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Wochenblatt Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. ^2 23. Sonnabend, den 8. Juni 1907. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition «Reichenbrand, Pelzmiihlenstraße 47v), sowie von den Herren I. Ocbser in Reichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar und Kausmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Pctitzcile mit 10 Psg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nack vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Anzcigen-Annahme bis spätestens Freitags nachm. 5 Uhr. Bekanntmachung. Am 1. Juni a. o. ist der 2. Termin der Gemeindeanlagen und des Schulgeldes auf 1907 fällig. Es wird dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß nach Ablauf der für die Bezahlung zugelassenen Htägigen Frist gegen Säumige das Mahn- bez. Pfändungsverfahren ein- Seleitet werden wird. Reichenbrand, am 29. Mai 1907. Der Gemeindevorstand. 2. V.: Enge, Gem-Ältester. Bekanntmachung. Am 12. Juni 1907 findet die Berufs- und Betriebszählung im Deutschen Reiche statt. Die hiesige Einwohnerschaft wird gebeten, die ihr in den nächsten Tagen von den im Ehrenamt stehenden Zählern zugehenden Formulare nach dem Stand vom 12. Juni vorschriftsmäßig auszufüllen und die Zähler in jeder Weise bei diesem umfangreichen und schwierigen Zählgeschäft zu unterstützen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Besonders werden die Besitzer der Hausgrundstücke ersucht, dafür besorgt zu sein, daß die betreffenden Listen für ihr Haus rechtzeitig ausgefüllt werden und vom >2. Juni ar. nachmittags ab zur Abholung bereit liegen. Rabenstein, am 7. Juni 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Gefunden wurde ein Geldbetrag. Rabenstein, am 7. Juni 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Am 1. Juni d. I. wird der 2. Termin der diesjährigen Gemeindeanlagen fällig. Es wird dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß diese Anlagen zur Vermeidung des Zwangsvollstreckungsverfahrens bis zum 15. Juni ». o. an die hiesige Gemeindekasse abzusühren sind. Rabenstein, am 24. Mai 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Es ist wahrzunchmen gewesen, daß die Senk- und Schlammgruben der hiesigen Hausgrund stücke vielfach nicht regelrecht und ordnungsmäßig geräumt werden. Da hierdurch der Zweck dieser Gruben nicht erfüllt wird, indem der Ausfluß der Abwässer einer Klärung nicht unterliegen kann, so werden die hiesigen Hausbesitzer zur Vermeidung von Strafen aufgefordert, ihre Senk- und Schlamm gruben regelmäßig einer Räumung zu unterziehen. Eine Revision dieser Senk- rc. Gruben wird im Juli d. I. vorgenommen und die Säumigen zur Bestrafung gezogen werden. Rabenstein, am 6. Juni 1907. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Die Sparkasse zu Neustadt unter Garantie der Gemeinde verzinst Einlagen mit 3 Vs "/o Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinfung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8—12 Uhr und nachmittags von 2—6 Uhr. Durch die Post eingehende Einlagen werden sofort expediert. Bericht über die Sitzung des Gemeinderates zu Siegmar am 1. 2uni 1907. Vorsitzender: Herr Gemeindevorstand Klinger. Es erfolgt die Nachschätzung einer Anzahl zugezogener Personen zu den Gemeindeanlagen. Kenntnis genommen wird von einem ein- gegangencn Dankschreiben und von der am 12. Juni d. I. vorzu nehmenden Berufs- und Betriebs-Zählung. Auf eine Gemeinde anlagen-Reklamation und ein Anlagen - Ermätzigungsgesuch wird Entschließung gefaßt. Von einer amtsh. Verfügung, die Errichtung von Arbeitsnachweisen betr., wird Kenntnis genommen und die Ab ordnung eines Vertreters sür den diesjährigen Sächs. Gemeindetag in Bautzen beschlossen. Ein Schankkonzessionsgesuch findet Befür wortung. Don der Haftpflichtversicherung des Gemeinderates wird Abstand genommen und als 2. Stellvertreter des am 1. Juli d. I. in Wirksamkeit tretenden Standesamtes der Gemeindekassierer Oertel gewählt. Davon, daß vom Revisionsausschusse eine Revision der Sparkasse und deren Wertpapierenbestandes vorgenommen worden ist, sowie daß das Einlegerguthaben derselben die 9. Million Wark überschritten hat, wird Kenntnis genommen. Zu einigen Sparkassen ausschußbeschlüssen, Grundstücks-Beleihungen betr., wird Zustimmung erteilt und ferner die Art der Baumpflanzung für zwei neue Straßen bestimmt. 2n einigen Bausachen wird Beschluß gefaßt und eine Ergänzung des Ortsgesetzes, die Anstellungs-, Dienst- und Pensions- Derhältnisse der Gemeindebeamten betr., vorgenommen. Die vom Finanzausschüsse aufgestellte Gehaltsstaffel für die Gemeindebeamten findet im Prinzipe Annahme. Einige Gehaltszulagen an Elektrizitäts werks-Beamte werden bewilligt. s» leichten Handarbeiten und werden zu höchsten Löhnen gesucht. kmil 8ckii'M6i' L Lo., Trikotagenfabrik, Siegmar. Der Erbe von Riedheim. Roman nach einer Idee von K- Felden von Irene v. Hellmuth. «Fortsetzung) Nachdruck verboten. Marianne erwiderte nichts mehr. Mit wankenden Knieen ging sie hinaus, warf sich in ihrem Zimmer auf das Ruhebett und grub den Kopf in die Kissen, um das heiße Schluchzen zu ersticken. Nur der eine Gedanke hatte Raum in ihrer Seele: »Muß es sein, daß ich das furchtbar schwere Opfer bringe? Habe ich wirklich die Pflicht, aus Dankbarkeit gegen den Greis auf jedes irdische Glück zu verzichten? Ich kann es nicht!" — Sie lag bis zum Morgen und sann und grübelte, — aber sie kam zu keinem Ergebnis. So beschloß sie, dem geliebten Munn alles zu sagen und nach seinem Rat zu handeln. VI. Auch Baron Egon hatte eine schlaflose Nacht gehabt. Gegen Mittag wurde ihm Saldern gemeldet. Er empfing seinen Erben im bequemen Lehnstuhl, der Rittmeister trat lebhaft auf den Alten zu. „Nun, verehrter Onkel, haben Sie mit der Baronesse gesprochen?" war seine erste Frage. „Jawohl", murrte der Freiherr verdrießlich, „es be stätigt sich, was Du gesehen hast, aber sic will von dem Grünrock nicht lassen. Einstweilen habe ich Befehl gegeben, sie zu bewachen, damit die beiden nicht zusammenkommen. Nötigenfalls werde ich das Mädchen einspcrren. Wir müssen Mittel und Wege finden, sie von dem Manne zu trennen. Wenn es nicht anders geht, dann brauche ich ein Gewalt mittel." Der Rittmeister strich sich gedankenvoll den Schnurrbart. „Ich denke, daß es nicht schwer sein kann, den Oberförster Hellborn zu überzeugen, daß seine Verbindung mit der Freiin Marianne von Riedhcim ein Ding der Unmöglichkeit ist. Vielleicht verzichtet er freiwillig, wenn man es nur geschickt anzupackeu versteht. Ich werde diesem Herrn einen Besuch abstatten." Lange saßen die beiden beisammen und zimmerten sich einen Plan zurecht. Oberförster Hellborn, von Berufspflichten ermüdet, war eben nach Hause gekommen- Er hatte heute Marianne nicht am gewohnten Ort getroffen und machte sich nun allerlei Gedanken, was das Mädchen wohl am Erscheinen verhindert haben könnte. Verstimmt nahm er am Tische Platz und stützte den Kopf in die Hand. Die Magd kam herein und überreichte ihm eine Karte. „Rittmeister Julius von Saldern-Riedheim", las Hellborn. Seine Stirn um wölkte sich noch mehr, er ahnte, daß dieser Besuch nichts Gutes bedeute. „Lassen Sie den Herrn eintreten", befahl er, erhob sich und empfing den Gast mit einer kühlen, aber höflichen Verbeugung. „Ich komme in Angelegenheiten des Riedheim'schen Hauses", begann der Eingetretene in hochmütigem Ton. „Mein Onkel hat in Erfahrung gebracht, daß Sie mit der Baronesse von Riedheim ein heimliches Liebesverhältnis unterhalten und daß Sie mit der jungen Dame im Walde Zusammenkünfte haben. Es war sehr unvorsichtig von der Baronesse, Ihnen dergleichen zu gewähren, allein sie ist noch ein halbes Kind, man muß ihrer Unerfahrenheit und Jugend etwas zu Gute halten. Es wird wahrscheinlich nicht schwer geworden sein, die junge Dame zu betören. Was versteht so ein Kind davon, wie schnell es um den guten Ruf geschehen ist. Aber Sie, der gereifte Mann, mußten das wissen. Wie konnten Sie es wagen, die Freiin von Riedheim derartig zu kompromittieren?" Der Sprecher machte eine Pause und blickte drohend auf den vor ihm Stehenden, auf dessen Stirn die Zornes- ader schwoll. Hellborn hatte den Versuch gemacht, den Redestrom zu unterbrechen, es war ihm aber nicht gelungen. Er atmete kurz und hastig, aber noch zwang er sich zur Ruhe und antwortete kalt: „Die Baronesse hat mir freiwillig ihre Liebe geschenkt, wir haben uns Treue geschworen, — sie wird mein Weib —" Der Rittmeister lachte laut und gezwungen. „Ihr Weib? — Darüber hat die Baronesse nicht zu entscheiden! Ueber ihre Hand ist bereits verfügt. In unserer Familie wurde es von Alters her so gehalten, daß Eltern oder Vormünder bestimmten, wem ihre Töchter oder Mündel die Hand zum Bunde fürs Leben reichen sollten, damit solche unerfahrene Kinder nicht die Beute gewissen loser — Mitgiftjäger würden!" Es war, als hätte dem Oberförster jemand von hinten einen Schlag versetzt. Er prallte zurück, seine Augen hingen in grenzenlosem Zorn an dem kalten Gesicht Salderus, seine Fäuste ballten sich, es sah aus, als wollte er sich auf den Gegner stürzen, um ihn mit einer einzigen, kraftvollen Bewegung niederzuschlagen, — aber seine Hände sanken herab, er wandte dem frechen Eindringling den Rücken und sagte verächtlich: „Ich verstehe, daß es Ihnen un möglich ist, an eine reine, uneigennützige Liebe zu glauben. Sie messen mit Ihrem Maß mein Herr, und schieben Ihre unlauteren Motive anderen unter." „Herr", schnaubte der Rittmeister, „mäßigen Sie sich, sonst werde ich Sie zu züchtigen wissen!" „Sie vergessen, daß Sie sich in meinem Hause befinden, und daß ich mir ungebetene Gäste, die mich zu belästigen wagen, vom Halse zu schaffen weiß. Ich werde Sie einfach hinausbefördern lassen!" Der Rittmeister bebte vor Wut. „Das sollen Sie mir büßen!" knirschte er. Je zorniger Saldern wurde, desto ruhiger erschien der Oberförster. Er maß den vor ihm Stehenden mit einem spöttischen Blick und sagte kalt: „Tun Sie, was Sie für gut halten, — mich schüchtert Ihre Drohung nicht ein. Mit Ihnen gedenke ich es noch anfnehmen zu können; nötigenfalls genügen dazu meine beiden Fäuste." „Hüten Sie sich vor mir!" rief der Rittmeister. „Ich ersuche Sie, sich sofort zu entfernen", gebot Hellborn und zeigte nach der Türe. „Sobald ich meinen Auftrag ausgerichtet habe", ent gegnete Saldern und in sein Gesicht trat ein hämischer Ausdruck. „Mein Onkel sandte mich hierher, um Ihnen die Mitteilung zu machen, daß eine Verbindung zwischen Ihnen und Marianne von Riedheim unmöglich ist. Hoffen Sie nicht auf die Nachgiebigkeit des Barons. Sind Sie bereit, auf jegliche weitere Beziehungen mit der Baronesse zu verzichten?" „Ich gestehe Ihnen am allerwenigsten das Recht zu, eine derartige Frage an mich zu richten. Kommen Sie im Auftrage der Baronesse?" Nur eine Sekunde lang besann sich Saldern, dann entgegnete er kurz und bestimmt: „Jawohl mein Herr! Die junge Dame hat eingesehen, daß sie eine große Ueber- eilung begangen hat", sie fordert hiermit ihr Wort von Ihnen zurück. Sie wird in den nächsten Tagen eine größere Reise antreten und wenn sie zurückkommt, werden Sie hoffentlich die Gegend verlassen haben." Ans dem hübschen Gesicht des Oberförsters erschien ein gequälter Ausdruck. „Das ist nicht wahr!" rief er verzweifelt. „Es kann ja nicht sein! Man hält Marianne gewaltsam von mir fern. Wer weiß, was man dem Kinde alles eingeflüstert hat. Doch die Baronesse ist treu und stark. Sie wird ausharrcn und ich bin überzeugt, sie läßt sich nicht so leichtipinterdrücken."