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In der Tat erschien soeben die hohe Gestalt Viktors im Türrahmen. Egon fuhr herum, in demselben Augenblick schlüpfte Marie hinaus mit hochrotem Gesicht; denn der Eintretende mußte die vertrauliche Stellung wahrgenommen haben, in der sich die beiden noch befunden hatten. Finster ruhte sein Blick auf Egon, dem ein leichtes Rot der Ver legenheit über das Gesicht hinlief. Er wollte sich ebenfalls entfernen, doch Viktor vertrat ihm den Weg. „Was hattest du mit dem Mädchen?" fragte er in strengem Ton, sich dicht vor dem jungen Mann hinstellend. „Nichts," lautete die kurze, trotzige Antwort. „Um das glauben zu können, habe ich zu viel gesehen. Ich verbiete dir in meinem Hause derartige Liebeshändel! Herrgott, hätte ich ahnen können, was du mir für Verdruß bereiten würdest, ich hätte wahrhaftig deinem Vater nicht versprochen, für dich zu sorgen! Was werde ich da noch alles erleben müssen. Mir scheint, der leichte Sinn deines Vaters hat sich auf dich vererbt. Aber treibe die Sache nicht bis zum äußersten! Es könnte sonst der Fall eintreten, daß ich mein gegebenes Wort in einem Sinn hielte, der dir sehr wenig gefallen dürfte. Es stehen mir noch Mittel und Wege zu Gebote, um dich zu zähmen! Ich bringe dich zu einem meiner Geschäftsfreunde, wo du lernen sollst, aus eigenen Füßen zu stehen und wo du streng und hart arbeiten mußt, wenn du nicht verhungern willst! Denn wenn ich dir jetzt nur so viel gäbe, als du durch deiner Hände Arbeit verdienst, — du könntest damit nicht einmal das Salz zur Suppe bezahlen. Wenn du es so fort treibst, wie bisher, dann sollst du mich mal kennen lernen!" Egon erwiderte kein Wort. Er wußte sehr gut, daß sein Vetter schwer gereizt war und daß er ihm gegenüber den Kürzeren zog. Der Mann der strengen Pflichterfüllung konnte es nicht begreifen, daß es angenehmere Dinge auf der Welt gab um sich die Zeit zu vertreiben, als die Arbeit. Eine kleine Weile standen sich die beiden in finsterem Schweigen gegenüber, dann sagte Viktor mit gemilderter Stimme: „Du kennst jetzt meine Meinung, also richte dich darnach!" „Wenn du jetzt fertig bist, so möchte ich mich empfehlen," entgegnete Egon nicht ohne Spott. „Du hast heute wahr haftig genug Reden gehalten, — da werde ich wirklich ver suchen müssen, mich — zu bessern!" Mit einer leichten, ironischen Verbeugung ließ er Viktor stehen. Dieser setzte sich und stützte mit sorgenvoller Miene den Kopf in die Hand. „Der Leichtsinn liegt ihm im Blute," murmelte er. Da gegen ist schwer anzukämpfen. Aber die süße, arme „Schatten blume" soll er mir nicht vergiften, — über sie werde ich wachen." Egon betrat den Garten. Wie ein kleines Paradies dehnte er sich am Bergabhang hin. Süßer, betäubender Blumenduft erfüllte die laue Luft. Der Flieder blühte und streckte seine blauen und weißen Blütendolden über die Mauer, die sich ringsum zog. Herrliche Baumgruppen gewährten Schutz vor den heißen Strahlen der Sonne. Da und dort luden bequeme Bänke im kühlen Schatten zum Sitzen ein. Egon durchschritt mehrere der sauber mit Kies bestreuten Wege. Endlich machte er vor einer Laube Halt. Ein Helles Kleid schimmerte ihm entgegen, er trat ein. Zwei Damen, eine jüngere und eine ältere saßen sich in angelegentlichem Gespräch gegenüber. Die jüngere, eine blonde, etwas zur Fülle neigende Erscheinung mit Hellen Augen und rosiger Gesichtsfarbe hätte man schön nennen können, wenn nicht ein unverkennbarer Zug von Hochmut dem Antlitz seinen Stempel aufgedrückt hätte. Die jugendlichen Züge erschienen dadurch kalt und hart und dies beeinträchtigte die Schön heit sehr. Die ältere Dame, offenbar die Gesellschafterin des Fräuleins trug ein dunkles, einfaches Wollkleid von etwas altmodischem Schnitt. Ihr Haar war an den Schläfen schon leicht ergraut, doch machte sie einen würdigen Eindruck. Bei Egons Eintritt erhob sie sich mit einer Verbeugung und begrüßte den An gekommenen beinahe unterwürfig, was dieser kaum zu bemerken schien. Er wandte sich nach kurzem Gruße an die junge Dame und sagte: „Hast du ein Viertelstündchen Zeit für mich, Ada? Ich möchte mit dir sprechen." Die junge Dame blickte den Bruder gespannt an. „Was bringst du denn für Neuigkeiten? Du machst mich ja beinahe neugierig. Dein Ton klingt, als ob es etwas wichtiges wäre?" — Egon bejahte. Die ältere Dame schickte sich sofort an, die Laube zu verlassen. Als die Geschwister allein waren, begann Ada rasch: „Nun, darf ich jetzt erfahren, was du mir zu sagen hast?" „Ja, ja, sogleich. Ich habe nämlich heute eine Entdeckung gemacht, die mich sehr beunruhigt. Es betrifft Viktor." Er sprach mit gedämpfter Stimme und lugte vorsichtig durch das dichte Buschwerk der Laube, ob kein Lauscher in der Nähe sei. Die junge Dame sah voll Interesse auf den Bruder. „Viktor? Was ist mit ihm? Hat er etwa dich zum Universalerben eingesetzt?" „Laß doch jetzt die dummen Späße, Ada," entgegnete Egon ungeduldig. Die Sache ist wirklich ernst genug. Du erinnerst dich doch, daß Viktor uns erzählte, er habe ein junges Mädchen im Walde getroffen, das sich verirrt hatte, und das er nach der Mühle begleitete. „Nun ja," was ist denn Merkwürdiges dabei?" „Das wirst du gleich erfahren." In Egons Gesicht trat ein beinahe boshafter Zug. „Mir fiel schon bei jener Erzählung etwas im Ton Viktors auf," fuhr er dann fort, „doch schenkte ich der Wahr nehmung keine Beachtung. Heute ist es mir klar geworden. Marie, dein Zimmermädchen, oder deine Zofe, wenn dir das lieber ist, berichtete mir an jenem Abend, sie habe gesehen, wie Viktor nochmals und ganz heimlich das Haus verließ und den Weg nach der Mühle einschlug. Er hat das seitdem schon öfters getan. Marie sagt, ihr falle dabei auf, daß er sich so oft umsehe, ob niemand sein Fortgehen bemerke. Während er uns glauben läßt, er sei in seinem Zimmer, schleicht er sich heimlich davon und sucht eine Gelegenheit, die Enkelin des Müllers zu sehen. Merkst du etwas?" Der hochmütige Ausdruck im Gesichte Adas verschärfte sich noch. „Das ist alles nur Vermutung. Wer weiß, was da die Marie alles zusammengereimt hat." „Deine Zuversicht würde vollständig schwinden, wenn du, wie ich heute, Gelegenheit gehabt hättest, Viktor genau zu beobachten." „Er sprach mit dem Mädchen? — Heute?" Ada schien nun doch etwas unruhig zu werden. „Jawohl," berichtete Egon weiter. „Ich bemerke schon seit einiger Zeit, daß Viktor eine bestimmte Stunde zu seinen Spaziergängen wählt, daß er sorgfältiger als sonst Toilette macht und immer dieselbe Richtung einschlägt. Mißtrauisch war ich einmal schon und so versuchte ich einigemale in der harmlosesten Weise mich ihm anzuschließen. Er wußte es aber jedesmal sehr geschickt zu vermeiden, daß ich ihn begleitete. Er hatte immer sehr dringende Aufträge für mich, die keinen Aufschub vertrugen. Heute indes ließ ich mich nicht abweisen. Ich hing mich an ihn wie eine Kette. Es war ihm sehr unangenehm, ich merkte es wohl, allein es half ihm nichts, er mußte mich mitnehmen. Ich dachte nämlich nicht anders, denn er hätte ein Stelldichein mit der kleinen Müllerin. Aber so weit ist die Sache noch nicht. Bis der schwerfällige Mensch dahin kommt, eine Liebeserklärung zu machen, ist ein anderer längst verheiratet. Aber verliebt ist er in die Kleine, daran ist kein Zweifel mehr!" Ada warf hochmütig den Kopf zurück. „Du siehst Gespenster, mein guter Junge." „Nein — nein, glaube mir, ich verstehe mich auf solche Angelegenheiten! Ich war schon oft genug verliebt und habe doch Erfahrung darin. In dem Mädchen erwächst uns eine Gefahr, die wir nicht unterschätzen dürfen. Viktor hat nie lzc zimmer doch für unpraktische Leute! Nicht einmal sie, wie man einen Mann an sich fesselt! Wäre ich an bei Stelle, ich hätte dem Viktor schon ganz gehörig warm geM « Zu meinen Füßen müßte er liegen und um Gnade bettl^M Zu dumm! Wie weit bist du denn eigentlich mit i^W — Daß du die Geschichte auch gar nicht zum Klappen bri« xM kannst! Ich sehe fchon, ich muß mich deiner anneh^ Ich werde Viktor einige Andeutungen machen, damit er end weiß, woran er ist. Du mußt natürlich auch das dei^^ beitragen! Recht sentimental, recht traurig herumgehen^^c Kopf hängen lassen! Wenn nur deine Backen nicht so rot wären — du müßtest blaß aussehen wie die ff» ** Müllerin drunten." (Fortsetzung fols > gelernt, sich zu verstellen, man kann ihm ohne Mühe ss 0 Gefühle vom Gesicht ablesen, und die Art und Weise, u er sich dem Mädchen gegenüber benahm, bewies mir deuB daß er verliebt ist! Du kannst es mir glauben! Wir tral- das Mädchen vor der Mühle, ich wußte es einzurichten, di ich neben die Kleine zu sitzen kam. Er mußte mit der M vorlieb nehmen. Ich suchte von der Unterhaltung der beid so viel als möglich aufzuschnappen, das war für mich B schwer. So erfuhr ich, daß dem alten Müller eine Hypoth gekündigt ist. Da derselbe das Geld nicht auftreiben W so wird wahrscheinlich Viktor damit aushelfen. Neber! bemerkt ist jeder Pfennig verloren, den man in das ai Lani Gerümpel noch hineinsteckt. Aber Viktor hat es ja dai Er fragt in seiner Verliebtheit auch gar nicht danach. dxz behandelte das Mädchen wie eine Heilige, er wagte kr> geiro einen Händedruck und als ich mit meiner angeborenen M wird heit es mir einfallen ließ, die kleine zitternde Hand d Fräuleins an meine Lippen zu drücken — da mußte ich el ellenlange Strafpredigt über mich ergehen lassen. Mir/ Das dabei die „Galle" über. Der tugendsame Vetter empö sich über mich. Die Gefahr ist aber um so größer, als b Mädchen eine wirkliche Schönheit ist. Tiefe dunkle AE ° ein Gesichtchen, so sanft und fromm und tugendhaft, d i ich es dem Vetter gar nicht so übel nehmen kann, wenil sich verliebt, obgleich sie ihm gegenüber wie ein Kind erM denn der Altersunterschied ist natürlich ein sehr großer.' W „Mein Gott, du scheinst ja selbst ganz begeistert zu k von diesem Muster von Schönheit und Tugend," lachte auf, aber ihr Lachen klang hart und zornig. : „Spotte nicht, Ada," mahnte Egon, „wir dürfen nahm Sache nicht leicht nehmen." „Ja, mein kluger Bruder, was soll ich denn tun?" „Du mußt selber wissen, wie du es anfangen wadas i Viktor für dich zu gewinnen. Aber ich hoffe, du überlei r was ich dir gesagt habe. Entschlüpfen lassen dürfen ihn unter keinen Umständen. Ich bitte dich, wir sind und hängen ganz und gar von seiner Gnade ab. Ich § es satt, mich von ihm tyrannisieren zu lassen. Aber w"er r eine andere als seine Frau hier einzieht, so wird es l 6 uns beiden sehr schlimm werden, denn eine Frau wird U , ferner nicht dulden, daß wir hier bleiben. Und es für dich immerhin ein sehr angenehmes Leben, das du^Destu führtest. Aber das ist dann vorbei. Viktor würde uns eine Rente aussetzen, denn das Versprechen für uns zu welches er dem Vater gab — wird er unter allen UmsM 7 halten. Etwas Gescheidteres konnte unser Alter gar tun, als ihm dieses Versprechen abzuverlangen. Aber er uns gibt, bleibt doch immer nur ein Almosen. Ä du jedoch Viktors Frau, so liegen die Verhältnisse natiÜH^ ganz anders. Er wird dann mich, als seinen SchMs^. zum Geschäftsteilnehmer machen müssen, dann sind wir borgen. Du siehst also, daß wir alle Hebel in Bewegt setzen müssen, um den Plan zu realisieren, sowohl in dei> als auch in meinem Interesse. Und ich denke, es wirb nicht sonderlich schwer fallen " Adas Augen hingen in angstvolle« Spannuna an Lippen des Bruders. „Wie soll ich denn das anfangen?" „Herrgott," rief er ungeduldig, „was seid ihr Fra> AW's Kim-WM Gasthaus Siegmar. Mittwoch, den 30. März 1910, abends V26 Uhr. Programm-Avis: Ein treues Jndlanerherz (Drama) — Glücklicher Familienvater (Humor.) — Das verlorene Perlenhalsband (Drama) — Künstliche Teller (koloriert) — Szenen aus der Bretagne (Natur). — Der kostbare Hut (humoristisch). — Autorennen in Atlanta (aktuell). — Rosa's Koketterie (koloriert). Zu diesem vorzüglichen Programm erlaube ich mir ganz besonders einzuladen. Hochachtungsvoll Oitlo 8Gopp. Den 6. Jayreskursus im gewerblichen Zeichnen für Lehrlinge aller Berufe, denen zeichnerische Ausbildung von Vorteil ist, beginnt der Unterzeichnete am 5. April 1SlO nachmittags 5 Uhr im Zeichensaale der neuen Schule. 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