Volltext Seite (XML)
Nähe stand, und nun gewahrte auch Schütz die beiden Herren und machte, sich bei Irma entschuldigend, seine Verbeugung. Während der Major mit Hartfeld und Schütz einige Worte wechselte, knüpfte Fernwald mit Irma ein Gespräch an. Es wurde Tee serviert. Schütz begab sich unauffällig nach dem Balkon, auf dem augenblicklich niemand verweilte. Er war erregt, und fühlte das Bedürfnis allein zu sein, um sich einiger maßen zu sammeln. Kurz darauf kam Hartfeld zu ihm. „Karl, Du bist ja auffällig zerstreut und einsilbig geworden. Ist Dir etwas Unangenehmes begegnet?" Schütz wandte sich rasch um, ergriff die beiden Hände seines Freundes und erwiderte lebhaft: „Nicht wahr, ich habe vor Deiner Schwester eine lächerliche Figur gespielt? Ihr plötzliches Erscheinen war zu überraschend ... es wirkte so gewaltig auf mich . . . Georg, ahnst Du es nicht, Deine Schwester —" „Doch nicht das Mädchen von der Lourdesgrotte?" fragte Hartseid lächelnd. „Ja, sie ist's! Du hast es wohl gleich vermutet? Und nun wirst Du mein sonderbares Verhalten be greiflich und entschuldbar finden. Vollkommen uner wartet steht plötzlich das Mädchen vor mir, das meine Phantasie seit einem Jahre Tag und Nacht beschäftigt! Und dieses Mädchen, das ich auf so seltsame Weise kennen lernte, ist Deine —" „Pardon, meine Herren!" rief in diesem Augen blicke Hauptmann Schwarzwild unter der Balkontüre. „Was sind das für Zustände? Die besten Kräfte schlagen sich da seitwärts in die Büsche! Hereinspaziert, meine Herren!" „Wir wollten soeben in den Saal zurückkehren, Herr Hauptmann", entgegnete Hartfeld. „Die junge Welt will tanzen; habe bereits leise Andeutungen gehört. Los mit einem Walzer, lieber Hartfeld!" „Nachmittags tanzen?" fragte Schütz verwundert. „Das ist auf Nonnengut Sitte, alter Freund. Die Not gab dieses seltsame Gesetz. Abendunter haltungen und Nachtkneipereien sind bei Fernwalds ausgeschlossen." „Gut zitiert, Herr Hauptmann", sagte Schütz lächelnd. „Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Bräuchen, man muß sie ehren, Mylord." „Ganz richtig, alter Freund!" „Klavier ist meine starke Seite nicht, Herr Haupt mann", wendete Hartfeld ein. „Abgesehen vom Herrn Musiklehrer sind jedenfalls bekanntere und bessere Kräfte in der Gesellschaft als ich." „Das wird sich alles finden, lieber Hartfeld. Das Klavier ist bereits besetzt, wie Sie hören. Nur hereinspaziert, meine Herren!" Hartfeld wurde vom Rittmeister, der mit dem Major und Irma am Tisch saß, eingeladen, an seiner Seite Platz zu nehmen, während Schwarzwild und Schütz denselben gegenüber zu sitzen kamen. Bald darauf gesellten sich auch die Baronin und ihr Vater zu ihnen. Die von kurzen und flott gespielten Klavier vorträgen unterbrochene Unterhaltung wurde bald im ganzen Saale eine angeregte. Der alte Baron Fern wald hatte einen passenden Anlaß gefunden, sein Lieblingsthema, den Feldzug gegen Rußland aufs Tapet zu bringen, und da Hartfeld und Irma zugegen waren, so erzählte er zumeist Erlebnisse aus demselben, bei denen auch sein Kriegskamerad, von Seeberg, beteiligt gewesen war. Die meisten der Anwesenden lauschten mit Span nung den Erinnerungen des Greises, der in schlichter, aber fesselnder Weise die Märsche durch das von den Russen verwüstete Land an der Düna, die Kämpfe um Polozk, den Einzug in das goldglänzende Moskau und die Strapazen auf den Eisfeldern Rußlands schilderte. „Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Leutnant", begann die Baronin bald darauf, zu Schütz gewendet, „wenn Sie uns mit einem Lied erfreuen möchten. Sie singen ja sehr hübsch, wie ich vernommen habe?" Schütz kam in sichtliche Verlegenheit. Er war seit seinem Eintritt in den Saal wie im Traume da gesessen und hatte auch bei den Schilderungen des Greises keine andere Empfindung als die Nähe Jrma's. Es schien ihm unmöglich, unvorbereitet, und in seiner gegenwärtigen Verfassung vor einer größeren Gesell schaft zu singen. „Verzeihen, gnädigste Frau Baronin", entgegnete er, „ich fürchte, daß die Herrschaften enttäuscht werden. Ich weiß nicht einmal, ob ich disponiert bin." „Wir haben ja Familienunterhaltung, Herr Leut nant", erwiderte die Baronin. „Da liegt doch kein Grund zu Bedenken vor." „Ja, bitte, singen Sie ein Lied, Herr Leutnant", schloß sich Irma der Baronin an. Es war das erstemal, seit der Vorstellung, daß ihn das Mädchen ansprach. Schütz selbst hatte noch keinen Gesprächstoff gefunden, der ihm für Irma geeignet erschienen wäre. Alles, was ihm einfiel, fand er banal und alltäglich. „Ich will es versuchen, meine verehrtesten Damen", sagte er sich verbeugend. Dann blätterte er in den Notenheften, die ein Diener gebracht hatte. Nach kurzer Zeit schien er das ihm Passende gefunden zu haben; er überlegte noch ein paar Augenblicke, dann erhob er sich und ging an's Klavier. „Ah, Tenorist? Dieses Lied ist nicht leicht!" be merkte der Musiklehrer. „Ich hoffe, daß es mir gelingt", versetzte Schütz, dann begann er: Mir träumte von einem Königskind, Mit nassen, blassen Wangen; Wir saßen unter der grünen Lind', Und hielten uns liebumfangen. „Ich will nicht Deines Vaters Thron Und will nicht sein Szepter von Golde, Ich will nicht seine demantne Kron', Ich will Dich selber, Du Holde." „Das kann nicht sein", sprach sie zu mir, „Ich liege ja im Grabe, Und nur des Nachts komm' ich zu Dir, Weil ich so lieb Dich habe." Schon beim ersten Ansatz trat lautlose Stille ein, und aller Augen wandten sich überrascht dem schmucken Sänger zu. Schütz sang mit Wärme und tiefer Empfindung; er dachte ja nur an Irma. Das gewählte Lied ver riet eine Tenorstimme von großem Umfang und wunder barer Reinheit. Als das Piano der letzten Strophe verklungen war, herrschte noch ein paar Augenblicke atemlose Stille, daun aber brach sich die Begeisterung der Zuhörer in einem Beifallsstürme Luft, und allge mein wurde die Wiederholung des Liedes erbeten. „Das war wunderschön, Herr Leutnant, ich danke Ihnen von Herzen", sagte Irma, als Schütz auf seinen Platz zurückgekehrt war. Sie sah ihn dabei zum ersten Mal frei und unbefangen an, und aus ihren bezaubern den Augen sprach kindliche Bewunderung. „Ich danke Ihnen für Ihre besondere Anerkennung, gnädiges Fräulein", erwiderte Schütz. Dann lähmte ihm das berauschende Glück in seinem Innern die Zunge wieder, und er saß schweigend da, wie zuvor. „Herr Hauptmann, Sie haben einen ausgeprägten Napoleonskopf", sagte der alte Fernwald nach einiger Zeit zu Schwarzwild. „Wenn Sie kleiner wären und keinen Schnurrbart hätten, würden Sie dem ersten Napoleon zum Verwechseln ähnlich sehen." „Das wurde mir schon wiederholt gesagt" ver setzte Schwarzwild. „Um mit Napoleon verwechselt zu werden, müßte ich aber weniger wohlbeleibt sein, Herr Baron." „Sie sind allerdings etwas stärker", entgegnete der alte Herr; „Ihre Stärke paßt jedoch zur Große." „Sie schmeicheln mir, Herr Baron! Im Uebrigen, meine Herrschaften, gibt es zuweilen merkwürdige Naturspiele", wandte er sich an die Tischgesellschaft und dann an seinen Vorgesetzten. „Sehen Sie, Herr Major, — ich hatte ja früher nie die Ehre, mit Ihnen dienstlich oder außerdienstlich in Berührung zu kommen — ich wundere mich zum Beispiel seit Ihrer Ankunft über die auffallende Aehnlichkeit, die Herr Major mit einem Jugendkameraden von mir haben. Er war, wie ich erst kürzlich erfuhr, der Vater von Herrn Leutnant Hartfeld und dessen Fräulein Schwester hier, und ist vor siebzehn Jahren in der Donau ertrunken. Würde mein Freund noch leben, so würde er jetzt genau so aussehen, wie Sie. Wenn mir der Herr Major vor ein paar Wochen noch irgendwo in Zivil begegnet wären, ich würde Sie ohne Weiteres als meinen Freund Hartfeld begrüßt haben." Fortsetzung folgt. Mannigfaltiges. — Unter den Blüten, die die Vorliebe für hohe Ziffern auf dem Gebiete des Sports treibt, ist wohl eine der eigenartigsten der Tuna-Klub zu Avalon auf der Insel Santa Katalina an der kalifornischen Küste. Nach seinen Statuten darf kein Fisch ge fangen werden, der weniger als 3^ Fuß lang und 90 Pfund schwer ist. Das dortige Gewässer ist, wie die „Deutsche Anglerztg." schreibt, in der Angler welt durch seinen enormen Fischreichtum bekannt, be sonders an Riesenfischen, wie den „fliegenden Thun fisch" und den „schwarzen Seebarsch". Der fliegende Thunfisch hat seinen Namen von seinen mächtigen Sprüngen über die Oberfläche des Wassers und ist eine Art Riesenmakrele. Der schwarze Seebarsch unterscheidet sich nur durch seine enorme Größe und dunkle Färbung vom gewöhnlichen Barsch. Der Tuna-Klub, dem wohl ausschließlich Millionäre aus den ganzen Vereinigten Staaten angehören, veran staltet jährlich sieben Angelturniere, bei denen je 84 wertvolle Preise zur Verteilung kommen. Von den Konkurrenzbedingungen seien folgende angeführt: Es dürfen nur Thunfische und Barsche in mindestens der oben genannten Größe an Land gebracht werden. Zulässig sind Segel-, Ruder- und Motorboote von bestimmter Beschaffenheit und Größe. Angelstock und -Schnur müssen bestimmten Vorschriften entsprechen. Das Fangen und Hereinbringen der Fische darf nur von Preisbewerbern selbst ohne jede Hilfe geschehen. Den ersten Preis erhält der Angler, der den schwer sten Fisch in der kürzesten Zeit erbeutet, den zweiten Preis der Fänger des schwersten Fisches ohne Rück sicht auf die Zeit, u. s. w. Die Bücher des seit 60 Jahren bestehenden Klubs weisen ganz erstaunliche Resultate auf, Rekordbrecher ist ein Herr E. Llewellyn aus Neuyork, der im Jahre 1903 einen Barsch von 425 Pfund in 41 Minuten hereinbrachte. Das Angeln geschieht in folgender Weise: Der Angler begibt sich im Boot etwa eine Meile von der Küste weg, um dann an einem geeigneten Platze eine 600 bis 900 Fuß lange Angelschnur auszuwerfen. Beißt der Fisch an, so wird die Schnur nicht etwa eingezogen, son dern nur straff gezogen, und der Angler bewegt das Boot mit ziemlicher Geschwindigkeit vorwärts. Dies wird solange fortgesetzt, bis der Fisch ermüdet und sich auf den Rücken legt. Dann wird er bis zum Bootsrand gezogen und mit einem eigens zu diesem Zweck angefertigten Haken eingeholt. Gerade das Einholen ist es, was Kraft und Geschicklichkeit er fordert. Nachrichten des Kgl. Standesamtes Rabenstein vom 11. bis 18. Mai 1906. Geburten: 1 Sohn dem Handschnhwirker Heinrich Richard Zschache, dem Eisenformer Hermann Emil Wend, dem Tischler gehilfen Wilhelm Friedrich Hett; 1 Tochter dem Fürberei- arbeiter Friedrich Emil Erth, sämtlich in Rabenstein. Eheaufgebote: Der Handarbeiter Georg Bruno Heinke in Chemnitz mit Ida Emilie Böhm in Rottluff. Eheschließungen: Der Kernmacher Paul Oskar Groß in Rottluff mit Lina Ida Aurich in Rabenstein; der Fabrik arbeiter Ernst Emil Kühnert mit Minna Frieda Augustin in Rottluff. Sterbefälle: Eine Tochter dem Eisendreher Louis Robert Wischert, 2 Monate alt, in Rabenstein. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am Sonntag Rogate den 20. Mai a. c. Vorm. ^9 Uhr Predigtgottesdienst mit Feier des hl. Abend mahls. Beichte 8 Uhr. Vorm. 11 Uhr Unterredung mit den Jünglingen. Am Himmelfahrtsfest Donnerstag den 24. Mai L. c. vorm. Uhr Predigtgottesdienst mit Feier des hl. Abendmahls. Beichte 8 Uhr. Parochie Rabenstein. Am Sonntag Rogate den 20. Mai a. c. vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. — ll/4 Uhr Katechismus unterredung. Anl Himmelfahrtsfest Donnerstag den 24. Mai a.c. vorm. Vzd Uhr Beichte. 9 Uhr Predigtgottesdienst mit hl. Abendmahl. Kinderleiter- m» Kinderkorbwagen, starkbeschlagen, hat in jeder Größe von 8 Mk. an zu verkaufen ivlax tkl'liek, Böttcherei, Rabenstein, Limbacherstr. Auch empfehle ich mich zur An fertigung aller vorkommenden Böttchevarbeiten. WohmWMSeiteWebwe Siegmar, Rosmarinstraße 38, sofort zu vermieten. Werk stelle, groß und hell, für jedes Geschäft passend, für Handschuh-, Strumpf- und Strickmaschinen, ist per 1. Oktober zu vermieten. L. Ncichenbrand. Belg. Msen-Ramler (70X17 cm, 14 Pfund) eisengrau, korrekt in jeder Beziehung, stelle zum Decken gesunder Häsinnen frei. Deckgeld nach Uebereinkunft. Keong Svksrle, Neustadt Nr. 13 a. 3 WchmWN Im Hause Brd.-Kat. Nr. 65/^., un weit des Carolabades, sind sofort zum Preise von je 200 bez. 210 Mk. zu vermietet Ortsrichter Rabenstein, am 18. Mai 1906. Ein Aquarium mit Fontäne und Wasserbehälter, für Mietsgärten paffend, billig zu ver kaufen Neustadt Nr. L4, part., rechts. WchliW mit Mllllg und auch Wohnung mit Werkstatt zu vermieten. Näheres vsknei-'» Buchhandlung, Siegmar. Stube mit Alkoven und Bodenkammer an ruhige Leute zu vermieten. Nieder-Rabenstein, Gartenstraße Nr. 141. , Kundin mit schwarzgestreiftem Rücken und ohne Steuermarke entlaufen. Gegen Be lohn. abzug. Kntscherstube Siegmar.