Volltext Seite (XML)
in der Gesellschaft. Nachdem wir aber eine Reihe von Jahren alle Beziehungen zur Außenwelt abgebrochen hatten, fiel es mir schwer, eine Aenderung für Dich herbeizuführen. Wer sich vom öffentlichen Leben zurückzieht, ist bald vergessen. Die Mitteilung, daß Du Dich zu Herrn Major Berger ebenso hingezogen fühlst, wie Georg, war dem Großvater und mir besonders von Interesse. Eines aber macht mir Sorge: Daß Hauptmann Schwarz wild Euern Vater persönlich kannte nnd mit demselben befreundet war. Dazu kommt noch der sonderbare Zufall, daß Major Berger eine große Aehnlichkeit mit dem Verstorbenen haben soll. Diese Umstände dürften Anlaß bieten, daß die bei Fernwald verkehrende Gesellschaft, wenn auch in bester Absicht, sich mehr für unsere Familienverhältnisse interessiert, als mir angenehm ist, und daß Du durch einen Zufall von einer Sache Kenntnis erlangst, die ich Euch bis heute verschwiegen habe. Ich habe mich deshalb »ach langem Zögern entschlossen, Dir und Georg ein Vorkommnis mitzuteilen, das mich und Euern Großvater unglücklich machte und wie ein Fluch auf Euch schuldlose Kinder nachzuwirken droht. Nächste Weihnachten werden es siebzehn Jahre, daß Euer Vater in der Donau den Tod suchte und fand. Er wurde wegen Unterschlagung von zehntausend Gulden in Untersuchung gezogen, aus Mangel an Beweisen aber freigesprochen. Der Grund, warum er diese Tat beging, ist heute noch unaufgeklärt. Es ging damals das Gerücht, daß Euer Vater ein Hazard- spieler war, und daß ihn Spielverbindlichkeiten zu diesem unglaublichen Schritte veranlaßt hätten. Seit mehreren Jahren bin ich übrigens fest überzeugt, das dem wirklich so war. Am Christabeud 1852 kam er von Aichach, wo seine Gerichtsverhandlung stattfand, zum letzenmal nach Hause. Da gab es selbstverständlich heftige Auseinandersetzungen, umsomehr als er Eurem Großvater und mir gegenüber sich in maßloser Weise benahm, weil wir Zweifel in seine Unschuld setzten. Eine halbe Stunde nach seine Ankunft verließ er die Wohnung — für immer. Drei Wochen später fand man in Kelheim seine Leiche; dort liegt er auch, wie du weißt, begraben. Sein Tod löste alle Zweifel, die in mir noch vorherrschten, und er beseitigte auch die quälenden Selbstvorwürfe, die ich mir wegen meines Verhaltens gegen ihn gemacht habe. Ich wußte nun, daß er schuldig und ich grenzenlos elend war. Zeit lebens aber bleibt es mir unfaßlich, wie Euer Vater soweit sinken konnte. Er war allerdings in seiner Jugend leichtsinnig und mußte deshalb als Junker den Abschied nehmen; allein vom jugendlichen Leichtsinn bis zu einer gemeinen, entehrenden Tat liegt eine große Kluft. Euch Kinder liebte er zärtlich. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er an jenem unseligen Abend, an dem er in den Tod ging, Dich und Georg an sich drückte und liebkoste. Euer Großvater hat vor einigen Jahren dem Ge schädigten, Kaufmann Lorenz in Ingolstadt, die unter schlagene Summe wieder ersetzt. Er mußte vorher einen großen Teil derselben von seiner Pension er sparen. Es schmerzt mich tief, liebes Kind, daß ich Dich von diesem düsteren Familienvorkommnis unterrichten muß. Die Kenntnis desselben soll Dein Verhalten bei einer ernsten Lebensfrage bestimmen, die unter Umständen unerwartet rasch an Dich herantreten kann. Von dem geheimnisvollen Sender, der vor vier zehn Jahren tausend Gulden mit dem Wunsche an uns schickte, daß das Geld für Euch Kinder angelegt werden soll, und der seitdem in unbestimmten Zwischen räumen bald größere, bald kleinere Geldsendungen diesem Betrage folgen ließ, sind am 3. Juli wieder dreihundert Gulden eingetroffen. Mit dieser Sendung ist die Unglückssumme voll geworden, die mein Lebensglück zerstörte und den Tod Eueres Vaters zur Folge hatte — zehntausend Gulden! Es besteht für mich kein Zweifel mehr: Der unbe kannte Spender ist jener Spielpartner, der die Tat Eueres Vaters unschuldig verursacht hat, und der nun, von Gewissensbissen gequält, sich des unseligen Geldes entledigen will. Es ist alles mit Zins und Zinseszinsen gut angelegt. Ich hoffe, daß es Euch Segen bringt! In längstens acht Tagen erwarten wir Deine Rückkunft. Der Großvater besteht darauf, daß Du anfangs der nächsten Woche kommst. Georg wird hoffentlich Urlaub erhalten. Ich freue mich sehr darauf, ihn zum erstenmal als Leutnant zu sehen. Herzliche Grüße vom Großvater und mir an Dich und Georg und an die Familie Fernwald. Deine Dich liebende Mutter." Irma war eben im Begriff gewesen, ihr Zimmer zu verlassen und die Baronin aufzusuchen, als ihr ein Dienstmädchen den Brief übergab. Das zarte Rot ihrer Wangen war beim Lesen des langen Schreibens einer tiefen Blässe gewichen, und in ihren Zügen malten sich Angst und Schrecken. Nun saß sie da und sah durch das offene Fenster auf die gegen überliegenden grünen Höhen, die plötzlich allen Reiz für sie verloren hatten. „Es kann nicht sein ... es ist ja ganz unmöglich!" rief sie auf einmal verzweifeln den Tones. Dann erhob sie sich und ging erregt im Zimmer auf und ab. Ein leichtes Klopfen an die Türe gab Irma die Fassung wieder. „Ich möchte Ihnen nur mitteilen, liebe Irma, daß der Herr Major kommt", sagte die eintretende Baronin, indem sie ihren Arm unter den des Mädchens schob; „ich sah ihn vorhin über die Jlzbrücke gehen." Die freudige Ueberraschung Jrma's gewahrend, setzte sie lächelnd hinzu: „Mein Vater und der Herr Rittmeister sind in die Stadt hinab und der Herr Major hat Ihre Gesellschaft am liebsten." „Das glaube ich nicht, Frau Baroniu", erwiderte Irma mit einiger Verlegenheit. „Ich bin doch dem Herrn Major gegenüber nur ein albernes Mädchen." „Das sind Sie nicht, Irma; und selbst wenn Sie es wären, so würde Ihnen das in den Augen des Majors kaum zum Nachteil gereichen." „Ich erhielt soeben einen Brief von meiner Mutter", sagte Irma ablenkend. „Ich soll Ihnen viele Grüße von ihr und meinem Großvater übermitteln." „Ich danke Ihnen herzlich! Wie geht es zu Hause?" „Es ist alles beim Alten. Der Großvater will leider, daß ich innerhalb der nächsten acht Tage heim komme." „Ach, das wäre aber schade!" rief die Baronin mit aufrichtigem Bedauern. „Sie dürfen nicht fort; da muß mein Vater an Ihren Herrn Großvater schreiben, daß er Sie noch einige Wochen hier lassen soll." „Sie sind zu gütig, Frau Baronin; allein ich glaube nicht, daß mein Großvater von seinem Beschlusse abgeheu wird." „Sie haben wohl selbst ein wenig Heimweh, Irma?" „Wie hätte bei der liebevpllen Aufnahme, die ich bei Ihnen gefunden, dieses Gefühl in mir aufkommen können? Ich werde die schönen, glücklichen Stunden, die ich in diesem Hause erlebte, nie vergessen!" „Das freut mich von Herzen, Irma!" sagte die Baronin, indem sie das Mädchen umarmte. „Gleich wohl tut es mir unendlichleid, wenn Sie uns so bald verlassen. Nächstes Jahr aber müssen Sie auf längere Zeit zu uns kommen, vorausgesetzt, daß Sie bis dahin nicht bereits goldene Fesseln tragen." Ueber Jrma's Gesicht flog ein Schatten. Die Worte der Baronin brachten ihr plötzlich eine Stelle im Briefe der Mutter zum vollen Verständnis, die sie bisher nicht recht begriffen hatte: - Die Kenntnis desselben soll Dein Verhalten bei einer ernsten Lebens frage bestimmen, die unter Umständen unerwartet rasch an Dich herantreten kann." „Ich glaube nicht, daß ich jemals heiraten werde, Frau Baronin!" entgegnete sie herb. Frau von Rembach sah das Mädchen erstaunt an. Dieser Ton und diese Entschiedenheit! Das mußte einen besonderen Grund haben. Welcher finstere Gast hatte sich so plötzlich in dieses sonnige lebensfrohe Gemüt eingenistet? „Mir sind die Regungen eines jungen Mädchenherzens nicht fremd, liebes Kind", sagte sie nach einer langen Pause ernst. Dann überlegte sie ein paar Augenblicke und setzte hinzu: „Sie werden gewiß glücklich sein und glücklich machen, Irma!" Fortsetzung folgt. Mannigfaltiges. — Der nationale Charakter der Kinderspiele tritt in eigentümlich ausgeprägter Weise hervor. Volks geist und nationale Veranlagung bilden und beeinflussen eben auch das Kinderspiel. In China sind die Knaben in ihren Spielen schon vollständig von dem Schacher geist ihres Volkes beseelt. Eine offene Verkaufsbude einzurichten oder Pfandhaus zu spielen, ist ihre liebste Unterhaltung. Nebenbei beschäftigen sie sich noch mit Drachensport und allerlei Jongleurkünsten. Mädchen spiele kennt China gar nicht. Die strenge Abgeschlossen heit, in der die Chinesin anfwächst, sowie das schmerzhafte und langwierige Einschnüren der Füße verbieten ihr das fröhliche Umhertummeln ganz von selbst. In Japan geben Knaben und Mädchen ihre richtigen „Gesell schaften." Sie schicken oder bringen von selbst die Einladungen und unterhalten sich damit, Szenen aus dem öffentlichen Leben der Erwachsenen nachzuahmen. Hochzeiten, Begräbnisse, Krankenbesuche usw. werden in getreuester Darstellung ausgeführt. Die indianische Jugend unterhält sich mit Jagd und Fischfang oder den Körper stählenden Bewegungsspielen. Dabei ist die junge Rothaut harmlos und heiter, nie stört ein Zank das fröhliche Spiel. Die afrikanische Negerin spielt in ihrer Jugend hauptsächlich mit Puppen, die sie sich selbst anfertigt. Eine Flasche oder ein Stück Holz muß das Baby darstellen. Es wird niit Lappen umwickelt, mit Perlen verschnürt und dann in der beim Stamme üblichen Tragart umhergeschleppt. Die Neger knaben haben ebenfalls ihre eigentümlichen Spiele. Das Speerwerfen nach einem Ziele nimmt eine hervor ragende Stelle darin ein; doch kennen sie auch den Kreisel und bauen kleine Windmühlen aus Kokos- blättern. Die Basutokinder sind besonders in telligent. Nicht nur daß sie die Reigentänze der Großen nachahmen und mit dem eigenartig schwermütigen Ge sänge der Neger begleiten, die Mädchen üben sich auch schon früh in der Gärtnerei und die Knaben beschäftigen sich mit dem Nachbilden von Ochsen, Kälbern und anderen Tieren in Holz oder Ton. Jagd- und Kampf spiele werden natürlich auch nicht vernachlässigt. Die orientalischen Kinder ziehen das Würfel- und Knöchelspiel allen anderen Unterhaltungen vor. Die italienischen Knaben kennen dagegen keinen größeren Spaß, als das Leben der Briganten nachzuahmen. Bei sehr vielen Völkern sind die Reigenspiele der Kinder verbreitet. Meist stellen sie die Liebes- und Heiratsbräuche der Gegend dar. Bei den Völkern, die den Frauenraub von Alters her ausüben, tritt dies auch im Spiele der Kinder hervor. Nur auf einen engen Kreis beschränkt sind die Reiterspiele der Kleinen und Allerkleinften. Man findet sie hauptsächlich bei den Reitervölkern, zu denen auch diegermanischen Volksstämme gehörten. Noch ehe das Kind laufen kann, wiegt es die deutsche Mutter noch heute auf den Knien und singt ihm das uralte „Hoppe, Hoppe, Reiter" vor. Des germanischen Knaben höchsten Ideal ist das Stecken- oder Wiegenpferd. Bei des modernen Kulturvölkern tritt der nationale Charakter des Kinderspiels zwar nicht mehr so ganz hervor, trotzdem hat z. B. der militärische Geist Preußens seinen „Drill" auch auf die Jugend ausgedehnt und das „Soldatenspielen" ist unseren Jungens in Fleisch und Blut übergegangen. Nachrichten des K. Standesamtes zu Reichenbrand vom IS. bis 26. Mai 1906. Geburten: Dem Mechaniker William Julius Ebersbach in Siegmar 1 Mädchen, dem Eisendreher Ernst Oskar Berndt in Reichenbrand 1 Mädchen, dem Stationsarbeiter Albin Hermann Kluge in Reichenbrand 1 Mädchen. Sterbefälle: Dem Handarbeiter Friedrich Otto Häuer in Siegmar 1 Tochter, 2 Jahre alt; der Wirtschaftsgehilfin Paula Johanna Melzer in Siegmar 1 Sohn, 2 Jahre alt; dem Platinmacher Max Isidor Ludwig iu Reichenbrand 1 Tochter, 8 Monate alt; der Gußputzer Ernst Magnus Schindler in Siegmar, 55 Jahre alt. Srpeditionszeit des Standesamtes. Wochentags: 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr nachm. Nachrichten des Kgl. Standesamtes Rabenstein vom 18.' bis 25. Mai 1906. Geburten: 1 Tochter dem Bäckermeister Johann Christian Pöhlmann, dem Schneidergehilfen Friedrich Max Fleischer in Rabenstein; 1 Sohn dem Gußputzer Richard Emil Ahnert in Rottluff. Sterbefälle: Der Bäckerlehrling Richard Paul Merkel, 17 Jahre alt, in Rabenstein. Hierzu 1 totgeborener Knabe in Rabenstein. Geschäftszeit. Wochentags: 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr nachm. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am Sonntag Exaudi den 27. Mai a. c. Vorm. Vs9 Uhr Predigtgottesdienst. Vorm. 11 Uhr Unter redung mit den Jungfrauen. Parochie Rabenstein. Am Sonntag Exaudi den 27. Mai a. c. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Kindermageu billig zu verkaufen. Rabenstein, Nordstraße 56. Eine Stube mit Schlafstube und Bodenkammer ist zu vermieten. Rabenstein, Limbacher-Str. 36. Schweiprhaus Rabenstein. Heute Sonnabend von 6 Uhr ab als Spezialität sauere Flecke, wozu ergebenst einladet r GWsts-EMiiW. s r Den geehrten Einwohnern von Rabenstein j zur gefl. Kenntnisnahme, daß ich im Hause j früher Caf^ aieli-ivk ein r Nmam-AW i j eröffne und bitte bei Bedarf um geneigte Be- Z 5 rücksichtigung. Z r r j Rabenstein. I * § Junge Aröeitsk urschen werden sofort angenommen bei Otto Trinum Siegmar.