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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 19.1975
- Erscheinungsdatum
- 1975
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-197500004
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- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19750000
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19750000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
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- Digitalisat
- SLUB Dresden
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Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 19.1975
-
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Band 19.1975
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UZ 16. Mai 1975 Agitation und Propaganda 5 - - -- — - - — aß sich in der BRD ein neues DDR-Bild herausbildet und seine Konturen immer deutlicher werden, ist ein Vorgang von histo rischer Bedeutung. Wir werden jedoch gut daran tun. zu keiner Zeit zu übersehen, daß die Existenz der DDR als sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern den herrschenden Kreisen der BRD stets ein Dorn im Auge bleiben wird. Diese Kreise befin ¬ den sich immer wieder in einem Zwiespalt der Gefühle. Sie können es einfach nicht verwinden, daß sich die internationalen Positionen der DDR unablässig festigen. Im Grunde genommen paßt ihnen also die ganze Richtung nicht. Sie kommen andererseits nicht um die Tatsache herum, daß die Herstellung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen der DDR und der BRD die gegenseitige Achtung und Anerkennung der souveränen Rechte der beiden deutschen Staaten zueinander voraussetzt.“ 1 ) In einem Zwiespalt der Gefühle befindet sich gegenwärtig die ganze Schar der bürgerlichen und sozialreformistischen Politiker und Theo retiker der BRD vor allem in bezug auf die Auffassungen von der Nation. Jahrzehntelang versprachen sie der BRD-Bevölkerung die Vereinigung in, „Frieden und Freiheit“. Diese Konzeption des Zurück rollens des Sozialismus in der DDR und ihrer Einverleibung in die BRD ist unwiderruflich gescheitert. Dadurch sind aber auch jene Politiker und Theoretiker in eine Sackgasse geraten, die die bürgerliche Theorie von der Nation speziell auf diese Variante imperialistischer Politik eingestellt hatten. Ohne nun die Substanz ihrer Auffassungen und Ziele preisgeben zu müssen und zu wollen, versuchen diese Politiker und Theoretiker die bürgerliche Konzeption von der Nation den gegen wärtigen Bedingungen anzupassen. Dies Anpassung geht zwiespältig und differenziert vor sich, was unsererseits in der ideologisch-theoretischen Auseinandersetzung unter den Bedingungen der sich durchsetzenden Be ziehungen der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit unter schiedlichen sozialen Systemen zu beachten ist. Im Widerspruch zum Völkerrecht Ein besonders eifriger Verfechter der gescheiterten Variante imperia listischer Politik war und ist neben Franz-Joseph Strauß Johann Paptist Gradl. Er schrieb vor einiger Zeit: „Nachdem wahr geworden ist, was zunächst niemand für möglich gehalten hat — dreißig Jahre Zerreißung und Auseinanderentwicklung —, genügt es nicht, Deutschlandpolitik nur aktuell zu gestalten. Ihr eigentliches Ziel, die staatliche Einheit, verlangt auch eine Langzeitpolitik, die auf eine fernere Zukunft angelegt ist.“ 2 ) In der Nachkriegsentwicklung gehörte Gradl zu jenen, die die Westzonen vom deutschen Nationalverband abspalteten, den Imperialismus restau rierten und die kapitalistische Nation in der BRD konservierten. Also alles für die Zerreißung und Auseinanderentwicklung taten. „Das deutsche Monopolkapital vollendete seinen nationalen Verrat, indem es im Inter esse der Rettung und Wiederherstellung seiner eigenen Klassenherrschaft Deutschland und das deutsche Volk spaltete. Es bildete den westdeutschen Separatstaat und kettete ihn durch die Pariser Verträge an die Inter essen der imperialistischen Westmächte, vor allem der USA.“ 3 ) Nach dem nun die BRD und die DDR sozialpolitisch und völkerrechtlich von einander vollständig abgegrenzt sind, verlagert Gradl die Verwirk lichung des Bonner Alleinvertretungsanspruchs in die fernere Zukunft. Von hier aus versucht er dann eine Verpflichtung auf die Einheit der Nation zu postulieren. ..Wenn eine zwiespältige Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen nicht als internationale Manifestation endgültiger deutscher Spaltung verstanden werden soll, und wenn der Grundvertrag in das Bewußtsein des deutschen Volkes nicht als ein Vertrag eingehen soll, der die Teilung im ,Grunde' festlegt, dann müßten beide deut sche Seiten zu einer entsprechenden gemeinsamen positiven Aussage kommen.“ 4 ) Dieses Positive sei „die beiderseitige Verpflichtung auf die F.inheit der Nation und auf die Zusammengehörigkeit des deutschen Volkes.“ 5 ) Selbstverständlich ist nicht die Mitgliedschaft der DDR und der BRD in der UNO zwiespältig, sondern die Auffassung Gradls darüber. Die Argumentation der Linie Gradls ist bekannt. Das deutsche Reich besteht rechtlich als Staatsnation weiter, und die staatliche Spal tung hebe diesen Zustand nur zeitbedingt auf. Folglich sind die beiden Staaten „Gliedstaaten“ eines angeblich größeren Ganzen und ihre histo rische Existenz ist auf eine- fiktive Einheit der Nation mit dem Ziel be zogen, wieder „Staatsnation“ zu werden. Hierdurch wird dem Volk der DDR zwar das Recht auf selbständige Existenz zugebilligt, aber die un- Widerrufliche Wahl zugunsten des Sozialismus zieht man zugleich in Zweifel, was im Widerspruch zum Völkerrecht steht. Das Völkerrecht bestätigt nicht einfach, daß das Recht der Nationen auf Selbstbestim mung das Recht auf selbständige Existenz ist, sondern das Recht auf die Wahl der gewünschten gesellschaftspolitischen Ordnung. Das Volk der ddr hat das Recht auf nationale Selbstbestimmung verwirklicht, indem es den Sozialismus errichtete und sich als sozialistische Nation deutscher Nationalität konstituierte. Auf Grund der historischen Umstände wandelte sich die Lösung des Widerspruchs zwischen dem Monopolkapital und der Mehrheit des deutschen Volkes von einer gesamtdeutschen Aufgabe zu einer inneren Aufgabe der Werktätigen, besonders der Arbeiterklasse der BRD. Hieraus ergeben sich drei Feststellungen: Erstens. Die nationale Frage Deutschlands, wie sie unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg auf der Tagesordnung stand, existiert nicht mehr. Zweitens. Im Ergebnis der er folgreichen Durchführung der volksdemokratischen Revolution in der DDR wurde hier die nationale Frage im Sinne der Überwindung des Imperialismus und Kapitalismus gelöst. Ihr Inhalt ist jetzt und in Zukunft die Gestaltung unserer nationalen, zwischennationalen und in ternationalen Beziehungen auf der Grundlage des Sozialismus inner halb der sozialistischen Staatengemeinschaft. Drittens. Der Inhalt der nationalen Frage der BRD ist die Lösung des Widerspruchs zwischen dem Monopolkapital und der Mehrheit des Volkes durch die Überwindung des Imperialismus. Zwei Staaten - unumstößliche Realität Übrigens wird selbst im Lager der bürgerlichen und sozialreformisti-- sehen Theoretiker der BRD folgendes eingeschätzt: „Das Festhalten der CDU/CSU an der juristischen Fiktion der Einheit Deutschlands mag nicht zuletzt auch darin seine Ursache haben, daß diese Parteien, als sie selbst die Regierung stellten, sich nie ernsthaft darum bemüht hatten, die Auseinanderentwicklung der beiden Teile Deutschlands wissenschaft lich zu verfolgen und sich dadurch des tatsächlichen Zustands der Na tion bewußt zu werden.“ * * * S. 6 ) Gebhard Schweigler — von dem die zi tierte Einschätzung stammt — bezeichnet die genannte Fiktion als frag- würdig und lächerlich zugleich. 7 ) Er versucht im Unterschied zu Gradl die bürgerliche Theorie der Nation, besonders die Auffassung von der Staatsnation der sozial-politischen und völkerrechtlichen Abgrenzung Zwischen der DDR und der BRD anzupassen. Schweigler schreibt: „Histo risch betrachtet ist es sicherlich richtig, daran festzuhalten, daß die deutsche Staatsnation am 8. Mai 1945 unterging (und nicht etwa am 21. Dezember 1972 mit der Unterzeichnung des Grundvertrages, wie es die Gegner dieses Vertrages so gerne behaupten); es wurden an diesem Tag nicht nur die Weichen für spätere Entwicklungen gestellt, sondern auch das Deutsche Reich überhaupt aufgelöst.“ 8 ) Die Erklärung der BRD- Regierung vom 11. Januar 1970 interpretiert Schweigler dann auch wie folgt; „Damit hatte eine westdeutsche Regierung zum ersten Mal offi ziell die Nicht-Existenz Deutschlands als Staatsnation bestätigt.“ 9 ) Für eine bestimmte Gruppe bürgerlicher und vor allem sozialreformistischer Theoretiker bildet die Existenz zweier deutscher Staaten den Ausgangs- Punkt für zwei Folgerungen: Erstens. Die Konzeption von der „einheitlichen deutschen Staats- nation" ist politisch und theoretisch nicht mehr haltbar. Zweitens müsse man unter diesen Umständen „nationale Gemeinsam keiten nicht-institutioneller Art“ 18 ) retten. Nachdem die DDR und die ERD völkerrechtlich vollständig von einander abgegrenzt sind und wie -Meinungsumfragen verschiedener Institute der BRD besagen, daß das Bestehen zweier deutscher Staaten mit unterschiedlicher Gesellschafts ordnung auch in der Bundesrepublik als das betrachtet wird, was es seit langem ist: eine unumstößliche Realität, die man nicht übersehen kann und auch nicht übersehen will,“ 11 ) verlagern Gebhard Schweigler, Peter Christian Ludz und andere die Nation in die Welt der Gefühle, der Psyche, der Mentalität und der Kultur. Schweigler verkündet ganz offen: Das Ziel ist „nationale Gemeinsamkeiten nicht-institutioneller Art , also vor allem Wissen übereinander und Verhaltensweisen im Ver kehr miteinander — am Leben zu erhalten und dadurch eine Rest- substanz der Nation zu sichern.“ 12 ) Diese „Restsubstanz“ sei die Nation als Willens-, Gefühls- und Schicksalsgemeinschaft des Volkes und als Kulturnation. Unter den Bedingungen der sich durchsetzenden Politischen Entspannung wird zur Manipulierung eines antikommuni stischen und nationalistischen DDR-Bildes in der BRD und zur ideolo- Kischen Unterwanderung des Sozialismus in der DDR die bürgerliche Psychisch-kulturelle Theorie der Nation gegenwärtig aufgewertet und in den Mittelpunkt gestellt. Was ist das Wesen dieser Theorie? Mit ihr wird eine Auffassung von der Nation außerhalb der Klassen, Gesell schaftsordnungen, Staaten usw. konstruiert. Dadurch soll erreicht wer den, einerseits von der Existenz zweier deutscher Staaten ausgehen zu können und andererseits die „Einheit der Nation“ im Denken und in Ge fühlen zu erhalten. „Willy Brandt“ — so schreibt K. H. Janßen, „hält das Zusammengehörigkeitsgefühl (Sprache, Kultur, gemeinsam erlittenes Schicksal) ungeachtet der staatlichen Trennung für stark genug, die Nation am Leben zu erhalten, auch wenn Wege zur Wiederherstellung ihrer Einheit nicht zü sehen sind.“. 13 ) Hierbei wiref behauptet, die Nation sei „eine Gefühls-, Willens- und Schicksalsgemeinschaft eines Volkes“. Die Tatsache, daß in den Nationen des Kapitalismus — so auch in der Nation der BRD - sich unversöhnliche Klasseninteressen widerspiegeln, wird eliminiert. Dadurch wird erst gar nicht die Frage nach der sozialen Funktion der Sprache, der Psyche und der Kultur innerhalb der kapitalistischen Nationen und innerhalb der sozialistischen Nationen gestellt. Es wird etwas Übergreifendes, sogenannt allgemein- menschliches, unterstellt. Die Phrase von der „Kulturnation“ Das kommt besonders deutlich in der bürgerlichen und sozialreformisti schen Auffassung von der „Kulturnation“ 1 zum Ausdruck. Ih ihr werden in der Regel vier Aspekte erfaßt: Erstens die „gemeinsame Geschichte“,. zweitens die „gemeinsame Sprache“, drittens „gemeinsame Verhaltensweisen“ und viertens „gemeinsame psychologische Orientierungen“. Wie bereits in den vorangegangenen Teilen meiner UZ-Serie betont wurde, entwickeln sich auf dem vom Potsdamer Abkommen festgelegten territorialen Bestand des ehemaligen kapitalistischen Deutschlands zwei sozial unterschied liche Nationen deutscher Nationalität in zwei Staaten mit gegensätz lichen sozialen Systemen. Im Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der BRD wurde die Unverletzlichkeit der territorialen Integrität beider Staaten in ihren gegenwärtigen Grenzen völkerrechtlich verbind lich festgelegt. Die sozialistische DDR und die kapitalistische BRD haben ein gegensätzliches Verhältnis zur deutschen Geschichte. Die DDR ist als sozialistische Nation und als sozialistischer Staat die Fort setzung der progressiven Traditionen deutscher Geschichte, besonders der revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterklasse. Die BRD setzt als kapitalistische Nation und als kapitalistischer Staat die reak tionären Traditionen deutscher Geschichte fort. Innerhalb der BRD knüpft der bewußteste Teil der Werktätigen an die revolutionären Tra ditionen der deutschen Arbeiterklasse und der DDR an. Der Begriff „gemeinsame“ Geschichte besagt nur, daß die deutsche Arbeiterklasse vor 1945 sich in der Nation des Kapitalismus entwickelte und gegen die deutsche Bourgeoisie kämpfte. Unter dem Gesichtspunkt, daß die deut sche Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen war, ist der Be griff gemeinsame Geschichte nicht haltbar. Auch der Begriff gemein same Sprache drückt etwas Fragwürdiges aus. Natürlich ist der gram matikalische Bau von Nationalsprachen — so auch der deutschen — einheitlich, zumal Nationalsprachen vereinheitlichte Sprachen sind. Und in der Regel ist die Einheitlichkeit des grammatikalischen Baus über lange historische Perioden wenigen Veränderungen unterworfen. Diese Ein heitlichkeit einer Sprache schließt aber nicht aus, daß sie Merkmal mehrerer Nationen sein kann. Nun bildet aber die Sprache zugleich ein gesellschaftliches Kommunikationsmittel und insofern übt die Sprache eine soziale Funktion aus, die durch die sozialen Verhältnisse bestimmt wird. Schon im Kapitalismus prägt die Arbeiterklasse eine andere Lesart (Diktion) der Nationalsprache als die Bourgeoisie. Vielmehr ist das noch der Fall, wenn die Arbeiterklasse im Bündnis mit den anderen werktätigen Klassen und Schichten die politische Macht erobert und den Sozialismus errichtet. Die soziale Funktion der deutschen Sprache in der Gegenwart ist nicht aus ihrer grammatikalischen Einheitlichkeit ab leitbar und bestimmbar, sondern aus den sozial-politischen Verhält nissen in der DDR einerseits und in der BRD andererseits. Innerhalb der DDR bildet die deutsche Sprache ein gesellschaftliches Kommunika tionsmittel der Werktätigen, die unter Führung der Arbeiterklasse die entwickelte sozialistische Gesellschaft gestaltet und sich zur sozialisti schen Nation formieren. Insofern entwickelt sich hier die deutsche Sprache als Merkmal der sozialistischen Nation der DDR. Innerhalb der BRD drückt die soziale Funktion der deutschen Sprache aus, daß sie einerseits Kommunikationsmittel der herrschenden Kreise zur Manipu lierung der Werktätigen ist und andererseits ein Kommunikationsmittel der bewußtesten Teile der Werktätigen im Kampf gegen das Monopol kapital darstellt. Analog verhält es sich auch mit der Nationalität. Die Nationalität deutsch drückt innerhalb der DDR die ethnische Kenn zeichnung der sozialistischen Nation aus. Innerhalb der BRD ist sie ethnische Kennzeichnung der kapitalistischen Nation. Eine Nationalität deutsch als ethnische Kennzeichnung einer deutschen Nation existiert deshalb nicht, da die deut-she Nation, wie sie früher existierte, nicht mehr vorhanden ist. Auch Verhaltensweisen und psychologische Orien tierungen sind klassenmäßig geprägt. Schon im Kapitalismus äußern die Werktätigen andere Verhaltensweisen und psychologische Orientierungen als die Angehörigen der Bourgeoisie. Wer die klassenmäßigen Kriterien — wie Schweigler, Ludz und andere — fallen läßt, der übersieht in bezug auf die Kultur, daß bereits im Kapitalismus neben der herrschen den Kultur die proletarische Kultur national und international entsteht, daß es innerhalb der BRD zwei Kulturen — die herrschende sowie de mokratische und proletarische Kultur — gibt, daß die sozialistische Nationalkultur der DDR Merkmal der sozialistischen Nation ist und daß die bürgerliche Kultur innerhalb der BRD ein Merkmal der kapitalisti schen Nation bildet. Statt dessen unterstellen Schweigler und Ludz eine „doppelte Zukunft Deutschlands“. Einerseits leben die Menschen auf deutschem Boden in zwei sozialen Systemen und Staaten und anderer seits gebe es noch die „einheitliche deutsche Kulturnation“. Gestützt auf die Arbeit von P. C. Ludz „Deutschlands doppelte Zukunft. Bun desrepublik und DDR in der Welt von morgen“ erklärt E. Kosthorst in einer Betrachtung für Lehrer, wie die „doppelte Zukunft“ pädagogisch zu verwirklichen sei: „Dies also ist die alle anderen umfassende didak tische Intention (Lehrziel) der Unterrichtsreihe; sowohl einen klaren Begriff der vollendeten Staatlichkeit in ihrer je konkreten Ausprägung der Bundesrepublik und der DDR zu erarbeiten und in eins damit eine national-kritische Identifikation zu ermöglichen, als auch mit dem Schlüsselbegriff Kulturnation das ganze Deutschland im Auge zu behal ten und die Bereitschaft zu wecken, die .besonderen Beziehungen' zwi schen den beiden deutschen Staaten zu erhalten und zu pflegen.“ 14 ) Der BRD-Student und der BRD-Schüler sollen einerseits von der Existenz zweier deutscher Staaten ausgehen, was ein Fortschritt ist, denn das führt zur Bejahung des Vertrages zwischen der DDR und der BRD, und andererseits sollen die „besonderen Beziehungen“, in einer „einheitlichen deutschen Kulturnation“ erblickt werden, was Nationalis mus zur Folge hat. Bekanntlich führt jede klassenindifferente und klas senneutrale Betrachtung der Kultur stets zum Nationalismus, da sie den unversöhnlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat, zwischen Kapitalismus und Sozialismus, zwischen kapitalistischer und sozialistischer Nation, zwischen bürgerlicher und sozialistischer Kultur verwischt. ... ein Politikum ersten Ranges Bei der Konzeption der „Kulturnation“ handelt es sich um eine alte bürgerliche und sozialreformistische Auffassung. Sie wurde von Friedrich Naumann und vor allem von Otto Bauer ausgearbeitet. F. Naumann (1860—1919) begründete die Nation als eine Willens-, Gefühls- und Schicksalsgemeinschaft eines Volkes. Er gründete 1896 den national-so zialen Verein und hatte Beziehungen zu damaligen rechten sozialdemo kratischen Führern im kapitalistischen Deutschland. Naumann seinerseits trat 1910 dem von rechten sozialdemokratischen Führern ins Leben ge rufenen „Deutschen Werkbund“ — eine Vereinigung von Kapitalisten und Arbeitern zur künstlerischen Gestaltung der Welt der Gebrauchs werte — bei. Naumann war offensichtlich der Auffassung, daß die Welt der Gebrauchswerte im Kapitalismus so zu gestalten ist, daß diese Ge sellschaft eine Willens-, Gefühls- und Schicksalsgemeinschaft werden könne. Die FDP der BRD betrachtet Naumann als ihren geistigen Vater, was sich u. a. daran zeigt, daß die FDP-Parteistiftung den Namen Fried rich Naumann trägt. Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurde dann die Auffassung — die Na tion sei eine Willens-, Gefühls- und Schicksalsgemeinschaft eines Vol kes — von Otto Bauer (1882—1938) zu der idealistischen psychologi schen Konzeption der Nation weiter ausgebaut. Bauer spielte mit dieser Auffassung in der II. Internationale eine Rolle. Er ist einer der geistigen Väter rechter sozialdemokratischer Führer der BRD und deren Theore tiker, darunter P. C. Ludz. In seiner Arbeit „Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie“ 15 ) schrieb Otto Bauer: „Die Nation ist eine re lative Charaktergemeinschaft“ 16). Diese Gemeinschaft bildet „die Summe der Merkmale, die die Men- sehen der einen Nation von den Menschen einer anderen Nationalität unterscheiden, der Komplex der körperlichen und geistigen Merkmale, der eine Nation von der anderen scheidet“- 1 '). „Der Charakter der Menschen- wird . .. niemals durch etwas anderes bestimmt als durch ihr Schicksal“..; „Die Nation ist nie etwas anderes als Schicksalsgemeinschaft“ 18 ). Auf diese Weise kommt dann Otto Bauer zu folgendem Begriff der Nation: ..Die Nation ist die Gesamtheit der durch Schicksalsgemeinschaft zu einer , Charaktergemeinschaft verknüpften Menschen“ 19 ). W.I. Lenin faßte in deni • „Thesen zum Referat über die nationale Frage“ die Theorie O. Bauers wie folgt zusammen: „a) idealistische Theorie der Nation P) Losung der nationalen Kultur (= bürgerlich) y) ein gesäuberter, verfeinerter, absoluter Nationalismus..; u) völlige Vernachlässigung des Internationalismus.“ 20 ) Diese Einschätzung trifft noch heute für die Mehrzahl der bürgerlichen und sozial-reformistischen Auffassungen von der Nation zu. Sie sind idea listisch, weil sie psychische und kulturelle Eigenschaften bestimmter Gruppen von Menschen zum Dreh- und Angelpunkt der Analyse erheben. Damit bleiben die materiellen Bedingungen, besonders die Produktions verhältnisse, außerhalb der Betrachtung. Mit der Losung von der ein heitlichen Nationalkultur überdeckt die Bourgeoisie den Gegensatz zum Proletariat, und gegenwärtig wird dadurch der Gegensatz zwi schen Kapitalismus und Sozialismus verwischt. Es handelt sich hier des halb um einen gesäuberten, verfeinerten und absoluten Nationalismus, - weil die Unterschiede nicht als Gegensatz zwischen den Klassen im Ka pitalismus und zwischen Kapitalismus und Sozialismus analysiert wer den, sondern die Gruppierung der Menschen wird nach psychischen und kulturellen Eigenarten, nach Nationalcharakter und Nationalbewußtsein vorgenommen. Nicht die klassenmäßigen Unterschiede und Gegensätze, sondern nationale Besonderheiten bilden die entscheidende Grundlage politischer und theoretischer Erörterungen. Aber die Überbetonung na tionaler Besonderheiten führt zur völligen Preisgabe des Internationalis mus. Die gegenwärtige sozialreformistische Auffassung von der Nation verfolgt uns gegenüber das Ziel, den Prozeß der Annäherung der soziali stischen Nation der DDR an die anderen Brudernationen in der soziali stischen Staatengemeinschaft zu stören, ein Bewußtsein der ethnischen Zugehörigkeit zur früheren deutschen Nation zu erhalten und nationale Besonderheiten aufzubauschen. Gegenüber den Bürgern der BRD soll mit der genannten Konzeption eine nationalistische Interpretation der Ent wicklung der DDR erreicht werden, da das DDR-Bild der fünfziger Jahre nicht mehr glaubhaft erscheint. „Angesichts des wachsenden Selbstbewußtseins der Bürger der DDR nehmen wir es auch nicht so tragisch“, erklärte Genosse Erich Honecker im Bericht des Politbüros auf der 9. Tagung des Zentralkomitees der SED, „wenn man in der BRD versucht, das sich dort immer stärker her ausschälende neue DDR-Bild durch Entstellungen zu trüben, zum Bei spiel durch die geradezu absurde Behauptung, die SED versuche, ,vor den Gemeinsamkeiten der Geschichte, der Sprache, der Kultur wegzulaufen’. Wir wollen nicht darüber rechten, wer wem wegläuft. Unsere Auffas sung der Geschichte und Kultur unterscheidet sich von derjenigen der herrschenden Kreise der BRD. Wir betrachten es als ein Politikum ersten Ranges, daß solche großen Humanisten des 20. Jahrhunderts wie Tho mas Mann, und Heinrich Mann. Arnold Zweig, Lion Feuchtwanger, Bertolt Brecht, Johannes R. Becher und Anna Seghers die Gründung unserer Deutschen Demokratischen Republik als historischen Neubeginn, als unwiderrufliche Entscheidung gegen die reaktionären Kräfte der Vergangenheit, als eine Wende begrüßten und unterstützten, von der an das Leben unseres Volkes seinen Verlauf in gesellschaftlichem Fort schritt, in friedlicher Arbeit, in Freiheit und Menschenwürde nahm.“ 21 ) 1) 9. Tagung des ZK der SED vom 28./29. 5. 1973, Aus dem Bericht des Politbüros an das ZK der SED, Berlin 1973, S. 18/ 2.) J. B. Gradl: Elemente künftiger Deutschlandpolitik. In: Politik und Kultur 5/6, 1974, S. 5 / 3.) Bericht des ZK an den VIII. Parteitag, Berichterstatter: Genosse Erich Honecker, Berlin 1971, S. 31 / 4.) J. B. Gradl: Elemente künftiger Deutschlandpolitik, A.a.O., S. 6 5.) Ebenda / 6.) G. Schweigler: Nationalbewußtsein in der BRD und DDR. Düsseldorf 1973, S. 20 / 7)) Ebenda / 8.) Ebenda, S. 17 / 9.) Ebenda, S. 19 / 10.) Ebenda, S. 21 / 11.) E. Honecker: Aus dem Bericht des Politbüros des ZK auf der 9. Ta gung, A.a.O., S. 17/18 / 12.) G. Schweigler, A.a.O., S. 21 / 13.) K. H. Jan ßen: Was ist Deutschland? In: Die Zeit, 25. 2. 1972, S. 3 / 14.) E. Kost horst: Die Teilung Deutschlands und die Entstehung zweier deutscher Staaten. In: Politik und Kultur 3/1974, S. 21 / 15.) O. Bauer: Die Natio nalitätenfrage und die Sozialdemokratie. Verlag Serp 1909 7 16.) Ebenda, S. 6 / 17.) Ebenda, S. 2 / 18.) Ebenda, S. 24/25 / 19.) Ebenda, S. 139 / 20.) W. I. Lenin: Ergänzungsband 1896 — 1917, Berlin 1960, S. 319 / 21.) E. Honecker: Aus dem Bericht des Politbüros an das ZK auf der 9. Tagung, A.a.O, S. 18/19
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