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Wochenblatt für Reichenvmnd, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vertheilt. ^2 44. Sonnabend, den 7. November 1903. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Meichcnbrand, Pelzmühlenstraße 47 v>, sowie von den Herren Barbier Bast in Rcichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein cntgegengenommcn und pro Ispaltige Corpuszeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Die hiesigen Grundstücksbesitzer bezw. Vertreter werden unter Hinweis auf die Bestimmungen des Regulativs vom 7. Juli 1887 hiermit erueut auf- gesordert, die Fuß- und Fahrwege längs ihrer Grundstücke bei plötzlich eintretendem Glatteis auch ohne weitere Erinnerung sofort mit scharfer Asche oder Saud zu bestreuen, um Unglücks- und eventuell damit verbundenen Haftpflichtsfällen vorzubeugen. Die Gemeindeverwaltung ist schlechterdings nicht in der Lage, diese Arbeiten überall zugleich ausführen lassen zu können. Unterlassung dieser Anordnung würde Bestrafung und eventuell auch Jnanspruchuahme hinsichtlich der Haftpflicht zur Folge haben. Rabenstein, am 3. November 1903. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Merkliches. Weichenbrand. Nur noch einige Tage trennen uns von der 26ten großen allgemeinen Geflügel-Aus stellung in Reichenbrand und so wollen wir nur noch mals Hinweisen aus die eminenten Vorzüge, die diese Ausstellung bietet. Vor allen Dingen sei aus das Ausstellungs-Lokal Pelzmühle hingewieseu. Die Besucher der vor 2 Jahren stattgefundenen Jubi läums-Ausstellung erklärten fast durchweg, daß es wohl kein schöneres Ausstellungslokal wie dieses geben könne und waren entzückt von dem tadellosen Ein druck, den diese Ausstellung machte. Auch iu diesem Jahre wetteifern alle Mitglieder des Vereins hin sichtlich des Arrangements, der Jubiläums-Ausstellung mindestens gleich zu kommen, womöglich dieselbe uuch zu übertreffen. Hat der Verein hinsichtlich des Aus stellungslokales die Platzfrage in geradezu genialer Weise gelöst, so ist derselbe aber auch zur Erlangung von Ehrenpreisen in keiner Weise müßig gewesen. Kommen in erster Linie die üblichen Preise des Landes verbandes Sächs. Geflügelzüchter, sowie des Land wirtschaftlichen Kreisvereins zur Verteilung, so stehen aber den Preisrichtern noch eine bedeutende Anzahl andere Ehrenpreise, in der Hauptsache in barem Gelde bestehende, zur vollständig freien Verfügung. Die Bedingung, daß ein oder mehrere Ehrenpreise nur auf Tiere, von Mitgliedern des Vereins ausgestellt, vergeben werden können, existiert hier nicht; die Preisrichter haben bei der Vergebung der Ehren preise vollständig freie Hand. Außer den Ehren preisen kommen natürlich I., II. und III. Geldpreise zur Auszahlung und verweisen wir in diesem Falle auf das Ausstellungs-Programm. Die Wahl der Preisrichter ist in allen Ausstellungen eine heikle Sache. Auch hier hat der Verein keine Mühen und Kosten gescheut, Männer von bedeutenden Ruf, hervorragende Kenner des Geflügels zu engagieren. Welcher Ge flügelzüchter kennt nicht die Preisrichter: H. Marten sen. in Lehrte, Aug. Neubert sen. in Döbeln, F. W. Herr mann in Niederlößnitz? Diese Männer werden in der Ausstellung zu Reichenbrand die ausgestellten Tiere bewerten! Nicht unerwähnt soll bleiben, daß der Verein die Genehmigung zum frachtfreien Rück transport der ausgestellten Tiere auf den sächsischen, bayrischen und preußischen Eisenbahnen erhalten hat. Anmeldebogeu versendet Herr Georg Pohler in Reichenbrand. Schluß der Anmeldung bestimmt am 15. November 1903. Weichenörand, am 2. November 1903. Bei der hiesigen Gemeindesparkasse erfolgten im Monate Oktober dss. Js. 190 Einzahlungen im Betrage von 49976 Mk. 45 Pf. und 50 Rückzahlungen im Betrage von 28789 Mk. 35 Pf. Die Gesamteinuahme betrug 75096 Mk. 36 Pf., die Gesamtausgabe 48814 Mk. 31 Pf. und der bare Kaffenbestand am Schluffe des Monats 26282 Mk. 05 Pf. Die Sparkasse ist an jedem Wochentage vor mittags von 8 bis 12 Uhr und nachmittags von 2 bis 6 Uhr geöffnet und expediert auch schriftlich. Alle Einlagen werden mit S^o/o und solche, welche bis zum 3. eines Monats erfolgen, noch fürden vollenMonat verzinst. Alle Einlagen werden streng geheim behandelt. Wallenstein, am 2. November 1903. Bei der hiesigen Gemeinde-Sparkasse wurden im Monate Oktober dss. Js. 73 Einzahlungen im Betrage von 10157 Mk. 75 Pf. geleistet; dagegen erfolgten 49 Rück zahlungen im Betrage von 12 344 Mk. 92 Pf. Eröffnet wurden 16 neue Konten, geschlossen 3 Konten. Zinsbar angelegt wurden 7400 Mk. — Pfg. Die Gesamt einnahme betrug 17884 Mk. 17 Pf., die Gesamt ausgabe 19 758 Mk. 92 Pf. und der bare Kaffen bestand am Schluffe des Monats 2715 Mk. 50 Pf. Der gesamte Geldumsatz im Monat Oktober beziffert sich auf 37 643 Mk. 09 Pf. Die Sparkasse ist an jedem Wochentage von 8—12 Uhr Vorm, und 2—6 Uhr Nachm. geöffnet und expediert auch schriftlich. Alle Einlagen werden mit S'/2°/o verzinst und streng geheim behandelt. Am 1., 2. und 3. des Monats erfolgende Ein- ztthtUNgeN wc-wen voll vcezwst. I« des Tmitlnch cms Kindes. Gedicht von Karl Emmrich. Das Kerrkichste vom ganzen Srdenwallen Ist holder Kindheit süßer Wonnetraum, Durch ihre Zauverpracht ist ste von assen Die schönste Wküte an des Levens Waum. — Ihr heit'res Spiet, ihr Kosen und ihr Scherze», Der jungen Seele unschutdsvosser Ktang, Ihr großes Hlück und ihre kteinen Schmerzen Sind der Orinn'rung weihevossstcr Sang. In diesem Wiichtein ist es eingetragen Mnd dir, mein Kind, für immer festgelegt, Wosür dein Kerzchen einstens warm geschlagen And Ivas die kleine Wrnst ost froh erregt. Zwei treue Menschen haben es geschrieben, Die du als Veste Habe Hottes kennst, Wnd die mit inn'gem, kindlich reinem Lieven Du deinen Water, deine Mutter nennst. Ks wehet dir aus jeder dieser Zeilen Won deiner Kltern Mund ein Lieveshauch; Sie sprechen von des holden Hlück's Werweiten, Won Lust und Areude — und von Früvsal auch. Du stehst aus diesem kleinen Keiligtnme, Wie schnell des Levens schönste Zeit entflieht Mnd wie stch eine zarte Menschenvlüme, Kroß aller Sorge, doch so mühsam zieht. Krittst du drum in die gold'ne Zeit der Jugend, So denk' der Mühen, ehe du erblüht Und sorge, daß dir auf dem Wfad der Fugend Die junge Arust in Mitschuld nur erglüht! — Dann wird der Kliern Liebe Arüchte tragen Dir selbst und deinem Walerhaus zur Zier, Mnd frisch kannst du den Schritt in's Leben wagen — Dazu Hlück auf, mein Kind, Hott sei mit dir! Nachbarskinder. Original-Roma» von Irene v. Hellmuth. (5. Fortsetzung.» Eva wußte in diesem Augenblick kaum, was sie tat. Ohne Ueberlegung schlug sie dem jungen Manne das Fenster vor der Nase zu, stieß hastig den hölzernen Laden davor und barg, leise schluchzend, das Gesicht in beide Hände. Dann saß sie lange Zeit unbeweglich. Angestrengt lauschte sie nach dem Nebenzimmer hin, ob die Mutter ihr heimliches Weinen nicht gehört. Es war still im kleinen Stübchen; seufzend nahm Eva die Handarbeit aus dem Korbe. Aber bald sauken die sonst so flinken Hände in den Schoß. Es wollte heute gar nicht vorwärts gehen. Eva starrte in die trübe brennende Lampe, die das Gemach nur notdürftig erhellte. Sie glaubte sich in den hellerleuchteten Ball saal versetzt. Sie sah im Geiste die lachenden, vor Lust und Freude glühenden Gesichter der jungen Mädchen, hörte verlockende Tanzweisen, sah eine weiße, spitzenüberrieselteGestaltmitDiamanten in dem blonden Haar am Arm des Doktors durch den Saal gleiten, sah, wie der junge Mann den Arm um die Mädchen- genair tcgic, um mtt lyr vaym zu sujiveven Uver vas glatte Parquet. Die Tränen Evas begannen wieder reichlich zu fließen. Ach, solche Freuden hatte sie nie kennen gelernt, würde sie niemals kennen lernen. „Und warum gerade ich nicht?" fragte sie sich. „Warum bin ich aus geschlossen, warum bin ich so arm?" Und weiter ann und grübelte das einsame Mädchen. Die Gedanken ießen sich nicht bannen, eigensinnig kehrten sie immer wieder zu dem Valle zurück. Dort beugte sich vielleicht eben ein hübscher, junger Man» im Frack und weißer Halsbinde nieder, um seiner Tänzerin heimlich etwas ins Ohr zu flüstern ." Weiter dachte Eva nicht. Heftig sprang sie auf, so daß der Stuhl mit lautem Gepolter umfiel, stürmte in das Nebenzimmer und sank wie erschöpft neben dem Bette der Mutter auf einen niedrigen Schemel. Die Kranke hatte sich erschrocken halb aufgerichtet und schaute auf das Mädchen, von dessen Lippen ein hörbarer Seufzer klang. „Aber Kind — was ist mit Dir? Du hast mich erschreckt durch Dein ungestümes Wesen," klagte eine matte Stimme. „Verzeih, Mutter — ich dachte nur, Du könntest etwas nötig haben." Eva suchte sich zu beruhigen. Sie saß ganz still, nichts war vernehmbar als das leise Ticken der kleinen Wand-Uhr. Die Kranke schien wieder eingeschlummert zu sein, wenigstens hielt sie die Augen geschlossen und atmete ruhig. Die Tochter betrachtete das bleiche, von Furchen durchzogene Gesicht, auf dem so selten ein Lächeln erschien. Sie dachte zurück an die Zeit, als sie noch, zusammen mit dem Vater, weit von hier in einer großen Stadt wohnten. Es war zwar schon lauge her — sie war damals ein ganz kleines Mädchen, aber dennoch erinnerte sie sich des Vaters noch dunkel. Seine hohe, schlanke, elegante Gestalt hatte sich ihr mit merkwürdiger Deutlichkeit eingeprägt. Sie wußte noch, daß der Vater sie oft auf den Arm genommen, wußte, daß er blonde Haare und blaue Augen hatte, daß er sie manchmal heftig an sich gepreßt und geküßt — so wild und leidenschaftlich, als wollte er das Kind ersticken. Die Mutter kam oftmals herzu und nahm dem Gatten das kleine Mädchen weg. Sie mußte damals sehr glücklich gewesen sein, oder schien es wenigstens, denn ihr Helles Lachen tönte oft durch das Haus. Mit einem Mal wurde das alles anders. Bleich und zerstört schlich die sonst so heitere Frau umher, völlig verändert und schweigsam. Wenn das