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Hier steht nun auch der Meister des Orchesters vor uns. Nichts ist ja verkehrter als zu behaupten, Brahms habe „nicht instru mentieren können“. Er konnte es wohl, und zwar auf seine Weise. Gerade die Vierte Sinfonie hat die typische Brahmsfarbe, die Farbe herbstlicher Elegie. Sie leuchtet uns schon aus dem ersten Thema des ersten Satzes entgegen. Mit dem Finale kehrt Brahms wieder zu der Stimmung des ersten Satzes zurück. Die letzte Strophe des Herbstgedichtes ist die gehaltvollste und zugleich die schwer mütigste. Es ist kein Zufall, daß sich Brahms in diesem Satz einer alten Form, der Chaconne, bedient. Altertümelnd war schon die Harmonik des langsamen Satzes, alter- tümelnd ist erst recht dieses Finale. Auch das ist ein Stück Herbstfärbung. Herbst der Musik! Es ist die bei Brahms auch in anderen Werken festzustellende Tendenz, die „zeitgenössische“ Musik an frühere Epochen anzuschließen, eine gewisse Unsicherheit damit zu überwinden, daß man bei den Großen der Vergangenheit Halt sucht. So ver steht sich sein Ausspruch: „Wie gut hatten es die Alten, Starken, die sich gehen lassen konnten!“ Nun, in diesem Finale der Vierten Sinfonie läßt sich Brahms nicht gehen. Er begibt sich unter das Joch eines einfachen Themas, es steigt die Moll-Tonleiter bis zur Quinte an (mit einer einzigen chromatischen Zwischenstufe zwischen Quarte und Quinte) und kehrt dann wieder über die tiefe Quinte zum Ausgangspunkt zurück. Es erscheint gleich zu Anfang in der Oberstimme, schwer gepanzert im Klang der Bläser und mit rollenden Pauken, in feierlicher Strenge, wie ein Bachscher Choralanfang (das Thema geht tat sächlich auf Bach zurück), dann in dreißig Variationen, bald im Baß, bald in der Ober stimme, bald in den Mittelstimmen. Unglaublich phantasievoll wahrt sich Brahms trotz der strengen Bindung die Freiheit des Genies. Johannes Brahms: Vierte Sinfonie Der junge Flame Marcell Poot wurde schon einmal in den Kon zerten der Dresdner Philharmoniker, 1936 mit seiner „Heiteren Ouvertüre“, als eines der stärksten Talente der jungen europä ischen Musik vorgestellt. Inzwischen haben seine Werke große Verbreitung in den deutschen Konzertsälen gefunden. Was jene Ouvertüre auszeichnete, die Sparsamkeit der musikalischen Geste, die Klarheit der Form, ist auch das Kennzeichen dieser ungemein konzentrierten Suite für Blasinstrumente. Ein Präludium eröffnet sie, in dem dem erst leise, später gesteigerten und dann wieder abebbenden Chor aller Instrumente die Holzbläser (ohne Flöte) stereotyp ant worten. Das folgende Allegro moderato ist im Gegensatz dazu mehr auf durchsichtige Linie gestellt, das beherrschende Thema wird sofort von der Klarinette angeschlagen, namentlich sein Kopfstück wird verarbeitet; mit seiner Verbreiterung im Fagott klingt das Sätzchen aus. Das lustige Stakkato der hohen Holzbläser gibt dem Allegro vivo e giocoso sein Gepräge, das sich nun fast scherzomäßig in die Suite einschiebt. Trom peten und Hörner antworten ihnen gleich launig. Aber ein zweites Thema, in den Klarinetten, bringt einen fast wehmütigen Zug in das Stück. Er wirkt um so stärker, als nach einem langsameren Zwischensatz das erste Tempo wieder eintritt, aber eben nur mit dem zweiten Thema, dessen halb kapriziöse, halb wehmütige Linie nun zuerst in der 1. Oboe auftritt, dann von den Hörnern und schließlich wieder von den Klari netten übernommen wird. Mit einem Piano-Mollakkord verklingt der ungemein durch sichtige und lichte Satz. Mit einer ganz im Sinn der alten klassischen Suite gehaltenen Sarabande geht es weiter zu einem Allegro vigoroso, dem starke rhythmische Energien, kraftvolle Klangschichtungen und dann wieder klare thematische Zeichnung das Ge präge geben. Das Postludium ist zunächst die notengleichc Wiederholung des Prälu diums, wird aber dann nach Moll gewendet, um im Pianissimo zu verklingen. Dr. Karl Laux. Marcell Poot: Suite für Blasinstrumente M/0252