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eigen nennen kann? Sie ist mein Schicksal geworden, ich fürchte, mir blüht kein Glück mehr auf der Welt." Es war als spräche er mit sich allein. Die Gegenwart der alten Frau hatte er ganz vergessen. Seine Mutter aber hatte ihn ruhig aussprecheu lassen. Endlich begann sie leise: „Und die Baronesse, — wie steht es mit ihr, liebt sie Dich denn wieder?" „Das weiß ich doch nicht!" rief er aufspringend und unruhig im Zimmer hin- und herlaufend. In dem traulichen Gemach herrschte eine Weile tiefe Stille. Die alte Frau nahm eine leichte Stickerei zur Hand, emsig zog sie den feinen Seidenfaden durch das leichte Gewebe. Keines sprach ein Wort. Langsam rückte der Zeiger der altmodischen Uhr vor. Klaus trat an eines der Fenster und riß es unge stüm auf, als müßte er frische Luft schöpfen. Ein feuchter, kühler Wind schlug ihm entgegen. Der Regen floß jetzt in Strömen hernieder, ein Aufenthalt im Freien war fast unmöglich. Ein Rauschen zog durch die Wipfel der Bäume. Sonst war auch draußen alles still, nicht einmal ein Vogel ließ sich draußen hören. Doch plötzlich vernahm man eilig sich nähernde Schritte. Klaus Hellborn bog sich weit hinaus, um zu scheu, wer bei dem Wetter im Walde umherlaufe; er bemerkte, daß der Inspektor Grollmann rasch aus das Haus zukam; man konnte es aus seinen Beweg ungen schließen, daß etwas Besonders vorgefallen sein mußte. „Was gibt's?" rief der Oberförster beunruhigt. „Im Schlosse ist alles in großer Angst und Auf regung", berichtete der Gefragte, noch atemlos vom raschen Lauf. Baronesse Marianne hat sich heute in aller Frühe, als eben die Sonne die obersten Berg gipfel bestrahlte, vom Hause entfernt. Der Kammer diener sah sie fortgehen. Er fand nichts besonderes dabei, weil die Baronesse ja öfters Morgenausflüge unternimmt. Im ganzen Hause schlief noch alles." — Der Erzähler macht eine Pause, um Atem zu schöpfen. Die Augen des Oberförsters hingen an seinen Lippen, als wollte er ihm jedes Wort vom Munde ablesen. „Weiter, — weiter", drängte er angstvoll, „was ist mit der Baronesse?" „Das eben wissen wir nicht. Sie ist seit heute früh nicht mehr zurückgekehrt! Niemand hat sie gesehen! Wir fürchten, es ist ihr etwas zugestoßen." Der Oberförster stieß einen Schreckensruf aus. Er hielt sich am Fensterbrett fest, als bedürfe er einer Stütze. Er war sehr bleich geworden und seine Hand zitterte. „So ist ein Unglück geschehen! Hat man denn nicht Boten in den Wald gesandt, sie zu suchen?" Grollmanu nickte eifrig. „Die ganze Dienerschaft ist unterwegs. Zuerst wurde es gar nicht bemerkt, daß die Baronesse fehlte. Man glaubte, sie sei in ihrem Zimmer. Erst als die Glocke zu Tisch rief und das Mädchen nicht wie gewöhnlich erschien, wurde man aufmerksam und fing an zu suchen, im Park, im ganzen Schlosse, in der näheren Umgebung, — alles umsonst. Der alte Freiherr ist außer sich. Die Aufregung macht ihn ganz schwach; er mußte sich zu Bett legen. Nun sieht man erst, wie lieb er die Baronesse hat." Der Oberförster barg stöhnend den Kopf zwischen den Händen. Man sah, daß ihn die Nachricht erschütterte bis ins Innerste. Grollmann betrachtete ihn verstohlen von der Seite. Der Oberförster dachte nicht im Entferntesten daran, das Geheimnis seiner Liebe zu verwahren, und der andere erkannte mit tiefem Erschrecken, wie es um seinen jungen Freund stand. Doch der Oberförster ließ ihm nicht lange Zeit über diese Entdeckung nach zudenken. „Hat denn niemand eine Ahnung, wohin sich die Baronesse gewandt haben könnte?" fragte Hellborn bebend. Grollmann schüttelte den Kopf. „Sie pflegt ja jeden Morgen auszugehen, auffallend ist nur, daß sie sich heute so ungewöhnlich früh auf den Weg machte, gerade, als hätte sie etwas Besonderes vor. Die Bauern vom Dorfe, die ja jetzt auch frühzeitig die Arbeit auf dem Felde beginnen, haben sie nicht gesehen, sie muß also durch den Wald gegangen sein und da ist ihr natürlich niemand begegnet. Während ich über alles nachgrübclte und mir all das ins Gedächtnis zurückrief, was ich in der letzten Zeit mit der Baronesse gesprochen, um irgend eine Spur zu finden, da kam mir ganz plötzlich ein Gedanke, der mich nicht mehr losläßt; die Baronesse äußerte nämlich vor ein paar Tagen die Absicht, den Greifenstein zu besteigen. Ich redete natürlich dagegen, so viel ich konnte." — — Der Oberförster machte eine heftige Bewegung, er war jäh zusammengezuckt und unterbrach den Alten hastig: „Um Gotteswillen, Sie glauben doch nicht, daß das Fräulein den Versuch gemacht hat, da hin- aufzukommeu?" rief er angstvoll. „Ich glaube es jetzt sogar bestimmt", entgegnete Grollmann mit bekümmerter Miene. „Denn wenn sich das Mädchen etwas vornimmt, so führt sie es auch aus. Sie erzählte mir da etwas von einem wundersamen Traum, ich achtete aber nicht besonders darauf, nur so viel entnahm ich der Erzählung, daß in der Baronesse der Wunsch aufstieg, einmal auf der Spitze des Greifensteins zu stehen. Nun kann sie ihre Tollkühnheit vielleicht mit dem Leben bezahlen." Der Erzähler hielt wie erschöpft inne; er stand noch immer draußen in dem strömenden Regen und achtete dessen nicht, auch dem Oberförster fiel es nicht ein, den Alten aufzufordern, herein zu kommen. „Aber man muß doch sogleich Boten nach dem Greifenstein schicken!" rief Hellborn. „Das ist bereits geschehen", erklärte Grollmann. „Die zuverlässigsten Männer, die ich kenne, unternahmen auf meine Veranlassung den schwierigen Aufstieg, der heute, bei dem Regenwetter, wo man auf den glitschrigen Steinen allzu leicht ausgleitet, doppelt gefährlich ist. Ich wollte dem alten Freiherrn nichts davon sagen, denn es bleibt doch immer nur eine Vermutung, daß die Baronesse sich da hinauf gewagt hat, und wozu soll ich den Greis noch mehr ängstigen? Die Boten sind noch nicht zurück, — aber ich fürchte mich vor der Nachricht, die sie bringen werden. Schon damals, als ich noch ein Kind war, ging die Sage, dort oben Hause ein böser Geist, der jeden, welcher es wagt, in seine Nähe zu kommen, unbarmherzig über die steile Wand hinunterstürzt. Wenn das auch nur ein Märchen ist, so hat der tückische Berg doch schon genug Opfer gefordert, und Tatsache ist, daß es noch keinem gelang, den Gipfel zu erklimmen. Das unerfahrene Kind wird gemeint haben, der böse Geist mache mit ihm eine Ausnahme, und — vielleicht liegt es schon zerschmettert in irgend einer Felsenspalte!" — „Schweigen Sie!" rief der Oberförster heftig auf; „es ist nicht möglich, — es kann, es darf nicht sein! Der Gedanke ist mir unerträglich, — das schöne, sonnige Geschöpf, — tot, — starr, — nein, nein, so grausam ist das Geschick nicht, dem armen, alten Freiherrn den einzigen Sonnenstrahl zu rauben, er hat wahrlich schon genug gelitten im Leben!" „Ja, ja", nickte Grollmann, „es wäre zu viel, — aber unmöglich ist es nicht. Ich hielt es nicht aus zwischen meinen vier Wänden. Diese Ungewißheit ist unerträglich! Wenn ich mir vorstelle, wie Mariann- chen da Hinaufstieg, ohne jede Ausrüstung, mit den feinen Stiefelchen, — wie sie den Halt verlor, — stürzte, — und niemand in der Nähe, der ihr helfen konnte —" „Was vergeuden wir hier die kostbare Zeit", unterbrach der Oberförster den Sprechenden. Aus seinem schönen, männlichen Gesicht lag ein Zug fester Entschlossenheit. Er war sehr blaß, aber er hielt sich nicht mehr mit nutzlosen Klagen auf. „Ich will suchen helfen", sagte er, sich zur Ruhe zwingend, „und ich schwöre Ihnen, daß ich nicht eher ruhen und rasten werde, bis ich die Baronesse gesunden habe." Die Mutter, die bisher schweigend zugehört, kam jetzt näher, und legte beschwichtigend ihre Hand auf die Schulter des stattlichen Mannes. „Versprich mir eines, Klaus", bat sie dringend, „daß Du Dein Leben schonen willst. Ich versuche nicht, Dich zurückzuhalten, denn das würde mir ja doch nichts nützen. Aber werde erst ein wenig ruhiger, und dann, — versuche nicht das Unmögliche möglich zu machen, beherrsche Dich, und denke auch ein wenig an mich, denke, daß ich mich sorge um Dich!" „Laß mich, Mutter!" Aus seiner Rede klang eine leichte Ungeduld. „Ich tue, was ich tun muß. Und wenn es mein Leben kostete, ich könnte jetzt nicht untätig hier sitzen und die Hände in den Schoß legen, — kein Mensch vermöchte mich von meinem Vorhaben abzubringen!" Er hatte, während er sprach, rasch ein Paar nägel beschlagene Stiefel angezogen, stülpte sich den grünen, mit einem Adlerflaum geschmückten Hut auf das wellige Haar, riß seinen Wettermantel vom Haken, drückte der alten Frau, die nur mühsam die Tränen zurückzuhalten vermochte, schweigend aber fest die Hand und stand in der nächsten Minute draußen unter den triefenden Bäumen. Fortsetzung folgt. Nachrichten des K.Standesamtes zu Reichenbrand vom 3. bis 10. Mai 1907. Gebürte«: Dem Kaufmann Robert Paul Hermann Sternkopf in Siegmar 1 Knabe; dem Hausmann Friedrich Emil Neubert in Siegmar 1 Mädchen. Aufgebote: Vakat. Eheschließungen: Der Fabrikarbeiter Ernst Louis Gebhardt mit Minna Agnes Förster, beide in Rcichenbrand. Sterbefälle: Dem Strumpfwirker Emil Hermann Lämmel in Reichenbrand 1 Tochter, 10 Monate alt; dem Muster schaber Paul Ferdinand Schreiber in Reichenbrand 1 Sohn, 4 Monate alt; der pensionierte Straßenwärter Franz Anton Groß in Reichenbrand, 60 Jahre alt; die Altersrentenem pfängerin Johanne Wilhelmine Serw. Granitz geb. Lange in Siegmar, 77 Jahre alt. KrpedMonszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr nachm- Nachrichten des Kgl. Standesamtes Rabenstein vom 4. bis 10. Mai 1907. Gebürte«: 1 Tochter dem Scherer Georg Albert Schlegel in Rabenstein. Eheaufgebote: Keine. Eheschließungen: Der Hufschmied Paul Richard Rothe mit Julianna Wcllna, beide in Rottluff. Sterbefälle: Der Privatmann und Altersrentner Karl Gott lieb Steiner, 77 Jahre alt; die Strumpfwirkers-Ehefrau Christiane Caroline Dietrich geb. Preißler, 78 Jahre alt; 1 Sohn dem Handschuhstricker Paul Bernhard Blüher, 10 Monate alt; 1 Tochter dem Eisendreher Ludwig William Reichel, 10 Wochen alt und 1 Sohn und 1 Tochter dem ansässigen Gürtler und Goldarbeiter Emil Max Klitzsch, sämtlich in Rabenstein. Geschäftszeit. Wochentags: 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr nachm. Nachrichten des Königl. Standesamtes Nenstadt vom 4. bis 10. Mai 1907. Geburten: Dem Handarbeiter Albin Bruno Nürnberger 1 Tochter; dem Strumpfwirker Robert Arthur Rößler 1 Tochter. Aufgebote: Keine. Eheschließungen: Keine. Stcrbefälle: Dem Geschirrführer Max Bernhard Schubert 1 Sohn, 1 Monat alt. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbraud. Am Sonntag Exaudi d. 12. Mai 1907 Vorm. ^9 Uhr Predigtgottesdienst. Parochie Rabenstein. Sonntag Exaudi d. 12. Mai Vorm. ^9 Uhr Beichte. 9 Uhr Predigtgottesdienst und Kommunion. 1 Uhr Christenlehre für die konfirmierte Jugend. 8 Uhr christl. Abendunterhaltung für Jünglinge im Pfarrhaussaale. Mittwoch d. 15. Mai abends 8 Uhr Bibelstunde im Pfarrhaussaale. Für die uns allseitig in so reichem Matze bewiesene herzliche Anteil nahme beim Heimgange unsrer uns unvergeßlichen teuren Entschlafenen geb. Kühn sagen wir hierdurch allen unsern innigsten Dank. Besondern Dank Herrn Pastor Lehmann, Schönau, für die trostreichen Worte am Grabe. L-iebv^wiii^k und Frau geb Felber nebst übrigen Hinterbliebenen. Reichenbrand, den 8. Mai 1907. Ein Wichen mit M. Herz Dank. Zurückgekehrt vom Grabe meiner mir unvergeßlichen teueren Gattin, unserer guten Mutter, Groß- und Schwiegermutter, Christiane Caroline Dietrich, geb. Preißler, sprechen wir hierdurch allen Verwandten, Nachbarn und Freunden, insbe sondere aber Herrn Pastor Weidauer für die trostreichen Worte am Grabe, sowie den Herren Musikern für die ehrenvolle Begleitung beim Begräb nisse unsern tiefgefühltesten Dank aus. Dir aber, Du gute edle Entschlafene, rufen wir ein Habe Dank! und Ruhe sanft! in Deine stille Gruft nach. Rabenstein (Forststratze 32), am 11. Mai 1907. Der trauernde Gatte Moritz Dietrich nebst Sohn und Schwiegertochter. Hart war die Trennung, schwer Dein Leiden, Als Du mutzt von den Deinen scheiden; Hast viel gewirkt in Deinem Leben, Dafür hab' Dank in Ewigkeit! WMM VlI!hW»!s von Sandstein und Terrazzo bringe ich in Erinnerung und offeriere solche in bester, reeller Ausführung zu billigsten Preisen. Steinbildhauerei ÜNowsr 8sMkI, Rabenstein, Limbacherstraße 336.