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süßesten Schmeichelnamen zu nennen. Im überschwäng lichen Glück dieser Minuten ging alles unter, was ihn bislang gequält. Was fragte er darnach, ob sie eine Baronesse oder eine Bettlerin war? Ihm galt jetzt alles gleich, — kein Zweifel hatte Raum in seiner Seele. Die Zukunft versank vor seinen Blicken, er dachte nicht daran, er fühlte nur, daß er die holde Gestalt in seinen Armen hielt. Marianne lächelte unter Tränen zu ihm auf. „Hast Du Dich um mich geängstigt?" fragte sie leise. Er nickte nur, aber in dem Blick, mit dem er sie umfaßte, lag die ganze Qual der letzten Stunden. Er streichelte zärtlich ihr feuchtes Haar, das wirr in die Stirn hereinhing. „Hast Du Schmerzen, Marianne?" begann er nach einer kleinen Weile. „Ja, hier am Fuß. Ich tat einen Fehltritt und rutschte ab. Zum Glück war es gerade an einer Stelle, die nicht so ganz steil abfällt, sonst läge ich wohl in der Tiefe da unten. Ich konnte nicht mehr aufstehen, mühsam habe ich mich bis hierher geschleppt, ich kann unmöglich ohne Hilfe gehen und glaubte, hier sterben zu müssen. Ach was habe ich für Angst ausgestanden! Ich fürchtete, die Nacht in dieser entsetzlichen Lage zubringen zu müssen! Dazu quälte mich ein furchtbarer Hunger und ein noch größerer Durst. Ich versuchte immer wieder, mich zu erheben, einmal wurde ich vor Schmerzen ohnmächtig, mir wurde dunkel vor den Augen, ich lag da, ohne mich rühren zu können. O, ich dachte immer an Dich, — ich wußte, daß Du kommen würdest!" Sie schwieg und lehyte den Kopf an seine Brust wie ein müdes Kind. Er kniete noch immer vor ihr, doch jetzt versuchte er, sie emporzurichten. Schmerzlich stöhnend sank sie wieder zurück auf den Stein. „Liebes Kind, wir müssen einmal den Fuß unter suchen", sagte er, „bitte, bitte, Marianne, es muß ja sein." Sie zögerte eine Weile, doch dann zog sie gehorsam den Schuh von dem verletzten Fuß; der Knöchel war derartig angeschwollen, daß man nur mit Mühe den Strumpf entfernen konnte. Vorsichtig versuchte Hell- Lorn, nachdem er sich überzeugt hatte, daß nichts gebrochen war, den Knöchel zu massieren, sie biß vor Schmerz die Lippen zusammen, die ganz blaß geworden waren. „Vorläufig ist gar nichts zu machen", sagte Hell born, „wir müssen sehen, daß wir so bald als möglich Hinunterkommen. Drunten auf dem Plateau wartet Grollmann mit noch drei Burschen aus dem Dorfe, die schon am Mittag auszogen, Dich zu suchen. Haben wir diese Leute erreicht, dann hat es keine Not, wir werden Dich schon hinunterbringen. Der Abstieg ist freilich gefährlich, aber ich hoffe, daß es geht. Stütze Dich nur fest auf mich, — fo — und versuche, vorwärts zu kommen." Wo der beschwerliche Weg es zuließ, legte er den Arm um die zarte Gestalt und trug sie mehr, als er sie führte. Wo es aber ganz steil und abschüssig wurde, mußte sie sich fest auf seine Schulter stützen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Manchmal gerieten sie beide in Gefahr, abzustürzen. Unter unsäglichen Mühen ging es langsam bergab. Hellborn fühlte, wie ihm der Schweiß in großen Tropfen von der Stirne rann, er achtete dessen nicht. Als der gefährlichste Teil des Weges hinter ihnen lag, hielten sie aufatmend kurze Rast. „Was veranlaßte Dich denn eigentlich, dem Greifen stein einen Besuch abzustatten?" fragte Hellborn das Mädchen. Dieses lächelte errötend. „Ein Traum! Mir war's, als stände ich da oben auf der Spitze, und Du hieltest mich umschlungen. Ich lehnte mich an Dich und fühlte mich sicher und geborgen. Der Traum war so süß, — es ließ mir keine Ruhe mehr, — ich mußte dem Drange folgen. Als ich Dich die letzten Tage nicht sah, da wurde ich sehr traurig, ich sehnte mich nach Dir und ich hoffte, mein Traum würde sich erfüllen. Nun ist es wirklich so gekommen. Nur noch viel schöner ist die Wirklichkeit, — viel süßer." „Also so hoch mußtest Du erst steigen, ehe wir uns finden durften", lächelte Hellborn. „Ja, Dn böser Mann, wenn Du mich liebtest, warum ließest Du mich vergebens schmachten? Du mußtest doch längst wissen, daß ich auf Dich wartete?" Sie drohte ihm lächelnd mit dem Finger. Seine Stirn umwölkte sich. Die ganze Qual, der ganze nutzlose Kampf der letzten Tage fiel ihm wieder ein. Wie hatte er das alles nur vergessen können? „Ich wollte Dich meiden, Marianne", entgegnete er ernst. „Du bist die Baronesse von Riedheim, ich der einfache, bürgerliche Oberförster Hellborn. Und als ich fühlte, daß die Liebe zu Dir mich ganz ge fangen nahm, da floh ich Deine Nähe. Was mich dieser Entschluß gekostet hat, darüber will ich schweigen, — man wird mir Deine Hand verweigern, — nur eines ist mir klar geworden in den letzten Stunden: daß Du zu mir gehörst, daß mein Leben ohne Dich wertlos ist." „Wie wenig kennst Du mich", lächelte Marianne. „Ich laste nicht von Dir, Du follst sehen, alles geht gut. Ich werde kämpfen für meine Liebe und keine Drohung soll mich einschüchtern. Frei und offen vor aller Welt will ich Dir gehören, ich werde freilich wenig genug besitzen. Willst Du mich, auch wenn ich völlig arm zu Dir komme?" „Marianne!" rief er heftig, „zweifelst Du daran?" „Nein, — nein", beschwichtigte sie den Erregten. „Es gibt nichts, das uns auseinanderreißen könnte. Freilich, — einen Kampf wird es immerhin kosten, doch ich scheue ihn nicht, es gilt ja mein ganzes zu künftiges Glück!" Nach mühevoller Wanderung langten sie endlich bei der kleinen Gesellschaft an und wurden mit lauten, freudigen Zurufen begrüßt. Besonders Grollmann drückte der Baronesse immer wieder die Hand, als wollte er sich überzeugen, daß sie wirklich lebe. Der durch die Anstrengung noch mehr geschwollene Fuß wurde mit ein paar Tüchern fest bandagiert, und nach kurzer Rast ging es weiter. Es war völlig Nacht geworden als die Gesellschaft im Dorfe anlangte. Hellborn übernahm es, die Baronesse in das Schloß zu geleiten. Heute war die ganze Fensterreihe hell erleuchtet, da es der alte Freiherr, den die Unruhe von einem Zimmer ins andere trieb, im Bette nicht auszuhalten vermochte. Marianne bestand darauf, daß Hellborn zugleich mit ihr eintrat. Der Freiherr saß in einem bequemen Lehnstuhl, den Kopf in die Hand gestützt, und starrte trübe vor sich hin. Als er Marianne erblickte, flog ein Heller Freudenschein über sein runzelvolles Gesicht. So schnell es der verletzte Fuß gestattete, ging die Baronesse auf den Alten zu. Er streckte ihr beide Hände entgegen. „Kind, — Kind!" rief er, „warum bereitest Du mir so viel Sorge? Wo warst Du?" Sie schmiegte sich an ihn. „Verzeihe mir", bat sie sanft, „es soll gewiß nichr wieder geschehen, — später werde ich Dir alles erzählen." Jetzt erst fiel der Blick des Barons auf Hellborn, der sich bescheiden im Hintergrund gehalten hatte. Freiherr von Riedheim starrte auf den Eindringling, als fähe er eine Erscheinung aus einer andern Welt. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, wie um besser sehen zu können, stand auf, setzte sich wieder und murmelte vor sich hin: „Das ist sehr seltsam — in der Tat!" — Mit weit aufgerissenen Augen saß er da, als müsse er sich besinnen auf irgend etwas Fernliegendes, längst Vergangenes, — und als er endlich fragte: „Mariannne, — wer ist jener Mann?" klang seine Stimme merk würdig verändert, fast heiser. Weder Marianne noch Hellborn konnte sich das Benehmen des Freiherrn erklären. Der Oberförster, der befremdet das Gebühren des Alten gewahrte, trat stolz und mit hocherhobenem Haupte einige Schritte näher und erklärte kurz: „Mein Name ist Hellborn, ich bin königlicher Oberförster, Herr Baron. Verzeihen Sie, daß ich Sie so spät noch belästigte; — die näheren Umstände lassen Sie sich wohl von der Baronesse erzählen. Gestatten Sie, daß ich mich zurückziehe!" Mit einer leichten Verbeugung wollte er sich ent fernen, doch nun kam Leben in die zusammengesunkene Gestalt des Greises. „Ich bitte, bleiben Sie!" rief er, „ich möchte Sie etwas fragen." Der Oberförster stand in ruhiger, sicherer Haltung vor dem Alten, der ihn unausgesetzt betrachtete. „Sie scheinen den Stolz zu lieben", sagte er lächelnd, „doch das gefällt mir. Bitte, wollen Sie nicht Platz nehmen? Als Sie so hoch und kerzen gerade dort an der Türe standen, da — erinnerten Sie mich an einen, der längst tot ist, der mein Ein und Alles war, — an meinen Sohn. Ich weiß selbst nicht, wie es kam, — es ist natürlich eine Täuschung gewesen. Nun ich Sie näher betrachte, Sehen Sie ganz anders aus, — aber vorhin, — es war zu selt sam! Verzeihen Sie mir, ich bin ein alter Mann und habe mich heute in Gedanken viel mit meinem Sohn beschäftigt, der leider so früh aus dem Leben scheiden mußte. Da hat mir meine Phantasie diesen Streich gespielt. — Verzeihen Sie mir!" Er fuhr sich wieder niit der Hand über die Augen, und in dem Herzen Hellborns erwachte ein inniges Mitleid mit dem armen, Verlaffenen Greis, der alle seine Lieben hatte in das Grab sinken sehen. „Ich habe nichts zu verzeihen, Herr Baron", sagte er weich. „Ich schätze mich glücklich, daß es mir ver gönnt war, Ihnen die Baronesse wieder zuführen zu dürfen." „Jaso, Marianne war ja fort!" rief er mit einem leisen Lächeln, als fiele ihm das, was ihn den ganzen Nachmittag ruhelos umhergetrieben, erst jetzt wieder ein. „Erzählt mir doch endlich, wohin das Kind geraten war." Der Alte war heute von einer seltenen Liebens würdigkeit. So hatte Marianne ihn noch nie gesehen, und sie überlegte im Stillen, ob es nicht das Beste wäre, gleich heute von ihrer Liebe zu sprechen. Wer konnte wissen, wann der brummige Freiherr wieder so gut aufgelegt war. Aber die Sache braucht doch einige Vorbereitung, sagte sie sich selbst. So ohne Kampf würde es dabei nicht abgehen, das wußte sie; es wäre ihr peinlich gewesen, hätte es im Beisein des geliebten Mannes eine Szene gegeben. Der Frei herr wäre vielleicht im stände gewesen, dem bürger lichen Oberförster die Türe zu zeigen. Die Geschichte ihrer Liebe mußte langsam und vorsichtig dem Alten beigebracht werden, sonst konnte man alles verderben. Fortsetzung folgt. Nachrichten des K.Standesamtes rn Reichenbrand vom 17. bis 24. Mai kW7. Geburten: Dem Schneider Gustav Ullmann in Reichenbrand 1 Mädchen; dem Schleifer Karl Hermann Schirmer in Siegmar 1 Mädchen; dem Maler Karl Ott in Siegmar 1 Knabe; dem Kutscher Karl Max Wagner in Reichenbrand 1 Mädchen; dem Schlosser Franz Krivka in Siegmar 1 Mädchen; dem Bohrer Gustav Moritz Pfüller in Siegmar 1 Mädchen; dem Monteur Georg Wilhelm Hugo Köhler in Siegmar 1 Knabe; dem Schlosser Karl Friedrich Teichmann in Reichenbrand 2 Mädchen. Aufgebote: Vakat. Eheschließungen: Der Eisendrcher Carl Hugo Weiß in Schönau bei Chemnitz mit Marie Minna Lindner in Reichen brand ; der Bäckcrgehilfe Paul Max Schüppel in Limbach mit Lina Anna Uhlig in Reichenbrand; der Unterzahlmeister Franz Hugo Berger in Riesa mit Elise Marie Winter in Siegmar. Sterbefälle: Die Nadclrichters-Ehefrau Lina Anna Jrmschler geb. Friedrich in Reichenbrand, 46 Jahre alt; die Privatierc Christiane Erdmuthe Wilhelmine verw. Dietrich geb. Schettler in Siegmar, 57 Jahre alt; der Werkmeister Ernst Hermann Landgraf in Siegmar, 47 Jahre alt; der Näherin Frieda Elsa verw. Aurich geb. Graichen in Reichenbrand 1 Tochter, 2 Monate alt; der Schuhmachermeister Max Otto Gruner in Siegmar, 32 Jahre alt; dem Schlosser Karl Friedrich Teichmann in Reichenbrand 1 Tochter, 3 Stunden alt. Krpeditionszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr vorm. und 2—6 Uhr nachm. Nachrichten des Kgl. Standesamtes Rabenstein vom 17. bis S4. Mai 1807. Gebürte«: In Rabenstein: 1 Sohn dem Eisenformer Richard Walther Weiland; dem Handarbeiter Emil Eduard Gunder mann; dem Bierausgeber Bruno Emil Ludwig. In Rottluff: 1 Tochter dem Gutspachter Ernst Arthur Ahnert. Eheaufgebote: Der Fabrikschlosser Paul Otto Uhlig in Siegmar mit Frieda Rosa Schenke in Rottluff; der Anstreicher Max Emil Walther mit Klara Helene Junghans, beide in Rabenstein; der Handarbeiter Guido Johannes Weisbach mit Maria Michl, beide in Rabenstein. Eheschließungen: Der Schlosser Oswald Emil Augustin mit Lina Elsa Schmeling, beide in Rottluff; der Holzbildhauer Emil Paul Riemer in Massanei bei Waldheim mit Elfrieda Erna Franziska Fiedler in Rabenstein; der Kaufmann Ru dolph Oskar Nake in Chemnitz mit Liddy Meta Großer in Sterbefälle: In Rabenstein: 1 Tochter dem Schneider Robert Max Werner, 8 Wochen alt. Nachrichten des Königl. Standesamtes Neustadt vom 18. bis 24. Mai 1907. Geburten: Dem Bäckermeister Paul Ewald Rauner 1 Sohn. Aufgebote: Keine. Eheschließungen: Keine. Stcrbefällc: Eine uneheliche Tochter 1 Monat 27 Tage alt. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am Trinitatisfest den 26. Mai Vorm. ^9 Uhr Predigtgottesdienst. Vorm. 11 Uhr Unterredung mit der konfirmierten Jugend. Parochie Rabenstein. Am Trinitatisfest den 26. Mai vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Abends 6 Uhr Missionsstunde. Am Montag den 27. Mai 8 Uhr Abendunter haltung für Jungfrauen im Pfarrhaussaale. Am Freitag den 31. Mai vorm. 10 Uhr Wochen kommunion. Staudensalat aus freiem Lande hat abzugeben NmWmi «mdeM IVilsäort, Ortsrichter. Barzahlung versteigert werden. Rabenstein, am 22. Mai 1907. Versteigerung. Infolge Geschäftsaufgabe sollen Montag den 27. Mai 1907 vormittags von VM Uhr ab in der Schlohbrauerei des Rittergutes Oberrabenstein totes und lebendes Inventar, als: 2 sechsjährige Pferde (Rappen), Stuten, dänischer Schlag, 2 Pferde (Füchse), schwere und leichte Wagen und Geschirre, Lederzeng, Kummete, verschiedene Wirtschafts gegenstände, Fleischer- und Handwerksgeräte, Eisschrank u. a. m. gegen sofortige der 152. K. Sachs. Landes-Lotterie (Ziehung I. Klasse am 12. u. 13. Juni 1907) sind zu haben in SM'! SMM AMI. (Telephon 101). Ein Handwagen, sowie eine Hundehütte ist billig zu ver kaufen bei Lrnst SoüroarLv, Rabenstein, Reichenbranderstrahe. Eine Werkbank mit Handwerkszeug zu verkaufen. Rabenstein, Nordstrahe 70.