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Wochenblatt Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Ravenstein. Sonnabend, den 24. August 34. 1807. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. , Anzeigen werden in der Expedition (Reichenbrand, Petzmühlenstraße 47v), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 10 Psg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Anzeigen-Annahme bis spätestens Freitags nachmittag S Uhr. Bekanntmachung. Es wird hierdurch zur allgemeinen Kenntnis gebracht, daß die Reinigung der Schornsteine in hiesiger Gemeinde vom 29. August bis 9. September 1907 stattfindet. /- Reichenbrand, am 21. August 1907. Der Gemeindevorstand. Bogel. Bekanntmachung. Der unterzeichnete Gemeindevorstand bringt hierdurch zur allgemeinen Kenntnis, daß das hiesige Bolksbad vom 1 September a. v. ab geschlossen bleibt. Reichenbrand, am 23. August 1907. Der Gemeindevorstand. Vogel. Bekanntmachung. Am 15. dss. Mts. war der 4. Termin der Gemekndeanlagen und des Schulgeldes für das laufende Fahr fällig. Derselbe ist bis spätestens zum 15. September 1907 an die hiesige Gemeindekassenvcrwaltung abzuführen. Es wird dies mit dem Bemerken bekannt gemacht, daß nach Ablauf dieser Frist gegen Säumige das Wahn- bez. Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet werden wird. Neustadt, am 23. August 1907. Der Gemeindevorstand. Geißler. Die Sparkasse zu Neustadt unter Garantie der Gemeinde verzinst Einlagen mit 3Ve "/o Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinsung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8—12 Uhr und nachmittags von 2—6 Uhr. Durch die Post eingehende Einlagen werden sofort expediert. Bekanntmachung. Gefunden wurde 1 Handbeutel, 2 Schlüssel und 1 Plüschdecke; verloren: 1 gold. Armband. Rabenstein, am 23. August 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Sitzung des Gemeinderats zu Rabenstein am 20. August 1907. 1. wird eine Unterstützung für 2 Waisenkinder genehmigt und der Anspruch an den Landarmenverband zu melden beschlossen. 2. Von einer Mitteilung des Elektrizitätswerkes, die hierseits beantragte Erweiterung der elektrischen Straßenbeleuchtung betreffend, wird Kenntnis genommen. 3, findet die vorgeschlagene Abänderung des II. Nachtrags zum Anlagen-Regulativ vom 20. 2uni 1899 Genehmigung. " 4. Die aus dem Sparkassenausschusse ausscheidenden Herren: Johannes Esche, Otto Ahnert und Friedrich Franke werden auf die nächsten 2 Fahre wieder gewählt. 5. wird auf Antrag des Erbauers die Übernahme der „Karlstratze" in öffentliche Unterhaltung im Prinzip beschlossen, nachdem die Vor aussetzung in 8 48 des allgemeinen Baugesetzes vom 1. Juli 1900 erfüllt ist. Die Übernahme wird jedoch von einer Besichtigung und davon abhängig gemacht, daß die Straße zuvor zu dismembrieren Und in ordnungsmäßigen Zustand zu bringen ist. 6. Zu einer das gesetzliche Matz überschreitenden Dismembration sind Bedenken nicht geltend zu machen. 7. werden eine Anzahl Reklamationen gegen die Höhe der Be steuerung zu den Gemeindeanlagen auf das laufende Fahr zur Er ledigung gebracht und 8. ein Urlaubsgesuch genehmigt. Hierauf werden 9. die neuzugezogenen Personen zu den Gemeindesteuern sür 1907 katastermäßig nachgeschätzt. Oertliches. Rabenstein. Zu dem Berichte über die Schulweihe ist noch nachzutragen, daß auch eine Anzahl früher in Rabenstein wirkender Lehrer eine große Anzahl sehr wertvoller Bücher durch Herrn Lehrer Franke, Chemnitz, der Schule als Geschenk überreichen ließ. Nachträglich sind von Vereinen und Privatpersonen Bilder u. s. w. als Geschenk zugegangen. Benita — die Gesegnete. Origmalerzählung von Freifrau G. v. Schlippenbach. (Fortsetzung) (Nachdruck verboten. „Erlaube, liebe Nita," sagt der General, daß ich dir hier meinen Neffen vorstelle, der viel früher angekommen ist, als ich erwartete: Graf Arved von Rottack, und hier meine Pflegetochter Benita von St. Albain." Benita sieht den General erst etwas verwirrt an, dann bricht sie in ein silbernes, fröhliches Lachen aus, in das der Graf herzhaft einstimmt. „Nein, Onkel, wenn du wüßtest, es ist zu komisch!" Und sie erzählt ihm alles, von häufiger Heiterkeit unter brochen. Der junge Mann reicht ihr die Hand: „Auf gute Freund schaft, Cousinchen," sagt er: „denn nicht wahr, so darf ich Sie doch nennen?" Sie schlägt fröhlich ein, dann ihm durch die langen Wimpern einen schelmischen Blick zuwerfend, wiederholt sie: „Auf gute Freundschaft — Herr Obersörster!" 11. Kapitel. „O Bächlein, liebt er mich?" „Bitte, lieber Arved, reite mit Nita voran, ich folge euch, sobald der Herr Oberförster Baumann mir seine neu angelegten Anpflanzungen gezeigt hat. Auf dem Waldwege nach Angeresen hole ich euch bald ein, wenn ihr langsam reitet." General von Staniß wendet sich zu dem kleinen dicken Oberförster: „Nun, lieber Herr Baumann, ich stehe zu Ihren Diensten." Benita sieht ihren Begleiter bedeutungsvoll an. Den hübschen Kopf zurückwendend, zwinkert sie schlau mit dem Auge, dann gibt sie „Goldfly" einen leichten Hieb mit der eleganten Gerte, das feurige Tier trägt sie in einigen Sekunden aus Gehörweite, und sie schüttelt sich vor ausgelassener Lach lust, als der Rappe Arveds sie eingeholt hat. Auch er lacht über die komische Erscheinung des Försters, für den er gehalten worden ist. „Wie gefällt Ihnen mein Doppelgänger, Cousinchen?" ruft er, noch immer mit unbezwinglichen Heiterkeitsausbrüchen kämpfend. Sie versucht es, eine strenge Miene anzunehmen, runzelt die Stirn und sieht ihn ernsthaft an: „Schämen Sie sich, Vetter," sagte sie „den braven Mann so auszulachen, ich hätte Ihnen mehr Herz zugetraut!" „Finden Sie nicht, daß er mir auffallend gleicht," fragt er, „besonders in der Gestalt?" „Nein, ich finde noch mehr in der Nase," versetzte Nita, indem sie kritisch prüfend diesen edel geformten Bestandteil seines schönen Gesichtes betrachtet. Sie lachen wieder herzlich und das Echo im Walde gibt die tiefe und die Helle Stimme wieder. „Ich hatte mir einen Jäger immer ganz anders gedacht," fährt Nita fort, indem sie sich die Tränen trocknet, die durch das Lachen hervorgerufen sind. „Ich dachte ihn mir nicht so kurz und dick mit krummen Beinen, wie Tantes Teckel, das Haar gleicht einer gelblich-roten Mähne, der Bart dem Fell eines Fuchses — und die Nase ist kupferrot, an der Seite befindet sich eine riesige Warze, haben Sie es bemerkt? Sie kann nicht weitersprechen, so plagt sie der Lachteufel. Er tut tapfer mit, dann runzelt auch er die Stirn, sieht sie mißbilligend an und sagt mit streng sein sollender Stimme: „Schämen Sie sich, Cousine, den braven Mann so auszu lachen, ich hätte Ihnen mehr Herz zngetraut!" Sie sind auf dem Wege nach Angeresen und haben den Oberförster eben kennen gelernt, der allerdings von fast komischer Häßlichkeit ist. Ihr erstes Begegnen fällt ihnen dabei ein, unwillkürlich vergleicht Benita die aristrokratische Erscheinung ihres Begleiters mit Herrn Baumann. Im grünen Schatten des Waldes halten sie ihre Pferde an, um den Freiherrn zu erwarten. Es ist jetzt Juni und Graf Rottack ist seit drei Wochen daheim. Eigentlich ist er fast imnier in Klampo, sein eigenes Haus ist noch nicht in Ordnung, und er hat vieles mit seinem Onkel zu besprechen. Heute hat er ihn und dessen Pflegetochter gebeten, ihn nach Angeresen zu begleiten. Die Möbel sind in der letzten Woche angekommen, die großen Kisten sind ausgepackt, die seine auf Reisen gesammelten Schätze bergen, er möchte ihren Rat bei der Unterbringung derselben haben. Nita und er necken sich viel und gern, ihre große Frische und Natürlichkeit ziehen ihn an. Er hat viele Frauen und junge Mädchen auf seinen Streifereien kennen gelernt, aber sein Herz ist bisher vollständig unberührt geblieben; viel leicht, weil er zu viel von ihnen verlangte, vielleicht, weil er sich ein Ideal gebildet, das keine einzige erreicht hat — vielleicht auch, weil er überhaupt zwei blaue Kinderaugen suchte, die ihm mitten in dem tollen Schneesturm hilfeflehend bis tief ins Herz geblickt? Wenn er von seinen bunten Reiseerlebnissen sprach und das farbenreiche Bild, ferner Länder und Gegenden entrollte, dann hörte das junge Mädchen atemlos zu, als sähe sie das Märchen „Tausend und eine Nacht" an sich vorüber ziehen. „Kann es wirklich auf Erden so viel Schönes geben?" fragte sie einmal träumerisch, als er ihr in glühenden Farben seinen Aufenthalt in Indien geschildert. Sie blickt dabei in die Ferne, als suchte sie dort das eben Gehörte zu er spähen. „Sie müssen die großen Mappen mit Ansichten und Bildern sehen, die ich mitgebracht habe. Nicht wahr, Onkel, wir wollen morgen nach Angeresen hinüberreiten?" „Mir ist es recht, mein lieber Junge," versetzte der Freiherr, „ich habe ohnehin mit dem eben angelangten Ober förster Baumann zu tun." „Wie schön ist es hier!" ruft Benita tief aufatmend, als sie, nach dem heißen Ritt im kühlen Schatten haltend, den General zu erwarten; aber ich bin sehr durstig!" „Da ist leicht geholfen! Sehen Sie hier sind Erdbeeren in Fülle. Wie rot schimmern sie zwischen den Blättern! Wollen Sie nicht absteigen, Cousine?" „Ach ja, wir wollen gleich welche pflücken," erwiderte sie rasch. Er hebt sie aus dem Sattel, wobei er merkwürdig langsam und vorsichtig sie aus seinen Armen ins weiche Moos gleiten läßt. Darauf bindet er beide Pferde an einen Ast und hilft ihr, das Ahornblatt mit den duftigen, süßen Früchten füllen. Sie sitzt unter einem Baum und er lehnt an dem Stamme desselben und blickt zu ihr nieder; der Zylinder liegt neben ihr und sie schmaust die Beeren mit wahrem Behagen. „Sind Sie gar nicht durstig?" fragt sie, „soll ich Ihnen einige aussuchen? „Und sie reicht ihm ein Dutzend der schönsten Beeren. „Nun muß ich aber welche für Onkel sammeln," sagte sie aufspringend und wieder in den Wald gehend. „Aber — hören Sie nichts? Was ist das, da weint ja jemand?" Sie eilten tiefer in den Wald, von woher ein klägliches Weinen bis zu ihnen dringt, und sehen einen großen, rohen Knaben, der ein kleines Mädchen mit einem Stock unbarmherzig prügelt, weil sie nicht mehr die schwere Last dürren Reisigs tragen kann, die er ihr ohne Mitleid aufbürdet, während er selbst fast leer einhergeht. Wie der Blitz ist Graf Rottack bei den Kindern, er nimmt der Kleinen die Bürde von den schwachen Schultern und wendet sich mit zornfunkelnden Augen zu ihrem Peiniger, indem er ihm mit seiner Reitpeitsche einige tüchtige Hiebe überzieht: „Du Halunke," ruft er mit strenger Stimme, „ich werde dich lehren, kleine Mädchen zu mißhandeln!" Nita stutzt und sieht ihn scharf an — es wird hell in ihrer Erinnerung! Das war ja derselbe Ton und Blick, den sie an jenem stürmischen Dezemberabend zuerst hörte, als die beiden englischen Matrosen sie verfolgten! — Der Junge rennt laut heulend fort, Rottack beugt sich freund lich zu dem Kinde nieder, welches ihn mit großen, scheuen Blicken halb dankbar, halb erschreckt ansieht. „Fürchte nichts, Kleine, ich lasse dir nichts tun, da hast du etwas. Und nun lauf schnell nach Hause." Es sind sehr ähnliche Worte und die Modulation der Stimme ist mild und beruhigend. Nira weiß es nun, wo sie sich begegnet sind, weshalb er ihr so bekannt erschienen ist, er hat ebenso gütig zu ihr gesprochen. Das arme Kind dankt und läuft eilig davon, sie schreiten langsam zu den Pferden zurück, aber sie ist sehr still und möchte es ihm doch sagen, daß sie erst jetzt weiß, welchen Dienst er ihr geleistet — aber sie fühlt sich so seltsam befangen. Er denkt, daß seine Heftigkeit sie wohl verletzt hat, weil sie so schweigsam geworden, und stehen bleibend, faßt er ihre Hand und sagt bittend: „Habe ich Sie erschreckt?" Seine Stimme ist sehr weich und leise, „war ich zu heftig gegen den Buben? Aber sehen Sie, ich kann es nicht