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Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein : 20.07.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Heimatverein Reichenbrand e. V.
- Digitalisat
- Heimatverein Reichenbrand e. V.
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1067801324-190707206
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1067801324-19070720
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1067801324-19070720
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatvereins Reichenbrand e. V.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und ...
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-07
- Tag 1907-07-20
-
Monat
1907-07
-
Jahr
1907
- Titel
- Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein : 20.07.1907
- Autor
- No.
- [2] - -
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Seit dem Winter hat sie kaum das Bett verlassen, Benita hat manche Nacht bei ihr gewacht und in den stillen Stunden fleißig zu ihrem Examen gelernt. Die Mutter fühlt sich in den letzten Tagen merkwürdig wohl, so daß sie für kurze Zeit aufstehen kann. Heute liegt sie im Salon mit den alten, abgenutzten Möbeln, der nicht so schäbig wie gewöhnlich aussteht. Der warme, frohe Juni tag lacht zu den beiden Fenstern hinein. Benita hat die Kranke sorgsam auf das Ruhebett gelegt und es ihr mit Decken und Kissen bequem gemacht; dort ruht sie jetzt unter dem Bilde, das sie als frohe junge Braut darstellt. Auf dem Tische neben ihr steht ein Glas mit wundervollen Marschall-Nil-Rosen. Das hat George ihr heute morgen gebracht, als er ihr Glück wünschte. Er weiß es von früher, es sind ihre Lieblingsblumen, aber er denkt nicht daran, daß ihr süßer Duft sie an ihr verlorenes Heim erinnern muß, an den Garten von Ange- resen; dort blühten sie in üppiger Fülle auf den schön ge pflegten Terrassen. Er sieht es auch nicht, wie sie eine heiß emporquellende Träne zerdrückt, damit er sie nicht bemerkt; dann geht er fort und verspricht, zu Mittag wiederzukommen. Nun liegt sie sehr matt und still auf dem Lager, hat die Augen geschlossen und atmet den feinen und doch starken Duft der gelblichen Blüten ein, die zu ihr von ferner Jugend sprechen, von vergangenen lichten Tagen. Sie fühlt sich sehr krank und weiß, daß es nicht mehr allzu lange mit ihr dauern wird. In den langen, schlaflosen, qualvollen Nächten, wo sie fieberheiß auf den Kissen liegt, fühlt sie den Tod langsam, ganz langsam heranschleichen. Sie fürchtet ihn nicht, sie sieht ihn vielmehr wie einen guten Freund an, der sie heim wärts leiten wird, wo alles licht und hell ist und die graue Farbe ihr nichts mehr anhaben kann. Nur der Gedanke an die Kinder, an den kleinen, hilflosen Buben, an das eben erwachsene, junge Mädchen, fällt ihr schwer aufs Herz, dem jede Erregung schadet. Oft sitzt Benita lernend am Tisch und die Mutter lieb kost mit den müden Blicken das blonde, gesenkte Haupt: „Benita, Gesegnete!" denkt sie still bei sich. Sie hat ihren Charakter still unter ihren Augen entwickeln gesehen, sie weiß, wie edel und treu ihr Herz ist, wie fest sie dasteht, trotz ihrer großen Jugend, und daß sie imstande ist, Harald die Liebe der Mutter zu ersetzen. „Im Schatten erblüht!" denkt sie und doch so sinnig, so weiblich und zart, so selbst ständig, so brav und bescheiden. Die letzten Wochen waren anstrengend durch die Vorbereitungen zur Prüfung, die Kranke wußte nicht, wann die Examina zum Abschluß kommen; denn das junge Mädchen hatte es ihr absichtlich verschwiegen, um sie nicht aufzuregen, der Arzt hatte ihr gesagt, streng darauf zu achten. „Ma—ma, Ma—ma!" Sie öffnete die Augen. Da stehen an der Schwelle ihre beiden lieben Kinder und das gute, alte Gesicht Linas lächelte im Hintergründe. Harald macht seiner Lehrmeisterin Ehre, er kennt seine Lektion vortrefflich; er geht mit langsamen Schritten erst, dann schneller bis zum Ruhebett der Mama und kommt dort sicher mit einem Hellen Jubelruf, wie der Schrei eines flügge gewordenen Vögeleins an. Lina hebt ihn zur Mutter empor und Frau von St. Albam herzt und küßt das muntere zappelnde Büblein. Dann streckt sie Benita die Hand ent gegen und sagt: „Ich danke dir Liebling für diese Neber - raschung, das ist mir eine rechte große Geburtstagsfreude." Das junge Mädchen beugt sich zärtlich über die Liegende und streichelt sanft ihr Haar. „Mütterchen, ich habe noch etwas anderes für dich," sagt sie fast verlegen und zieht das wichtige Dokument aus ihrer Tasche, „hier, dieses Papier bringe ich als Geschenk zu deinem Feste." Die durchsichtigen Hände entfalten das Diplom. „Ich habe das beste Examen gemacht," flüsterte Nita bescheiden, „das sage ich aber nur dir, niemand darf es sonst wissen, es sieht so eitel und hochmütig aus, wenn man es aller Welt erzählt!" Frau von St. Albain abgezehrtes, schönes Gesicht ist wie verklärt; die Wangen röten sich leise und ein Strahl tiefen Glückes bricht aus den müden Augen, sie hält die Tochter innig umfaßt und sagt nur: „Gott segne dich, mein geliebtes, teures Kind!" Dann sitzen sie ganz still zusammen. Benita hat das niedere Taböuret neben dem Lager der Mutter eingenommen, die heiße Linke derselben ruht zärtlich auf dem teuren Haupte und lange sprechen sie nichts. Sie sind zu glücklich für Worte, sie haben es fast vergessen, was es heißt, eine große Freude zu empfinden, ihnen ist so andächtig zu Sinn, als wären sie in der Kirche. Nach und nach beginnen sie zu sprechen. Nita erzählt vom Examen und macht Pläne für die Zukunft, Frau von St. Albain hört still zn, während sie plaudert: „Nun koste ich nichts mehr, Mütterlein und werde selbst etwas verdienen. Ich habe schon Aussichten, gute Privat stunden zu erhalten. Mein süßer Harald muß zum Winter ein neues, warmes Mäntelchen und ein Röckchen haben, du hast auch vieles nötig und Lina kann mehr Marktgeld be kommen. Ich kaufe ihr ein großes, dickes Tuch, wenn sie in der Kälte ausgehen muß." „Und du selbst, mein Herz? Du hast, scheint mir, gar nicht an dich gedacht und doch bist du fast allen deinen Kleidern entwachsen." „O, ich brauche nichts, Mama, wirklich nichts, ich habe alles, liebe Mama! —" Eine neue zärtliche Liebkosung von der schwachen Hand, Nita lacht silberhell vor lauter Glück und sieht dabei seelen vergnügt aus. Harald muß noch einigemale seine Kunstfertigkeit zeigen, dann wird er schläfrig und Benita bringt ihn zur Ruhe und singt ihm sein Wiegenliedchen vor, das er mit leisem, wohlgefälligem Brummen begleitet, bis sich die langen Wimpern senken und er fest und süß schlummert. Zu Mittag kommt Herr von St. Albain und erfährt erst jetzt von Benitas gut bestandenem Examen. Er ist nicht wenig eitel auf seine kluge Tochter, ist überhaupt bei rosiger Laune, da er ausnahmsweise keinen schweren, übernächtigen Kopf hat. Er hat eine Torte und eine Flasche Wein be stellt, „von seinem Gelde", wie er sagt, nnd zeigt sich von feiner besten, liebenswürdigsten, heitersten Seite. Daß er fast allein den Wein trinkt, erhöht seine geräuschvolle Stimmung, er scherzt und lacht fortwährend! „In drei Tagen ist ja dein Geburtstag, Nita," ruft er zum Schluß, „wir wollen dich schon jetzt hochleben lassen," — er stößt mit seinem Glase an das ihre. Nach dem Essen verschwindet er und Mutter und Tochter sind froh, allein zu sein. Sie atmen förmlich auf, seine laute Stimme, seine oft plumpen Anekdoten und Witze" sein rücksichtsloses Sichgehenlassen macht alles in ihnen vibrieren. Nach ein Weilchen sitzen sie beisammen, Hand in Hand. „Ich bin heute sehr glücklich, Liebling," murmelt Frau von St. Albain einigemal, „mir ist so friedlich und still zu Mut, ich fühle mich wohl, wie seit lange nicht." „Du mußt jetzt aber etwas ruhen," ermahnt das junge Mädchen und läßt die schadhaften, ewig anhakenden Rouleaux herunter, bettet sie bequemer und küßt sie auf die Augen und Hände. „Schlafe süß, Mamachen," ruft sie, „um fünf wecke ich dich." Sie ist fast schon an der Tür, da ruft die Mutter sie noch einmal zu sich: „Ich danke dir, mein Herzenskind, für diesen schönen Tag und für die große Freude, die du mir bereitet hast. Gott segne dich und Harald! —" Nita geht wie von Flügeln getragen hinaus und schließt die Tür hinter sich. Es ist sehr still im Hause, Lina wirt schaftet in der Küche, der Kleine schläft und sie sitzt neben seinem Bettchen und liest in einem englischen Buch. Endlich erwacht ihr Brüderlein und sie tänzelt ein Weilchen mit ihm und fragt Lina, ob sie nun nicht die Mutter wecken soll, es ist über fünf Uhr. Sie geht in den Salon und zieht die Rouleaux empor, dann wendet sie sich mit einem zärtlichen Wort um, indem sie auf das Ruhebett zueilt. Ein lauter, durchdringender Schrei! Sie ist dort zusammengebrochen und stöhnt immer wieder: „Mutter, liebe Mutter!" Ihr Mütterlein ist gestorben! Sie ist schon ganz kalt und mar morbleich, aber um ihre Lippen schwebt noch das selige Lächeln, das Benita zuletzt darauf erblickt hat, ein stiller Friede breitet seine Flügel um die abgemagerte Gestalt aus und sie sieht wieder dem Bilde ähnlich, das in ihrer strahlenden Jugendfrische und Schöne gemalt wurde, das so hold und lieblich auf die Verwaisten herabgrüßt. Ohne Schmerz ist sie sanft geschieden — vielleicht hatte der Duft der Rosen sie in ihr Heim zurückgeführt, vielleicht hatte die Freude an ihren Kindern die graue Farbe für immer ausgelöscht! Drei Tage darauf beerdigte man sie, es war am 9. Juni. So feierte Benita ihren Geburtstag. 5. Kapitel. Unter der Mutter Bild. Es ist ein bitterlich kalter Abend im Dezember. Der eisige Nordwind fegt heulend durch die Straßen der großen Stadt, die wie ausgestorben erscheinen. Dichte Schneeflocken wirbeln in wildem Tanz hernieder, von den Dächern stäubt ein feiner Schneeregen auf die Bürgersteige, die spärlich Vorübereileuden mit einer weißen Hülle bedeckend, alles sieht verdrießlich und erfroren aus. Es ist just das Wetter, von dem es mit Recht heißt, „daß man keinen Hund hinausjagen möchte." Hinter den Spitzen und Gardinen der Fenster schimmert Helles Licht und lockt, den noch im Freien Weilenden freundlich einladend, in die warme Stube zu treten, um sich in diesem traulichen Hafen von den Unbilden des rauhen Wetters zu erholen. Eine schlanke, weibliche Gestalt, dicht in einen dunklen, einfachen Mantel gehüllt, eilt mit raschen, elastischen Schritten quer über die Straße und schreitet, in eine kleine Gasse einbiegend, weiter. Sie ist von oben bis unten mit feinem weißen Puder bedeckt, und der heftige Wirbelwind raubt ihr für einige Sekunden den Atem. Sie bleibt ein Weilchen fast erschöpft stehen, um gleich darauf mutig weiter zu streben und den Kampf mit Schnee und Sturm wieder zu beginnen. Jetzt verläßt sie die Hellen eleganten Viertel der Stadt und biegt in ein ziemlich dunkles Gäßchen ein. Nur hin und wieder brennt hier eine Laterne, die bald aufflackert und dann wieder zu verlöschen droht, sie wirft ein Helles Streiflicht auf ihre Umgebung oder hüllt sie beinahe in völlige Finsternis. — Aus eine Schenke tönt lautes, wüstes Gelächter und wilder Gesang. Die Einsame drückt sich scheu au eine gegenüber liegende Wand, zwei schwer betrunkene Männer taumeln über die Schwelle, es sind Engländer, sie sprechen miteinander: „Laß uns nach Hause gehen, Jack," sagt der Kleinere zu seinem Gefährten. „Nein, es ist zu früh, nach Hause zu gehen, laß uns irgendwo einen guten Trunk suchen," antwortete der Größere, der stärker berauscht scheint; denn er strauchelt und fällt fast hin. „Wir haben genug davou gehabt, Jack," ermahnte der zweite. Sie sind über die schmale Straße gelangt; der als Jack Angeredete erblickt die sich ängstlich Verbergende, er pfeift scharf zwischen den Zähnen: „Sieh Will, wer ist das? Bei Gott, ein schmuckes Mädel!" Er hat das zitternde, junge Mädchen bis unter die nächste Laterne gezerrt, er be trachtet sie wohlgefällig schmunzelnd, zwei große, zu Tod erschrockene blaue Augen sehen ihn flehend an: „Laß mich gehen, du schlimmer Mann!" ruft sie in reinstem Englisch. Der Betrunkene stutzt bei den Lauten seiner Muttersprache, dann lacht er roh: „O, sie spricht englisch, nun komm, mein feines Liebchen, küsse mich und laß uns Freunde sein!" Jedes andere weibliche Wesen hätte wohl laut und kläglich um Hilfe geschrien, Benita — denn sie ist es — war früh gewohnt, sich selbst zu helfen. Sie sieht sich schnell erst um, keine Seele weit und breit, dann ihre ganze Kraft zusammen raffend, stößt sie den Mann so heftig von sich, daß er gegen die Wand taumelt, sie aber fliegt mehr, als daß sie läuft, die menscheüleere Straße hinab. Ihr Verfolger ist dicht hinter ihr her, sie hört seinen Schritt, seinen keuchenden Atem, seine halblauten, wilden Flüche, und ihr armes Herz steht fast still; denn ihr Heim ist ja noch so weit, sie fühlt bereits ihre Knie wanken. Eine namenlose Angst packt sie, nun erst schreit sie um Hilfe, aber alles ist wie ausgestorben rings umher. Jetzt ist er ganz nahe, sie glaubt jeden Augen nicht j llei- hat i A gibt oder Ichu masc Sieg vernaä abend? so mu denn i Einua lich a! davon und f Meitze >efreu »allen aneinc Reside Name lieber dar d awalt llcui6 gibt. iß in ' in de jagen gehör dazwi sich, > vorne Slim unter könnt ihr u Sonn läßt Ans tveiß und f »Ich Es st voll Haar gestec gcfor schtvc denn derd« Anm: schön Z abgei Neid auf I An ¬ blick die schwere Hand auf ihrer Schulter zu fühlen, sie biegt rasch um die Straßenecke. „Ich kriege dich schon!" ruft es hinter ihr, sie aber wird plötzlich von einem ihr entgegen kommenden großen Manne umfaßt, der sich zwischen sie und ihren Feind stellt, und ein wohlklingendes, melodisches Organ trifft ihr Ohr: „Fürchten Sie sich nicht, mein liebes Kind, Sie stehen unter meinem Schutz!" Sie ist noch wie betäubt von der Angst und begreift nicht recht, wie es zugeht aber, stinime mit ganz anderem, strengem Ausdruck. Unterdessen ist der Kamerad des Angreifers herzugeeilt, er macht Miene, sich auf den Schützer des jungen Mädchens zu werfen, da knackt etwas scharf, der Lauf eines Revolvers blitzt matt im flackernden Licht der Laterne. „Rühre uns an, und ich werde dich wie einen Hund niederschießen," ruft der Mann im Pelz. Dann zieht er Benitas Arm durch den seinen und kehrt den scheu zurückweichenden Menschen den Rücken. „Bitte, wollen Sie mir Ihre Wohnung nennen, mein Fräulein?" Die Stimme klingt beruhigend, das junge Gesicht blickt dankbar zu ihm empor, zwei leuchtende, braune Augen schauen fragend zu den blauen hinauf, sie scheinen ihr freund lich zureden zu wollen, ihm zu vertrauen. Sonst ist wenig von seinen »Zügen^zu sehen, die Pelzmütze und der hoch empor gezogene Kragen hüllen ihn bis an die Ohren ein, der feine, schwarze Schnurrbart ist weiß bereift. Sie fühlt sich sicher und wohlgeborgen, als sie neben ihm schreitet, und sagt ihm ihre Straße und Wohnung. „Das ist ja noch sehr weit," meinte er, „wir tun wohl besser, eine Droschke zu nehmen. Sie werden müde bei diesem schreck lichen Sturm und Wetter." Benita fühlt nichts von Müdigkeit; es ist ihr so fremd, sich auf jemand zu stützen, sich behütet und beschirmt zu fühlen. Bisher haben sich immer die Ihrigen auf sic ver lassen, sie hat ihnen einen Halt bieten müssen. Sie treffen ein leeres Fuhrwerk und steigen ein. Die Fahrt wird schweigend von beiden zurückgelegt, bis sie vor dem Hause anhalten. Er hilft ihr aussteigen und da erst spricht er zu ihr, den Dank abschneidend, den sie hervorstammelt. „Verzeihen Sie mir ein offenes Wort, mein Fräulein, nach so kurzer Bekanntschaft. Warum wagen Sie sich so spat noch allein heraus, das sollten Sie nicht!" Sie hebt die gesenkten Lider und sieht ihn voll an: „Ich muß," sagt sie leise, „und nun noch einmal, Dank, tausend, tausendinnigen Dank, mein Herr, Sie haben mir einen große» Dienst erwiesen." Sie reicht ihm die Hand, dann verschwindet sie schnell in dem halbdunkleu Flur des düsteren Hauses- Er blickt ihr nach und spricht zu sich: „Armes Ding, so jung, so schön und so schutzlos, wer mag sie wohl sein?" Er hat viel Zeit versäumt, das sagt ihm ein hastiger Blick auf die Uhr. „Rasch, Kutscher, zum Bahnhof, es ist die höchste Zeit, wenn ich noch den Abendzug, der nach Wien geht, erreichen will. Ich gebe dir drei Mark, wenn du mich noch vor seinem Abgänge hinbringst," Er springt in den Wage» und wirft noch einen letzten Blick hinauf zu dem hohen, vierstöckigen Hause, dann rollte das Fuhrwerk schnell davon- Unterdessen ist Benita langsamer als sonst die vielen Stufen hinaufgestiegen, sie denkt an das eben Erlebte und klingelt halb mechanisch an der Glocke. Lina öffnet und ruft: „Gott sei dank, Machen, daß Sie endlich da sind! Es ist heute viel später, als sonst und dabei dieses abscheuliche Wetter. Ich sorgte mich schon recht sehr um Sie." Sie befreit Benita eilig von den nassen Hüllen, Harald ist herbeigelaufen und streckt die Händchen jnbelnd nach ihr aus: „Jta, Jta!" ruft er fröhlich. Die Schwester hebt ihn zärtlich empor, sie bedeckt sein süßes Gesichtchen mit Küsse» und liebkost ihn, indem sie fragt: „Ist mein Jungchen auch hübsch artig gewesen? Sieh her, Liebling, da ist etwas Schönes für dich, das habe ich dir mitgebracht." Sie hat den weiten Umweg gemacht, um für ihn die Schachtel mit bnntem Spielzeug zu kaufen, daher die Verspätung, die das unangenehme Abenteuer mit den beiden betrunkenen Männer» nach sich zog. Sie sitzen unter dem Bilde der Mutter, die beiden so früh verwaisten Geschwister, und sie holt alle die Sächelchen aus dem Behälter hervor und kramt sie auf dem Tische aus, während der Kleine über jedes neue Stück laut jauchzt und in seiner eigenen Sprache die Gegenstände bezeichnet. So sitzen die Waisen oft unter dem Bilde der Mutter, deren dunkle Augen nur noch aus dem Rahmen herablächeln- Hierher zog es Benita, als der Schmerz um die Dahin- gegangene noch frisch und heiß war, als alles in ihr sich dagegen auflehnte; hierher zieht es sie jetzt noch immer wieder mit magischer Gewalt und es ist ihr fast, als sei ihr Mütterlein ihr so näher. Der maßlose, wilde Schmerz St. Albams war vielleicht die schwerste Prüfung für sie; er, der der Mutter Leben geknickt und gebrochen hatte, war wie alle an innerem Gehalt armen Menschen außer sich und vollständig fassungslos. Jetzt machte er sich bittere Vorwürfe, die Benita anhören mußte, da es zu spät war, und es fiel ihr schwer, ihn zu trösten und aufzurichten- Wenn sie ihr Brüderlein in den Armen hielt, wenn sie still an seinem Bettchen saß, so lange er schlummerte, dann war ihr wohl, und in der Ausgabe, die sie sich selbst gestellt hatte, dieses Vermächtnis der Toten zu hüten und zu lieben, zu schützen und zu pflegen, lag für sie Beruhigung und Frieden. Unter dem Bilde der Mutter saß sie und arbeitete oft bis tief in die Nacht hinein, sie präparierte sich für ihre Privatstunden, die sie leicht und schnell erhalten; denn ihr gutes Zeugnis, ihre reine Aussprache des Englischen und Französischen wurden bald gesucht. Ihr Vater war anfangs tief erschüttert von den plötzlichen Tode seiner Frau gewesen, er war viel häuslicher und führte seine Agenturgeschäfte selbst, er konnte ganz gut arbeiten, wenn er nur wollte- Gegen seine Kinder war er weich und liebevoll, so daß Harald sich sehr an ihn schloß. Benita dachte aber mit Entsetzen daran, wie es werden sollte, wenn der Knabe größer wurde, weuu er verstand, was sie so gern immer vor ihn verheimlicht hätte. Es währte nicht lange, so fing St. Albain sein ungeregeltes Leben wieder an. Ein wirklich gleich darauf liegt ihr Verfolger auf der Erde: „Du Halunke, '---v > ich will dich gute Manieren lehren," sagt die schöne Männer- Achte i^gst allzu l Haupt
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