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für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vertheilt. 34. Sonnabend, den 25. August 1906. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Meichenbrand, Pelzmühlenstraße 47v), sowie von den Herren I. Oebser in Reichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar amd Kaufmann Emil Winter in Rabenstein cntgegengenommen und pro Ispaltige Corpuszeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Es wird zur Kenntnis gebracht, daß die Gemeindeanlagenreste vom Halbjahr 1906 seit dem 9. August 1906 dem Vollstreckungsbeamten Zur Einziehung übergeben worden sind und daß die Bezahlung dieser Reste und der geordneten Gebühren nur an diesen zu erfolgen hat. Der Vollstreckungsbeamte expediert jeden Wochentag von 8 bis 10 Uhr vormittags und 2 bis 3 Uhr nachmittags im Rathause. Rabenstein, am 24. August 1906. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung Den 1. September 1906 wird der 3. Termin der diesjährigen Gemeindeanlagen fällig. Es wird dies mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß diese Anlagen zur Vermeidung des Zwangsvollstreckungsverfahrens bis zum 15. September 1906 an die hiesige Gemeindekasse abzuführen sind. Rabenstein, am 24. August 1906. Der Gemeinderat. Wilsdorf, Gemeindevorstand. Auktion. Montag den 27. August 1906 nachmittags pünktlich 4 Uhr sollen in Rabenstein (Rathaus) 1 Vertiko und verschiedene andere Gegenstände Meistbietend gegen sofortige Barzahlung öffentlich versteigert werden. Rabenstein, am 24. August 1906. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Volksbibliothek Rabenstein. Mit Eintritt der längeren Abende verfehlt die Verwaltung der Volks bibliothek nicht, auf deren Benutzung aufmerksam zu machen, umsomehr als die Bibliothek gerade in diesem Jahre wieder durch Geschenk und Ankauf einen ganz bedeutenden Zuwachs erhalten hat. Auch haben wir von neuem eine Wanderbibliothek, diesmal im Werte von 120 Mk., von der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung in Berlin geliehen. Bis 15. Mai 1907 stehen unsern Lesern die 36 meist sehr wertvollen Bände zur Verfügung. Es sind fast durchweg jetzt viel gelesene Werke moderner und modernster Schrift steller. Wir bringen eine Aufstellung derselben im Inseratenteile dieses Blattes zur Kenntnis unserer Leser und hoffen auf fleißige Benutzung sowohl der Stamm- als auch der Wanderbibliothek. Nur mochten wir unsern Lesern die peinlich sorgfältige Behandlung dieser von uns selbst erst wieder geliehenen Bücher zur ganz besonderen Pflicht machen. An der Expediti^nszeit der Bibliothek hat sich nichts geändert: jeden Sonntag im Rathause von /2II —12 Uhr. Rabenstein, den 23. August 1906. Die Bibliotheksverwaltung. Bekanntmachung. Am 15. dieses Monats ist der 4. Termin der Gemeindeanlagen und des Schulgeldes für das laufende Jahr fällig und bis spätestens 15. September 1906 an die hiesige Gemeinde-Kassenverwaltung abzuführen. Es wird dies mit dem Bemerken bekannt gemacht, daß nach Ablauf dieser Frist gegen Säumige das Mahn- bezw. Zwangsvollstreckuugsverfahren ein geleitet werden wird. Neustadt, am 10. August 1906. Der Gemeindevorstand. Heißler. Gertliches. Waöenstein. Mit großer Freude und aufrichtiger Genugtuung hat man in allen Kreisen der hiesigen Einwohnerschaft die Nachricht ausgenommen, daß das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts im Einverständnis mit dem Evangelisch lutherischen Landeskonsistorium dem hiesigen Kirch schullehrer Friedrich Albin Schönherr in An erkennung seiner langjährigen, treuen und erfolgreichen Wirksamkeit im Berufe den Titel „Oberlehrer" verliehen hat. Freigesprochen. Familien-Roman v. Ludw. Nutzer. (Fortsetzung). Am Waldsaum angelangt, fanden wir dann die Situation genau so, wie die Rosa sie geschaut hatte, und der Höfelbauer schimpfte von der weiter entlegenen Straße zu uns herüber. Ein andermal wieder sah sie aus einem bestimmten Hause eine Leiche heraus tragen. Sie bezeichnete alle Leute, die dem Toten das letzte Geleite gaben und diesen selbst und mich im Zuge. Nach einiger Zeit starb tatsächlich jemand in dem betreffenden Hause, und die Bestattung der Leiche erfolgte genau in der von dem Mädchen ge schilderten Weise. Mehrere Jahre später las ich in der „Illustrierten Welt" einen von Wirth verfaßten wissenschaftlichen Artikel über das zweite Gesicht, und da erst kam ich zu der Erkenntnis, daß Rosa diese rätselhafte Gabe besaß. Die Herren werden dieser wunderbaren Erscheinung bereits in Romanen von Walter Scott begegnet sein, der das zweite Gesicht mehrfach in die Begebenheiten der Fabel eingreifen läßt. Nach dem erwähnten Artikel kommt letzteres häufig in Hochschottland und den be nachbarten Inseln des britischen Nordens vor; man findet es aber auch vereinzelt in vielen anderen Ländern, namentlich in Dänemark, Schleswig, Deutschland und in der Schweiz. Die Personen, denen diese Gabe verliehen ist, werden allgemein Seher genannt. Sie finden sich in allen Berufsarten und Lebensstellungen, auch macht der Grad der Bildung keinen Unterschied. Am häufigsten jedoch sind Landleute, Jäger und Hirten mit dieser geheimnisvollen Fähigkeit begabt. Dem Seher erscheint plötzlich im Wachen, mitten in seiner Alltagsbeschäftigung, das Bild eines Ereignisses, das in kürzerer oder längerer Zeit genau so eintritt, wie er es geschaut hat. Geographische und klimatische Einflüsse mögen wesentlich auf das Hervortreten dieser phänomenalen Erscheinung einwirken. Man lese nur die erhabenen Schilderungen Walter Scott's von den schattigen Hochlanden, schreibt Wirth beiläufig; mau stelle sich diese wildromantischen und doch so schauerlich öden Gebirgszüge mit ihren weiten Hochflächen und ihren eng eingeschlossenen, düstern und melancholischen Seen vor man bedenke die eigentümliche, entbehrungs volle Lebensweise ihrer Bewohner, ihr leicht erregbares und dabei wieder schwermütiges Temperament, und man wird es begreiflich finden, daß unter solchen Einflüssen das innere Leben sich mächtiger entwickelt und geheimnisvolle Kräfte der Seele hervortreten müssen, die unter andern Umständen im Hintergründe derselben schlummern. Wirth kommt zu dem Schluffe, daß nur der schroffste Materialismus zu leugnen wagen kann, daß unser Leib die Wohnstätte einer unsterblichen selbstbewußten Seele ist. Wir erkennen ihr Walten in den seelischen Funktionen, die Psychologie sucht die Gesetze derselben zu erforschen. Das Leibliche und Seelische stehen im innigsten Bunde und in der innigsten Wechselwirkung zu einander. Im selbstbe wußten Wachen sind für gewöhnlich sämtliche Tätig keiten der Seele an die leibliche Vermittlung gebunden, darum ist es auch eine schwere Aufgabe sie zu belauschen und zu ergründen. Doch verzeihen die Herren, wenn ich etwas weit von meinem Thema abgewichen bin. Ich habe diese Exkursion für notwendig erachtet, weil man in unserem materiellen Zeitalter gerne geneigt ist, alles Unerklär liche, und zu diesem zählt auch das zweite Gesicht, in die Rumpelkammer des Aberglaubens zu werfen. — Herr Major sind auch noch wach?" „Ich habe keinen Schlaf", erwiderte Berger, „und Ihre Erlebnisse sind so interessant, daß ich bedauern würde, wenn ich eingeschlafen wäre. Bitte, erzählen Sie weiter, Herr Hauptmann." I „Im Alter von elf Jahren kam ich in die Latein schule nach Augsburg", fuhr Schwarzwild fort. „Es war der Wunsch meines Wohltäters, daß ich einmal ein würdiger und tüchtiger Geistlicher werden sollte. Die ersten Jahre meiner Studienzeit hatte ich auch den ehrlichsten Willen, diesem Wunsche zu entsprechen, allein in Augsburg sah ich häufig militärischen Uebungen zu und das vom Vater ererbte Soldatenblut wurde in mir lebendig. Bald erschien mir das Militärleben im allgemeinen und der Leutnant im besonderen als das erstrebenswerteste Ziel. Es fiel mir schwer, als ich dem Herrn Pfarrer eines Tages — ich hatte damals die vierte Klasse hinter mir — meinen Herzens wunsch eingestehen mußte. Der würdige Herr war anfangs ziemlich verstimmt. Um so mehr überraschte und freute es mich, als er mir nach ein paar Tagen mitteilte, er habe in meiner Sache bereits Schritte getan, und an einen höheren Offizier nach München geschrieben. Ich kam in's Kadettenkorps, und da mein Vater Kriegsinvalide war, erhielt ich dortselbst im ersten Jahre eine halbe und dann eine ganze Freistelle. Während der Ferien, die ich stets im Pfarr hause verlebte, war ich täglich stundenlang in Rosa's Gesellschaft. Der Kreis, in dem ich außer der Ferienzeit ständig verkehrte, hatte mit der Zeit wohl meinen Geschmack geläutert und meine ehemaligen harmlosen Lebeus- anschauungen geändert; der lieben Jugendgespielin gegenüber aber vollzog sich nur insofern ein Wandel in mir, als die frühere kindliche Zuneigung zur starken, unausrottbaren Liebe wurde. Ich hatte nur zwei Menschen auf der Welt, die meinem Herzen nahe standen: Meinen edlen Wohltäter und das Sänger- rösle. In einsamen Stunden ergriff mich oft eine verzehrende Sehnsucht nach dem Mädchen, und die heimatlichen Gefilde, aui denen ich als Knabe die Kühe hütete, erscheinen mir heute noch als ein verlorenes Paradies." Rosa und ich waren achtzehn Jahre alt geworden, hatten aber noch nie über unsere gegenseitigen Gefühle gesprochen. Der Unterschied in der gesellschaftlichen Stellung und unsere Mittellosigkeit machten eine spätere Verbindung unmöglich und dieses Bewußtsein legte uns beide Zurückhaltung auf. Dem süßen Zauber ihrer Gesellschaft konnte ich aber nicht widerstehen.