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Dresdner Journal : 10.06.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189706108
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18970610
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18970610
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1897
-
Monat
1897-06
- Tag 1897-06-10
-
Monat
1897-06
-
Jahr
1897
- Titel
- Dresdner Journal : 10.06.1897
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ve»u,«»rei«: Für Dresden vierteljährlich: » Mark ovPs., bei den Kaiser- lich dtutjLen Postanstalte» vierteljährlich «Mark; außer halb de« Deutschen Reiche« Post- und Stcmpelzuschlag. Einzelne Nummern, lv Pf. Erschetnen: Däglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Fernipr-Anschluß: Nr 1LS5. Drrsinlkl Zourml. A>»tüu»t,«n»»«e»ützre»: Für den Naum einer gespal tenen Zelle kleiner Schrift »0 Ps. Unter „Eingesandt" die Zeile »0 M. Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Aufschlag. Her,»«,eber: königliche Expedition de« Dresdner Journal« Dresden, Zwrngerstr. SO Fernspr.-Anschluß: Nr 1LVL. 131. 1897. Donnerstag, den 10. Juni, abends. Amtlicher Teil. HZekannttnachung. Die nachstehende Bekanntmachung wegen Ausreich ung neuer Zinsscheine zu den Schuldverschreibungen der «Ligen Reichsanleihe vom Jahre 1887 wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, den 9. Juni 1897. Finanz-Ministerium, 1. Abtheilung. vr. Tiller. Wekanntrncrchung wegen Ausreichung neuer Zinsscheine zu deu Schuldverschreibungen der ZK Obigen Reichs anleihe vom Jahre 1887. Die Zinsscheine Reihe II Nr. 1 bis 20 zu den Schuldverschreibungen der 3k «Ligen Deutschen Reichs anleihe von 1887 über die Zinsen für die zehn Jahre vom 1. Juli 1897 bis 30. Juni 1907 nebst den An weisungen zur Abhebung der folgenden Reihe werden von der Königlich Preußischen Kontrolle der Staats papiere hierselbst, Oranienstraße 92,94 unten links, vom l. Juni d. Js. ab Bormittags von 9 bis 1 Uhr, mit Ausnahme der Sonn und Festtage und der letzten drei Geschäftslage jedes Monats, ausgcreicht werden. Die Zinsscheine können bei der Kontrolle selbst in Empfang genommen oder durch die Reichsbankhaupt- stelleu, die Reichsbankstellen und die mit Kassen einrichtung versehenen Re chLbanknebenstellen sowie durch diejenigen Kaiser!. Oberpostkassen, an deren Sitz sich eine der vorgedachten Bankanstalten nicht befindet, bezogen werden. Wer die Empfangnahme bei der Kontrolle selbst wünscht, hat derselben persönlich oder durch einen Be auftragten die zur Abhebung der neuen Reihe bc rechtigendcn Zinsscheinanweisungen mit einem Ver zcichniß zu übergeben, zu welchem Formulare ebenda unentgeltlich zu haben sind. Genügt dem Einreicher der Zinsscheinanweisungen eine numerirte Marke als Empfangsbescheinigung, so ist das Verzeichniß einfach, wünscht er eine ausdrückliche Bescheinigung, so ist es doppelt vorzulegen. In letzterem Falle erhält der Einreicher das eine Exemplar, mit einer Empfangs bescheinigung versehen, sofort zurück. Die Marke oder Empfangsbescheinigung ist bei der Ausreichung der neuen Zinsscheine zurückzugeben. In Schriftwechsel kann die Kontrolle der Staatspapierc sich mit den Inhabern der ZinSscheinanwcisungen nicht einlassen Wer die Zinsscheine durch eine der obengenannten Bankanstalten oder Oberpostkassen beziehen will, hat derselben die Anweisungen mit einem doppelten Ver zeichniß einzureichen. Das eine Verzeichniß wird, mit einer Empfangsbescheinigung versehen, sogleich xurück gegeben und ist bei Aushändigung der Zinsscheine wieder obzulicfcrn. Formulare zu diesen Verzeich nissen sind bei den gedachten Ausreichungsstellen un entgeltlich zu haben. Der Einreichung der Schuldverschreibungen bedarf es zur Erlangung der neuen Zinsscheine nur dann, wenn die Zinsscheinanweisungen abhanden gekommen sind; in diesem Falle sind die Schuldverschreibungen an die Kontrolle der Staatspapierc oder an eine der genannten Bankanstalten und Oberpostkassen mittelst besonderer Eingabe einznreichen. Berlin, den 25. Mai 1897. Neichsschuldenverwaltnng. v. Hoffmann. HZekcrnnLrnachung. Der frühere Lotterie-Kollekteur Karl Haferkorn in Pieschen hat die ihm bisher übertragen gewesene Agentur der Altersrentenbank niedergelegt. Dresden, den 8. Juni 1897. Finanz-Ministerium, 1. Abtheilung. vr. Tiller. Strobelt. Nichtamtlicher Teil. Tie Friedensverhandlunsitn in .Konstantinopel nehmen einen langsamen Verlaus und werden streng geheimgehalten. Dies beides giebt Veranlassung zu allerlei schiefen Kombinationen und beunruhigenden Gerüchten. Bald verlautet in Athen, daß die Ver handlungen Plötzlich abgebrochen worden seien, weil sich infolge unüberbrückbarer Meinungsverschieden heiten ein Ergebnis nicht erzielen lasse. Bald heißt es aus London, wo man alarmierende Meldungen sehr bereilwillig aufnimmt und zum Teil auch selbst solche Ware fabriziert, daß Deutschland die Türkei ermutige, Schwierigkeiten zu machen. Bald wieder kommt von and rswo her die Nachricht, daß England die Halsstarrigkeit der Griechen bestärke und auch die kleinste üble Folge des sinnlos mit der Türkei unter nommenen Streites von ihren Schützlingen fernzuhalten trachte. Diese letzte Version — an sich schon nicht so unwahrscheinlich als die auf Deutschland bezügliche — ist nun durch den vorgestrigen Bericht einer englischen Zeitung, des „Daily Telegraph", über die angebliche schroffe Haltung des englischen Botschafters bei den Friedensverhandlungen in einer Weise verstärkt worden, daß auch mehrere deutsche und österreichische Blätter ein Klagelied über die britische Politik angestimmt haben. Das nimmt insofern nicht wunder, als die Stellungnahme des Londoner Kabinetts in fast allen Stadien der Behandlung der orientalischen Frage eine verschleierte und verzögernde gewesen ist, weshalb sich jetzt ein großer Teil der öffentlichen Meinung immer sehr rasch entschließt, Zweifel an der Unzwei deutigkeit der englischen Haltung für berechtigt zn er klären. Insbesondere geschieht das auf der Seite der jenigen, welche England einen zum mindesten mittel baren Einfluß schon bei dem beispiellos waghalsigen Vor gehen Griechenlands zugeschrieben haben, und die nun aus der anscheinend von Sir Philipp Currie ent wickelten Fürsorge für die Hellenen schließen, daß die englische Politik sowenig wie vor dem Ausbruch des Krieges bei der Beendigung desselben eine Friedensstifter-Rolle spiele. Ob und wieviel Kern in diesen und anderen Mit teilungen und Kombinationen steckt, können wir nicht abschätzen, doch möchten wir im allgemeinen eine vor sichtige Aufnahme derselben empfehlen, da zugleich auch sehr beruhigende Meldungen vorlicgen, wonach der Gang der Friedensverhandlungen ein sehr lang samer ist, aber keineswegs die Hoffnung ans ein er sprießliches Ende ausschließt. Daß Schwierigkeiten vorhanden sind und daß zu diesen vielleicht England ein gut Teil beiträgt, ist nicht überraschend nnd unbegreiflich, wenn man an den eingewurzelten englisch-russischen Interessengegensatz und auch an die Abhängigkeit der Londoner Regierung von jeder breiteren Stimmung im englischen Volke denkt. Indessen haben sich ja auch vor Eröffnung der Feindseligkeiten mancherlei, vorwiegend von England hervorgcrufenen Differenzen überwinden lassen, sodaß gegenwärtig ein so vollkommener Pessimismus, wie er hier und da zur Schau getragen wird, nicht recht begründet, zum wenigsten verfrüht erscheint. Freilich, in Geduld muß man sich bei den Kon ferenzen am Goldenen Horn fassen, und es läßt sich dabei keineswegs übersehen, daß mit einer langen Dauer der Verhandlungen eine gewisse Gefahr ver knüpft ist, insofern die Stimmung der Muselmanen, die am liebsten den Besitz Thessaliens als Siegespreis erhalten möchten, inzwischen immer mehr erregt wird und weiter um sich greift, sodaß schließlich, wenn das Friedensinstrument von den Beteiligten vollendet ist, die hohe Pforte kaum im stände sein könnte, gegenüber dem allgemeinen stürmischen Verlangen des Vol kes nach Mehr den zweifellos nur mageren Sieges lohn anzunehmen. In diesem Sinne hat uns nnser Mit arbeiter in Konstantinopel vor einigen Tagen geschrieben: „Tie Propaganda zu Gunsten der Annexion Thessa liens macht hier von Tag zu Tag größere Fortschritte, und die Meldungen, daß ein bis jetzt unter christlicher Herrschaft befindlicher Teil eines Landes nicht wieder unter ottomanische Hoheit gelangen könne, finden eine unerwartet rasche Verbreitung im ganzen Lande und erzeugen eine nicht zu verkennende Auf regung des muselmanischen Elementes, welches sich dadurch nicht nur in seinen nationalen, sondern haupt sächlich — und darin liegt die Gefahr — in seinen reli giösen Gefühlen verletzt und bedroht fühlt. In mehreren Vilajets haben schon vor acht Tagen sich verschiedene Notablen bei den Generalgoiwerneuren eingesunden, nm sich über die Absichten zn informieren, welche die Regierung bezüglich Thessaliens hat, und je mehr Zeit bei den Friedensverhandlungen verstreicht, desto mehr befestigt sich im Lande die Stimmung, daß Thessalien als im rechtlichen Kampfe wiedererobertes Gebiet nicht mehr an Griechenland zurückfallen dürfe. Mit diesen Symptomen zu rechnen, wird die Diplo matie gut thun, bevor ernstere Konslagrationen zu Tage treten." Tie Frsitbnisse -es parlamentarischen Unter- fuchnuflsausschuffes für Südafrika, welcher auf Veranlassung des englischen Ministers der Kolonien berufen worden war, um „den Ursprung und die Umstände des bewaffneten Einfalles Jamesons in die Südafrikanische Republik zu ermitteln", haben nirgends befriedigt, auch nicht in England selbst, was aus den gestern an anderer Stelle unseres Blattes mitgeteilten Zeitungsstimmen unzweifelhaft hervorgeht. In dem Ausschüsse haben etwa zwölf der tüchtigsten Mitglieder des Unterhauses fleißig gearbeitet und zwar war diese Arbeit eine ganz vergebliche. Sie sollte nach der Ansicht vieler Politiker auch eine ver gebliche sein, denn die Ausgabe, die dem Ausschüsse gestellt war, war doch die: nichts zu finden, was etwa das englische Kolonialamt mit dem Verdachte der Mitschuld an dem Unternehmen Jamesons belast»n könnte. Aber diese Aufgabe ist nicht gelöst worden, denn durch die Untersuchung ist Hr. Chamberlain von dem erwähnten Verdachte nicht etwa gereinigt, sondern der letztere ist eherverstärktworden. Charakteristisch ist auch eine Wendung, die der Anwalt Cecil Rhodes in seiner Rede in der letzten Sitzung des Ausschusses gebraucht hat. Er bemerkte: „Die Instinkte des politischen Sports könnten einen dazu verleiten, gewissen mysteriösen Spuren zu folgen und zu etwas Vergrabenem zn kommen, was der Ausschuß noch nicht erreicht hat. Ich weiß nicht, ob solche Dinge existieren, oder nicht, aber selbst wenn die Jagd danach beginnt — eni Nnno? Vorausgesetzt, daß der Verdacht sich als wahr Kunst und Wissenschaft. K. Hofthcater. — Neustadt — Am 9. Juni: „Das goldene Vließ." Dramatisches Gedicht (Trilogie) von Franz Grillparzer. Erster Teil: „Der Gast freund", Trauerspiel in einem Aufzuge — Zweiter Teil: „Die Argonauten", Trauerspiel in vier Auszügen Jahrzehnte sind verflossen, seit die ersten Teile der umfassendsten dramatischen Dichtung Grillparzers „Das goldene Vließ" die Bretter unserer Hofoühne zum ersten Male beschritten, um dann auf lange zu verschwinden. Der dritte Teil, die Schlußtragödie „Medea", hatte sich, dank der Zu fälligkeit, daß sie eine heroisch-dämonische Bravourrolle für erste Heldinnen einschließt, neben der „Sappho" des gleichen Dichters, lange Zeit allein behauptet. Und obwohl die Thatsache, daß zwei Tragödien Grillparzers aller Unbill der Kritik und der zeitgemäßen Literaturgeschichte zum Trotz über ein Menschenalter Leben atmeten und lebendig wirkten, einigermaßen nachdenklich hätte stimmen können, so haben „Der Gastfreund" und „Die Argonauten" das Schicksal zahlreicher anderer Schöpfungen ihres Dichter« geteilt, für verblaßt, für antiquiert, für klassisch erstarrt ausgeschrien zu werden, bis seit den sechziger und siebziger Jahren die denkwürdige Wendung eintrat, die dem miß- kannten, mißachteten Grillparzer zu seinem Recht verhalf, den Leuten die Augen öffnete, welche Lebensfülle, Welt- crkenntni«, seelische Tiefe und dramatische Macht, welcher Reichtum künstlerischer Eigenart sich in den Werken des deutsch-österreichischen Dichters berge Die Anfänge dieser Wendung hat der Dichter, halb erfreut, halb spottend, noch mit Augen gesehen, die volle Gerechtigkeit ist — üblichermaßen — erst nach seinem Tode (1872) ein getreten Das Dierteljahrhundert, da» seitdem vernoi'scn ist, hat die halbvergessenen Werke des Dichters in der Litteratur zu frischer Geltung erweckt unv sie auf ihren ursprünglichen Boden, die Bühne, zurückgeführt Liebhaber von Paradoxen haben zu verstehen gegeben, daß von unserem deutschen dramatischen Siebengestirn, (Lessing, Goethe, Schiller, Heinrich v. Kleist, Grillparzer, Fr. Hebbel uud Otto Ludwig) der Wiener Dramatiker der einzige gewesen sei, der im beständigen Anschauen eines großen und bedeutenden Theaters ausgewachsen und ge reift wäre. Sie vergeßen, daß für Lessing die Wander truppen der Prinzipale Koch und Ackermann mit den ersten und stärksten Kräften der emp orstrebendcn deutschen Schau spielkunst und für Schiller die neu begründeten Hoftheater von Mannheim und Weimar unter Umständen viel mehr zu bedeuten hatten als selbst das Wiener Burgtheater unter Schreioogels takt und geschmackvoller Leitung Das aber ist richtig, daß Grillparzer den Segen einer lebendigen, von echten schauspielerischen Talenten getragenen Bühne in früher Jugend empfunden und den Gewinn davon, in die Tage und Werke seines Alters hinüber, bewahrt hat. Vor der Gefahr des Anschlusses an zufällige Theater bedürfnisse und Überlieferungen, an einengende geistige Gewohnheiten, die man fälschlich Stil tauft und die mit dem wirklichen Stil eines großen Künstler» gar nichts gemein haben, schützte ihn seine ursprüngliche Anlage und der starke, wenn auch nur halb in sein Bewußtsein ge tretene Trieb mit jeder neuen Schöpfung auch selbst ein neuer zu sein In wunderbarer Weise trafen bei der Konzeption des „Goldenen Vließes" die intuitive Welt einsicht des bedeutenden Dichters und eine besondere, Grill parzer von früh aus beherrschende Stimmung zusammen, um ein Kunstwerk vom bedeutendsten Gehalt hervorzurufen, das von vornherein, wie auch das letzte Urteil lauten mag, vor jedem Anklang an da» traditionelle Bühnengricchentum gesichert war In seiner Autobiographie sagt Grillparzer, daß sich ihm der ungeheure, der griechischen Herocnsage angehörige Stoff, „der eigentlich größte, den je ein Dichter behanvett hat', mir großer Plötzkchkeit gliederte „Das goldene Vließ war mir als ein sinnliches Zeichen des ungerechten Gutes, als eine Art Nibelungenhort, obgleich an einen Nibelungenhort damals niemand dachte, höchst willkommen. Mit Rücksicht auf dieses Symbol und da mich vor allem der Charakter der Medea und die Art und Weise interessierte, wie sie zu der für eine neuere An schauungsweise abscheulichen Katastrophe geführt wird, mußten die Ereignisse in drei Abteilungen auseinander fallen" Das Vließ war dem Dichter Symbol, sinnliches Zeichen des Verlockenden, Heißgewünschten, mit Begierde gesucht, mit Frevel und Unrecht erworben, Symbol jedes Besitzes, der den Menschen erniedrigt statt ihn zu befreien Indem Grillparzer in allen drei Dramen, nur je in anderer Beleuchtung das hellenische Selbstgefühl, den Kulturstolz des Griechentums und den selbstischen Trotz des Barbarentums einander gegenübersetzte, stellte er doch dar, wie aus beiden Stufen die heiße Gier, die gleiche Wirkung der Aufstachlung zu wilden Verbrechen, des Heraustretens aus den Schranken der eigenen sittlichen Empfindung zur Folge hat „Das goldene Vließ", sagt E Reich in seinen Vorlesungen über Grillparzers Dramen sehr zutreffend, „übt freilich eine dämonische Macht aus, aber nicht ihm wohnt sic inne, in denen haust der Dämon, welche so eifrig nach seinem Besitze gieren Das an sich Nichtige und Bedeutungslose erhält einen ungeheuren Wert für jenen, der darin sein Glück zu erwerben vermeint. Nicht was die Dmge wirklich sind, entscheidet über ihre Schätzung, sondern die Bedeutung, welche die Menschen ihnen, obgleich irrig zuschreiben Es ist bittertragische leise Ironie, wenn das so heiß umstrittene Vließ in Wahrheit der ihm zugeschriebenen Wunderkraft völlig bar ist " Die Stimmung aber, in der Grillparzer die Argonautensage erfaßte, mit der er seiner Trilogie einen eigentümlichen ganz individuellen Schimmer verlieh, ist die gleiche, in der der Dichter ergäbt, würde dies den Interessen von Ihrer Majestät Regierung dienlich sein oder dem Ruse deS Landes förderlich?" Das bezieht sich auf Chamberlains Kenntnis der Pläne der Verschwörer. Nicht weniger belastend für die Südafrikanische (Chartered) Com pany und sür das englische Koloiualamt selbst sind die Geständnisse des früheren Direktors der Süd afrikanischen (Chartered) Company, Alfred Beit. Letzterer hat in seinem Verhöre eingestanden, daß er stets tieferMitleid mitdenUitländersinTransvaalgehabt und mit ihren Bemühungen, sich der Bedrückung von Seiten der Transvaalregierung zu erwehren, sympaii- siert habe. Beit erklärte, er sei von Geburt zwar ein Deutscher, sei aber stets der Meinung gewesen, daß Deutschland nur Handelsinteressen in Südafrika und speziell in Transvaal wahrznnehmen und deshalb auch ebenso, wie England, allen Grund habe, eine Reform in der Verwaltung des Raades anzustreben. Er habe lange geglaubt, daß diese Reform auf ver fassungsmäßigem Wege erreicht werden könnte Im Juni 18.,5 habe er mit Rhodes in der Kapstadt wegen dieser Reformen Unterhandlungen gepflogen. Sie wären beide freilich damals schon der Ansicht gewesen, daß früher oder später rin bewaffneter Aufstand der Johannesburger Uitländer ausbrechen, und es sich deshalb empfehlen winde, vr. Jameson mit einer Truppenabteilung in der Nähe der Grenzen in Be reitschaft zu halten, um die Einwohner von Johannes burg im Notfall? zu schützen Auch mit seinem Ge sinnungsgenossen Lionel Philipps, dem Vorsitzenden des Nationalvereines in Transvaal, habe er sich über diese Angelegenheit beraten. Auch dieser soll der Meinung gewesen sein, daß man die vorhandenen Streitkräfte der Uitländer organi sieren müsse, um sie ans die militärischen Ereig nisse vorzubereiten. Phillips und auch Leonard, den er zu diesen Besprechungen hinzugezogen habe, habe er über die seitherigen Besprechungen mit Rhodes unterrichtet und letzterem sodann über die diesbezüg lichen Gegenäußerungen Phillips und Leonards be richtet. Auch mit Geld habe er keineswegs gekargt, um die Uitländer in die Lage zu bringen, im äußersten Notfälle Gewalt anwenden zu können, um die von ihnen verlangten politischen Rechte zu erzwingen. Er — Beit — habe fortwährend im Schriftwechsel mit den Johannesburgern, der Kapstadt und Pitsani ge standen, um über die Lage der Dinge unterrichtet zu jein. Von dem Einfalle vr. Jamesons in Transvaal habe er aber erst Kenntnis erhalten, als er bereits erfolgt gewesen sei. Er habe stets an der Ansicht festgehalten, daß ohne Zustimmung der Johannesburger nicht zur Aktion geschritten werden dürfe. Von Geldrücksichten habe er sich dabei nicht leiten lassen, sondern aus schließlich nur von seinen menschenfreundlichen Sym pathien. Im Juli 189-5 habe seine Firma 2000 Aktien und im folgenden Monat weitere 6000 ge kauft. Beit beschwerte sich bitter über die Be schuldigungen von seiten Labouchöres und ersuchte ihn, dieselben entweder zu beweisen oder zurückzu nehmen. Er habe zur Agitation in Johannesburg über 200 000 Psd Sterl, beigesteuert, diesen Aufwand jedoch nicht als kommerzielle Anlage gemacht. Tas Geld sollte nur zur Erlangung der Rechte der Uit länder dienen. Auf diese Äußerungen werfen aber die Antworten ein eigenartiges Licht, die Beit auf die Fragen Harcourts und Lab oucheres gegeben hat und nach welchen er es für gut gehalten habe, wenn ein Ausstand iu Johannesburg so bald wie möglich ausbräche, weil Jame son an der Grenze gestanden habe. Seinen Posten als Direkior der Charteret) Company habe er nicht des halb niedergelegt, weil man ihn als Miturheber des Einfalles Jamesons entdeckt hätte; seine Stellung zu den schwebenden Fragen sei schon vor dem Einfalle Jamesons bekannt g^we en, von welchem er erst nach d'ssen Ausführung Kenntnis erlangt habe. Von schon vor dem „Golvnen Vließ" sein Märchendrama „Der Traum ein Leben" entworfen und begonnen hatte. Die Frevel, die sich an das Verlangen nach einem für göttlich erachteten Gute knüpfen, gedeihen darum so üppig, weil sich die Helden der Sage von ihrem Heimatboden, von der frommen Gewöhnung losreißen — Wie Phryxus im „Gastfreund" mit dem Raube aus dem delphischen Tempel in die fremde Barbarenwclt hineinstürmt, sie erst zu unterwerfen, dann zu überlisten hofft und darüber der plötzlich erweckten wilden Leidenschaft des Barbarenkönigs erliegt, wie Jason und seine Genossen über die wilden Meere dahinsahren, im Uebermut des Wagens, „durch See und Land, durch Sturm und Nacht und Klippen", „den Tod vor sich und hinter sich den Tod" ins Kolcher- land Hereinbrechen, wie Jason zum ersehnten Hellen Vließ auch noch das Weib raubt, das er nicht liebt und nur für die Zeit und unter den Umständen begehrt, da er selbst ein Barbar geworden ist, wie Medea im plötzlich erwachten Liebesdrang Haus und Heimat verrät und dem Fremden in die Ferne folgt — immer und überall ist die Losreißung von der heiligen Überlieferung die erste Stufe zu allem Weiteren Im Konflikt der vorwärts treibenden Leidenschaft mit den ursprünglichen Bedingungen eines Lebens, sah dieser Dichter vor allen, das Tragische, und klar und ergreifend verwebt er diese subjektive Stimmung in den Gang seiner Tragödien Voll kühner Energie sind die beiden ersten Teile der düstern Trilogie „Der Gastfreund'' und „Tie Argonauten" aufgebaut. Wessen Blick nicht an den Äußerlichkeiten hastet, die der Dichter mit dem Stoffe übernommen hat, der wird rasch sehen, daß die eigentliche tragische Entwickelung sich durchaus in den Seelen der Handelnden vollzieht PhryruS, der Bar barenkönig Äete», seine Kinder Medea und Absyrtu», Jason und Milo erschienen als die vollendetsten Gestalten, wenige Gestalten und doch genug, um alle Formen der Verschuldung und der ihr auf dem Fuße folgenden Rache
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