde, sie zu einer fortgesetzten Selbftausopierung be fähigen wird? Das Ganze ist wie gesagt ein Enthüllungsdrama. Anna Paulsen, die Tochter eines bankerott gewordenen Hamburger Kaufmanns, war vor dem Sturz ihres Hauses mit einem jungen Kaufmann Olaf Harden verlobt, hat diese Verlobung gelöst, sie aber dem später um sie wer benden Pfarrer Martin Paulsen verschwiegen Die Lüge oder Täuschung, deren sie sich damit schuldig gemacht, kommt ihr in dem Augenblick zum Bewußtsein, als ihr früherer Bräutigam und dessen Freund, der Rechtsanwalt vr. EverS, nach der einsamen Hallig gelangen Olas Harden will sich nur vom Glück der unvergessenen Ge liebten überzeugen, vr Ever« scheint von vornherern an- zuaehmen, daß dies Glück ein zweifelhafter sein müße, ermutigt den jüngeren Freund zu einem Sturm auf die schwankende junge Frau, die um so hilfloser ist, als ihr Gatte eben zu geistlichem Beistand aus eine benachbarte Hallig gerufen wird und ihr alter Lebensgenüsse, der Schiffskapitän Broot, nichts Gescheitere- zu thun weiß, als Frau Anna gerade jetzt allein zu lassen Während draußen vom Meer her der Sturm und die Springflut drohend Heraufziehen, entfachen das Wiedersehen und die Aus einandersetzung mit dem früheren Verlobten sowie die nie gestillte Sehnsucht nach Leben und Bewegung einen Sturm im Gemüt und im Blut der jungen Pastorin, sie läßt sich von Olafs drängenden Worten und stummen Bitten hinreißen, einen Augenblick wieder an seiner Brust zu ruhen und ihn zu küssen Gleich daraus dringt die Kunde zu ihr, daß das Boot, in dem nach Brook- irriger Annahme Pastor Paulsen zum Nachbareiland hinüber- gesahren ist, gekentert und leer am Strande gesunden worden sei. Anna muß ihren Mann für tot halten Blitzartig erhellt ihr der Schreck ihr eigenes Thun, blitz artig erkennt sie, daß sie Martin Paulsen und nicht Olaf Harden liebt, mit der ganzen Härte ihrer tiefen Reue stößt sie ihren Mitschuldigen von sich, sie ist frei von ihm, »he Paulsen lebend zu ihr zurückkehrt Aber der Sturm wächst, bedroht die beiden Menschen im Psarrhause wie bi« ganze Insel mit dem Untergange, im Angesicht des Tode- enthüllt Anna dem Gatten ihre Seele, klagt sich de- Treubruch- und der tiefsten Täuschung über sich selbst an Ei« sehnt sich nach dem Grabe in den Wellen und wagt nur zögernd dem neugeschenkten Leben — als der durch die Thatsachen gänzlich all absurllum geführt Die geschehene Entwickelung war da- gerade Gegen teil derjenigen, die man erzielen wollte; die stürmische Erregung war aus dem Parlament in weite BolkS- kreise Wien» und Österreichs hinau-gedrungen, und so war der Augenblick gekommen, in welchem zur Be cndigung eims von allen Beteiligten mit ungebühr lichen Mitteln auSgefochtenen Kampfe- da- Eingreifen de- Monarchen geboten war Dieses Eingreifen mußte naturgemäß die Stellung de- Kabinett- treffen, da letztere- im Laufe der Zeit in ein eigenartige- und verhängnisvolle- Verhältnis zur parlamentarisch n Mehrheit geraten war Tie Regierung, die vor kaum zwei Jahren mit dein Programm hervortrat, die Parteien zu führen und unabhängig von den Partei- destrebuilgen für da- Staatswohl zu wirken, hatte allmählich gegenüber der .Kommission der Reckten* ihre Unabhängigkeit eingebüßt; sie wurde so, zumindest dem äußeren Anschein nach, mitverantwortlich für die Verirrungen der Mehrheitspolitiker und sie konnte daher nicht an der Spitze der Geschäfte veibleiben, al- diese Verirrungen eine entscheidende Remedur er heischten Jeder Österreicher, welcher das Wohl des Gesamt vaterlande« höher schätzt als die nationalen und sonstigen Interessen zweiten Range-, muß dem Monarchen Lank dafür zollen, daß einem, für den Staat und sein Ansehen schädlichen Prozesse Einhalt geboten worden ist Diese Wendung konnte die starke Hand deS gerechten Herrschers bewirken Sache der Parteien ist es nun, dafür zu sorgen, daß die Wendung dm Ausgangspunkt segensreicher Folgen bilde. Die Politiker der bisherigen Mehrheit haben die Mahnung zu beherzigen, die ihnen sagt, daß eine gewaltsame und illegale Ausnützung der Majoritäts- macht von dem Monarchen nicht geduldet wird. In den Kreisen d-r Minorität wieder sollte man vor allem die Thatsache im Auge behalten, daß die gestern erfolg'« Wandlung nicht durch die brutale Kampfweise der Opposition, sondern nur durch den Mißgriff der Mehrheit herbeigeführt wurde, welche den Rechtsboden verlassen hatte, indem sie die gleiche Kampfweife versuchte. Wer immer sich heute als Sieger oder als Besiegter fühlen mag — wenn neues Unheil vermieden bleiben soll, kann die Parole der Zukunft nur lauten: Einkehr und Umkehr! Tagesgeschichtt. Dresden, -R>. November. Ihre Majestäten der König und die Königin besuchten mit Ihrer Königl. Hoheit der Frau Prinzessin Karl Anton von Hohenzollern gestern abend die Vorstellung des Drama- „Ter Bajazzo" im Allstädter Hostheater. Tie Durchlauchtigste Frau Prinzessin wohnte nach dieser Auf führung noch der Oper „Sicilianische Bauernehre" bei. — Se. Majestät der König begaben Sich in Be gleitung Sr. Excellenz des OberstallmeisterS v. Ehren stein, des Hofmarschalls Frhrn. v. d. Bussche-Streit Horst und des Flügeladjutanten Majors v. Ehrenthal heute früh 6 Uhr 31 Min. mit Sonderzug über BorSdorf bis in die Nähe der Bahnstation Naunhof, um auf Naunhofer Revier zu jagen. Nach Beendig ung der Jagd wollen Se. Majestät der König mit Sr. Königl. Hoheit dem PrlnzenGeorg.Höchstwelcher, von Leipzig kommend, an der Jagd teilnahm, sowie mit den Herren des Gefolges nachmittags 5 Uhr von Station Borsdorf auS nach Leipzig fahren und im Königl. Palais daselbst Wohnung nehmen Die Ankunft in Leipzig ist für ü Uhr 27 Min. festgesetzt Morgen findet eine Königl. Jagd auf Ehrenberger Revier statt, zu welcher, ebenso wie zu der heutigen Jagd, eine An zahl Herren au- Leipzig und Umgebung mit Einlad ungen ausgezeichnet worden sind Se. Majestät der König gedenken morgen abend 9 Uhr von Leipzig nach Dresden Strehlen wieder abzureifen. — Nächsten Donnerstag, den 2. Dezember, mittag- 12 Uhr findet durch Se. Majestät den König im Spiegelfaale des Königl. Residenzschlosses die Nagelung der den l. und 2. Bataillonen der Jnfanterieregimenter Nr. 177, 178 und 179 zu ver leihenden Fahnen und anschließend hieran im Schloßhofe die feierliche Übergabe dieser Fahnen an die Kommandeure der genannten Truppenteile statt. Aus diesem Anlasse wird der Schloßhos für die Zeit von H12 Uhr bl- nach Schluß der Feierlrchkeit für den öffentlichen Verkehr gesperrt bleiben Abend- 7 Uhr ist bei Ihren Majestäten zu Ehren de- Tages Galatafel im Königl. Residrnzschlosie. DreSdeu, 30. November Ihre Königl. Hoheiten der Prinz und die Frau Prinzessin Johann Georg empfingen heute mittag um 12 Ihr im Palair an der Parkstraße mehrere noch nicht vorgestellte Offiziere der Königl. Militärreitanstalt. Lentsche« «eich. Berlin. Se Majestät der Kaiser nahmen gestern vormittag Vorträge u. a vom kommandierenden Admiral, dem Staatssekretär de- Reichsmarineamts und dein Chef de- Marinekabinetts »ntgeqen — Durch Allerhöchste Kabinettsordre vom 29. No vember ist der Kapitän zur See Frhr v Bodenhaufen, Kommandant S. M I „Hohenzollern", mit der Ver tretung de- fehlenden Inspekteur- der 1 Marineinspektion (welche Stelle bisher Kontreadmiral Prinz Heinrich von Preußen, Königl. Hoheit, innehatte) beauftragt und der Korvettenkapitän Jakobsen, bisher Dezernent beim Ober kommando der Marine, zum Kommandanten S. M K. „Geier" ernannt worden — Amtlich wird bekannt gemacht, daß der Staats sekretär v. Bülow mit der Stellvertretung de- Reichs kanzler- im Bereicht des Au»wärtigen Amtes betraut worden ist. — Der „ReichSanzeiger" veröffentlicht die Ernennung deS Direktor» im Reichspostamt Fritsch zum Unter- staatSsekretär im Reichspoftamt,' ferner diejenige der Geh Lberposträte Kraetke und Sydow zu Direktoren im ReickSpostamt. — Über die Marinevorlage liegen nun auch Äußerungen der Presse der „Ausschlag gebenden" Partei, des Zentrums vor. Die „Germania" erklärt, daß der Plan deS Admiral- Tirpitz noch weit über den de- Admiral» Hollmann hinausgehe, und verneint die Frage, ob sich für den neuen Marine-Etat im gegen wärtigen oder in einein zukünftigen Reichstage eine Mehr heit finden laßen wird. Zu dem Septennalsplane be merkt das klerikale Blatt u. a: Für die gesetzliche Fest legung des Flottenbauplanes wird nur angeführt, daß „in der Entwickelung der Technik eine gewiße Ruhe ein getreten" sei, und daß in allen Marinen im wesentlichen dieselben Schiffstypen vorhanden seien, die Anschauungen hierüber seien „so geklärt, daß unbedenklich Stärke und Zusammensetzung der deutschen Kriegsmarine festgelegt werden kann " Dieser angebliche Stillstand der Schiffs bautechnik im Zeitalter der Elfindungen kommt uns jedoch sonderbar vor. Noch weniger aber will cs uns einleuchten, daß man voraussehen und vorausbestimmen zu können glaubt, daß dieser angebliche Stillstand in der Schiffsbaulechnik mindestens sieben Jahre andauern wird Die Marineverwaltung will mit der gesetzlichen Fest legung der Flottenstärie einseitig (0 den Reichstag binden, für sich selbst aber freie Hand behalten, auch in betreff der Höhe ihrer weiteren Marineforderungen Die Marine forderungen werden wir, ohne uns für die Zukunft irgend wie zu binden, jährlich nach dem Bedürfnisse prüfen, wie es bisher geschehen ist, eingehend und ernstlich, aber ohne ein Flottengesetz, das wohl nur Gesetzentwurf bleiben wird." Die klerikale „Köln. Volksztg." macht „die schwersten etatsrechtlichen und finanziellen Bedenken" gegen den Septennatsoorschlag geltend. Auf der konservativen Seite hat, wie wir gestern erwähnten, die „Kreuzztg." eine entgegenkommende Haltung eingenommen Der „Reichsbote" sagt über die finanzielle Frage: „Eine große Nation, wie die deutsche, kann bei der heutigen Ausdehnung dcs Weltverkehrs eine starke Flotte gar nicht mehr entbehren, denn auf den Weltverkehr kann sie nicht verzichten, und um ihn zu pflegen und zu schützen, hat sie eine dazu ausreichende Flotte nötig. Darüber hilft uns nichts hinweg; das sind Aufgaben, welche durch die Welt entwickelung gestellt sind, denen sich keine Nation entziehen kann, wenn sie überhaupt bestehen bleiben will." Weniger geneigt äußert sich das Organ des Bunde» der Landwirte, die „Deutsche Tageiztg" Es bezeichnet die Forder ungen als „nicht maßlos", aber die Begründung als sehr dürftig, namentlich „in dem umstrittenen Punkte, ob es eine Beschränkung des Bewilligungsrlchts des Reichstags sei, wenn er das Flottengesetz annehme. Es ist uns nicht gelungen, klar darüber zu werden, wie die verbündeten Negierungen sich die Sache denken Wir setzen den Fall, im nächsten und übernächsten Jahre lehnt der Reichstag die höheren Forderungen ab und beschneidet sie viel leicht auf die Hälfte. Das ist sein Recht, die Re gierung kann nichts dagegen haben Wir nehmen ferner an, die späteren Reichstage üben dieses Beschneidunasrccht in derselben Weise aus, sodaß der siebente und letzte Reichs tag eine Restforderung von erstaunlicher Höhe zu be willigen hat Waü nun, wenn auch er diese Forderungen ablehnt; Dann steht die Regierung vor der Notwendigkeit, ihn auszulösen Um zu dieser Notwendigkeit zu gelangen, dazu bedurfte sie des Flottengeietze« nicht " Von national liberaler Seite her verzeichnen wir noch einen Aufsatz d»r „Köln Ztg", welcher die finanziellen und etat-rechtlichen Vorschläge nicht bedenklich findet, aber betreff« derselben unter taktischem Gesichtspunkte zu folgendem Schluss« kommt: „Wir halten da» für eine Frag«, m M den AuSgleichs- verhandlungen ein weiter Spielraum geboten ist Wir würden an und für sich eine Festlegung der schwankenden Reich-tagsmehrheit vorziehen; aber wir würden e« für einen Fehler halten, wenn man da- große Problem, unsere Flotte in ein angemessenes Verhältnis zu dem Bedürfnis einer michtig emporstrebenden Industrie zu sitzen, mir formalen Bedenken ernstlich belasten wollet Geht der Reichstag nicht auf die gesetzliche Festlegung de- Soll- bestandes der Marine ein, so werden wir es schon al» Gewinn betrachten, wenn er auf Grund de» Flottenplanes, der ihn über die Absichten der Negierung aufklärt, Jahr für Jahr je nach der Finanzlage mehr oder weniger be willigt als der Etat Vorsicht. ... Tas Marineseptennat ist taktisch eine Ueberspannung deS Bogen» und e» ist besser, wenn die Negierung in der Formfrage nachaiebt, um die gute Sache zu retten" Die freisinnige Presse greift, insofern sie der Volksvartei nahe steht, die Vorschläge in ihrer Gesamtheit mehr oder weniger entschieden an. Die „Freis. Ztg." wütet in fünf Artikeln gegen die Vorlage; sie stelle, „ganz abgesehen von der Perspektive kolossaler Geldforderungen für die Marine, einen Angriff auf das Budgetrecht des Reichs tag» dar, wie er schwerer noch niemals, auch nicht zur Zeit des Fürsten Bismarck, versucht worden ist." Daß sich im Reichstage in seiner gegenwärtigen Zusammen setzung eine Mehrheit für die Einschränkung de« Budget rechts finden werde, könne schon jetzt al» völlig aus geschloffen gelten Danach werde also „die letzte Session mit einem scharfen Zusammenstoß zwischen Reichstag und Regierung abschließen." Wo in der freisinnigen Presse Hinneigung zur freisinnigen Vereinigung besteht, beispiels weise im „Berl Tagebl ", wird der Widerspruch auf die etatsrechtlichen Vorschläge konzentriert. Zuletzt führen wir eine Auslassung der „Cons. Corr." an, die sich gegen die Opposition wendet Sie schreibt: „Lange genug hat die sreisinnig ultramontane Flottengegnerschast mit der Behauptung, die Regierung gehe mit „uferlosen" Flotten plänen um, krebsen können. Nun ist diesem Schlagworte endlich durch die Veröffentlichung des Flcttenbauplane« im „Reichsanzeiger" ein Ende gemacht worden. Jede Partei, jeder Deutsche ist nun in den Stand gesetzt, die Forderungen, vor welche nunmehr der Reichstag gestellt werden soll, objektiv zu prüfen Wa» die Konservativen anlangt, so wird dies in gewissenhafter Weise geschehen; die Opposition aber denkt an eine solche unbefangene Prüfung nicht Schon ist ein neues Schlagwort ge prägt, um in die Menge geworfen zu werden: „Auf hebung des EtatSrechts" lautet es in der „Frei sinnigen Zeitung". Wir können in Ruhe abwarten, welche Wirkung dieses neue Schlagwort haben wird; schon heute aber sei auf das Charakteristische desselben hingewiesen. Hätte die Regierung, ohne in gesetzmäßig festzulegender Form den Flottenplan kundzugeben, nur die für den nächsten Etat entfallende Rate desselben gefordert, so würde das Schlagwort von der „Uferlosigkeit" „unentwegt" weiter angewendet worden sein. Nachdem nun ein fest- umschriebener Plan vorgelegt ist, fordert die Opposition die jährliche Einstellung der SchiffSbauraten in den Etat ohne Festlegung eines Gesamtplanes Man sieht also, daß die Oppositionsparteien eine Flottenpolitik mit doppeltem Boden betreiben, daß sie gar nicht daran denken, die Marinefrage objektiv und im Sinne des Vaterlands wohles zu behandeln, sondern daß sie auf einer grund sätzlichen Verweigerung der Flottenforderungen bestehen, um daraus eine parlamentarische Machtfrage zu gestalten Wir können immer nur wieder darauf Hinweisen, daß die heutige Flottenopposition genau in dem Sinne und mit denselben Mitteln handelt, wie die „Konslikts"-Lpposilion der sechziger Jahre im preußischen Abgeordnetenhaufe. Wie es um unser Vaterland stände, wcnn diese damals gesiegt hätte, brauchen wir heute nicht erst mehr zu schildern Danach aber kann jeder sich auch ausmalen, welchen Zuständen wir entgegengehen würden, wenn die Oppositionsparteien in ihrem Kampfe um die parla mentarische Macht, durch welche die Monarchie vergewaltigt werden soll, siegreich bliebe." — Das Kaiser!. Gesundheitsamt bereitet die Herausgabe einer gemeinverständlichen belehrenden Schrift über die Schwindsuchtsverhütung, nament lich bei Arbeitern, vor Der Schrift wird auch ein kurzer Anhang über die von Kranken, Aerzten und Ver waltungen zu treffenden Maßnahmen bei der Einleitung de« Heilverfahrens beigegeben werden — Am Sonnabend wird im Neichögesundheitsamt eine Kemmission von Sach- Sturm plötzlich umspringt — ins Auge zu sehen Es ist sicher, daß diese ganze Handlung mit völliger Klarleg ung aller trübenden Empfindungen, mit deutlichster Cho- rakteriftik in drei knappe Akte zu drängen gewesen wäre und in eben dem Maße, als sie kürzer, schlagender, fort- reißender wäre, auch gewinnender und überzeugender sein würde. Da es sich um ein Erstlingsdrama handelt, wird es dem Verfasser hoffentlich gelingen, in anderen Schöpf ungen die Mängel dieser zu überwinden und stärkere Wirkungen, die mit inrimen ganz wohl vereinbar sind, zu erzielen Tie bezeichneten Unklarheiten in den Voraussetzungen wie in der Gestaltung konnten auch durch die vortreffliche Wiedergabe deS Schauspiels nicht völlig überwunden werden Tie klarsten, weil einfachsten Charaktere sind der Pastor Paulsen, den Hr Wiene mit gewinnender Schlichtheit und bescheidenem Selbstbewußtsein, und der alte Seebär Brook, den Hr. Müller charakteristisch und mit vielen glücklichen Einzelheiten spielte. Frl. Salbach (Anna Paulsen) setzte ihre ganze Kunst ein, die jähen Uebergänge in der Seele deS jungen Weibes überzeugend wiederzugeben und die Dunkelheiten in Anna- Gefühlsleben zu erhellen. Noch stärker mit den Mängeln der Dichtung als sie hatte das Hamburger Tioskurenpaar zu kämpfen, da» die Herren Franz (Olas Harden) und Paul (Di Evers) darstellten. Die äußere Erscheinung de» jungen Hamburger Kaufherrn wollte jedenfalls zu den Offenbarungen seine» Innern nicht stimmen Frau Wolff (Frau Merten) verkörperte die derb nüchterne und kluge Haushälterin aus der Hallig in ihrer bekannten resoluten Weise Adolf Stern Konzert. Am Montag vereinigten sich Frl Margarethe Bruck (Gesang) und Frl Luise Psannenschmid (Klavier) zu einem Konzert im Musenhaussaale Eie hatten sich bei diesem, unseres Wissens ersten Schritt in die Oeffent- lichkeit der wohlwollenden Teilnahme eine» recht ansehn lichen Zuhörerkreise« zu erfreuen, einer Teilnahme, auf welche crnste« künstlerisches Streben, sofern e« sich mit ausgesprochener Begabung verbindet, gerechten Anspruch hat Als individuell interessierende Erscheinungen können die beiden Konzertgeberinnen nicht gelten, immerhin standen ihre Leistungen aus einer achtbaren Stufe des Können«, was in erster Linie von der Sängerin gilt Sie verfügt über einen Mezzosopran von nur müßigem Umfang aber genügender Tragkraft, ver sich am vorte»lhaftesten in der oberen Mittellage entfaltet, ohne auch hier durch warmen, blühenden Klang besonders cinzunehmcn Um so mehr gilt die« bezüglich der Art des technisch und musika lisch gut entwickelten Vortrags, der mit entschiedener Intelligenz gebildeten Geschmack zeigt Tie sorgsame klare Textbehandlung ist dabei besonders zu rühmen. Lieder von Schubert, Robert Franz, Schumann, Brahms, denen später u a noch eine Arie aus Mozarts „Titu«" (Parto, Parto) folgte, ließen die guten Eigen schaften der Sängerin mehr oder minder vorteilhaft zur Geltung kommen, wenn es ihr auch nicht gelang, den poetischen und seelischen Gehalt der Tonsprache unmittel bar erfassend auszugestalten Die Pianistin erwies «ine glatte flüssige Technik und eine gewisse Gewandtheit der Darstellung, eine ausgeprägte musikaUsche Physiognomie blieb sie jedoch schuldig In dynamischer und rhythmischer Beziehung herrschte bei den Vorträgen der Spielerin viel fach eine auffällige Schlaffheit, sodaß die charakteristischen Hebungen und Senkungen des Tongesüges oft recht ver wischt erschienen. Zu den bester gelingenden Leistungen gehörten Schumanns Papillons; hier erschien die Phra sierung schärfer abgegrenzt und der wohlklingende Ton der Spielerin reicher moduliert Tie Gesänge begleitete am Klavier Hr. Pretzsch in gewohnter Tüchtigkeit ch JmWeimarer Hoftheater wurde am 27. d Mts. „Untreu", Komödie in drei Aufzügen nach Roberto Bracco von Otto Eisenschitz zum ersten Male gegeben Das in Dresden bekannte Stück, ein echt italienisches, zwischen drei Personen spielendes Konversationslustspirl, das seinem Inhalte nach stark an Sardous „Cyprienne" (Dioorcons) erinnert, wurde mit Beffall ausgenommen, doch regte sich auch einiger Widerspruch — Am 28. fand dann, nachdem im vorigen Winter die „Walküre" einstudiert worden, die erste Aufführung von Wagner« „Sieg fried" statt Tie Vorstellung bewies, daß die Leistungs fähigkeit des Hostheater« noch immer eine bedeutende ist. Unter den Mitwirkenden zeichneten sich Hr. Zeller (Sieg fried), Hr v. Ezpinger (Mime), Hr Straßmann (Wanderer) aus; Frl Grub (Brünnhilde) genügte ge sanglich Der Dirigent, Hr. Hoskapellmcister Staven- Hagen, wurde wiederholt gerufen. — Von Neueinstudier ungen dwser Spielzeit sind besonders Wilbravdts „Maler" und Marschners „Hans Heiling" zu erwähnen * Gestern ist der Geburtstag Gaetano Donizettis »um hundertsten Male wiedergekehrt. Bergomo, die Vaterstadt des melodiereichen Opernkomponistin, feiert ihn durch die Enthüllung eines Standbildes, das der neapoli tanische Bildhauer Jerace modelliert hat. Andere Ehr ungen, die Tonizctti Ausstellung und die Eröffnung de« Theater« Donizetti haben schon im August stattgcfunden Wir haben bereits anläßlich dieser Festlichkeiten auf das Jubiläum hingewiesen und führen heute nur mehr folgende« nach der „Voss. Ztg." an: Italien hat recht, seine« be rühmten Sohnes in L cbe zu gedenken, denn nach Bellinis Tod unv Rossinis freiwilliger Abdankung war Donizetti der einzige Vertreter der älteren italienischen Oper, der nicht nur in seinem Vaterland, sondern in ganz Europa Erfolge hatte und bewundert wurde. Verdi steht abseits sür sich allein da und koinmt hier nicht in Betracht Donizetti sah zu Rossini al« seinem großen Vorbild aus Erreicht hat er ihn zwar nicht in der Frische und Origi nalität, wohl aber in dem schönen Fluß der Melodien Der große und feine Reiz von Donizettis Kantilcne war es vor allem, der ihm die Zuneigung dcs Publikums ge wann; gegenüber diesem Vorzug übersah man gern manche Schwäche, deren größte die Ungleichmäßigkeit der Kon zeption und Ausarbeitung ist Wie in der Reihe der 63 Opern, die Donizetti auf die Bühne gebracht hat, schwache Stücke sich neben Meisterwerken finden, neben „Marino Falieri" „Lucia di Lammermoor", neben „Gabrielladi Vergy" die „Reqimentstochter", so stoßen wir innerhalb des ein zelnen Werkes aus Partiturseiten, die ein Genie erkennen lasten, und auf leichtfertig hingewoftene, triviale „Nummern" Friedlich nebeneinander stehen in der „Lucia" das herrliche Sextett und der unglaubliche Chor, der dem Ed gardo die Geistesumnachtung seiner Geliebten verkündet Sehr treffend nennt deshalb Massenet Donizetti einen ge nialen Improvisator. Da« Improvisatorische de« Schaffens drückt seinen Bühnenstücken den Stempel aus; cS giebt ihnen den hinreißenden Zauber, macht sie aber auch sterblich Bei Bauwerken, die ein Jahrhundert überdauern sollen, muß sorgsam Stein aus Et«in gelegt, muß da» Verhältnis de» Detail- ,um Ganzen mit überlegenem Geist abgewogen sein. So sind denn von Donizetti«
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