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Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. Dieses Blatt wird an jede Haushaltung der obigen Gemeinden unentgeltlich vertheilt. 33. Sonnabend, den 22. August 1903. Erscheint jeden Sonnabend Nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition (Reichenbrand, Pelzmühlenstraße 47 v), sowie von den Herren Barbier Bast in Reichenbrand, Buchhändler Clemens Bahner in Siegmar und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltigc Corpuszeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Bekanntmachung. Es wird zur allgemeinen Kenntnis gebracht, daß ein Krankentransport wagen bei vorkommenden Unglücks- zc. Fälle» im Nathause hier für Jeder mann unentgeltlich zur Verfügung steht. Rabenstein, am 21. August 1903. Der Gemeindcvorstaud. Wilsdorf. Bolksbibliothek Rabenstein. Mit Eintritt der längeren Abende verfehlt die Verwaltung der Volks bibliothek nicht, auf deren Benutzung aufmerksam zu machen, umsomehr als die Bibliothek auch in diesem Jahre einen bedeutenden Zuwachs von mehreren Bänden vorzüglicher Reisewerke, Büchern geschichtlichen und er zählenden Inhalts, Jugendschriften re. erhalten hat, sodaß die Bibliothek mit ihren jetzigen Beständen schon ziemlichen Ansprüchen zu genüge» vermag. Bücher werden au hiesige Einwohner gegen Entrichtung der ganz ge ringen Leihgebühr von 2 Pfg. pro Band und Woche Sonntags Vorm, von LL—L2 Uhr im Rathause, woselbst auch Bücherverzeichnisse ausliegeu, abgegeben. Rabenstein, am 21. August 1903. Die Bibliothekverwaltung. Bekanntmachung. Audurch wird bekannt gegeben, daß die Leichenfrau und der Toten bettmeister angewiesen worden sind, sich über die Höhe der Entschädigungen für die, die mandatmäßigen Verrichtungen übersteigenden Arbeiten und Liefer ungen mit den Angehörigen der Verstorbene» im Borans unter Vorlegung der Gebührenzettel zu vereinbaren. Es wird gebeten, in allen Fällen streng darauf zu halten, daß diese Anweisung beachtet wird, um späteren Klagen wegen Ueberteuerungen ein für alle Mal vorzubeugen. Rabenstein, am 21. August 1903. Der Gemciudevorstand. Wilsdorf. (Nachdruck verboten.) Vor der Tür wurde verworrenes Stimmengewirr vernehmlich. In die flüsternde Stimme Hasselbecks, die halblauten Worte Schefers mischten sich lautere Rufe, höhnisches Gelächter, das Geräusch nägelbe schlagener Schuhe auf dem glatte» Marmorboden des Vorflurs. Thilda stürzte nach der Tür, Neumann, mehr überrascht als erschreckt, folgte ihr mit den Augen. keit, und nur die Augst vor den mileidigen Stenern, ohne die es nun aber einmal nicht abgeht, oder der Neid, daß sie den Grundstücksverdienst nicht selbst cinstreicheu können, kann gewisse Personen in Harnisch bringen. Oder glaube» die Herren Kritiker: w'i- Gpmvind? n, d div Ni>v- Der Spekulant. Original-Roman von Hans Dahlen. (8. Fortsetzung.) Mehrung der Kinder, sowie die in sanitä!^ Beziehung re. gestellten Ansprüche aufzuhalten? daß die hiesigen Schulverhältnisse gar zu idillisch sind, niemals eine Zentralschule mit Turnhalle und einem gehörig großen Platz zn brauchen? — das Turnen hat auf höhere Anordnung hin bereits eingeführt werden müssen —. im Interesse unserer lieben Kinder nichts mehr in schulischer Beziehung tun zu wollen und zu müssen? den Verkauf und die Bebauung des Areals im Zentrum der Gemeinde und die damit !m Zusammenhänge stehende Preissteigerung auf halten und das Diktieren des Preises ver meide» zu können? Als vernünftige Männer jedenfalls: nein! Die Losung kann deshalb nur die sein, jetzt noch beizeiten ein gehörig großes und passendes Grundstück für einen angemessenen, nicht zu hohen Preis zu kaufen, deu Bau der Zentralschule re. aber mit allen Mitteln solange hintenan zu halten, bis die unbedingte Not wendigkeit dazu vorhanden ist, sich mit geringen Aenderuugen zu behelfen, auch gegen den Beschluß der Kgl. Bezirksschuliuspektton, die Kirchschule sogleich außer Betrieb zu setzen, bis an die höchste Stelle Front zu mache«. Die Gemeinde Rabenstein hat den Wille» vorwärts zu kommen, man soll ihr jedoch die Zeit und die Ent wickelung der Steuerkrast gestatten. Die Vertretung ist groß und willensstark genug, sie braucht von keiner Seite eine Schraube, aber auch keiue ängstliche Be vormundung. Also langsam und vernünftig, aber stetig vorwärts! Schrnmm! „lind ich sage Euch, der Herr ist krank!" sagte Schefer draußen. „Erspart ihm die Aufregung." Drohendes Gemurmel erhob sich, als plötzlich die Tür mit polterndem Schlage aufsprang. Thilda fuhr zurück, denn vor der Tür wimmelte es von Menschen in rauher Arbeitskleidung, kalkbespritzteu Maurern, Grundstücksbesitzer iin Orte ergangen, alsbald ver schlossene Preisangebote cinreichen zu wollen. Diese Maßnahme des Schulvorstandes hat nun von verschiedenen Seiten, auch ans den sogenannten besseren Kreisen, eine scharfe, aber sagen wir unge rechte Kritik erfahren, ja es sind Behauptungen der sinnlosesten Art gemacht worden, wie Großmannssucht, Geldverschwendung rc. Betrachtet man jedoch die Sache in Ruhe und als Fernstehender, so muß man den Beschluß des Schul vorstandes allenthalben billigen. Angesichts des Wachs tums der Gemeinde, der fortgesetzten Minderung des in Frage kommenden Grund und Bodens, der Preis steigerung desselben und der immer mehr gesteigerten Anforderungen an die Schule, wird sich der Schul vorstand, wenn auch schwere» Herzens, jedoch der Not gehorchend, dazu entschließen müssen, noch rechtzeitig diese Maßnahme in Vollzug zu setze», trotz allen Schreiens der Gegner, die meiner Ansicht nach die Sache zu sehr durch die Parteibrille anseheu. Nach Lage der Dinge hat man sich überhaupt zn fragen, ob dem Schulvorstande nicht der Vorwnrf zu macheu ist, säumig gewesen zu sein, weil er nicht schon längst, vor etwa 5, 6 Jahren, einen geeigneten Platz erworben hat. Inzwischen ist nämlich der fragliche Grund und Boden bereits zum große» Teile i» Spekulationshände übergegangen und die noch wenige» Gutsbesitzer sind nun ganz gehörig spekulativ geworden. Hätte man aber damals gekauft, wäre der Spek takel noch viel größer geworden! Die Lage der Gemeinde, deren Entwickelung und die Terrainverhältuisse bedingen meiner Ansicht nach und jedenfalls auch der aller Einwohner, daß nur die noch offenen Grundstücke zwischen der Ritter-, Hardt-, fiskalischen-, Anton- und Kirch-Straße für die Erbauung der künftigen Zentralschule iu Frage kommen können. Noch vor 4, 5 Jahren war hier das Areal in zahl reicheren Händen, und für einen geringen Preis zu haben, inzwischen ist der Grundbesitz mehrfach aufge kauft, in wenige Hände gelangt, die Erbauung von Häusern und der Industriebahn hat das Gelände be deutend verringert und den Grundstückspreis ans das drei- und vierfache in die Höhe gebracht. Kann man sich diesen Tatsachen verschließen? Würde man nicht durch zulanAes Zuseheu und Warten sich an der Gemeinde versündigen? Will man warten, bis der betreffende Grundbesitz in ein, zwei Händen ist und man sich die Preise einfach diktieren lassen muß? Das wäre verkehrte Politik, große Kurzsichtig weiter^ammethose«. Es mochten insgesamt an die fünfzig Köpfe sein. Lauter Beifall erscholl, als sich die Tür öffnete. Im Nu waren Buchhalter und Prokurist zur Seite geschoben, und die wildbewegte Menge wälzte sich in's Zimmer, durch die Portieren in den Wintergarten und machte knapp vor dem Krankenstuhl des Millionärs Halt, neben den sich die Tochter des Genesenden zitternd und totenbleich vor Aufregung, aber dennoch mutig und nneingeschüchtert hocherhobenen Hauptes gestellt hatte. Ihre Hand ruhte mit leisem Druck auf der magere» Schulter des Vaters. Johann Wilhelm hob das Haupt und richtete einen langen, -ernsten Blick auf die Eindringlinge, Arbeiter in seinen Diensten, und winkte mit der Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle. „Ruhe!" riefen die Vorderen mahnend ihre» weiter zurückstehe»den Kameraden zu, die eine geräuschvolle Unterhaltung führten. „Was soll der Aufruhr?" fragte der Millionär kühlen, überlegenen Tones. Höhnisches Gelächter folgte der Frage. „Streik, Streik! Wir haben mit Ihnen zu sprechen!" klang es wild und wirr durcheinander. „Sendet mir eine Deputation, die Eure Beschwerden mir in Ordnung vorträgt," erklärte Johann Wilhelm mit aller Bestimmtheit. „Sind Eure Beschwerden berechtigt, so sollen sie berücksichtigt werden, dafür" stehe ich ein. Ihr wißt ja, daß ich mein Wort halte." Er mußte sich beim Sprechen schon sehr anstreugen, da ihm der unerwartete Auftritt arg zusetzte. „Geht jetzt. Ich bin »och sehr schwach. Wie gesagt, sendet Deputierte! Heute »och, wenn Ihr wollt. Macht Euch a» Eure Arbeit, damit Ihr den Tagelohn nicht verliert." Die Nächststeheuden wichen beruhigt zurück. Sie hatten Neumanns Zusage, er werde ihre Angelegen heit prüfen, das genügte ja. Sie redeten in diesem Sinne auf ihre Kameraden ein, unter denen einige Mißmutige sich mit dem Bescheid noch nicht so recht abzufinden vermochten. Aber ihre Stimmen kamen nicht auf; das besonnene Element trug den Sieg davon. In einigen Minuten war das Zimmer leer. Nur die Kalk- und Sandspureu auf dem glänzenden Parket- bode», und der beißende Qnalm billigen Tabaks, der in langen, grauen Schwaden in die sonnige Luft des Gartens entwich, sprachen noch von dem Morgenbesuch der ungebetene» Gäste. Sorglich neigte sich Thilda über de» Vater, der Eingesandt. Der Schulvorstand zu Rabenstein geht dem Ver nehmen nach mit dem Plane um, in nächster Zeit einen geeigneten große« Platz für die künftige Erban- uug einer Zentralschule mit Turnhalle anzutaufen.