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Wochenblatt Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 144. für Reichenvmnd, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vertheilt. ^2 29 Sonnabend, den 21. Juli 1906. , Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Meichenbrand, Pelzmühlenstraße 47v), sowie von den Herren I. Oebser in Reichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Corpuszeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Am 14. Juli dieses Jahres werden das Wassergeld und der Wasserzins auf den 2. Termin 1006 fällig und sind unter Vorlegung des Qnittungsbuches bez. Stenerzettels spätestens bis znm 30. Juli 1006 bei Vermeidung des Zwangsvollstreckungsverfahrens an die hiesige Ortssteuer- cmnahme zu bezahlen. Reichenbrand, am 6. Juli 1906. Der Gemeiudevorstand. Woget. Bekanntmachung. Die Reinigung der Schornsteine in hiesiger Gemeinde findet am 24. bis 30. Juli rr. e. statt. Reichenbrand, am 16. Juli 1906. Der Gemeindevorstand. Woget. Bekanntmachung. Gefunden wurde: 1 Portemonnaie mit Inhalt und 1 Taschentuch. Rabenstein, am 20. Juli 1906. Der Gemeindevorstand. Witsdorf. Bekanntmachung. Zufolge Verordnung der Königlichen Kreishauptmannschaft Chemnitz vom 23. Dezember 1905 — Verordnungsblatt derselben Nr. 12 vom Jahre 1905, Seite 73 flg. — soll die gesetzlich vorgeschriebene Nachaichung der Maße, Gewichte, Wagen und Meßwerkzeuge im hiesigen Orte mit den beiden Ritter gütern Nieder- nnd Oberrabenstein in diesem Jahre am 23. Juli nachmittags von 2 bis 6 Uhr, am 24. und 25. Juli vormittags von 8 bis 12 und nachmittags von 2 bis 6 Uhr und am 26. Juli von 8 bis O Uhr vormittags stattfinden. Es soll nun diese Nachaichung an den gedachten Tagen und zwar: für den Ortsteil 8 Müller s Restauration am 23. Juli nachmittags und am 24. Juli, für den Ortsteil ^4 Ranft s Restauration am 25. Juli und am 26. Juli von 8 bis O Uhr vormittags vorgenommen werden. Alle Gewerbetreibenden des hiesigen Ortes, als: Gastwirte, Butterhändler, Oekonomen, Fleischer, Bäcker, Materialisten rc., welche Maße, Gewichte, Wagen und Meßwerkzeuge im öffentlichen Verkehr benutzen, werden auf Grund § 6 der Verordnung vom 8. April 1893 hierdurch aufgefordert, dieselben innerhalb der angegebenen Zeit den Aichungsbeamten zur Prüfung vorznlegen. Werden Maße, Gewichte rc., welche das Nachaichungszeichen nicht tragen, nach Beendigung des Nachaichungsgeschäfts vorgefunden, so kann auf Grund 8 369s des Reichsstrafgesetzbuchs eine Bestrafung bis zu 150 Mark oder Haft bis zu 4 Wochen erfolgen. Für jedes der Nachaichung unterzogene Stück ist die im Gebühren-Tarif der vorgenannten Verordnung festgesetzte Gebühr zu entrichten. Rabenstein, am 20. Juli 1906. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Bericht über die Sitzung des Gemeinderates Siegmar am 13. Juli 1906. Vorsitzender: Herr Gemcindevorstand Klinger. Es wird Kenntnis genommen von einem Dank schreiben und von einer amtshauptmannschaftlichen Beifügung, die vorübergehende Abgabe von Darlehnen aus Mitteln des Bezirks betr. Weiter wird Kenntnis genommen von der Entscheidung auf einen Anlagen- Rekurs. Die Nachschätzung zugezogener Personen zu den Gemeindeanlagen wird vorgenommen. Der Bericht über den Betrieb des Elektrizitätswerkes pro Monat Juni d. I. wird entgegengenommen. Zu verschiedenen angemeldeten Elektrizitäts-Anschlüssen wird Genehmi gung erteilt. Das neuaufgestellte Ortsgesetz, die Äustellungs-, Dienst- und Pensions-Verhältnisse der diesigen Gemeindebeamten betr., erhält die einstimmige Zustimmung des Kollegiums. Bezüglich des Ausbaues eines Teiles der Rosmarinstraße wird nach Kenntnis nahme von dem Ergebnisse der gehabten Verhand lungen Beschluß gefaßt. Ein Baudispensationsgesuch dird widerruflich befürwortet. Von' dem Austritte eines Mitgliedes aus einem Ausschüsse wird Kenntnis genommen. Die Sparkassen-Rechnung pro 1905 wird Unstimmig richtig gesprochen und dem Kassierer Entlastung erteilt. Zu einem Konzessions-Gesuche wird Stellung genommen. Freigesprochen. Familien-Roman v. Ludw. Nutzer. (Fortsetzung). „Ja, hat er denn die Kiste no nit kriegt!" rief ^osef vor Freude schluchzend. „Hat nix zum rauchen, N zum beißen der Georg, und die Zigarren in der Me reichen leicht acht Wochen! Und an mein Ge burtstag hat er denkt, mitten in Feind'sland drin!" . „Und an Deinen Geburtstag wollen auch wir letzt denken, lieber Josef", sagte der General, indem er eine Flasche entkorkte und die Gläser füllte. . »Josef, Du bist heute ein Siebziger geworden, ich werde demnächst ein Achtziger. Als wir uns zum ersten Mal sahen, waren wir beide jung, 's war eine Ichöne Zeit, die nicht mehr kommt. In drei Jahren wird's ein halbes Jahrhundert, daß wir beisammen sind. Du kennst meine und meiner Familie Freuden und Leiden, und wir die Deinen. Hat uns auch das Schicksal als Herr und Diener zusammengeführt, fast für's ganze Leben, — im Herzen sind wir treue Kameraden und wollen es bleiben. Josef — auf Dein Wohl und Deine Gesundheit!" Es war die längste Rede, die der General seit Jahren gehalten hatte. Dem alten Diener perlten dicke Tränen über das gefurchte Gesicht und seine Hand zitterte, als er mit seinem Herrn und Frau Hartfeld anstieß. „Josef, ich wünsche Ihnen ebenfalls vom Herzen alles Gute", sagte die Frau, dem Alteu die Hand drückend. Dann ging sie in's Nebenzimmer und kehrte mit einem großen Paket zurück. „Ich weiß nicht, ob ich Ihren Geschmack getroffen habe, Josef", indem sie dem Diener eine kunstvoll geschnitzte hölzerne Tabakspfeife überreichte; „'s ist Oberammer gauer Arbeit." „Ja, was ist das Schön's?" rief Joses mit kind licher Freude. „Weit und breit hab i no kei solchene Pfeife g'seh'n. Des ist z'viel, Frau Hartfeld; viel z'viel! Und Tabak und Hemden und Socken. . . ja, dies ist viel z'viel!" „Nein, Josef, zu viel ist das nicht", sagte Frau Hartfeld. „Das sind ja nur Kleinigkeiten, die beweisen sollen, daß wir Ihren Geburtstag nicht übersehen haben." „I dank halt vielmals, Herr General . . . Viel mals Dank, Frau Hartfeld", sagte der Diener, während er den beiden die Hand reichte und dann mit glänzen den Augen den silbernen, zierlich durchbrochenen Deckel der Pfeife öffnete und wieder zuklappte. „Ein prächtiger Junge, der Georg, nicht wahr?" begann der General wieder. „Es steckt ein guter Kern in den Kindern. So sehr ich Irma vermisse — ihrEntschluß, dem Vaterland als barmherzige Schwester zu dienen, war so hochherzig, so ideal, daß ich gerne das Opfer brachte. Rätselhaft ist mir die Sache mit Major Berger. Du kennst den Fall noch nicht, Josef. Der Herr Major behauptete Irma gegenüber mit aller Bestimmtheit, daß mein verstorbener Schwieger sohn unschuldig war. Beweise für seine Behauptung weiß er indessen nicht beizubringen. Major Berger war früher in Ingolstadt und kannte Hartfeld sehr gut." „I hab den Herrn Hartfeld immer für unschuldig g'halten", sagte Josef. „Er hält' ja gar kein Grund g'habt, so was zu tun. I hab mir damals denkt: Die G'schicht mit dem hohen Spiel ist lauter dumm's, uuüberlegt's G'red. Freili, wie er sich's Leben g'nommen hat —" „Sage, Josef", unterbrach ihn der General, „Du kanntest doch in Ingolstadt seinerzeit sämtliche Offiziere und Beamte und die ganze Bürgerschaft — erinnerst Du Dich eines Herrn namens Berger?" „Nein, Herr General, ein Berger, der in der Ge sellschaft von Herrn Hartfeld verkehrt hält', ist niemals in Ingolstadt gewesen. Auf alle Fäll' hat kei Offizier und kei Junker so g'heiß'en." „Major Berger war damals noch nicht Offizier, überhaupt noch nicht beim Militär", sagte Frau Hart feld. „Wie Irma vom Herrn Rittmeister Fernwald erfuhr, ist der Herr Major anfangs der fünfziger Jahre in Burghausen als Freiwilliger zugegangen." „Des muß a Verwechslung sei oder a Mißver ständnis", entgegnete der Diener, ,,z' Ingolstadt hat der Herr Major Ihren verstorbenen Gemahl sicher nit kenne lerne." „Wir können uns eben auch keines Berger er innern", sagte Frau Hartfeld. „Das ist eine sehr sonderbare Sache. Ich gäbe viel darum, wenn ich den Herrn Major persönlich sprechen könnte." „Na, der Georg wird nicht nachgeben, bis er volle Klarheit hat", sagte der General. „Wir werden noch Näheres erfahren." Seit der Pensionierung des Generals wurde Josef wie ein Familienangehöriger im Hause behandelt. Der engere Anschluß hatte sich in der Einsamkeit von selbst ergeben. Der treue, verschwiegene und stets bescheidene Diener, der bereits Frau Hartfeld als Kind auf den Armen gewiegt hatte, war mit allen Familienver- hältniffen vertraut und weitere Sorgen als diejenigen seiner Herrschaft kannte er nicht. Einige Tage vor seinem siebzigsten Geburtsfeste hatte er einen unbe schränkten Urlaub in seine Heimatsstadt Ingolstadt erhalten, aber schon am dritten Tage nach Antritt desselben kam er, von Heimweh getrieben, zur großen Freude seines Herrn wieder zurück und erklärte, daß er niemals fortgehen werde. „Du hast uns noch gar nichts von Deiner Reise nach Ingolstadt erzählt", begann der General wieder. „Bist allerdings erst vorgestern zurückgekommen. Was hast Du denn alles gesehen? Hat sich in Ingolstadt vieles verändert?" „Nur d' Leut haben sich verändert, Herr General,