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Der Mozart-Zyklus der „Dresdner Philharmoniker“ konnte das kammermusikalische Schaffen des Meisters nicht be rücksichtigen. Der heutige Abend soll diesen zum Gesamt bild des Meisters unerläßlichen Teil seines Werkes zum Er klingen bringen; freilich auch hier nur einen Bruchteil, einzelne Edelsteine aus dem reichen Schatz seiner unermeß lichen Schöpferkraft. Das Flötenquartett in D-Dur entstand in der Zeit der Pariser Reise während des Aufenthaltes in Mannheim Ende des Jahres 1777. Die zahlreichen Seufzer zu Beginn des 1. Satzes sind der Ausdruck seiner damaligen Gemüts verfassung, da ihn die Zweifel seiner ersten jungen Liebe quälten. — Das reizende Werk mit der sorgfältigen Stimm führung des Allegros, das neben Seufzern auch Leidenschaft widerspiegelt und der romanzenartigen Melodie der Flöte des Adagios ist der Ausdruck munterer Laune, die sich im Schlußrondo zu ausgelassener Heiterkeit steigert. Die Streicherserenade „Eine kleine Nachtmusik“ schrieb Mozart im Jahre 1787 in Wien, zu jener Zeit, da er auf der reifen künstlerischen Höhe seines Schaffens, für kur ze Zeit der gefeierte Liebling des Wiener Konzertpublikums war. Lange Zeit hatte er die einst in Salzburg von ihm so bevorzugte Form der Serenade außer acht gelassen, um uns mit dieser „Nachtmusik“ deren vollendetsten Gipfelpunkt zu schenken. Festlicher Prunk und zarte Anmut erfüllen das Allegro, die Romanze enthält im Mittelteil ein ent zückendes Zwiegespräch zwischen 1. Geige und Baß., das anmutige Menuett mit seinem gefühlvollen Trio und das keck aufsteigende Thema des Schlußrondos, das vielfach abgewandelt immer wieder erscheint, spiegeln heiterste Lebensfreude wider, die dieses Werk zu einem der bekann testen, gcliebtesten Mozarts macht. Auch das Oboenquartett trägt Serenadencharakter. Mo zart schuf es 1781 im Anschluß an die Aufführung des (31617 PI) III-9-5 751 1 Landesdfudcerel Saduar „Idomeneo“ in München für den ihm befreundeten Obo isten Ramm. Dieses leichtbeschwingte Werk, dessen Allegro durch die reich variierte Reprise auffällt, verläßt nur im ernsten Mittelsatz den heiteren Serenadenton und läßt die Oboe in diesem Adagio schwermutsvoll singen, während das Schlußrondo in unbeschwerter Fröhlichkeit erklingt. Mit dem stark französisch anmutenden Thema dieses Satzes treibt der Komponist ein humorvolles Spiel und läßt es überraschend immer wieder von neuem auftauchen. Im Jahre 1789 — also zwei Jahre vor seinem Tode — schrieb Mozart das von süßem Wohlklang erfüllte Klarinettenquintett für den Wiener Klarinettisten Anton Stadler, der ebenso virtuos Klarinette zu blasen, als Schulden zu machen verstand und dem es im Laufe der Zeit sogar gelang, von dem sich stets in Geldnöten befind lichen, gutmütigen Mozart eine erhebliche Summe zu borgen! — Nicht mehr wie im Flöten- und Oboenquartett ist das Soloinstrument allein beherrschend, sondern die Mitarbeit der Steicher ist bedeutungsvoll und persönlicher geworden. Entscheidend für dieses herrliche Quintett waren klangliche Rücksichten, die das genial erfühlte Wesen der Klarinette mit all ihren Möglichkeiten voll ausschöpfen. Überquellender Melodienreichtum erfüllt alle Sätze, vor allem das Larghetto ist voll bezaubernder Kantabilität. Heiteren Serenadenton voller volksliedhafter Melodien zeigen das Menuett und die Variationen des Finales. Die sonst für diese späte Schaffensperiode charakteristische kontrapunktische Verarbeitung ist frischer, melodischer Spielfreudigkeit gewichen, die in unerschöpflicher Fülle die Einfälle aneinanderreiht. In all dieser Unbeschwertheit und Daseinsfreudigkeit wird in uns niemals der Gedanke wach an die bittere wirtschaftliche Not dieser Zeit und die sein Gemüt mit der zunehmenden Krankheit immer öfter um- düsternden Todesgedanken. Weit über alles Leid des menschlichen Lebens trägt sich und uns der unsterbliche Genius Wolfgang Amadeus Mozart. Ruth Butowski