Suche löschen...
Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein : 10.08.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Heimatverein Reichenbrand e. V.
- Digitalisat
- Heimatverein Reichenbrand e. V.
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1067801324-190708105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1067801324-19070810
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1067801324-19070810
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatvereins Reichenbrand e. V.
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und ...
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-08
- Tag 1907-08-10
-
Monat
1907-08
-
Jahr
1907
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
kommen ist, so gibt dies Veranlassung, einen Rückblick auf die Ent wickelung unseres Schulwesens zu werfen. Die Anfänge desselben fallen in das Ende des 16. und in den Anfang des 17. Jahrhunderts. Soweit sich ermitteln ließ, wirkte um diese Zeit und zwar bis 1609 der Schulmeister Christoph Liborius. Ihm folgten Andreas Werner bis 1644, dann Michael Werner bis 1710, Christian Werner bis 1736, Lörke bis 1746, Steiner bis 1797, Sachse bis 1845, Brause bis 1877, Thomas bis 1895. Die 3 Gemeinden Niederrabenstein, Oberraben stein und Rottluff bildeten bis zum Jahre 1837 eine Schulgemeinde. Das Fiedler'sche Haus neben der Kirche war die Schule (seit wann darin Unterricht erteilt worden ist, läßt sich nicht feststellen). 1837 erbaute sich Rottluff, weil es 93 Schulkinder zählte, eine neue Schule, die am 2. Oktober 1837 eingeweiht wurde. 1838 sah sich auch Nieder rabenstein zum Neubau einer Schule (Kirchschule) genötigt. Sie wurde 1840 fertiggestellt, kostete 3300 Tlr. und wurde den 16. Juli 1840 eingeweiht. Die alte Schule ging für 570 Tlr. in Privatbesitz über. 1840 trennte sich auch Oberrabenstein vom Schulverbande Nieder rabenstein und stellte in L. F. Gräfe seinen ersten Lehrer an. 2hm folgten 1852 Richter, 1865 Friedrich, 1867 Schubert, 1868 Seifert, 1874 Hertel, 1879 Zumpe. An der Kirchschule wirkte seit dem Jahre 1838 noch ein Hilfs lehrer, der neben freier Beköstigung seitens des Hauptlehrers aus der Schulkaffe 50 Tlr. Gehalt, 15 Tlr. Holzgeld und 4 Tlr. zur Be streitung der Aufwartekosten erhielt. Die Hilfslehrer waren Woller bis 1843, Keil 1844, Joh. Aug. Träger 1845, Haschert 1847, Richter 1848, Lohe 1849, Schnell 1850. 2m Jahre 1854 wurde die Hilfslehrerstelle in eine ständige Stelle umgewandelt. Mit ihr wurde das Organistenamt, das bis zum Jahre 1852 der Strumpfwirker Reichel bekleidet hatte, verbunden. 1856 kaufte die Schulgemeinde die alte Schule (also das jetzige Fiedler'sche Haus) für 1060 Tlr. wieder zurück. Organist Schnell erhielt darin zunächst nur Wohnung; im Jahre 1867 wurde wieder eine Schulstube darin eingerichtet und Unterricht erteilt. 2nfolge einer sehr starken Aufnahme schulpflichtiger Kinder Ostern 1874 und infolge des neuen Schulgesetzes sah sich der Schulvorstand genötigt, eine 3. Lehrer-(Hilfslehrer-) stelle zu begründen. Diese über nahm am 23. Juli 1874 Fürchtegott Gustav Gärtner aus Altendorf (jetzt Oberlehrer und stellvertr. Direktor an der 3. Bezirkschule in Zwickau), der sie bis Ende September 1876 inne gehabt hat. An seine Stelle trat am 17. Oktober 1876 Karl Heinrich Schönherr aus Nicderlauterstein bei Zöblitz. Am 17. März 1877 starb der Kirch schullehrer Brause. 2hm folgte Friedrich Oskar Thomas; am 18. Juli 1877 wurde dieser in sein Amt eingewiesen. Da sich wegen des Wachs tums der Gemeinde die Anstellung einer 4. Lehrkraft nötig machte, so wurde 1880 der Bau einer neuen Schule beschlossen und 1881 eine 3. ständige Lehrerstelle begründet. Am 21. November 1881 wurde der bisherige Hilfslehrer Karl Heinrich Schönherr als 3. ständiger Lehrer eingewiesen. Die Wethe der neuen Schule (jetzt mittlere Schule) fand am 22. Dezember 1881 statt, und am 2. Januar 1882 nahm der Unterricht darin seinen Anfang. Die Hilfslehrerstelle übernahm Max Alwin Linke aus Kamenz (jetzt Lehrer in Gräfenhain bei Königsbrück), der sie bis Ostern 1883 verwaltet hat. Sein Nachfolger war Ernst Louis Hugo Pfütze (jetzt Oberl. in Chemnitz); er hat bis Ende 1885 hier amtiert. Schon im Jahre 1884 erwiesen sich die vor handenen Schulräume als nicht ausreichend, und es mutzte ein Anbau an der erst vor 2 Jahren bezogenen mittleren Schule vorgenommen werden. Die Begründung einer 5. Lehrerstelle, und zwar zunächst einer 2. Hilfslehrerstelle, machte sich nötig. Sie wurde besetzt am 21. April 1884 durch Rob. Rich. Liebing aus Altzschillen bei Wechsel burg (jetzt Lehrer in Chemnitz). Es haben dann als Hilfslehrer an der hiesigen Schule gewirkt : 1) Otto Theodor Richter (jetzt Lehrer in Leipzig) vom 1. Dezember 1885 bis Ostern 1888; 2) Friedrich Wilhelm Heinel (jetzt Seminaroberlehrer in Frankenberg) von Ostern 1887 bis Ostern 1890; 3) Friedrich Louis Pietzsch (jetzt Lehrer an einem Privat-Musik- institut in Dresden) von Ostern 1888 bis Ostern 1889; 4) Max König (jetzt Lehrer in Leipzig) von Ostern 1889 bis Ostern 1892; 5) Ernst Emil Haufe (jetzt Lehrer in Chemnitz) von Ostern 1890 bis Ostern 1891; 6) Ernst Otto Hofmann (jetzt Lehrer in Chemnitz) von Ostern 1892 bis Ostern 1895; 7) Arthur Franz Sewald (jetzt Lehrer in Leipzig) von Ostem 1895 bis Ostern 1898; 8) Christian Heinrich Max Delling (jetzt Lehrer in Chemnitz) von Ostern 1898 bis Ostern 1901; 9) Oskar Kurt Franke (jetzt Lehrer in Chemnitz) von Ostem 1901 bis Ostem 1904; 10) Emst Rudolf Dehnert (jetzt Lehrer in Niedersaida i. Erzg.) von Ostem 1904 bis Ostem 1906; 11) Wilhelm Eger, seit Ostem 1906. 2m Jahre 1889 sah sich auch Oberrabenstein in die Notwendig keit versetzt, eine neue Schule bauen zu müssen. Sie wurde 1890 geweiht und 1891 die 3klassige Volksschule in eine 4klasstge umge wandelt. Diese Andemng bedingte die Anstellung eines Hilfslehrers. Erster Hilfslehrer an der Schule zu Oberrabenstein war Kurt Julius Wieland aus Chemnitz (jetzt Lehrer der Höheren Mädchenschule in Chemnitz). Ihm folgte 1894 Friedrich Amo Müller (jetzt Lehrer in Chemnitz) und 1897 Alexander Merz. Am 31. Oktober 1895 trat der Kirchschullehrer von Niederrabenstein Friedrich Oskar Thomas in den Ruhestand; er zog nach Kötzschen- broda bei Dresden, wo er im April d. I. gestorben ist. Als Kirch schullehrer wählte der Schulvorstand nach vorhergegangener Schul- und Kirchenprobe den 2. Kirchschullehrer und Organisten Friedrich Alwin Schönherr aus Neukirchen; er wurde am 5. November 1895 in sein Amt eingewiesen. Ein wichtiger Zeitabschnitt in unserem Schulleben war die Vereinigung der beiden Gemeindm Nieder- und Oberrabenstein zu einer politischen und zu einer Schulgemeinde (Ostem 1898). Die vier- klassige Volksschule zu Oberrabenstein ging in der sechsklassigen zu Niederrabenstein auf und der bisherige 1. Lehrer von Oberrabenstein Zumpe wurde 2. ständiger Lehrer und der Hilfslehrer Alexander Merz 2. Hilfslehrer an der Volksschule zu Rabenstein. Ostem 1899 ließ sich der Organist und Mädchenlehrer Schnell emeritieren. (Gr genoß seinen Ruhestand nur kurze Zeit; wenige Wochen nach seiner Emeritierung starb er in Chemnitz). Das Organisten amt wurde mit dem Kirchschulamt verbunden, und das Lehramt wurde Karl Hermann Wolf in Wiesa bei Annaberg (jetzt Tumlehrer an der Realschule zu Glauchau) übertragen. Er schied aber schon Michaelis 1899 aus dem hiesigen Schuldienst wieder aus. An seine Stelle trat Otto Paul Rau, Lehrer in Brünlos bei Stollberg. Ostem 1900 wurde die eine Hilfslehrerstelle eingezogen, und Alexander Merz rückte in die neugegründete 5. ständige Lehrerstelle ein. 2nfolge fortgesetzter Vermehrung der Schülerzahl mutzte schon Ostem 1901 eine 6. ständige Lehrerstelle begründet werden. Der Schulvorstand wählte zum 6. stündigm Lehrer dm Hilfslehrer von Rottluff Hermann Willy Hartmann. Ostem 1902 führte der Schul vorstand an der hiesigen Volksschule das Siebenklassmsystem ein; es bedeutete diese Andemng in der Organisation einen großen Fort schritt für die Schule. Ostem 1906 war die Aufnahme schulpflichtiger Kinder eine so starke, daß eine 3. Elementarklasse errichtet werden mutzte. Da schon eine Überklasse vorhanden war, mußte eine neue Lehrerstelle (2. Hilfs lehrerstelle) begründet werden. Sie erhielt Paul Winkler aus Sebnitz, der sie aber Ostem 1907 schon wieder aufgab, um seiner Militärpflicht zu genügen. An seine Stelle trat 6. Georg Hummitzsch aus Zwönitz. Gegmwärtig beträgt die Schülerzahl 841. Ostem 1898 nach der Vereinigung von Nieder- und Oberrabenstein betrug die Schülerzahl nur 558). Auf eine Lehrkraft kommen im Durch schnitt 105 Kinder, auf eine Klasse im Durchschnitt 52 Kinder. Die Klassen bestände waren am 19. Juli d. I. folgende: Kl. 1 Kn.: 49, Kl. 1M.: 49, Kl. 1 gem.: 50, Kl. 2 Kn.: 55, Kl. 2 M.: 52, Kl. 3a gern.: 50, Kl. 3bgem.: 49, Kl. 4agem.: 58, Kl. 4bgem.: 53, Kl. 5agem.: 56, Kl. 5b gem-: 57, Kl. 6a gem.: 56, Kl. 6d gem.: 57, Kl. 7a gem.: 47, Kl. 7b gem.: 50, Kl. 7c gem.: 51. Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden ergibt sich aus folgender Tabelle: Stundenzahl Lehrfächer Kl. II lil IV VI VII I V- Vs Vs Vs 1 16 14 12 14 8a. 1 1 1 1 1 3 2 2 2 3 4 3 2 1 3 1 1 1 4 3 2 1 3 3 3 2 2 3 4 4 2 I 3 1 1 1 1 Vs Vs Vs Vs Vs Tumen Weibliche Handarbeiten . - Vs Vs Vs Religions- und Sittenlehre - . Deutsche Sprache Lesen Schreiben Rechnen Formenlehre Weltgeschichte Naturkunde Erdkunde bez. Anschauungsunterricht . . od. Heimatkunde Gesang , Zeichnen 1 1 18 1 2 1 1 20 1 2 1 1 18 1 2 Es ist dies noch nicht die gesetzliche minimale Stundenzahl. Daraus darf man aber gegen den Schulvorstand nicht den Vorwurf herleiten, daß er es an der nötigen Fürsorge habe fehlen lassen und daß es ihm an 2nteresse für die Schule mangele. Es traten infolge der raschen Entwickelung des Ottes so schnell eine Wenge Anforderungen an den Schulvorstand heran, daß nicht alle Wünsche erfüllt werden konnten. 2nnerhalb 8 Jahre sind 2 ständige Lehrerstellen und 1 Hilfs lehrerstelle begründet, aus der sechsklassigen Volkschule ist eine sieben- klassige, aus der zweiklassigen Fortbildungsschule ist eine dreiklassige geworden, eine 4. Handarbeitsklasse und eine 3. Elementarklasse wurden errichtet, der Turnunterricht wurde in den Klassen 1—3 ein- gefühtt. Dazu kam noch der Schulhausneubau. 2m Jahre 1904 erhielt der Schulvorstand nach einer eingehenden Besichtigung der Kirchschule seitens des König!. Bezirksarztes Herm Medizinalrat Or. Gelbke von der König!. Bezirksschulinspektion die Auffordemng, die Kirchschule Ostem 1905 außer Betrieb zu stellen und anzuzeigen, in welcher Weise der Schulvorstand gedenke, dafür Ersatz zu schaffen. Wären nun die Bsyreuther'sche Wohnung in der mittleren Schule und die 2 Lehrerwohnungen in der oberen Schule zu Schulzimmem eingerichtet worden, so hätte man nur ein Rsserve- zimmer erhalten. Bei der Anstellung des Direktors Ostem 1908 hätte man es in Gebrauch nehmen müssen. Der Schulvorstand würde also bei der Anstellung einer weiteren Lehrkraft Ostem 1909 — denn länger läßt sich dies nicht hinausschieben — schon wieder vor der Aufgabe gestanden haben, neue Schulräume zu beschaffen. Die Lehrerwohnungen in der mittleren Schule zu Schulzimmem ein zurichten, war aus bautechnischen Gründen nicht möglich. So ent schloß sich der Schulvorstand für Neubau. Daß er nun ein allen Anfordemngen der Neuzeit entsprechendes Schulgebäude erbauen ließ, wird wohl jeder billigen, dem das Wohl der Schule und der Kinder am Herzen liegt. Wenn von mancher Seite behauptet wird, das neue Schulhaus sei zu luxuriös, so mutz dieser Vorwurf entschieden zurückgewiesen werden. Will man etwa Lust und Licht, die Hauptforderungen der Schulhygiene, als Luxus bezeichnen? Nachdem nun im neuen Schulhause genug Räume vorhanden sind, wird der Schulvorstand nicht zögern, neue Lehrkräfte anzustellen, um unsere einfache Volksschule auszubauen und auf eine Höhe zu bringen, die auch der Größe des Ottes entspricht und die einen Ver gleich mit den Schulen der Otte unserer Umgebung, wie Schönau, Siegmar, Grüna, gut aushält. Nächsten Montag den 12. d. Won., soll nun unsere neue Schule geweiht werden. Möge der Herr unser neues Besitztum segnen und behüten! KeMerinnen, Plätterinnen, Repassiererinnen, Besetzerinnen, Aufstotzerinnen, sowie Mädchen für leichte Handarbeiten sucht sofort bei höchsten Löhnen Reichenbrand. Benita — die Gesegnete. Originalcrzählung von Freifrau G. v. Schlippenbach. (Fortsetzung) (Nachdruck verboten. Benita ist der Sonnenstrahl des so lange dunklen Hauses geworden, ihr munteres Lachen perlt melodisch von früh bis spät durch die kleine Villa, die Grübchen, die Sorge und Kummer ganz vertrieben hatten, erscheinen jetzt schalkhaft, wenn der General sie neckt oder etwas Drolliges erzählt; sie geben dem reizenden Gesicht einen allerliebsten Ausdruck von durchtriebener Schelmerei. Der Freiherr nennt sie immer Nixe wegen ihres Haares und hänselt sie den ganzen Tag, sie ist stets schlagfertig und bereit, auf seine Scherze einzugehen. Ihr scheint es, als müsse sie alles einholen, was sie an Fröhlichkeit versäumt hat, die ganze, sonnige Frische ihres Charakters kommt erst jetzt zum Vorschein, und sie hat nie gedacht wie herrlich das Lachen ist. Sie ist unzertrennlich von dem alten Herrn, sie gehen zusammen spazieren, fahren im Boot oder im leichten Americain, wobei er sie das Kutschieren lehrt, sie ist sein treuer Kamerad, sein Freund, der Abgott seines Herzens! Mit Frau von Staniß gestaltet sich ihr Verhältnis in anderer Art, aber nicht weniger innig. Wie alle Engländer innen liebte sie ihre Muttersprache leidenschaftlich und war so hoch erfreut als sie mit dem jungen Gast englisch lesen und sprechen konnte. Und als sie die warme Teilnahme Nitas empfunden, waren deren Platz für alle Zeiten in dem Herzen der beraubten Mutter gesichert. Der Arzt hatte recht gehabt; die jahrelange schwermütige Stimmung wich den nun an sie herantretenden Forderungen, das feine traurige Antlitz begann wieder Farbe und Leben zu bekommen und der General gratulierte sich im stillen, daß er den guten Gedanken gehabt, der sie alle so glücklich machte. Die beiden Bilder in dem roten Plüschrahmen standen auch hier in des Freiherrn v. Staniß Kabinett, und Benita betrachtete sie oft sinnend, mit lebhaftem Interesse. Das schöne dunkle Gesicht des jungen Offiziers kam ihr so wunder bar bekannt vor.- Wo hatte sie doch einst eben solche leuchtende Augen gesehen, in die sich ein Sonnenstrahl verirrt zu haben schien? War es in einem Gemälde gewesen bei einem ihrer wenigen Bekannten, im Traume vielleicht?! Obgleich sie die ganze sonnige Süßigkeit des Nichtstuns zum ersten Mal in ihrem Leben kennen lernte, arbeitete sie doch immer morgens und nachmittags einige Stunden an der Uebersetzung, die Haralds Krankheit unterbrochen hatte; denn noch war die Schuld an Lina zu bezahlen und sie hoffte, bald das Buch zu beenden, deshalb stand sie schon um sieben Uhr auf und widmete sich ihrer Arbeit, und wenn das Ehepaar sein Nachmittagsschläfcheu hielt, eilt sie in ihr Zimmer und schrieb emsig weiter. Welchen Zauber übte auf ihr tiefes poetisches Gemüt die freie herrliche Natur aus, Wald und Meer waren für sie voll Wunder und Märchen, sie konnte sich nicht satt sehen an ihrer stets wechselnden Schönheit. Eines Tages, als sie vom Bade kommend, mit gelösten, noch feuchten Haaren auf die Veranda trat, sagt der Freiherr tadelnd: „Und dieses Haar wollte sie abschneiden lassen, denk dir, Mary, diesen Frevel!" Er streichelte die blonden Wellen dabei: „Pflegen Sie es auch gut, Nixchen?" fragte er neckend. „Sie wissen, es ist fremdes Eigentum, da muß man besonders sorgsam sein." „Nein," lachte sie heiter, „ich schneide jeden Tag ein Stückchen davon ab, finden Sie nicht, daß es viel kürzer ge worden ist?" Er zupfte sie tüchtig an einer über die Schulter fallenden langen Strähne, und sie läuft ins Haus, um sich zu frisieren, man hört ihre Helle Stimme singen: „Mein Liebster ist im Dorf der Schmied, Und ich bin seine Braut —" Ihre Stimme ist nicht stark, aber sehr weich und melodisch, und sie besitzt ein feines Gehör. Ihr ganzes Repertoir beschränkt sich auf einige alte Volkslieder und diejenigen, die Lina Harald vorsingt, wahrscheinlich ist das Lied vom Dorfschmied darunter.— „Nita, Nita, kommen Sie herunter," ruft Frau von Staniß nach einer halben Stunde ungefähr, „die Post ist angekommen, es ist auch für Sie ein Brief dabei." Das Ehepaar liest aufmerksam die eben eingetroffenen Briefe und Benita hört, wie der General zu seiner Frau sagt: „Da schreibt Arved, daß er nach Indien reisen will. Ich bin neugierig, wann er seines Wanderlebens müde sein wird und sich endlich ein festes Heim zu gründen gedenkt." Graf Arved von Rottack ist der Neffe des Freiherrn, der Sohn seiner einzigen Schwester, von dem er häufig mit großer Liebe spricht. Benitas Brief ist von der Vorsteherin der Schule, in der sie die englischen und französischen Stunden gibt, und sie meldet ihr, daß der Lehrkursus früher als sie geglaubt, beginne» soll; sie bittet sie, einige Tage vorher zur Stadt zurückzukehren, da es mancherlei zu besprechen gäbe. Es ist heute der 9. August, sie muß folglich in acht Tagen abreisen, ihre Ferien sind zu Ende und das alte Leben, der Kampf um die Sorge, um das tägliche Brot, muß wieder ausgenommen werden. „Sie sind ja ernst geworden, Nixe," fragte der General teilnehmend, „haben Sie eine schlimme Nachricht erhalten, von wem ist der Brief?" „Von meiner Schulvorsteherin," entgegnete das junge Mädchen, „sie wünscht, daß ich früher zurückkehre, da die Schule am 20. beginnt und ich einige Tage vorher bereits in der Stadt sein muß." Die Gatten sehen sich an, und als Nita eben von Harald zu einen Spaziergang in den Wald abgeholt wird, bleiben sie zusammen sitzen und haben ein langes Gespräch mit einander, dessen Resultat ist, daß sie sich nicht mehr von den Geschwistern trennen können und sie ganz bei sich behalten möchten, als ihre Pflegekinder; „denn," sagt der General, „ich kann mir das Leben ohne beide gar nicht mehr vorstellen, Mary, und da uns unsere eigenen lieben Kinder genommen sind, hat uns Gott vielleicht in ihnen einen Ersatz geben wollen." Der Freiherr umarmt seine Frau herzlich bei diesen Worten, und sie drückt seine Hand an ihre Lippen indem sie erwidert: „Wenn es nach deinem Sinn ist, lieber Wilhelm, kann ich mir nichts lieberes wünschen. Nita würde mir über all fehlen und wie still wäre es wieder ohne ihr munteres Lachen, ohne des Kleinen Helles Stimmchen! Die Geschwister sind von ihrem Streifzuge zurückgekehrt. Harald ist braun verbrannt wie ein kleiner Zigeuner, der Strohhut hängt ihm im Nacken, er hat ein ganz blaues Mäul chen von den Schwarzbeeren, die er im Walde genascht hat, Lina keucht sehr rot und erhitzt hinterdrein, beladen mit Spielsachen, Plaids und Schirmen, und Benita sieht gar nicht so sonnig wie gewöhnlich aus. Sie denkt, wie anders es in wenigen Tagen sein muß, wie schwer ihr das Scheiden von Wald und Meer fallen wird, von der hübschen kleinen Villa und der freundlichen, edlen Wirtin, die sie bereits wie eine Tochter verehrt und liebt. „Wissen Sie, wir haben eine Bitte an Sie," sagt Frau von Staniß am Abend desselben Tages, „eine Bitte, von der für uns viel Glück abhängt, und die Sie erfüllen können!" Das junge Mädchen sieht sie verwundert an. „Bleiben Sie und Harald immer bei uns!" fährt die gute, alte Dame fort: „wir sind so allein und brauchen Zerstreuung, Jugend und Frohsinn, jemand, der uns die langen einsamen Tage verkürzt und verschönert." Nita versteht sie nicht und sieht von ihr zum General hinüber, er zieht sie gülig an sich: „Als ich dich zuerst sah, Nixchen und du so brav und treu, so schlicht und groß vor mir standest, wünschte ich solch eine Tochter zu besitzen, und heute vereinige ich meine Bitte mit der meiner Frau und sage mit ihr: „Seid fortan unsere Kinder, du und dein Brüderlein!" Frau von Staniß tritt zu ihnen und schlingt den Arm um die hohe, schlanke Gestalt Benitas. „Nicht wahr, du bleibst hier, mein Liebling!" — sagte sie zärtlich. — Da hatten die Verwaisten ein Heim gefunden, treue Elternherzen, warme Liebe und Fürsorge. — Ja, die im Schatten erblühte, holde Mädchenblume, sie war nun verpflanzt und goldene Sonnenstrahlen umspielten
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)