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„Georg ist gesund und immer rüstig", erwiderte Schütz. „Leider sehen wir uns sehr selten. Er ist bei einer anderen Kompagnie, und da kommt man auf dem Marsche wenig zusammen." „Es wäre mir eine große Freude gewesen, wenn ich ihn auch getroffen hätte. Bitte, grüßen Sie Georg herzlich von mir." „Ich danke für den Auftrag, gnädiges Fräulein." „Der Durchzug der Truppen dauert bereits drei Tage", fuhr Irma weiter. „Ich hatte keiue Ahuung, daß heute die Passauer Jäger durch Clermont kommen, da ich Tag und Nacht an meinen Posten gefesselt bin." „Und dieses mühevolle, aufreibende Amt haben Sie freiwillig übernommen? Ich bewundere Sie, gnädiges Fräulein!" „Was ich zur Linderung des vielen Elends bei tragen kann, erscheint so gering, Herr Leutnant. Der Soldat tut ja viel mehr; er setzt sein Leben ein." „Das ist seine Pflicht", erwiderte Schütz. Nach einer kurzen Pause fuhr er etwas zaghaft weiter: „Ich habe mir erlaubt, mich in einer ernsten Angelegenheit schriftlich an Sie zu wenden. Haben Sie meinen Brief erhalten, gnädiges Fräulein . . . ehrwürdige Schwester, wie ich Sie jetzt wohl anzusprechen habe?" „Ja, ich habe ihn erhalten und auch sogleich be antwortet. Ihr Brief hat mich sehr ergriffen; er ist wunderschön." „Wirklich? Leider bin ich noch nicht im Besitze Ihrer Antwort. Mich hat die Ungewißheit und Sehn sucht ..." Er brach verlegen ab, denn in Jrma's Zügen lag etwas, was ihn hinderte, den Satz zu vollenden. Sie war blässer geworden, und aus den einstmals kindlich-sonnigen Augen sprach ein ruhiger abgeklärter Ernst. Es lag etwas klösterlich Zurückhaltendes in ihrem ganzen Wesen; nur die Linien des Mundes und die weißen Perlenreihen hinter den frischen Lippen waren unverändert geblieben. „Wir müssen uns leider verabschieden", sagte Irma, als mehrere von einem Unteroffizier geführte Soldaten den Hausflur betraten. „Mich ruft die Pflicht. Leben Sie wohl, Herr Leutnant! Ich werde täglich für Sie beten." „Ich danke Ihnen herzlich, gnädiges Fräulein", sprach Schütz ergriffen und wieder erfaßte er, von seinen Gefühlen überwältigt, die beiden Hände der Schwester. Ein paar Augenblicke ruhten ihre Blicke innig und ernst ineinander, dann füllten sich die Augen Jrma's mit Tränen. „Nennen Sie mich doch Schwester Irma, Herr Leutnant," sagte sie mit gebrochener Stimme. „Ich bin Ihnen ja eine Schwester . . . eine treue Schwester!" „Eine Schwester?" fragte Schütz schmerzlos betroffen. „Ja, eine treue Schwester ... mehr kann ich Ihnen nicht sein." „Sie wandte sich schnell dem Eingänge zu. „Behüt Sie Gott, Herr Leutnant!" rief sie heftig weinend noch zurück, dann schloß sich die Türe hinter ihr. Der Offizier hatte ein Gefühl, als ob er ersticken müsse. Die schmerzlichste Enttäuschung seines Lebens war so plötzlich gekommen, daß er sein Unglück in der ganzen Schwere nicht zu erfassen vermochte, und wie im Traume stürzte er ins Freie. „Die Viertelstunde ist bereits abgelaufen, Herr Leutnant", meldete ihm einer der beiden Jäger, die vor dem Hause gewartet hatten; aber wir haben in zwischen herausgebracht, wo die Feldpost ist." „Das ist recht, liebe Jäger", sagte Schütz, sich mit Gewalt beherrschend. „Wir wollen aber zunächst zum Treffpunkt, damit die andern wissen, woran sie sind." „Wir werden ordentlich laufen müssen, Herr Leut nant, bis wir die Kompagnie wieder einholen", fuhr der Soldat weiter. „Unsere ganze Brigade ist bereits durchmarschiert." „Das macht nichts, Kinder", erwiderte Schütz. „Wenn wir nur nicht leer kommen müssen." „Die nach Lebensmitteln ausgeschickten Leute warteten bereits am Brunnen, als Schütz und die beiden Jäger dortselbst eintrafen. Sie hatten Glück gehabt, denn ein reicher Brotvorrat lag auf dem Treppensockel des Brunnenbassins vor ihnen aufge speichert. Auch einige Flaschen Wein befanden sich in ihrem Besitze. Schütz belobte die Leute und übergab ihnen dann einen Laib Brot und eine Flasche Wein mit der Er mahnung, sich brüderlich zu teilen. Der Einlauf für das Bataillon war ein ziemlich grober und Schütz sah sich genötigt, ein Fuhrwerk zu requirieren, was nahezu eine Stunde in Anspruch nahm. Zu seiner Freude sand er unter den eingelaufenen Paketen und Briefschaften auch eine größere Kiste für seinen Freund Hartfeld vor. Die Jäger machten sich's auf dem Hinteren Teil des Wagens bequem, während Schütz neben dem Pferdelenker Platz nahm und den Einlauf durchsuchte. Ein freudiger Schreck durchzuckte ihn, als er plötzlich seine Adresse erblickte, und mit bangem, hochklopfendem Herzen öffnete er den Brief. Dieser lautete: „Wörth, den 16. August 1870. Sehr geehrter Herr Leutnant! Mitten im größten Elend, unter Sterbenden und Verwundeten empfing ich Ihren geschätzten Brief, dessen Inhalt mich sehr überraschte und zu Tränen rührte. Es waren Tränen der Freude, mich von einem edlen Manne geliebt zu wissen, dem auch ich von der ersten Begegnung an von Herzen zugetan war, und zugleich Tranen des tiefsten Schmerzes, daß mir das Glück nie zu Teil werden kann, an Ihrer Seite durch's Leben zu gehen. Ich bin fest entschlossen, nach Be endigung des Krieges der Welt zu entsagen und in einen Orden einzutreten. Mein Bruder, dem ich heute gleichfalls schreiben werde, wird Ihnen näheres über meinen verstorbenen Vater mitteilen, und Ihr fein fühlendes Herz dürfte dann die Gründe zu würdigen verstehen, die den unerschütterlichen Entschluß in mir gereift haben, mich von der Welt zurückzuziehen. Ihre mich beglückenden Zeilen aber sollen mich als ein teurer Talisman in die stille Klosterzelle be gleiten, und ich werde Ihnen in treuer, inniger Liebe gedenken und für Sie beten bis zum letzten Atemzuge. Leben Sie wohl, teurer Freund, und Gott beschütze Sie in diesem Kriege und auf Ihrem ganzen Lebens wege! ' Ihre Sie verehrende Irma Hartfeld." „Sie liebt mich ... sie gehört mir!" jubelte das Herz des jungen Offiziers. „Sie will der Welt ent sagen! Unter keinen Umständen! Was bekümmern mich ihre Familienverhältnisse, an denen sie so unschuldig ist, wie ich. Sie ist ein Engel, ein süßer holder Engel! Irma, herrliches Mädchen, ist es denn möglich, daß Du mich liebst?" Er küßte den Brief und barg ihn dann sorgfältig in der Brusttasche seines Waffenrockes. Die Kompagnie hatte einen Vorsprung von mehr als einer Stunde, und Schütz hieß den Fuhrmann im Trab fahren, um sie vor Einbruch der Nacht noch einzuholen. Es hatte aufgehört zu regnen, und zwischen den hochschwebenden, grauschwarzen Wolkenmassen zeigten sich vereinzelte Streifen von Himmelsbläue. „Was ist heute für ein Tag, Michel?" fragte Schütz seinen Burschen. „Heut is Sonntag, Herr Leutnant; der 28. August", antwortete dieser prompt. „Wie Du immer gut auf dem Laufenden bist, Michel. Ich weiß schon längst nicht mehr, ob es Sonntag oder Werktag ist." „Heut is grad a Jahr, daß mei' Mutter g'storben is, Herr Leutnant. Da war's Samstag." „Ganz richtig; ich weiß noch. Es beweist ein gutes Kinderherz, daß Du Dich daran erinnerst. Ich habe auch keine Eltern mehr, Michel, und keinen Bruder und keine Schwester." „Nach'r is bei uns Zwei ganz gleich, Herr Leut nant. Aber i bin an am Sonntag geboren, und d'rum a Sonntagskind. Deshalb Han i a heut in der ganz fremden Stadt glei dös selbig Haus g'funden, wo's no' was geben hat." „Ja, Du bist ein Glückspilz, Michel", versetzte Schütz. „Was ist das für ein Kirchturm, der dort in weiter Ferne über den Wald herüberragt?" wandte er sich dann in ziemlich geläufigem Französisch an den Fuhrmann. „Welcher, mein Herr?" fragte dieser. „Der so schön von der untergehenden Sonne be leuchtet ist . . . Dort zwischen den beiden Bergen." „Das ist Saint Nenellouio, mein Herr." „Danke. Nenelloulci heißt auf Deutsch Meinhard, Michel", wandte sich Schütz an seinen Burschen. „Also nach Sankt Meinhard kommen wir." „I schreib alles auf, Herr Leutnant", erwiderte der Diener. „Aber die meisten Dörfer haben Namen, daß kei' Teufel lesen kann." Das Fahrzeug fuhr in lebhaftem Trabe durch die schweigsamen Reihen der Kompagnien dahin. Der rotglühende Sonnenball war aus einem schwarzen, unbeweglichen Wolkenstreifen getreten und verschwand nun langsam hinter einer dichtbewaldeten Talmulde. Ein erquickender Abendfrieden lag über der prächtigen Berglandschaft, den das endlose Gewoge von Ranpen- helmen und Pickelhauben nicht zu stören vermochte. Das bald darauf verglimmende Abendrot stimmte die Jäger auf dem Wagen träumerisch, und mit schläf rigen Stimmen sangen sie: „Morgenrot, Morgenrot, Leuchtest mir zum frühen Tod, Bald wird die Trompete blasen, Daun muß ich mein Leben lassen, Ich und mancher Kamerad." XI. Auf der kahlen Anhöhe hinter Aillicourt, an deren nördlichem Fuße dieMaas einen großen Bogen beschreibt und die von Sedan ab südlich geführte Bahnlinie den Fluß überschreitet, um in südöstlicher Richtung nach Bazeilles und Douzy abzubiegen, waren am Vorabend der großen Entscheidungsschlacht einige Jäger offiziere zu einer Besprechung um ihren Bataillons kommandanten versammelt. Es war spät am Nach mittage. „Vom Korpskommando ist der Befehl eingetroffen, daß die Truppen an ihren gegenwärtigen Aufstellungs punkten biwakiren", fprach der Major Berger. „Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß das erste Armeekorps noch im Laufe der Nacht an's rechte Maasufer vor zurücken hat, sofern der Brückenbau keiue wesentlichen Störungen erleidet. Lassen Sie zunächst abkochen. Ist die Verwundnng des Herrn Leutnant Hartfeld erheblich, Herr Hauptmann Rasch?" „Ich glaube nicht, Herr Major", erwiderte der Gefragte. „Leutnant Hartfeld erhielt beim Beginn des heutigen Gefechtes einen Schuß in den linken Oberarm, hat sich aber am Straßenkampfe weiter beteiligt, bis wir uns zurückziehen mußten. Er ist vor etwa einer Stunde nach dem Verbandplatz gegangen." „Sie haben sich mit Ihren Kompagnien hervor ragend gehalten, meine Herren", fuhr Berger fort. „Es war nicht anzunehmen, daß Bazeilles so stark besetzt ist. Die paar Bataillone konnten das Dorf unmöglich behaupten und Unterstützung erhielten wir keine. Der Verlust des Bataillons ist leider ein sehr großer; es beträgt mit den fünfzehn Mann, die wir gestern bei Beaumont verloren haben, sieben Tote und fünfzig Verwundete. Unter den letzteren befinden sich vier Offiziere. Halten Sie sich für alle Fälle zum Vorrücken während der Nacht bereit. Ich danke Ihnen, meine Herren!" Fortsetzung folgt. Reichenbrand. Bei der hiesigen Gemcindesparkasse er folgten im Monat Juli dss. Is. 117 Einzahlungen im Betrage von 34083 Mk. 18 Pf. und 43 Rückzahlungen im Betrage von 21133 Mk. 52 Pf. Die Gesamteinnahme betrug 84801 Mk. 26 Pf., die Gesamtausgabe 69460 Mk. 01 Pf. und der bare Kassenbestand am Schlüsse des Monats 15341 Mk. 25 Pf. Der gesamte Geldumsatz im Monat Juli beziffert sich auf 154261 Mk. 27 Pf. Die Sparkasse ist an jedem Wochentage vormittags von 8—12 Uhr und nachm. von 2—6 Uhr geöffnet und expediert auch schriftlich. Alle Einlagen werden mit w/zv/g und solche, welche bis zum 3. eines Monats erfolgen, noch für den vollen Monat verzinst. Alle Einlagen werden streng geheim behandelt- Nachrichten des K.Standesamtes zu Reichenbrand vom 4. bis 1«. August 1906. Geburten: Dem Strumpfwirker Max Emil Kupfer in Siegmar 1 Knabe; dem Bohrer Emil Richard Uhlig in Reichenbrand 1 Mädchen; dem Kaufmann Max Wilhelm Schmidt in Reichen brand 1 Knabe. Aufgebote: Der Drechsler Julius Karl Dietze mit Helene Friedrich, ersterer in Chemnitz, letztere in Reichenbrand; dec Schleuderer Heinrich Hermann Doctors mit Elsa Elisabeth Wachert, beide in Siegmar. Eheschließungen: Vakat. Sterbefälle: Der Arbeiterin Selma Marie Bach in Reichen brand 1 Knabe, 1 Jahr alt; dem Tüllweber Paul Ewald Berndt in Reichenbranv 1 Knabe, 1 Jahr alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes Rabenstein Vom S. bis 10. August 1906. Geburten: In Rabenstein: 1 Sohn dem Fabrikarbeiter Franz Hermann Goller; dem Zimmermann Alfred Willy Erth und dem Handschuhstricker Robert William Hommel- In Rottluff: 1 Sohn dem Horizontalbohrer Paul Kurt Zweck und dem Fleischer Ernst Oskar Meißner. Eheanfgcbote: Vakat. Eheschließungen: Der Fabrikschlosser Emil Hugo Lohse mit Ida Marie Müller in Rabenstein. Sterbcfälle: In Rabenstein: der Werkmeister Arthur Hugo Bermann aus Siegmar. In Rottluff: 1 Sohn delll Gußputzer Richard Emil Ahnert, 2 Monate alt. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am 9. Sonntag x>. Irin, den 12. August L. c. vorrll- ^9 Uhr Predigtgottesdienst. Parochie Rabenstein. Am 9. Sonntag p. Drin, den 12. August L. c. Vorm- 9 Uhr Predigtgottesdienst. — Freitag den 17. August 10 Uhr Wochenkommunion. Geübte Formerinnen Rep af stererinnen bei 10—12 Mark Wochenloh«, Besetzerinnen, Näherinnen, Plätterinnen, Kettlerinnen, sowie Mädchen und Frauen für leichte Handarbeiten werden für dauernd bei höchsten Löhnen gesucht. L. HieMe Mller, Trikotagen- und Strumpffabrik, Reichenbrand; Junge Arbeitsburschen werden angenommen bei Otto knimm's VIsvkG., Siegmar^ Suche älteren Mann oder Frau für dauernd als Radspuler. Auch wird ein Laufjunge angenommen. 0. liieoöor Reichenbranv Junge fette Gänfe verkauft L. 8«Zin, Grünlu, N 111*1»iMlnmL zu vermieten »sinke, Reiche« brand, Pelzmühlenstr. 470