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Wochenblatt Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. M 48. Sonnabend, den 30. November 1907. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition (Reichenbrand, Pelzmühlenstraße 47v), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 10 Psg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Anzeigen-Annahme bis spätestens Freitags nachmittag 5 Uhr. Bekanntmachung. Der unterzeichnete Kirchenvorstand gibt hierdurch bekannt, daß die Kirchenvorstandswahl Sonntag, den 1. Dezember s.. v. vorm. 11—12 Uhr im Gasthaus zu Reichenbrand stattfinden soll. Kirchengesetzlicher Bestimmung zufolge scheiden aus dem Kirchenvorstand Ende 1807 aus in Reichenbrand die Herren Otto, Gemeindevorstand Vogel und Wendler, in Siegmar die Herren Gemeindevorstand Klinger, Oberlehrer Meyer und Richter. Die ausscheidenden Herren Kirchenvorsteher sind sofort wieder wählbar. Diejenigen Ge meindeglieder, welche sich in die Wählerliste haben eintragen lassen, werden hierdurch ersucht, an der Wahl sich beteiligen zu wollen. Reichenbrand, am 29. November 1907. Der Kirchenvorstand zu Reichenbrand. Rein, Pf Gemeindeabgaben. Am 1. Dezember ». o. ist der 4. Termin der Gemeindeabgaben und des Schulgeldes auf 1907 fällig. Der unterzeichnete Gemeindevorstand macht dies mit dem Bemerken hierdurch bekannt, daß nach Ablauf der für die Bezahlung zugelassenen 14 tägigen Frist gegen Säumige das Mahn- bez. Pfändungsverfahren eingeleltet werden wird. Reichenbrand, am 27. November 1907. Der Gemeindevorstand. Vogel. Bekanntmachung, die Einschätzung zu den Gemeindeanlagen betreffend. Aus Anlaß der 1908 stattfindenden allgemeinen Einschätzung zu dm hiesigen Gemeinde-, Armen- und Parochial-Anlagen, werden hierdurch Diejenigen, welche deklarieren wollen, aufgefordert, schriftlich bei der unterzeichneten Stelle anzuzeigen und zwar bis zum 14. Dezember a. v. auf wie hoch sie ihr gesamtes steuerpflichtiges Einkommen veranschlagen. Deklarationsformulare werden zu diesem Zwecke nicht verabfolgt. Reichenbrand, am 27. November 1907. Die Gemeindeverwaltung. Bogel, Gemeindevorstand. Bekanntmachung. Den 1. Dezember d. Zs. wird der 4. Termin der diesjährigen Gemein-eanlagen fällig. Es wird dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß diese Anlagen zur Vermeidung des Zwangsvollstreckungsverfahrens bis zum 15. Dezember ». o. an die hiesige Gemeindekasse abzuführen sind. Rabenstein, am 22. November 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. — Bekanntmachung. Gefunden wurde 1 Schürze und 1 Pferdepeitsche; verloren 1 Brosche. Rabenstein, am 29. November 1907. Der Gcmcindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung, Viehzählung betr. Zufolge Verordnung des Königlichen Ministeriums des Innern findet am 2. Dezember dieses Jahres eine Viehzählung, sowie eine Ermittelung der von der amtlichen Fleischbeschau befreiten, in der Zeit von 1. Dezember 1906 bis 30. November 1907 erfolgten Schlachtungen, statt. Zum Zwecke der Zählung werden sämtlichen Viehbesitzern des hiesigen Orts bis zum 29. dieses Monates Zählkarten zugestellt werden, die ausgefüllt vom 4. Dezember an zur Abholung bereit zu halten sind. Die Viehbesitzer werden auf die bevorstehende Zählung schon jetzt hiermit besonders aufmerksam gemacht. Neustadt, am 26. November 1907. Der Gemeindevorstand. Geißler. Die Sparkasse zu Neustadt Telephon Nr. 85, Amt Siegmar. unter Garantie der Gemeinde verzinst Einlagen mit UV- "/o Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinsung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8—12 Ahr und nachmittags von 2—6 Ahr. Durch die Post eingehende Einlagen werden sofort expediert. Sparkasse Siegmar. Die am Jahresschlüsse fälligen Spareinlagen-Zinsen können an unserer Kassenstelle bereits vom 10. Dezember dieses Jahres ab erhoben, bez. zur Gutschrift gebracht werden. Siegmar, am 30. November 1907. Die Sparkaffenverwaltung. Sitzung des Gemeinderats zu Reichenbrand von 26. November 1907. 1. Es wird Kenntnis genommen a) von einem Beschluß der König!. Amtshauptmannschaft, die ausdrückliche Weitergenehmigung des I. Nachtrags zum Wertzuwachssteuer-Regulativ seitens des Kgl. Ministeriums des Innern betr; d) von einem Beschluß derselben Behörde, die Verpflichtung des Herrn vr. Lurz als Impfarzt für hiesigen Ort betr. 2. Zu einer Grundstücksabtrennung wird zustimmende Entschließ ung gefaßt. 3. Ein Gemeindeabgabenerlaßgesuch wird bewilligt; ein Gesuch um Anbringung einer Stratzenlampe auf dem Kirchsteig wird dem Bauausschutz zur Berichterstattung überwiesen. 4. Beschlußfassung in Armensachen, s) der Haushaltplan der Armenkasse für das Jahr 1908 wird auf Vorschlag des Armenaus schusses mit 5425 Mk. Ausgabe und 3125 Mk. Einnahme, somit 2300 Mk. Fehlbetrag, genehmigt, b) die Verteilung der Zinsen des vonPleßen'schen und des R e i ch e l 'schen Legats wird den Vorschlägen des Armenausschusses entsprechend vorgenommen. 5. Beschlußfassung in Bausachen: H der Kostenanschlag für das Maschinenhaus am Pfannborn wird anerkannt; b) ein Gesuch um Dispensation von den Bestimmungen des baurechtlichen Ortsgesetzes wird befürwortet; c) die aufgestellten Gemeindebedingungen zu zwei Wohnhausneubauten werden gutgeheitzen; ch für den Teilbebauungs plan der Stelzendorferstraße wird beschlossen, besondere Bauvor schriften aufzustellen; e) zum Schlämmen des Badeteiches werden die erforderlichen Mittel unter der Bedingung verwilligt, wenn der abgeschlossene Pachtvertrag um 5 Iahre verlängert wird. 6. Einschätzung Zugezogener. Anter Verschiedenes erfolgt die Einschätzung eines Grundstücks zu den Besitzwechselabgaben; ferner wird das neue Hausnummerverzeich nis festgestellt. Bericht über die Sitzung des Gemeinderates zu Neustadt vom 22. November 1907. Vorsitzender Herr Gemeindevorstand Geißler. 1. Es wird Kenntnis genommen von einer Verordnung des Ministeriums des Innern, betr. die Gewährung von Steuerfreiheit bei Errichtung neuer Fabrikanlagen. 2. finden zwei Gesuche um Gestundung zur Bezahlung der Wasser anschlußkosten unter der bereits festgesetzten Bedingung Genehmigung. 3. Dem Gesuche des Schutzmanns Herrn Kretzschmar um Ver setzung in den Ruhestand ab 1. Ianuar 1908 infolge überkommener Krankheit wird da nach dem vorliegenden ärztlichem Zeugnisse eine Dienstleistung in ihrem ganzen früheren Amsange überhaupt in Frage gestellt wird, stattgegeben. Das Ruhegehalt wird festgesetzt. Die dadurch freiwerdende Stelle soll sofort zur Ausschreibung gelangen. 4. erfolgt die Wahl von Mitgliedern zum Schulvorstande. Es werden Herr Gemeindevorstand Geißler wieder- und Herr 2. Ge meindeältester Gerber neu in den Schulvorstand gewählt. Das Heimatlied. Original-Roman von Irene v. Hellmuth. (Nachdruck verboten.) „Ich weiß nicht — Du — ich finde, Du hast Dich seltsam verändert. Vorhin glaubte ich, es wäre das grünliche Dämmerlicht, das Dich so blaß erscheinemließ, aber jetzt bemerke ich, daß ich mich täuschte." Sie raffte die schwere Schleppe ihres Kleides zusammen und fuhr in leicht schmollendem Tone fort: „Da nimmt man sich nicht einmal Zeit, sich umzukleiden, im Reitkostüm, wie ich ankam, bin ich fortgelaufen, als ich hörte, Du wärest in den Park gegangen. Ich konnte gar nicht schnell genug vorwärts kommen, und Du machst nun ein Gesicht, als ob Du Essig geschluckt hättest. Aber Sie," wandte sie sich mit reizender Geberde an Santoff, „Sie sind doch Siegfrieds Freund und können mir gewiß sagen, was ihm fehlt." Aus ihren Worten sprach unverkennbare Besorgnis um den Jugendgespielen. Die blauen Augen konnten so treuherzig blicken, daß der Fürst sich plötzlich auf dem Ge danken ertappte, ob es nicht wirklich das beste wäre, Sieg fried folgte dem Wunsche der Eltern und führte dies un schuldige reine Geschöpf heim als sein Weib. Doch heftig schüttelte er gleich darauf den Kops, als wollte er damit sich selbst klar machen, daß das nicht möglich war. Beatrice hatte die Bewegung des Fürsten wahrgenommen und dies als die Beantwortung ihrer Frage betrachtet. „Wie, Sie wollen oder können mir keine Auskunft ge ben?" rief sie betroffen, Santoff fest anblickend. „Doch, — doch, gnädige Komtesse," erwiderte er schnell, „Sie sollen alles erfahren, wir haben erst, ehe Sie kamen, beschlossen, Sie einzuweihen, — denn wir rechnen auf Ihren Beistand." „Auf meinen Beistand?" wiederholte sie erstaunt und ungläubig. Die großen blauen Augen glitten fragend von einem zum anderen. Siegfried ergriff ihre Hand und drückte sie leise. „Meine liebe Bea," sagte er in weichem Ton, „ich habe eine Bitte an Dich zu richten, deren Erfüllung für mein zukünftiges Glück von hoher Bedeutung ist!" Eine Helle Röte stieg in die zarten Wangen der jungen Dame. Die Augen leuchteten seltsam auf und blieben dann fragend an den Zügen des Fürsten hängen, als wollten sie ihm unbewußt andeuten, daß er hier überflüssig sei. Denn die Bitte, die Siegfried jetzt an sie richten würde, — die längst erwartete, so sehnlich heiß erwartete Bitte, ob sie seine Frau werden wolle, und das, was sich daran knüpfen würde, vertrug doch keine Zeugen. — Aber seltsam, der Fürst schien dies gar nicht zu verstehen, er schritt so ruhig neben ihr her, als gehörte er dazu, und als wäre es selbstverständlich, daß er blieb. Aber wenn er auch ein noch so guter Freund Siegfrieds war, jetzt konnte man ihn doch entbehren. Er brauchte es ja nicht zu sehen, wie sie den ersten seligen Kuß mit dem Geliebten tauschte. Wie ost hatte sie sich den Moment aus gemalt, wenn sie an der Brust Siegfrieds ruhend, von seinem Arm umfangen, ihm sagen durfte, daß sie kein höheres Glück kenne, als ihm anzugehören in alle Ewigkeit! Sie ' war in dem Gedanken groß geworden, daß sie einst Siegfrieds Frau werden sollte. Und wenn er auch niemals ein Wort von Liebe zu ihr gesprochen, sie wußte es doch, er war ihr gut. Würde er sie sonst zum Weibe begehren? — Und nun der große Moment gekommen war, nun sollten sie bei ihrem gegenseitigen Geständnisse nicht einmal allein sein dürfen? Nein, das ging nicht an, denn dann konnte sie Siegfried ja auch nicht sagen, wie lieb sie ihn hatte, sie müßte sich ja schämen, wenn ein Fremder all das verliebte Zeug mit anhörte, das sie einander notwendig sagen mußten und auf das sie sich schon lange gefreut hatte. Siegfried bemerkte an dem Aufleuchten ihrer Augen mit geheimen Schrecken, daß sie seine Worte falsch gedeutet hatte, er fügte rasch hinzu: „Ich darf doch offen mit Dir sprechen, nicht wahr Beatrice? Die langjährige Freundschaft gibt mir ein Recht dazu — daraus schöpfte ich den Mut, um Dir zu sagen — was Du wissen mußt!" — — Die kleine Hand der Komtesse fuhr nach der Stelle, wo das Herz fo wild und ungestüm pochte, ihr war so seltsam zu Mute, sie hätte bitten mögen: „O sprich es noch nicht aus — warte noch — mir ist plötzlich so bang!" War denn nicht das Glück, von dem sie so lange ge träumt, nun endlich da? Sie schalt sich selbst töricht und kindisch und konnte sich doch einer geheimen Angst nicht erwehren. Aber was sprach Siegfried, anfangs zwar zögernd, dann immer fester, immer bestimmter? — Was war das? Die Worte, die nun mit so grausamer Deutlichkeit an ihr Ohr schlugen, waren so grundverschieden von dem, was sie zu hören erwartet hatte, daß es ihr plötzlich unmöglich schien, ein Glied zu rühren. Sie blieb stehen nnd schaute mit hilfeheischendem Ausdruck den Fürsten an, daß dieser, von innigem Mitleid erfüllt, ihre Hand an seine Lippen zog. Sie konnte im ersten Augenblick den Sinn der Worte nicht fassen, es war doch nicht möglich, daß das Wahrheit war, was Siegfried ihr da erzählte — von seiner Liebe zu einer Anderen — von seinem Hoffen und Bangen, seiner Furcht vor dem Vater. Dies alles schlug anfangs wie ein leerer Schall an ihr Ohr, sie hörte nur das Eine, sie sollte Sieg frieds Werbung ein Nein entgegensetzen, um ihm damit die Möglichkeit zu geben, jene Andere, die ihr Glück gestohlen, heimführen zu können.