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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 20.1976
- Erscheinungsdatum
- 1976
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-197600006
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19760000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19760000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Ausgabe
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Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 20.1976
-
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Band 20.1976
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UZ/13 2. April 1976 Propaganda / Agitation S Der Entwurf der Direktive des IX. Parteitages der SED zur Ent wicklung der Volkswirtschaft der DDR 1976 bis 1980 enthält die Zielstellung, „die vom VIII. Par teitag beschlossene Hauptauf gabe,. . .in der Einheit ihrer bei den Seiten als langfristige stra tegische Orientierung konsequent weiter durchzuführen.“ 1 ) Es wird die immer engere Gestaltung des Wechselverhältnisses zwi schen Wirtschafts- und Sozial politik als Aufgabe gestellt. Die erfolgreiche erste Bilanz dieses mit dem VIII. Parteitag eingeschlagenen Kurses liegt in den Ergebnissen des 5-Jahrpla- nes vor. 2 3 * 5 ) Das besagt jedoch nicht, daß Wirtschafts- und Sozialpoli tik bisher unabhängig voneinan der entwickelt wurden. Ihre im- lung unseres Landes gesetzmäßig den Ausbau dieser Einheit ver langt. Im bisherigen Verlauf des sozialistischen Aufbaus hat un sere Gesellschaft aber auch Er fahrungen gesammelt in der Pla nung nicht nur der ökonomischen Prozesse, sondern auch hinsicht lich der Planmäßigkeit der Ge staltung der Arbeits- und Le bensbedingungen, hinsichtlich der Einbeziehung sozialer Ziel stellungen in den Planungspro zeß. Die Zunahme der Plan mäßigkeit in der Herstellung der Verbindung zwischen Volks wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung charakterisiert un seren gegenwärigen Entwick lungsstand. Die Partei stellt für die so ziale Entwicklung hohe Ziele, Dies sind Zielstellungen, die nur im Sozialismus gestellt und rea lisiert werden. Während in den Ländern des Monopolkapitals der technische Fortschritt zur Verschärfung der Krise führt, die Werktätigen mit der Zunahme der Arbeitslosig keit konfrontiert werden und für die Jugend die Chancen beruf licher Entwicklung immer ge ringer werden, sieht die sozia listische Gesellschaft als „das höchste Ziel der gesellschaftli chen Produktion im Sozialismus... die maximale Befriedigung der materiellen und kulturellen Be dürfnisse der Menschen."5) L. I. Breshnew stellte auf dem XXIV. Parteitag der KPdSU fest: „Die Partei geht auch davon aus, Zu Problemen der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik Von Prof. Dr. Helga Ulbricht, Sektion Wirtschaftswissenschaften mer engere Verflechtung ist ein Wesensmerkmal des Sozialismus überhaupt, wie es auch im öko nomischen Grundgesetz des So zialismus seinen Ausdruck fin det. Erstmals realisiert die Ar beiterklasse in der sozialistischen Gesellschaft ihr Ziel, die soziale Entwicklung der Gesellschaft planmäßig zu gestalten. Als machtausübende Klasse setzt sie dafür die ökonomischen Ergeb nisse der Volkswirtschaft ein und verbindet in zunehmendem Maße das Anwachsen der ma teriell-technischen Basis mit den sozialen und ökonomischen Zie len. Die Arbeits- und Lebens bedingungen sind deshalb sowohl eine wesentliche Ausdrucksform des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes als auch der Einheit von Wirtschafts- Und Sozialpolitik. Im Manifest der Kommunisti schen Partei heißt es: „In der kommunistischen Gesell schaft ist die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebens prozeß der Arbeiter zu erwei tern, zu bereichern, zu beför- dern."3 Heute stellt die Partei die Aufgabe, die sozialistische Lebensweise immer mehr auszu prägen, die untrennbar mit der Entwicklung sozialistischer Per sönlichkeiten verbunden ist.’) Wenn wir heute die Einheit von Wirtschafts- und Sozialpoli tik besonders betonen, dann des-, halb, weil quantitativ und quali tativ immer bessere Vorausset zungen zur Vertiefung ihrer in neren Verflechtung bestehen und. weil der heute, erreichte Stand der- gesellschaftlichen Entwick- die nur in Wechselwirkung mit der Erfüllung der anspruchsvol len volkswirtschaftlichen Aufga ben erreicht werden können. Da zu gehören: — Lösung der Wohnungsfrage bis 1990 — planmäßige Gestaltung sozia listischer Arbeitsbedingungen, zugleich als Ausdruck der wei teren Ausprägung des sozialisti schen Charakters der Arbeit, so daß Arbeitsfreude, Einsatzbereit schaft und Schöpfertum sowie Streben nach Ordnung, Sicher heit und Disziplin gefördert wer den. — Durchsetzung des wissen schaftlich-technischen Fort schritts unter konsequenter Be achtung und ständiger Verbes serung des Gesundheits- und Ar beitsschutzes, der planmäßigen Einschränkung körperlich schwe rer und gesundheitsgefährdender Arbeit und Erhöhung der Unfall sicherheit. — Ausbau der geistig-kulturel len Betreuung der Werktätigen in den Betrieben — konsequente Durchsetzung des Leistungsprinzips in der Lohnpolitik bei gleichzeitig wachsender Bedeutung der ge sellschaftlichen Fonds, für Maß nahmen der Entwicklung des Gesundheits- und Sozialwesens, der Volksbildung und von Kul tur und Sport. — differenzierte Verlängerung des Erholungsurlaubes und schrittweiser Übergang zur 40- Stunden-Arbeitswoche in Abhän gigkeit von der Erhöhung der Arbeitsproduktivität daß die Erhöhung des Lebens niveaus der Werktätigen zu ei nem immer dringenderen Er fordernis der wirtschaftlichen Entwicklung selbst, zu einer wichtigen' ökonomischen Voraus setzung für die rasche Steigerung der Produktion wird. .. .Es geht um die Schaffung der Bedingungen, die die allseitige Entwicklung der Fähigkeiten und der schöpferischen Aktivität der Sowjetmenschen, aller Werktä tigen, begünstigen, das heißt, um die Entwicklung der Hauptpro- duktivität der Gesellschaft.“ 6 ) Das bedeutet aber, da die Werk tätigen in ihrer Persönlichkeit zugleich die Hauptproduktivkraft der Gesellschaft repräsentieren: Sie verkörpern unter sozialisti schen Produktionsverhältnissen in ihrer Person selbst die ent scheidenden Grundvoraussetzun gen und die Zielstellung der Ein heit von Wirtschafts- und Sozial politik. Anmerkungen: •) Programm der SED/Entwur und Direktive des IX. Parteitages der SED zur Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR 197G bis 1980/EntwurE. Einheit 2/76 S. 141 und 179 ff. 3) s. hierzu die vergleichenden gra phischen Darstellungen, erarbeitet vom Studentenzirkel „Sozialpolitik“ des 3. Studienjahres der FR Arbeits ökonomie 3) Marx. K. und Engels, F.t Mani fest der Kommunistischen Partei, in: Marx-Engels: Ausgewählte Schriften in 2 Bänden. Bd. I S. 37. Dietz Verlag Berlin 1952 $ Programm der SED/Entwurf, a. a. O. 5) Breshnew. L. I.: Rechenschafts ¬ bericht des ZK der KPdSU an den XXIV. Parteitag der KPdSU APN-Verlag Moskau/Dietz Verlag Berlin 1971, S. 57 c ) ebenda • • 0.0 FRAGEN, DIE UNS BEWEGEN 1975 war für Kuba ein gewichtiges Jahr: Das Jahr des ersten Parteitages der kommu nistischen Partei und ihrer über 200 000 Mit glieder. Das sozialistische Kuba leitete mit dem ersten Parteitag bedeutende und tief greifende Veränderungen auf allen Ebenen der kubanischen Gesellschaft, im politischen, staatlichen und wirtschaftlichen Leben ein. Die Jahre 1976/80 werden eine der arbeits intensivsten Perioden in der Geschichte der kubanischen Revolution sein — eine Vielzahl objektiv herangereifter und komplizierter Pro bleme gilt es in Angriff zu nehmen und zu lösen. In den ersten 10 Jahren der kubanischen Revolution konnte die Entwicklung der Wirt schaft nicht im Mittelpunkt der Aufmerksam keit stehen — es ging primär um das Stand- Kuba im Jahr 1 des halten gegen direkte und indirekte militä rische Aggression, Diversionstätigkeit, gegen Wirtschaftsblockade und Boykott, vor allem seitens des US-Imperialismus. „Ohne die internationale Solidarität, ohne die Unter stützung, die die Klassenbrüder der ganzen Welt, insbesondere das große Volk der So wjetunion uns erwiesen haben, wären die kubanischen Revolutionäre nur zum Helden tod verurteilt gewesen“, hob Fidel Castro in seinem Rechenschaftsbericht hervor. Wenige Zahlen sollen das veranschaulichen: Allein die UdSSR hat ständig 100 Schiffe zwischen Kuba und Häfen der sozialistischen Länder im Einsatz, die Lieferung von 5 Mio t sowje tischen Erdöls sicherten die kubanische Elek troenergieerzeugung und die UdSSR bezog von 1960 bis 1974 über 29 Mio t kubanischen Zucker zu stabilen und vorteilhaften Preisen. Lebensnotwendige Lieferungen von Maschi nen und Ausrüstungen, industriellen Konsum gütern und Nahrungsmitteln aus den RGW- Ländern, die vielfältige Unterstützung des Industrialisierungsprozesses durch vereinte Hilfe und die Errichtung neuer Produktions kapazitäten in der Energiewirtschaft, Zucker gewinnung, Landwirtschaft und anderen Be ¬ reichen der Volkswirtschaft halfen wesentlich bei der Lösung von Versorgungsschwierigkei ten und der Überwindung der negativen Fol gen der US-Wirtschafts- und Handelsblok- kade. Gingen bis 1959 über 60 Prozent des kubanischen Exports in die USA und kamen über 70 Prozent der Importe von dort, so hat sich der Anteil der RGW-Länaer am Außen handel Kubas von ehemals weniger als 3 Prozent auf heute über 60 Prozent beim Ex port und etwa 70 Prozent des Imports erhöht. Das sozialistische Kuba nimmt heute einen festen Platz unter den Ländern der sozialisti schen Staatengemeinschaft ein — das fand nicht zuletzt Ausdruck in der RGW-Mitglied schaft seit 1972. Betrug die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts zwischen 1966/70 3,9 Prozent jährlich, so zeugt der durch- Fünfjahrplans schnittliche Jahreszuwachs von über 10 Pro zent, im Zeitraum 1971/75 von zunehmender Stabilisierung und Konsolidierung der kuba nischen Wirtschaft. Umfangreiche Projekte mit Unterstützung der RGW-Länder in der Zuckerproduktion, der Nickelgewinnung, der Zellstoffgewinnung aus Zuckerrohrbagasse und dem Anbau von Zitrusfrüchten prägen die engere Zusammenarbeit und die Mitwir kung Kubas an der sozialistischen ökonomi schen Integration in den kommenden Jahren. Die konsequentere Nutzung der Erfahrungen der sozialistischen Länder bei der Gestal tung der kubanischen Wirtschaft und die Verwirklichung des neuen Systems der Wirt schaftsleitung mit der festen Verknüpfung zwischen Lohn und Arbeitsnorm, zwischen moralischen und materiellen Stimuli im Sinne des Verfassungsgrundsatzes „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung" wird entscheidend dazu beitragen, die Ziele des ersten Fünfjahrplanes mit Le ben zu erfüllen und komplizierte Entwick lungsprobleme zum Nutzen des kubanischen Volkes und zur Erhöhung seiner Beispielrolle auf dem amerikanischen Kontinent zu lösen. Dr. Gerd Gruhle ARGUMENTE, DIE WIR BRAUCHEN - " I rezension JZ 1967 bis 1974 regierte in Griechen land eine militärfaschistische Junta. In einigen Ländern, sogar in NATO- Staaten. gab es offizielle Proteste gegen den Terror der Obristen, nicht in der Bundesrepublik. Als im Europarat Dänemark, Norwegen, Schweden und die Niederlande ge gen Griechenland Beschwerde bei der „Europäischen Kommission für Menschenrechte“ einlegten, unter stützten Island, Belgien, Luxemburg diesen Schritt, und in England ver- urteilte die Regierung vor dem Un terhaus die „Diktatur in Griechen land und die Bestialitäten, die dort verübt worden sind“. Die BRD er griff keine entsprechende Initiative, ja der damalige Bundespräsident Lübke bekräftigte gegenüber dem griechischen Botschafter in Bonn die „traditionelle Freundschaft“ bei der Länder, die sich „auf das hohe Ideal der Freiheit“ gründe! Im Euro parat plädierte die BRD nicht für den von den anderen Mitgliedern be antragten Ausschluß des (NATO- Mitgliedes!) Griechenland, nur für die Suspendierung seiner Mitglied schaft. Allerdings reagierte damals die von Kiesinger (CDU) geführte Große Koalition. Die (mitregierende) SPD verabschiedete auf ihrem Par teitag eine antifaschistische Grie chenland-Resolution, und einzelne Mitglieder von SPD und FDP betei ligten sich aktiv an Solidaritätsak tionen für griechische Demokraten, doch engagierte sich kein westdeut scher Sozialdemokrat so stark wie z. B. der SPÖ-Vorsitzende Pittermann. Als 1969 der Regierungswechsel in Bonn erfolgte, änderte sich wenig an der offiziellen Haltung Bonns. Zwar sagte Außenminister Scheel 1973 nach den Novembermassakern in Athen eine Griechenlandreise ab, und der von der Junta verfolgte Ju rist Prof. Mangakis wurde 1972 in einem Flugzeug der Bundeswehr aus Griechenland ausgeflogen; zwar warfen Politiker und Unternehmer im CSU-regierten Bayern der Bun desregierung vor, ihre gewisse Di- G. Wallraff in Athen Bemerkungen zum Buch Von Dr. J. Werner stanz gegenüber dem Obristenregime bringe der westdeutschen Wirtschaft Nachteile, die sie durch eine Athen- Reise von F. J. Strauß auszugleichen suchten; aber aufs Ganze gesehen blieb es in der BRD bei vereinzel ten, meist privaten Aktionen wie von Günter Grass und literarischen Manifestationen wie Rolf Hochhuths Stück „Lysistrate und die NATO“. Am meisten engagierte sich Günter Wallraff, Mitbegründer des „Werk kreises Literatur der Arbeitswelt“, Mitglied der Dortmunder Gruppe 61 und des westdeutschen PEN-Zen- trums. In seinen bekannten Reporta gen (1966 ff), die z. T. auch in un serer Republik erschienen (drei da von wurden unlängst in Adlershof ausgestrahlt), hatte er außer der „Sozialpartnerschaft“ auch Erschei nungen wie die Remilitarisierung und das Auftreten Rechtsradikaler in der BRD attackiert, die amerika nische Vietnampolitik ebenso wie die Ausbeutung und Unterdrückung griechischer „Gastarbeiter“ in der BRD. 1974 unternahm er in Athen eine Protestaktion gegen die Junta. Er wurde zusammengeschlagen, ver haftet, gefoltert und zu 14 Monaten Haft verurteilt. Führende Politiker wie G. Mavros würdigten Wallraffs Auftreten als mutigen und wir kungsvollen Beitrag zur Befreiung ihres Volkes von der Diktatur. Pro gressive Kräfte in aller Welt pro testierten gegen seine Behandlung und seine Verurteilung, in der BRD z. B. Böll, Lenz, Walser. Das Strauß- Organ „Bayernkurier“ dagegen sprach gehässig von „Politclownerie als Ersatz für schriftstellerische Be gabung“, für die „der geübte Agita tor ... eine Tracht Prügel bezog“. Als die Junta endgültig abgewirt schaftet nd Karamanlis die Regie rung übernommen hatte (vgl. UZ 36/1974: Hellas zwischen Offenba rungseid und Wahl), wurde Wallraff freigelassen. Aber schon vorher be reitete er mit dem fortschrittlichen BRD-Journalisten E. Spoo die Ver öffentlichung eines Griechenlandbe richtes vor. Er erschien unter dem Titel „Unser Faschismus nebenan“ im Verlag Kiepenheuer und Witsch, der auch andere engagierte Literatur wie Wallraffs Reportagen und Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ heraus brachte. Das Buch ist auch nach dem Sturz der Junta unvermindert aktuell, einmal für Griechenland selbst, wo die von rechts drohenden Gefahren noch immer nicht gebannt sind (vgl. UZ 43/1974: Hellas: Wahl ergebnisse und Hintergründe), aber auch für andere Länder, wo der Fa schismus noch herrscht oder zur Macht kommen könnte. („Schwefel brandfaschismus“ wie in Italien). Insbesondere spüren die Autoren den Gefahren eines möglichen Faschis mus in der BRD nach, „die nicht so unbedeutend sind, wie es dem er scheinen mag, der etwa nur die Wahlergebnisse der NPD betrach tet.“ Wallraff entlarvt Förderer und Nutznießer des Athener Militärre gimes in der BRD. Dementsprechend treten zu Abschnitten wie „Wall raffs Griechenlandbericht“ und „Kas siber von Häftlingen“ Ausführun gen von Mitautoren wie. J. Weber und M. Nikolinskos über westdeut sches Kapital in Griechenland, westdeutsche Militärhilfe, Athen- Reisen von CDU-Politikern, die Ter rorisierung griechischer „Gastarbei ter“ in der BRD, Wallraff-feindliche Tendenzen in westdeutschen Mas senmedien. Doch ist zugleich von denen die Rede, „die sich gegen den Faschismus, für seine Opfer enga giert haben, Beispiele, die beweisen, daß jeder Demokrat, jeder einzelne von uns, Möglichkeiten hat, zum Kampf gegen den Faschismus, der heute vor allem in Chile und noch immer in Spanien wütet, wirksam beizutragen“. Der durch ein Geleit wort des progressiven Theologen H. Gollwitzer eingeleitete Band wird von einer Dokumentensammlung (Fotos, Faksimiles) beschlossen. Ein gutes Buch im Dienst einer guten Sache. In dem Griechenlandbuch wird deutlich: Wallraff hält die Welt, in der er lebt, für veränderungsbedürf tig und für veränderbar. Er arbeitet daraufhin, über Veränderungen sei nes Publikums auch die Zustände selbst im Sinne des Fortschritts zu verändern, sei es „nur“ als literari scher Gestalter von Realität — und zwar als realistischer Gestalter—, sei es auch unmittelbar als Akteur wie in Athen, wo er wie in zahlrei chen anderen Fällen mit unkonven tionellen Mitteln „produktive Provo kation“ leistete. Der Systemkritiker Wallraff gehört zu den „Elementen einer sich entwickelnden demokrati schen und sozialistischen Kultur“ (Kurt Hager) in der BRD und ver dient schon insofern unsere Auf merksamkeit.
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