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Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein : 03.08.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Heimatverein Reichenbrand e. V.
- Digitalisat
- Heimatverein Reichenbrand e. V.
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1067801324-190708036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1067801324-19070803
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1067801324-19070803
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatvereins Reichenbrand e. V.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und ...
-
Jahr
1907
-
Monat
1907-08
- Tag 1907-08-03
-
Monat
1907-08
-
Jahr
1907
- Titel
- Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein : 03.08.1907
- Autor
- No.
- [2] - -
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86 Pf. Das Einlegerguthaben beträgt seit dem Eröffnen der Spar kasse — Mitte 2anuar d. I. — auf 248 Stück ausgestellte Einlage bücher 160801 MK. 89 Pf. Rabenstein. Bei der hiesigen Gemeinde-Sparkasse wurden im Monate Juli dss. Js- 152 Einzahlungen im Betrage von 22965 Mk. 77 Pfg. geleistet; dagegen erfolgten 45 Rückzahlungen im Betrage von 21703 Mk. 31 Pfg. Eröffnet wurden 20 neue Konten, geschlossen 8 Konten. Zinsbar angelegt wurden 10298,70 Mark. Die Gesamt- cinnahme betrug 31852 Mk. 12 Pfg., die Gesamtausgabe 32038 Mk. 01 Psg. und der bare Kasseubestand am Schlüsse des Monats 6715 Mk. 77 Pfg. Der gesamte Geldumsatz im Monat Juli beziffert sich auf 63890 Mk. 13 Pf. Die Sparkasse ist an jedem Wochentage von 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr nachm. geöffnet und expediert auch schriftlich. Alle Ein lagen werden mit M/zv/g verzinst und streng geheim behandelt. Juli - Betrachtungen des Rentiers Frohlieb Schmerzensreich. (Nachdruck verboten). Der Juli war in diesem Jahr, — schien auch die Sonne oft ganz klar, — doch meistens immer naß und kühl, — zuletzt würd' er noch etwas schwül. — Drum blieb die Ernte ein gut Stück — als wie in andren Jahr'n zurück; — das war nicht nach des Landmanns Herz, — besonders weil mit Lust und Scherz — die Städter aus dem engen Haus — gezogen sind aufs Land hinaus — in Sommer frische oder Bad, — wozu die Ferienzeit noch trat; — doch störte die Kurgäste sehr — der Wetterumschlag rings um her. — Fast nirgends gabs Zufriedenheit, — der Juli brachte vieles Leid, — es hatte in der ganzen Welt — mit seinem Kommen eingestellt — abwechselnd sich in bunter Reih — mit Friedensschalmein, Kriegsgeschrei, — Berg werksunglück, Schiffsuntergang, — Hochwasserflut, Prozesse lang, — Revoltiern, Attentate, Tod, — viel Streike, Stadtbrand, Hungersnot, — Aufstände, Skandal, Berg absturz, — so brachte über lang und kurz — der Juli viel Unglück zu Hauf — in seinem schnellen Zeitverlauf. — Was alles darin ist geschehn, — hab'n im Bericht wir schon ge- sehn; — doch bracht' er Gutes auch genug, — so in Dänemark den Besuch — vom Kaiser, der treu Hand in Hand — mit König Frederik dort stand. — Von hier ging's auf die Nordlandfahrt, — woselbst in Tromsö lag am Start — die Dacht vom Fürst von Monaco, — den er begrüßte gleichfalls froh. — Indes man Dernburg fahren sah — im Schiff nach Deutsch-Ostafrika, — saß wiederum in Norderney — Fürst Bülow aus der Reichskanzlei. — Der ließ von einem fränk'schen Mann — sich dort inter viewen sodann, — er sprach vom Blocke im Reichstag, — sowie von Bebels Niederlag'. — Togo, der Held von Tschuschima, — man viel Kriegsbedarf kaufen sah — in Deutschland, das an jedem Tag — zur Friedenskonferenz im Haag — sehr gut abschnitt durch v. Marschall. — Was sonst im Reich noch überall — sich bot dem Auge dort zur Schau, — der Winzeraufstand im Rheingau, — der Mord prozeß Hau in Karlsruh', — auch der von Peters mit dazu, — sowie des Herrn v. Kardorff's Tod — gar keinen schönen Anblick bot. — In Ungarn und in Oesterreich — kam endlich man zu dem Ausgleich; — in Frankreichs Hauptstadt sprach sehr viel — Minister Etienne von Kiel, — wo er vor Deutschlands Kaiser stand, — der ihm freund schaftlich drückt' die Hand. — In Paris war noch ein Skandal, — denn Bienaime, ein Admiral, — sagt' aus, „daß schon seit langer Frist — die Flotte nicht kriegstüchtig ist!" — Auf Falliers ein Attentat — versucht wurde; im Türkenstaat — wollt' geben man, dem Vorgang gleich, — dem Sultan auch den Todesstreich. — Minister Aehrental sah froh — in Italias Dosio — vereint treulich mit Tittoni, — dann fuhr'n sie nach Racconigi, — wo der König mit ihnen sprach; — auch den hundertsten Todestag — vom , Freiheitsheld Garibaldi — feiert' man dort, während Nasi — verhaftet wurde, trotz Freischwur, — Sicilien steht drum im Aufruhr. — Das gleiche gab's in Korea, — wo's ebenso Japan geschah, — das dazu mit Amerika — noch einem Kriege steht sehr nah. — Viel friedlicher als Gegen part — sprach jüngstens da King Eduard, — der Deutsch land förmlich tat verehr'n, — der Zar ist nun in'n finn'schen Schär'n. — Fürs deutsche Volk zum Hochgenuß — stieg auf noch an dem Monatsschluß — aus der Luftschiffer-Abteilung — ein lenkbarer Ballon mit Schwung. — Frankreich hält nicht aus den Vergleich, — das freut sehr Frohlieb Schmerzensreich. Nenita — die Gesegnete. Originalerzählung von Freifrau G. v. Schlippenbach. (Fortsetzung) (Nachdruck verboten. Sobald St. Albains Abwesenheit bekannt wurde, kamen von links und rechts Rechnungen, die er unbezahlt gelassen hatte, und obgleich seine Tochter keineswegs verpflichtet war, sie anzuerkennen, sammelte sie sie sorglich und versprach, sie nach und nach zu berichtigen; es sollte kein Fleck auf ihrem Namen haften. Daß sie still für sich stets der Schmach des Vaters gedachte, daß sie tief fühlte und sich unter der Last beugte, sah niemand; aber sie wußte es, sie hatte beim Lesen jenes traurigen Briefes von seiner Hand vieles zn Grabe getragen, was nie mehr in ihrem Herzen auferstehen würde, denn welches Kind könnte eines seiner Eltern niedrig han deln sehen, ohne die Achtung und Liebe zu verlieren, die so heilig und unantastbar dastehen muß! Sie wußte es ja schon lange, wie wenig er dieselbe verdiente, aber ein schwacher Rest lebte dennoch in ihrer Seele, und nun hatte er selbst diese kümmerliche Blüte darin entwurzelt und erstickt. Es war gut, daß sie arbeiten mußte, angestrengt und ohne Aufhören; denn Harald durfte nichts vermissen, für ihn wollte sie fortan allein leben. Ihn zu einem echten, guten Mann zu erziehen mit festen, ehrenhaften Grundsätzen und Ziel; denn für sich wünschte sie nichts, wie konnte sie an ein persönliches, großes Glück denken, sie, die Tochter des Diebes und Betrügers! Sie war zu ehrlich, um je einem Manne anzugehören, der nicht alles wußte, und wie konnte sie des Vaters Vergehen bekennen? Lieber allein und einsam bleiben ihr ganzes Leben! Und Harald würde sie reich belohnen, die Liebe zu ihm ist so groß und mächtig, gewiß braucht es keiner anderen, um sie vollkommen glücklich zu machen! Wäre nicht Lina dagewesen, es hätte wohl sehr schlimm um die Verwaisten ausgeseheu. Die brave Lina nahm still ihren in früheren Jahren mühsam ersparten Lohn und brachte ihn mit Tränen in den Augen: „Bitte Fräuleinchen, nehmen Sie doch, was ich besitze, ich habe keine nahen Verwandten, Sie und Haraldchen sind mir das Liebste auf der Welt." So sprach sie und legte ihren Notgroschen ans den Tisch. Es waren 500 Mark und Benita nahm sie mit tiefer Rührung und Dankbarkeit, sie umarmte ihre alte Wärterin innig: „Lina, liebe gute alte Lina!" sagte sie, wie so oft, wenn das Herz ihr zu voll war, um mehr zu sprechen. Sie betrachtete dieses Geld als Ehrenschuld und wollte es allmählich wiedergeben. Nun befriedigte sie erst all die unbequemen Gläubiger St. Albains und konnte am ersten des Monats 40 Mark dem General zuschicken. Um mehr zn verdienen, hatte sie sich um das Uebersetzungsrecht eines englischen Romans ins Deutsche bemüht, und wenn Harald schlief, saß sie noch lange und arbeitete viele Stunden. Der General von Staniß war bald, nachdem sie ihn aus gesucht hatte, verreist, um seine Frau aus der Nervenheilan stalt abzuholen, er hatte aber im Laufe der Zeit zweimal an das junge Mädchen geschrieben, und sich erkundigt, wie es ihr gehe und sie hatte ihm aus vollem, überströmend dankbarem Herzen geantwortet. „Vergessen Sie nicht, Fräulein von St. Albam," schloß sein letzter Brief, daß Sie alle Zeiten einen ergebenen Freund an mir haben, der Ihnen mit Rat und Tat beistehen möchte." Ihr stilles Leben hatte aber auch sonst noch Wärme und Licht empfangen. Sie hatte, um nicht die ganze Miete allein zu bezahlen, die beiden vorderen Stuben ihrer Wohnung ab gegeben, nur das Bild der Mutter wurde daraus entfernt, nun hing es über ihrem Schreibtisch und ein Blick darauf gab ihr Spannkraft und Mut wieder. Die Frau, welche die vorderen Zimmer bewohnte, hieß Frau Berthold und war eine prächtige alte Seele, nicht allzu gebildet, das mir und mich wollte nicht immer parieren, aber desto gebildeter und goldener war ihr Herz und Gemüt, sie nahm sich der Geschwister in wahrhaft glücklicher Weise an. Ihr Sohn, ein junger, schüchterner Kaufmann, kam zuweilen sie zu besuchen, er schwärmte selbstverständlich für Benita, machte im stillen Gedichte an sie, trug sehr bunte Kravatten und brachte Harald Süßigkeiten oder Spielsachen. Nita hatte das Kapitel beendet und löschte die Lampe aus, sie ruft ins Nebenzimmer: „Lina wecke mich morgen um sieben, ich habe um acht Uhr Stunde zu geben in der Wittichstraße, es ist weit bis dahin, da muß ich zeitig auf brechen." Harald schläft jetzt neben ihrem Bett, sie schirmt vorsichtig das Nachtlicht mit der Hand, und blickt lange liebevoll auf den kleinen Schläfer nieder, der so tief und sanft atmet und in seinem weichen Kissen so behaglich daliegt, wie ein müdes Kätzchen nach lustigem Spiel. Wie hübsch er ist in dem glänzenden Kraushaar, dem halbgeöffneten purpurroten Mündchen, in dem die milchweißen Zähnchen schimmern; die langen dunklen Wimpern liegen auf den rosigen, leicht erglühten Wangen; wie eine wunderlieb liche Blume sieht das blühende Kind aus. „Mein lieber kleiner Harald, mein Alles!" flüsterte die Schwester zärtlich und kniet lange neben ihm, „Gott schütze und behüte dich und gebe mir die Kraft, dich richtig und gut zu erziehen. Für dich, für dich will ich leben und arbeiten, mein Lieb ling! —" Still vergeht die Zeit, es reihen sich Monate an Monate, ein Jahr ist vergangen und Nita hat bereits 400 Mark dem General abbezahlt, es bleiben nur noch die letzten 50 und die Schuld an Lina übrig. Sie brauchen unglaublich wenig, der Haushalt ist so leicht bestritten für zwei Frauen und ein Kind. — Die Uebersetzung Nitas ist sofort ange nommen und gut bezahlt worden, sie hat ihnen geholfen, durch den langen Winter zu kommen. Nita hat jetzt ein zweites Buch zu übertragen begonnen. Da kommt eine große schwere Sorge über sie; Harald er krankt heftig an einem sehr bösartigen Scharlachfieber, das in der Stadt herrscht, und als seine Schwester eines Abends von ihren Stunden heimkehrt, findet sie ihn glühendheiß und sehr unwohl auf Linas Schoß. Nun folgen schwere, bange Tage und Nächte, an denen sie nicht von seinem Vettchen weicht und das zarte Leben wie ein mattes Flämmchen aufflackert und wieder zu erlöschen droht. Sie hat den besten Arzt genommen, alle nur denk baren Mittel werden angewandt, nichts gespart, um das tot kranke Kind zu retten. Was tuts, daß sie ihr weniges vorrätiges Geld hergibt, es ist für Harald, für ihren armen, kranken Bruder! — Und endlich geht es ihm etwas besser, die Gefahr ist gehoben, sie hoffen wieder, er ist auf dem Wege der Genesung! — Frau Berthold hat getreulich geholfen bei der Pflege und ihr Sohn hat jeden Abend nachgefragt, wie es geht. Nun sitzt Benita bei ihnen in ihrem ehemaligen Salon, und sie sind sehr froh über des Arztes Ausspruch. „Ich freu mich wirklich sehr," versicherte Frau Berthold einige Male. Nita sieht bleich und müde aus, aber unendlich lieblich, tiefe Schatten liegen bläulich um ihre großen Augen, sie möchte fort während lachen und wieder weinen. Der junge Kaufmann sieht oft heimlich zu ihr hinüber und reimt im stillen „Herz" auf „Schmerz". Er verehrt sie, wie etwas für ihn Unerreich bares, Heiliges, dem er nie anders nahen darf, als auf den Knieen. — Obgleich die Krankheit gehoben ist, erholt sich der Kleine nicht; sein Körper ist welk, die Kräfte kehren nicht wieder, die sonst so blitzenden Augen sind matt, er siecht langsam dahin, und eine entsetzliche namenlose Angst packte Nitas Herz. Er müßte Luftveränderung haben, vier Wochen am Strande, das würde ihn frisch und gesund machen", sagt der Arzt, als sie ihn voll banger Sorge befragt, „hier in der heißen, in dieser Jahreszeit ungesunden Luft kann sich kein Kranker stärken! —" Sie senkte traurig das Haupt. Wo soll sie das erforder liche Geld zu dieser großen Aufgabe herschaffen, die Krank heit hat alles verschlungen, was sie hatte, es ist nichts übrig geblieben, und sie hat nichts wertvolleres mehr zu verkaufen. — Nichts!? — Ihr Blick fällt auf das Bild der Mutter, das aus seinem breiten Goldrahmen auf sie herniederblickt. Sie weiß, es ist ein Kunstwerk, ein berühmter Maler hat es gemalt für viele hundert Mark. Es fortzugeben, ist für sie mit unbeschreiblicher Wehmut gepaart. „Für Harald", sagt sie, „Mütterlein, für deinen kleinen, lieben Buben, der so krank ist, muß es sein." Sie steigt auf einen Stuhl und hakt es von der Wand, da bleibt eine ihrer lang herabhängenden Flechten an den Arabesken des Rahmens hängen. Sie blickt darauf herab und ein Helles Leuchten geht über ihr Gesicht, fast hätte sie laut ausgejubelt bei dem Gedanken, der ihr mit Blitzesschnelle durch die Stirn schießt. Sie weiß jetzt, was sie zu tun hat. Schnell kleidet sie sich an, steckt ihr schönes Haar wie gewöhnlich auf eilt die vier Treppen hinunter. Sie erinnert sich, wie sie vor einiger Zeit mit einer ihrer Schülerinnen in einen Friseurladen getreten ist, weil diese dort eine Bestellung für ihre Mutter auszurichten hatte. Der Haarkünstler, ein schon älterer Mann, hatte ihr Haar erst heimlich angesehen und darauf sie gebeten, es näher prüfen und die Flechten lösen zu dürfen. Als die aschblonde Flut seidig um sie herabrieselte und sie bis zu den Knien wie mit einem Mantel bedeckte, hatte er ganz begeistert ausgerufen: „Herrlich, wundervoll, — und diese Farbe!" Benita lachte und steckte die Fülle in einem mächtigen Knoten am Hinterkopfe auf. „Wissen Sie, Fräulein," hat er gesagt, „daß Sie ein Kapital auf dem Kopse herumtragen? Ich gebe Ihnen mit Freuden zweihundert Mark für die beiden prächtigen Zöpfe, es ist gerade die seltenste Farbe, die wir überall vergeblich suchen." Sie hatte damals seinen Eifer recht komisch gefunden und nicht weiter an die ganze Sache gedacht. Für Harald wollte sie jetzt ihren schönsten Schmuck opfern, für ihn hätte sie willig ihr Herzblut tropfenweise dahingegeben. — Der Laden des Friseurs scheint leer zu sein, und ohne zu zaudern, ohne sich einen Moment zu besinnen, sagt sie zu dem erstaunt sie ansehenden Inhaber desselben: „Sie wollten vor einigen Wochen mein Haar kaufen, Herr Müller, ich bitte, nehmen Sie es heute, ich gebe es Ihnen für die von Ihnen genannte Summe von zweihundert Mark." Der Mann stutzt und sieht sie erst etwas ungläubig an: „Werden Sie es auch nicht bereuen, Fräulein?" sagte er fast zögernd, indem er die mächtigen Zöpfe löst und die Schere ergreift. „Es ist eine so seltene Pracht, ich habe nie solches Haar gesehen." „Bitte, schneiden sie es ab," sagte sie, „ich habe Eile!" Jetzt fällt die lockige Flut ihr über die Schultern, Brust und Rücken, sie scheint von derselben eiugehüllt W -^-den. „Wie Sie wollen, Fräulein," erwiderte der Friseur und faßte die große Schere fester, um das Zerstörungswerk zn beginnen. Schon setzt er dicht am Kopf des jungen Mädchen das scharfe Instrument an, einige Sekunden noch — und es wäre geschehen. „Halt!" donnerte eine kräftige Stimme aus dem Neben zimmer, das nur durch eine Portiere von dem ersten Frisier salon getrennt ist, „ich kaufe das Haar, es ist mein Eigentum; denn ich gebe 400 Mk. dafür." Benita stutzt — es ist Generals Stimme und er tritt schnell ins Zimmer. „Erlauben Sie mein Fräulein," sagte er lächelnd, „mir mein Haar selbst abzuschneiden." Und die Schere aus der Hand des ihn erstaunt ansehenden Haarkünstlers nehmend, schneidet er vorsichtig aus der Mitte eine feine dünne Strähne, die er sorgsam zusammenrollt und in seine Brieftasche legt. Dann zieht er vier Hundertmark scheine daraus hervor und sagt zu dem ganz verwirrten jungen Mädchen, indem er auf ihr Haar deutet: „Das ist jetzt mein Eigentum, und ich bitte Sie, es für mich sorgfältig zu pflegen." „Aber, Herr Baron —" beginnt sie schüchtern — Da schneidet er ihr das Wort ab: „Bitte flechten Sie gütigst meine Zöpfe wieder ein und kommen Sie mit mir, mein Wagen wartet draußen." Benita tut stillschweigend, wie ihr geheißen, und er reicht ihr den Arm und hebt sie ritterlich in den Wagen. Dort ergreift er ihre Hand: „Ich bin Ihnen recht böse, Kind/ sagt er fast streng, „haben Sie vergessen, daß ich Ihr Freund bin und Ihnen mit Rat und Tat beistehen will? Was für Torheiten machen Sie da und weshalb wollten Sie diesen wnnderschönen Schmuck für die lumpigen zweihundert Mark verkaufen?" Sie faltete bittend die Hände: „O, zürnen Sie nicht, mein edler Freund," sagte sie flehend, „es war für Harald, für meinen armen, kranken Bruder; er muß die Seeluft genießen, da er sich in der Stadt nicht erholen kann. Ich hatte zu Hause nichts wertvolles außer dem Bilde meiner Mutter und meinem Haare, von dem ich wußte, daß es mir die erforderliche Summe einbringen müßte." Der General blickte rasch hinweg; wie heiß es ihm in die Augen steigt und wie eine funkelnde Träne in seinen greisen Schnurbart rinnt! „Wissen Sie auch, weshalb ich hierher gekommen bin, mein Kind?" fragte er mild. „Ich wollte Sie bitten, für einige Wochen mit Ihrem Brüderlein zu mir und meiner Frau an den ländlichen Strand von S. zu kommen, wir beiden Alten haben Zerstreuung nötig, und da dachte ich au Sie." Benita ist sprachlos vor Freude: „Mein Freund, mein Wohltäter!" sagt sie gerührt und will des Freiherrn Hand küssen, „wie soll ich Ihnen je Ihre Güte danken, alles, alles, was Sie für uns tun? —" Nach einer Pause fährt sie fort: „Hier sind die vier-
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